Übung macht den Meister? Lernaufgabentypen im Hochschulfach Software Engineering Paula Figas, Alexander Bartel, Georg Hagel, Hochschule Kempten {paula.figas, alexander.bartel, georg.hagel}@hs-kempten.de Zusammenfassung auf, um Lernaufgaben zu beschreiben. Allen Ansätzen gemein ist, dass das Lernen im Lernaufgaben spielen in der Hochschuldidaktik, Vordergrund steht: Durch die Aufgabenbearbeitung insbesondere im Kontext vorlesungsbegleitender sollen Lernprozesse angestoßen und eine Übungen, eine große Rolle. Umso erstaunlicher ist Kompetenzentwicklung angeregt werden. Nach es, dass es bis dato kaum Untersuchungen in diesem Keller & Bender (2012, S. 8) können dies schriftliche Bereich gibt. Dabei stellen sich zahlreiche Fragen: „...Problemstellungen und Arbeitsanleitungen [sein], Wie sind Lernaufgaben in dem tertiären Bildungs- welche (...) zur Auseinandersetzung mit einem sektor aktuell konzipiert? Welche Lernaufgaben- speziellen Unterrichtsinhalt anregen“. Dabei geht es typen können unterschieden werden? Im Rahmen darum, Wissen aufzubauen und zu vertiefen (Maier, des Verbundprojekts EVELIN (Abke et al., 2012) Kleinknecht & Metz, 2010) und darum, „gestaltungs- wurde eine Dokumentenanalyse von insgesamt 350 und kompetenzorientierte Lernsituationen“ Teilaufgaben von fünf deutschen Hochschulen und bereitzustellen (Bloemen & Schlömer, 2012, S. 128). Universitäten im Fach Software Engineering durch- Dies kann beispielsweise in Form von geführt. Dabei erwiesen sich die vier Aufgabentypen Aufforderungen geschehen, bestimmte Handlungen a) Erarbeitungsaufgaben, b) Wiederholungs- und auszuführen, Fragen zu beantworten oder Probleme Übungsaufgaben, c) Anwendungsaufgaben und d) zu lösen (Pahl, 1998). Lernaufgaben können auch freie Gestaltungsaufgaben als besonders wichtig. spielerisch – beispielsweise durch einen Gamification-basierten Ansatz – Eingang in die Lernaufgaben Lehre finden (Bartel, Figas & Hagel, 2014a). Lernaufgaben sind zu separieren von lerndiagnostischen Aufgaben, wie Test- und Was sind Lernaufgaben? Leistungsaufgaben: Testaufgaben zielen auf das Was ist eine Lernaufgabe? Klammert man den Überprüfen und Diagnostizieren von Wissen und Lernaspekt zunächst aus und betrachtet lediglich Kompetenzen ab (Maier, Kleinknecht & Metz, 2010). das Substantiv Aufgabe, so wird deutlich, dass Leistungsaufgaben dienen der Überprüfung des dieses verschiedene Bedeutungen vereint: Laut dem erreichten Kompetenzniveaus und werden daher Duden (2013) wird es einerseits definiert als „etwas, häufig benotet. Hierbei stehen Leistungsziele und was jemandem zu tun aufgegeben ist“ und gleich- Erfolge im Vordergrund (Abraham & Müller, 2009). zeitig in Verbindung gesetzt mit dem Aufgeben, im Eine Lernaufgabe bewegt sich stets im Span- Sinne von Nichtfortsetzen. Im pädagogischen nungsfeld der didaktischen Fragen: Wer (Ziel- Kontext existiert eine Pluralität an unterschiedlichen gruppe) soll was (Inhalt) von wem (Lehrende) wann Begriffsdefinitionen. Ellis (2003, S.2) weist darauf (Zeitpunkte) mit wem (Sozialform) wo (Lernorte) wie hin, „…that in neither research nor language peda- (Methoden) womit (Medien) wozu (Zielsetzung) gogy is there complete agreement as to what con- lernen (Frank & Iller, 2013)? Dementsprechend viele stitutes a task”. Während Seel (1981) und Prabhu fachdidaktische Ansätze gibt es, Lernaufgaben (1987) Lernaufgaben als ein Instrument der Instruk- näher zu kategorisieren und zu differenzieren. tionspsychologie betrachten und sich Astleitner & Arnold & Thillosen (2002) ziehen als Unterschei- Herber (2007) auf kognitivistische Lerntheorien dungsmerkmale unter anderem die Position im stützen, greifen Krogoll (1998) und Keller & Bender Lernmaterial, die Sozialform der Aufgabenbearbei- (2012) zentrale Aspekte der Ermöglichungsdidaktik Axel Schmolitzky, Anna Sabine Hauptmann (Hrsg.): SEUH 2015 21 tung, den Komplexitätsgrad oder die angestrebten Lernaufgaben im Hochschulfach Software Kompetenzen heran. Engineering (SE) Neuere Ansätze der Lernaufgabenkonstruktion Die Funktion von Lernaufgaben beziehen sich häufig auf den schulpädagogischen Nachdem Lernaufgaben in der Forschung lange Zeit Bereich. Doch auch im Hochschulkontext spielen sie verhältnismäßig wenig beachtet blieben, wurden sie in vielen Studiengängen eine zentrale Rolle. Dies ist im Zuge der kompetenzorientierten Schulpädagogik beispielsweise bei zahlreichen Veranstaltungen zum wieder neu entdeckt und rückten stärker in den Thema Software Engineering (SE) der Fall (Figas & Fokus von Publikationen und wissenschaftlichen Hagel 2014). Software Engineering – auch Diskursen (Matthes & Schütze, 2011). Immer mehr Softwaretechnik genannt – ist eine technische Ansätze beschäftigen sich mit der Konstruktion von Disziplin, welche „…sich mit allen Aspekten der kompetenzorientierten Lernaufgaben und betonen Softwareherstellung beschäftigt, von den frühen dabei die zentrale didaktische Funktion der Phasen der Systemspezifikation bis hin zur Wartung Aufgaben: Mittels Lernaufgaben können Lehrende des Systems“ (Sommerville, 2012, S. 33). Ludewig & und Lernende miteinander in Kommunikation Lichter (2007) verstehen darunter alle Aktivitäten, treten, wodurch sie „...zu Mittlern zwischen beiden welche die Erstellung oder Veränderung von ‚Welten‘ werden“ (Matthes & Schütze 2011, S. 10). Software beinhalten. Oelkers & Reusser (2008, S. 408) bezeichnen In nahezu allen informatiknahen Studiengängen Lernaufgaben sogar als „Rückgrat des Unterrichts“: gehört das Fach Software Engineering zum festen Bestandteil der hochschulischen Ausbildung (z.B. Otto-Friedrich Universität Bamberg, 2013; „Gute fachliche Lernaufgaben Technische Universität Darmstadt, 2007). In einigen materialisieren jene Wissens- und Universitäten und Hochschulen gibt es Könnenskomponenten, lösen jene Softwaretechnik sogar als eigenen Studiengang (z.B. Denk- und Arbeitsprozesse aus Universität Stuttgart, 2012; Fachhochschule Dort- und aktivieren jene analytischen mund, 2014). Viele Hochschulveranstaltungen in und synthetischen Figuren des dieser Disziplin sind zweigeteilt: Eine Vorlesung Problemlösens, Argumentierens, wird beispielsweise von regelmäßig stattfindenden Betrachtens und Deutens, um die Übungen, Tutorien oder Praktika begleitet, in es in einem bestimmten Fach im welchen die Inhalte der Vorlesung gemeinsam mit Kern geht und die dessen intellek- Übungsleitern vertieft betrachtet werden. Dies tuelle Kultur ausmachen“ geschieht primär über Aufgaben, welche die (Oelkers & Reusser, 2008, S. Studierenden bearbeiten und mit Übungsleitern 408). besprechen. Insofern rücken Lernaufgaben hier in ein besonderes Licht, da sie in vielen Fällen zum regulären Bestandteil der Veranstaltungen gehören. Eine Besonderheit von Lernaufgaben besteht darin, Doch wie sehen Lernaufgaben in diesem Fach aus? dass sie auf verschiedene Arten gestellt werden Welche Lernaufgabentypen gibt es hier und in können, wodurch eine gewisse Steuerung seitens welcher Häufigkeit tauchen sie auf? Um Antworten der Lehrenden möglich ist. Die Bearbeitung kann auf diese Fragen zu finden, wurde eine hingegen unabhängig und selbstständig erfolgen. systematische Dokumentenanalyse durchgeführt. Lernmöglichkeiten ergeben sich im umfassenden Lernaufgabenprozess nicht nur während und in der Bearbeitungsphase, sondern ebenso in der Eine Dokumentenanalyse von Lern- thematischen Einführung der Aufgabenstellung durch die Lehrperson, der (gemeinsamen) aufgaben im Hochschulfach Software Besprechung oder dem abschließenden Feedback zu Engineering den individuellen Lösungen (Figas et al., 2014). Dementsprechend viele didaktische Funktionen Methodik und Vorgehen können den Lernaufgaben zugeschrieben werden: Zentrales Ziel der Untersuchung ist es herauszufin- Sie unterstützen bei der Beantwortung der pädago- den, welche Lernaufgabentypen im Hochschulfach gischen Grundfragen, wie und was gelehrt werden Software Engineering unterschieden werden kön- soll und dienen der Repräsentation und Veran- nen, wie diese konkret aussehen und welche Rück- schaulichung von Wissensinhalten. Darüber hinaus schlüsse dies für die Lehre von Software Enginee- geben sie die Möglichkeit das Gelernte zu wieder- ring zulässt. Dafür wurde eine systematische holen, zu üben und anzuwenden. Es können Reflek- Dokumentenanalyse durchgeführt. Nach Ballstaedt tions- und Denkprozesse angestoßen und die (1987, S. 203) geht es in einer Dokumentenanalyse Lernenden dazu ermutigt werden, eigene Lösungs- um die Interpretation und Analyse von modelle zu entwickeln (z.B. Steindorf, 2000; Heitz- „...Hervorbringungen oder Zeugnisse[n] menschli- mann & Niggli, 2010). chen Handelns, Denkens und Erlebens, die in 22 Axel Schmolitzky, Anna Sabine Hauptmann (Hrsg.): SEUH 2015 natürlichen Situationen entstanden sind und erst Insgesamt ist eine große Heterogenität bezogen auf nachträglich zur Beantwortung einer Forschungs- die Inhalte der einzelnen Aufgaben an unterschied- frage herangezogen werden“. Fokussiert werden lichen Hochschulen zu verzeichnen. In jeder Lehr- demnach vorhandene Materialien, welche nicht veranstaltung sind thematische Schwerpunkte zu mehr erhoben werden müssen. Dies können sowohl erkennen, trotz der Vielfalt an Software Engineering Filme, Tonbänder, Gegenstände, Texte als auch – Themen. wie in vorliegender Studie – didaktisches Material, wie Lernaufgaben, sei (Ballstaedt, 1987). Ergebnisse – Lernaufgabentypen In der Dokumentenanalyse wurden Aufgaben Die Stichprobe wurde auf Merkmale unterschiedli- von Lehrveranstaltungen mit dem Namen „Softwa- cher Aufgabentypen untersucht. Entscheidend dabei retechnik“ bzw. „Software Engineering“ aus fünf war die Aufgabenintention: Wozu werden die zufällig ausgewählten deutschen Hochschulen Studierenden angehalten? Sollen sie die Lösung untersucht. Insgesamt beträgt die Stichprobe, selbst erarbeiten oder etwas bewerten? Sollen sie inklusive aller Teilaufgaben, N = 350 Aufgaben. etwas selbst entwerfen? Dabei wurde sich an beste- Unter Teilaufgaben werden dabei Unterpunkte einer henden Ansätzen der didaktischen Aufgabendiffe- Aufgabe verstanden, welche in sich abgeschlossene renzierung orientiert (z.B. Hinney et al., 2008; Arbeitsanweisungen darstellen. Häufig werden Matthes & Schütze, 2011). diese durch Aufzählungszeichen oder Nummerie- Die Ergebnisse der Analyse zeigen ein buntes rungen voneinander getrennt und signalisieren Bild: Viele verschiedene Formate finden in Veran- damit einen thematischen Zusammenhang zwischen staltungen zum Thema Software Engineering den Aufgaben einerseits und eine eigenständige Eingang. Sowohl vom Inhalt, der Instruktion, der Aufgabenlogik andererseits. Sie sind jeweils einge- grafischen Gestaltung als auch den vorgegebenen bettet in Aufgabenblätter, welche die Studierenden Rahmenbedingungen unterscheiden sich die Aufga- begleitend zur Vorlesung wöchentlich bearbeiten ben zwischen den Hochschulen und sogar innerhalb und im Anschluss in Übungen oder Tutorien be- einer Veranstaltung. sprechen. 6 Prozent der untersuchten Aufgaben enthalten Im Schnitt befinden sich 6,03 Aufgaben auf ei- eine Aufforderung, sich selbst Wissensinhalte zu nem Aufgabenblatt. Die Dokumente selbst sind in erarbeiten. Ein verhältnismäßig häufiges Format sich vollständig und liegen in digitaler textueller hierfür ist das Thematisieren eines bis dato unbe- Form vor. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt dabei kannten Inhaltes und die daran geknüpfte Aufforde- auf folgenden Bereichen: rung, Begriffe oder den Sachverhalt selbst in der Literatur nachzuschlagen. Diese Aufgaben können • Softwareentwurf: Hierbei liegt der Fokus beson- unter dem Terminus Erarbeitungsaufgaben subsum- ders auf dem Einsatz der UML (Unified Mode- miert werden (vgl. Abb. 1). Sie dienen im Lernpro- ling Language) als Modellierungssprache mit zess der Erarbeitung eines Themas bzw. Gegen- ihren gängigen Diagrammtypen (Anwendungs- fall-, Aktivitäts-, Zustands-, Komponenten-, Objekt- und Klassendiagramm). • Programmierung: Zahlreiche Aufgaben adressie- ren die Umsetzung objektorientierter Konzepte oder Entwurfsmuster mit den Programmier- sprachen Java, C# oder C++. Vereinzelt sollen Aufgaben auch mit Pseudocode bearbeitet werden. Abb. 1: Beispiel für eine Erarbeitungsaufgabe • Entwicklungswerkzeuge und -methoden: Für die standbereichs. Hierbei soll die „Aneignung und Bearbeitung von Aufgaben werden UML-Mo- Ausdifferenzierung subjektiver Regelhypothesen dellierungswerkzeuge, wie der Sparx Enterprise und metasprachlicher Prüfoperationen bei den Architect oder integrierte Entwicklungs- Lernenden“ erfolgen (Hinney et al., 2008). umgebungen, wie Eclipse oder Visual Studio, 38 Prozent der Aufgaben zielen darauf ab, be- eingesetzt. reits gelernte Inhalte noch einmal abzufragen, zu • Projektmanagement: Wesentliche Inhalte von festigen oder zu wiederholen. Dabei sollen Aufgaben sind hier vor allem die Anwendung Fachbegriffe definiert und Beispiele dazu gegeben von einschlägigen Methoden und Techniken des werden. Es geht darum, bereits bekannte Projektmanagements, wie die Anfertigung einer Sachverhalte in eigenen Worten zu umschreiben, Software-Risikoanalyse. individuelle Beispiele zu finden oder • Softwaretest: Hierbei geht es insbesondere um Zusammenhänge zwischen Themenbereichen Testprozesse und dazugehörige Testarten. herzustellen. An manchen Hochschulen gehört eine fünfminütige Präsentation zum festen Bestanteil jeder Übung, in welcher je fünf subjektiv als wichtig Axel Schmolitzky, Anna Sabine Hauptmann (Hrsg.): SEUH 2015 23 empfundene Punkte der letzten Vorlesung von den Abb. 3). An manchen Universitäten werden die Studierenden zusammengefasst, erläutert und mit Aufgaben dazu in ein Beispielprojekt eingebettet, den Kommilitonen diskutiert werden. Diese Art der welches die Studierenden ein ganzes Semester begleitet und anhand dessen verschiedene UML- Diagramme geübt werden können (Bartel, Figas & Hagel, 2014b). Auch einfache Programmieraufgaben werden dazu gezählt. Diese Merkmale entsprechen dem Lernaufgabentyp Anwendungsaufgabe. Diese intendieren, das Gelernte auf neue Situationen zu übertragen. Dazu werden unter anderem Analyse-, Transfer-, Problemlösungs- und Strategieaufgaben gezählt (Matthes & Schütze, 2011, S. 10). Nur wenige Aufgaben (5 Prozent) enthalten eine Aufforderung, etwas Eigenes, Neues zu entwickeln. Hierbei geht es darum, eigene Ideen zu generieren. Meist bezieht sich dies auf Modellierungsaufgaben Abb. 2: Beispiel für eine Wiederholungs- und Übungsaufgabe Aufgaben wurde zu Wiederholungs- und Übungsaufgaben zusammengefasst (vgl. Abb. 2). Sie fungieren als Instrument, Gelerntes zu wiederholen und zu vertiefen (Hinney et al., 2008). Rund die Hälfte der Aufgaben, 51 Prozent, fo- kussiert die praktische Anwendung von bereits gelernten Inhalten. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um das Modellieren von UML-Diagram- men. In verschiedenen Konstellationen werden die Studierenden dazu aufgefordert, zu fiktiven oder realistischen Beispielen und Szenarien eigene Abb. 4: Beispiel für eine freie Gestaltungsaufgabe oder komplexe Programmieraufgaben (vgl. Abb. 4). Dieser Lernaufgabentypus zählt zu den freien Gestaltungsaufgaben. Dabei geht es darum, „…eine Situation zu planen und zu realisieren, ein Verfah- ren zu entwerfen oder ein Produkt zu konzipieren“ (Tulodziecki, Herzig & Blömeke, 2004, S.94). Im Gegensatz zu den anderen Lernaufgabentypen sind hierbei sowohl Kreativität als auch fundierte fachli- che Kenntnisse Voraussetzung zur Bewältigung der Aufgaben. Rückschlüsse für Lernaufgaben in der kompetenzorientierten SE-Lehre Insgesamt konnten vier Lernaufgabentypen in den untersuchten Dokumenten identifiziert werden. Andere, in der Literatur ebenso als bedeutsam beschriebene Lernaufgabentypen, wie Beurteilungs- aufgaben (Tulodziecki, Herzig & Blömeke, 2004), konnten in den analysierten Aufgaben nicht wieder- gefunden werden. Dies zeigt bereits deutlich, worauf der Fokus der Aufgaben im Bereich der hochschulischen Software Engineering Ausbildung insgesamt liegt: Bereits in der Vorlesung gehörte Abb. 3: Beispiel für eine Anwendungsaufgabe Inhalte sollen in einer tieferen Ebene durchdrungen, Diagramme nach den vorgegebenen Richtlinien der ergänzt, vertieft und praktisch angewendet werden. UML zu erstellen und somit das theoretische Gerüst Betrachtet man die Ergebnisse der Studie unter aus der Vorlesung selbst praktisch zu erproben (vgl. der Lupe einer durch Bologna geforderten kompe- 24 Axel Schmolitzky, Anna Sabine Hauptmann (Hrsg.): SEUH 2015 tenzorientierten Didaktik, so lässt dies Rückschlüsse damit nur selten über die reine Wissensanwendung auf die Lehre von Software Engineering zu. Kom- hinausgegangen wird. petenzen sind weit mehr als reines Fachwissen. Sie In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, umfassen die Fähigkeiten, Fertigkeiten und das dass die Lernaufgabentypen aufeinander aufbauen Wissen einer Person, bestimmte Probleme zu lösen und in einem gestaffelten Lehrkonzept Eingang in sowie die damit verbundene Bereitschaft die Prob- die Hochschuldidaktik finden. So müssen lemlösungen kreativ und selbstorganisiert in neuen Studierende beispielsweise in der Lage sein, ein Situationen nutzen zu können (Erpenbeck & Rosen- UML-Klassendiagramm in einem abgegrenzten stiel, 2007; Weinert, 2001). Insbesondere in der Kontext selbstständig zu erstellen. Das hierfür Softwareentwicklung erfordern viele Aktivitäten ein benötigte Wissen, z.B. die entsprechenden hohes Maß an Selbstorganisation und Kreativität, Notationselemente, kann durch Erarbeitungs- sowie wie beispielsweise das Modellieren von Übungs- und Wiederholungsaufgaben erlangt und Fachkonzepten, das Entwerfen von System- gefestigt und in einem späteren Schritt in architekturen oder das Suchen von neuen Anwendungs- und Gestaltungsaufgaben vertieft Algorithmen (Balzert, 2008). werden. Denn wie bereits Romeike (2007, S. 61) Wie in Tab. 1 zusammengefasst, ergeben sich feststellte, ist„…ein solides Grundwissen im Betäti- hierbei Unterschiede bei den jeweiligen Aufgaben- gungsgebiet Voraussetzung für jeden kreativen typen: Bei Erarbeitungs- sowie Übungs- und Prozess“. Dies deutet darauf hin, dass vermittelte Wiederholungsaufgaben soll die Bearbeitung unter Kenntnisse, Arbeitspraktiken oder -routinen als Bezugnahme von Lösungsrichtlinien zu einem Fundament für die Kompetenzentwicklung fungie- definierten Ergebnis führen und bei den ren können, jedoch darauf aufbauend neue Situatio- Studierenden in erster Linie zu einem nen in der Lehre geschaffen werden müssen, die es Wissenserwerb beitragen. Dabei ist der Gestaltungs- erfordern, selbstorganisiert und kreativ zu arbeiten. spielraum einer Lösung bei der Bearbeitung dieses Daher rückt die Frage in den Vordergrund, wie freie Aufgabentyps durch den fachlichen Inhalt Gestaltungsaufgaben verstärkt in die Hochschul- eingegrenzt. Die Gruppe der Anwendungsaufgaben lehre implementiert werden können ohne dass der stellt den weitverbreitetsten Lernaufgabentyp im Arbeitsaufwand für die Dozierenden zu sehr Bereich Software Engineering dar. Auch hierbei geht ansteigt. Möglichkeiten hierfür ergeben sich Tab. 1: Übersicht der Lernaufgabentypen es darum, unter Einbezug von bestehendem Wissen beispielsweise in der Einbettung neuer Medien und Inhalte angeleitet und selbstständig anwenden zu der damit verbundenen Lernformen (E-/M- können. Bei den freien Gestaltungsaufgaben Learning) in den Vorlesungsbetrieb. So können in hingegen sollen Lernende mittels Fachwissen einer Lehrveranstaltung Wiederholungsfragen zu selbstständig etwas Eigenes entwickeln und zuvor bereits erlerntem Stoff onlinebasiert zur Verfügung unbekannte Probleme lösen. Daran wird ersichtlich, gestellt werden, um nicht nur das Faktenwissen von dass für eine nachhaltige Kompetenzentwicklung Studierenden repetitiv zu erweitern, sondern zudem insbesondere die freien Gestaltungsaufgaben von Abwechslung einzubringen und Selbstbestimmung Bedeutung sind. Gleichzeitig legen die Ergebnisse im Lernprozess zu fördern (Bartel, Figas & Hagel, der Analyse nahe, dass dieser Aufgabentyp nur sehr 2014b). Damit können die Aneignung und sporadisch in der Lehre eingesetzt wird und dass Wiederholung von Wissen zuzüglich zur Vorlesung systematisch unterstützt und Kapazitäten dafür Axel Schmolitzky, Anna Sabine Hauptmann (Hrsg.): SEUH 2015 25 geschaffen werden, Anwendungsaufgaben zu freien Arnold, P. / Thillosen, A. (2002): Aufgabenorien- Gestaltungsaufgaben weiter zu entwickeln. tiertes Lernen in telematischen Studienmodulen: Für die Studierenden gilt es, einen geeigneten Aufgabenformen, Aufgabentypen und Aufga- zeitlichen Rahmen für die Aufgabenbearbeitung als bengestaltung. In: Zimmer, G. (Hrsg.): High- Orientierung zu setzen. Für Dozierende hingegen Tech or High-Teach: Lernen in Netzen zwischen lässt sich dem Problem des höheren Korrektur- und Aktualität und Potenzialität. Dokumentation Besprechungsaufwands von freien Gestaltungs- der Beiträge im Workshop 7 der Hochschultage aufgaben nur durch mehr zeitliche oder personelle Berufliche Bildung 2002 an der Universität zu Ressourcen beikommen. Denn selbst vielver- Köln. Bielefeld: Bertelsmann, 35–45. sprechende Verfahren, wie die automatische Kon- Astleitner, H. / Herber, H.-J. (Hrsg.) (2007): Task- sistenzprüfung von UML-Diagrammen (z.B. Rasch and Standard-based Learning. Frankfurt: Peter & Wehrheim, 2003), lassen nur eingeschränkt eine Lang. Aussage über die Qualität einer Lösung zu einer freien Gestaltungsaufgabe – in diesem Fall einer Ballstaedt, S. P. (1987): Zur Dokumentenanalyse in Modellierungsaufgabe – zu. der biographischen Forschung. In: Jüttemann, G. / Thomae, H. (Hrsg.): Biographie und Psycholo- gie. Berlin und New York: Springer, 203–214. Zusammenfassung Balzert, H. (2008): Lehrbuch der Softwaretechnik. Es gilt festzuhalten, dass Lernaufgaben im Fach Softwaremanagement. Heidelberg: Spektrum. Software Engineering in den Übungen eine bedeu- tende Rolle einnehmen. Das typische Format besteht Bartel, A. / Figas, P. / Hagel, G. (2014a): Mobile dabei aus Aufgabenblättern, welche eine Game-Based Learning in University Education. Zusammenstellung von unterschiedlichen In: Feller, S. / Yengin, I. (Hrsg.): Educating in Lernaufgaben beinhalten. Dialog: Constructing meaning and building Insgesamt lassen sich vier Typen von Lernauf- knowledge with dialogic technology. Amster- gaben unterscheiden, welche je eine unterschiedli- dam: Benjamins, 159–180. che Bedeutung zu haben scheinen: Der Fokus der Bartel, A. / Figas, P. / Hagel, G. (2014b): Using a Lernaufgabentypen liegt auf Anwendungsaufgaben. Scenario-Based Approach for Learning Software Diese ermöglichen es, den theoretischen Input der Engineering. In: Hagel, G. / Mottok, J. (Hrsg.): Vorlesungen durch praktische Anwendung Proceedings of the European Conference on anzureichern. In allen fünf untersuchten Software Engineering Education. Aachen: Bildungseinrichtungen wurde dies bestätigt. Shaker Verlag, 167–179. Wiederholungs- und Übungsaufgaben nehmen Bloemen, A. / Schlömer, T. (2012): Berufliche Hand- ebenfalls eine sehr bedeutsame Rolle ein, Erarbei- lungskompetenz. In: Paechter, M. et al. (Hrsg.): tungsaufgaben werden hingegen fast gar nicht Handbuch Kompetenzorientierter Unterricht. eingesetzt. Möglicherweise ist die Ursache dafür, Weinheim und Basel: Beltz, 119–139. dass die Aufgaben als Ergänzung zur Vorlesung konzipiert werden. Auch freie Gestaltungsaufgaben Duden (2013): Duden online. Deutsche Rechtschrei- wurden insgesamt nur sehr sporadisch festgestellt, bung.URL: wenngleich in ihnen das größte Potenzial liegt, dem http://www.duden.de/rechtschreibung/Aufgabe, Anspruch einer kompetenzorientierten Lehre Zugriff am 11.09.2013. gerecht zu werden. Ellis, R. (2003): Task-based Language Learning and Teaching. New York: Oxford University Press. 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