=Paper= {{Paper |id=Vol-1429/paper1 |storemode=property |title=Medizintechnik - Eine interdisziplinäre Herausforderung in der Forschung |pdfUrl=https://ceur-ws.org/Vol-1429/Proceedings_CURAC_2012_Paper_1.pdf |volume=Vol-1429 |dblpUrl=https://dblp.org/rec/conf/curac/BrandstadterBS12 }} ==Medizintechnik - Eine interdisziplinäre Herausforderung in der Forschung== https://ceur-ws.org/Vol-1429/Proceedings_CURAC_2012_Paper_1.pdf
    Medizintechnik – Eine interdisziplinäre Herausforderung in der
                              Forschung
Wissenschaftlicher Beitrag für die 11. CURAC Jahrestagung 2012
                                S. Brandstädter¹, M. W. Büchler2, Kh. Sonntag¹

¹ Universität Heidelberg, Institut für Psychologie, Abteilung Arbeits- und Organisationspsychologie, Heidelberg
 2
   Universitätsklinikum Heidelberg, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie, Heidelberg

            Kontakt: simone.brandstaedter@psychologie.uni-heidelberg.de

Abstract:

Interdisziplinäre Projekte sind häufig nicht so erfolgreich wie erwartet und brauchen unverhältnismäßig viel Zeit
und Geld. Gerade die Medizintechnik ist jedoch auf erfolgreiche Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen
angewiesen. Welche Problembereiche treten auf und wie können diese vermieden werden? In einem
interdisziplinären Graduiertenkolleg der DFG wurden über zwei Jahre qualitative und quantitative
Evaluationsdaten gewonnen und im Hinblick auf Problembereiche und Fördermöglichkeiten analysiert. Neben
typischen interdisziplinäre Herausforderungen, z.B. falschen gegenseitigen Erwartungen, zeigten sich spezifische
Problembereiche, wie Zeitmangel forschender Ärzte und unterschiedlicher disziplinärer Stellenwert der
Forschung. Zu den wichtigsten förderlichen Kompetenzen zählten mündliches Verständnis, Argumentation und
Koordination. Mögliche Interventionen zur Förderung durch strukturelle Anpassung und
Kompetenzentwicklungsmaßnahmen werden vorgestellt. Derzeit wird ein Training für eine gute interdisziplinäre
Zusammenarbeit entwickelt.

Schlüsselworte: Interdisziplinäre Zusammenarbeit, Forschungsevaluation, DFG Graduiertenkolleg 1126

1       Problem
Interdisziplinäre Forschung kann definiert werden als „a mode of research by teams or individuals that integrates
information, data, techniques, tools, perspectives, concepts, and/or theories from two or more disciplines or
bodies of specialized knowledge to advance fundamental understanding or to solve problems whose solutions are
beyond the scope of a single discipline or field of research practice“ [1]. Das Hauptproblem interdisziplinäre
Zusammenarbeit ist, dass sie meistens nicht so erfolgreich ist wie erwartet. Die Zusammenarbeit ist mit einigen
Problemen behaftet: Vertreter eines Faches teilen eine Forschungskultur, spezifische Annahmen, Theorien und
Methoden, die sich von Disziplin zu Disziplin unterscheiden und eine Barriere in der Zusammenarbeit darstellen
[2]. Die in der Forschung vorfindbaren interdisziplinären Problembereiche lassen sich grob in fünf Kategorien
unterteilen. Unter Kommunikationsschwierigkeiten fallen Probleme des Missverstehens wie z.B. durch
Fachsprache. Die disziplinären Vorstellungen über das richtige Vorgehen in der Forschung führen häufig zu
Methodenproblemen. Ein weiteres Problemgebiet ist die gemeinsame Definition des Gegenstands und Ziel des
Projekts. Durch Unkenntnis der anderen Disziplin kommt es häufig zu Vorurteilen und falschen Erwartungen
über die Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit. Zusätzlich treten durch die enge Zusammenarbeit
auch häufig gruppendynamische Probleme auf [3].
Auch in der medizintechnischen Forschung treffen sehr unterschiedliche Disziplinen aufeinander. Für die
erfolgreiche Entwicklung von innovativen neuen medizintechnischen Produkten ist eine enge Zusammenarbeit
zwischen Medizin und Disziplinen wie Informatik oder Ingenieurwissenschaften jedoch unverzichtbar. Um
speziell die Zusammenarbeit in der Medizintechnik zu fördern, ist es notwendig zunächst die spezifischen
Anforderungen der interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Technikern1 zu definieren. In
der vorliegenden Evaluationsstudie sollen Problembereiche und strukturelle Fördermöglichkeiten untersucht
werden. Ebenso soll geklärt werden, welche Förderung auf Personenebene möglich ist. Dazu werden
erforderliche Kompetenzen bei Mitgliedern interdisziplinärer Teams erhoben. Kompetenzen werden definiert als
messbare Muster an Wissen, Fähigkeiten, Motivation, Interesse, Fertigkeiten, Verhaltensweisen und anderen
Merkmalen, die eine Person für die erfolgreiche Bewältigung ihrer Aufgaben benötigt [4].

1
 Um die Komplementarität der Medizintechnik hervorzuheben, werden nichtmedizinischen Disziplinen und
Personen hier vereinfachend als „technische Disziplinen“ und „Techniker“ bezeichnet.

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2       Methoden
Zur Untersuchung von Problembereichen und Fördermöglichkeiten wurden verschiedene Verfahren eingesetzt.
Da die Projektbearbeitung größtenteils von Doktoranden erfolgt und diese den meisten interdisziplinären
Kontakt aufweisen, wurden sie als Befragungsteilnehmer für die Erhebung ausgewählt. Die Stichprobe bestand
aus 14 Doktoranden (3 weiblich) des DFG Graduiertenkollegs 1126 im Alter von 24 bis 32 Jahren (M= 26,5;
sd=2,5). Sie gehörten zur Hälfte der Medizin (7 Personen), die andere Hälfte technischen Disziplinen, Informatik
(6 Personen), Ingenieurwissenschaften, Medizininformatik und Physik (jeweils 1 Person), an. Die Erfahrung mit
interdisziplinärer Zusammenarbeit reichten von 0,5 bis 4 Jahren, bei einem Mittel von 2,1 Jahren (sd=1,0).
Zur Überprüfung von förderlichen und hinderlichen Bedingungen wurden halbstandardisierte qualitative
Interviews mit Doktoranden des Graduiertenkollegs durchgeführt und aufgezeichnet. Sie dauerten im Mittel
51:37 Minuten (sd=14:27). Es wurden beispielhaft mögliche Problembereiche interdisziplinärer Arbeit
(Kommunikation, Methoden, Gegenstandsbeschreibung, Vorurteile) vorgestellt. Die Probanden wurden gebeten,
ihre Erfahrung in medizintechnischen Projekten zu berichten und ggf. Problembereiche zu ergänzen. Die
aufgezeichneten Interviews wurden wörtlich transkribiert und 126 Seiten Interviewmaterial in Textform nach der
qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet [5].
Zur Erhebung der Kompetenzanforderungen interdisziplinärer Arbeit wurde das Fleishman Job Analyse System
für eigenschaftsbezogene Anforderungsanalysen verwendet [6]. Es dient zur Erfassung von Fähigkeitsprofilen
und kann für die Analyse von komplexen Tätigkeiten eingesetzt werden. Die Probanden schätzen das Ausmaß, in
dem eine Eigenschaft für die erfolgreiche Bewältigung einer Arbeitstätigkeit notwendig ist, anhand von
verhaltensankernden Skalen von 1/2 = „geringes Ausmaß“, 3/4/5=“mittleres Ausmaß“ bis 6/7 = „hohes
Ausmaß“, ein. Für die vorliegende Untersuchung wurde interdisziplinäre Zusammenarbeit in den Bereichen
Kognition (21 Skalen) und Soziale/Interpersonelle Fähigkeiten und Fertigkeiten (21 Skalen) eingeschätzt.

3       Ergebnisse
Bei der Analyse von Problemen und Fördermöglichkeiten zeigten sich sowohl Bereiche die generell der
interdisziplinären Zusammenarbeit zuzurechnen sind, als auch spezifische für die Zusammenarbeit von
Medizinern und Technikern. In den qualitativen Interviews wurden von technischer Seite insgesamt 182
Aussagen zu Problemen und Fördermöglichkeiten und von medizinischer Seite 157 Aussagen genannt. In
Klammern ist gerundet angegeben, wie viele der befragten Personen eine entsprechende Aussage gemacht haben.
Bei der Kommunikation wurden wenige sprachliche Missverständnisse berichtet (28%). Mediziner gaben an, im
Studium darauf vorbereitet zu werden möglichst verständlich und ohne Fachsprache zu sprechen. Auch die
Techniker berichteten, ihre Sprache weitgehend anzupassen. Probleme gebe es vor allem, wenn technische
Gegebenheiten erklärt werden müssten. Hier helfen vor allem ein technisches Grundverständnis und die
Motivation zur Einarbeitung des medizinischen Projektpartners (43%).
Bezüglich des Gegenstands wurde ein gemeinsames Verständnis der Entwicklung neuer medizintechnischer
Produkte genannt (57%). Unterschiede zeigen sich vor allem durch die Ausrichtung der technischen Disziplinen
auf Methodenentwicklung und die Ausrichtung der Medizin auf Anwendungsevaluation (71%). Die analytische
vs. praxisorientierte Denkweise führt zu unterschiedlichen Sichtweisen. Hier helfen genaue Absprachen des
Projektablaufs inklusive eines gemeinsamen Publikationsplans (64%). Des Weiteren wurden Unterschiede in der
Einstellung berichtet (50%). Hier ist vor allem der unterschiedliche Stellenwert der Forschung in den Disziplinen
eine hindernde Bedingung. Während für Mediziner die klinische Arbeit den höheren Stellenwert einnimmt und
das Interesse an reiner Grundlagenforschung gering ist, ist für die technischen Disziplinen die (auch basale)
Forschung die Hauptaufgabe. Je anschaulicher und klinisch orientierter die Forschungsprojekte ausgerichtet sind,
desto besser funktioniert die gemeinsame Zielsetzung (21%).
Positiv in Bezug auf Methoden und Arbeitsabläufe wurden die sich ergänzenden Methoden, z.B. in Bildgebung
und Visualisierung, berichtet (43%). Neben der bereits berichteten unterschiedlichen disziplinären Ausrichtung,
die vor allem bei der Wahl geeigneter Evaluationsmethoden zum Tragen kommt, wurden am häufigsten von
zeitlichen Problemen berichtet (71%). Zum einen haben praktizierende Ärzte wenig Zeit für die Forschung und
haben einen anderen Tages- bzw. Wochenablauf. Zum anderen ist der zeitliche Horizont bei medizinischen
Doktorarbeiten, mit ungefähr einem Jahr, wesentlich geringer als bei technischen Promotionen mit meist über
drei Jahren. Bei mehrfachem Wechsel der medizinischen Projektpartner kann das Projekt ins Stocken geraten.
Des Weiteren dauert die technische Entwicklung bis zur medizinische Evaluation häufig sehr lange. In dieser
Zeit bringt das Projekt wenig Output, wie Publikationen, für die Medizin, während Input in Form von Wissen
durchaus benötigt wird. Bei der Anwendungsevaluation ist es häufig anders herum, da Techniker für die
Bedienung der Produkte häufig bei den zeitaufwändigen Versuchen (häufig auch nachts und am Wochenende)
anwesend sein müssen. Es gibt im Projektverlauf somit immer ein temporäres Missverhältnis zwischen Input
und Output für die verschiedenen Disziplinen und bedarf des Bekenntnisses zu einer langfristigen reziproken
Zusammenarbeit.
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Es wurde bestätigt, dass Vorurteile gegenüber der anderen Disziplin bestehen (100%). Mediziner schätzen ihre
technischen Kollegen als weltfremd und praxisfern ein. Im Gegenzug haben Techniker Zweifel, dass Mediziner
ihre anspruchsvolle Technik überhaupt verstehen können, geschweige denn wollen. Generell zeigte sich aber,
dass sich Vorurteile durch regelmäßige Kommunikation abbauen lassen (36%). Ein größeres Problem stellen die
falschen Erwartungen an die andere Disziplin dar (71%). Durch fehlendes Hintergrundwissen werden der
Arbeitsaufwand und auch die Grenzen sehr häufig sehr falsch eingeschätzt. Hier muss vor allem von technischer
Seite häufig klar gemacht werden, welche Möglichkeiten machbar sind und welche nicht. Ein weiteres Problem
ist, dass sich die jeweils eigene Disziplin als wichtiger einschätzt (57%). Dies wurde von den meisten
Doktoranden bestätigt. Die Würdigung der anderen Disziplin ist jedoch kritisch für den Erfolg der
Zusammenarbeit.
Bei Analyse von benötigten Kompetenzen für interdisziplinäre Zusammenarbeit zeigte sich, dass die nötige
Ausprägung aller eingeschätzten Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten (mit Ausnahme von räumlicher
Orientierung) als mindestens mittel (≥ 4) eingeschätzt wurden (M=4,7; sd=0,60). Aufgrund der Übersichtlichkeit
und höheren Aussagekraft werden hier im Weiteren nur Anforderungen berichtet, die im Mittel eine mindestens
hohe mittlere Ausprägung aufwiesen (≥ 5). Die erhobenen Anforderungen wurden in Fach- und
Methodenkompetenz, Soziale Kompetenz und Personale Kompetenz eingeteilt und sind mit den jeweiligen
Mittelwerten und Standardabweichungen in Tabelle 1 dargestellt.
Fach- und Methoden-         M     sd    Sozialkompetenz           M     sd    Personalkompetenz        M     sd
kompetenz
Mündliches Verständnis      5,9   0,8   Argumentation             5,5   0,9   Koordination             5,7   0,7
Mündlicher Ausdruck         5,8   0,6   Kontaktfähigkeit          5,2   1,5   Offenheit für Neues      5,3   1,0
Schriftliches Verständnis   5,5   0,8   Verhandlungsgeschick      5,0   1,0   Zuverlässigkeit          5,3   1,1
Originalität                5,3   1,1                                         Verhaltensflexibilität   5,2   0,8
Problemwahrnehmung          5,2   1,1                                         Frustrationstoleranz     5,0   1,4
Schriftlicher Ausdruck      5,1   1,0                                         Vermeiden vorschnel-     5,0   1,1
                                                                              ler Entscheidung
    Tabelle 1: Erforderliches Ausmaß an Kompetenzen für erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit
Bei einigen Kompetenzen werden nach Rundung hohe Ausprägungen erreicht. Besonderes Ausmaß wird
benötigt an: Mündliches bzw. schriftliches Verständnis, die Fähigkeit gesprochene bzw. geschriebene Wörter und
Sätze anzuhören bzw. zu lesen und zu verstehen. Tätigkeiten mit hoher Ausprägung erfordern das Verständnis
komplexer oder detaillierter Informationen, die mündlich bzw. schriftlich präsentiert werden und unübliche
Worte und Sätze, sowie feine Unterscheidung der Wortbedeutung beinhalten. Mündlicher Ausdruck ist die
Fähigkeit, beim Sprechen Worte und Sätze so zu verwenden, dass andere diese verstehen. Hohes Ausmaß
bedeutet, anderen komplizierte Sachverhalte klar und strukturiert mitteilen zu können. Argumentation ist die
Fähigkeit, eigene Begründungen und Schlussfolgerungen mündlich zu verteidigen. Bei hohem Ausmaß sind als
Antwort auf Kritik komplexe Begründungen und logische Erklärungen gefordert. Koordination ist die Fähigkeit,
Arbeitspläne und Aktivitäten zu strukturieren, so dass sie mit den Zeitplänen, dem Arbeitsstil und dem
Arbeitstempo von anderen übereinstimmen, sowie notwendige Änderungen in Zeitplänen vorzunehmen. Hohe
Ausprägung erfordern komplexes Organisieren und Strukturieren, um Aktivitäten und Zeitpläne mit vielen
Individuen zu koordinieren.

4       Diskussion
In der Medizintechnik konnte die Relevanz bekannter Problembereiche interdisziplinärer Forschung, wie
Kommunikation, Zeit, Einstellung, Nähe, Arbeitsklima oder Publikationen, bestätigt werden [7]. Allerdings
zeigen sich auch Unterschiede in der Bedeutsamkeit von Problembereichen. Während der Forschungsgegenstand
relativ klar definiert ist und Kommunikation weniger problematisch eingeschätzt wird, ist ein großes Problem
speziell in der Medizintechnik der unterschiedliche Stellenwert der Forschung. Die Wichtigkeit der Klinik führt
zu Zeitproblemen und durch die lange Entwicklungszeit von medizintechnischen Produkten ist die Abstimmung
des Projektplans enorm wichtig. Zu unterschiedlichen Projektphasen ist der Arbeitsaufwand und
wissenschaftliche Nutzen der Disziplinen temporär immer wieder im Ungleichgewicht. Regelmäßige
Projekttreffen, in denen die geplanten Arbeitsschritte, Erhebungen und vor allem auch Publikationen festgelegt
werden, stellen sicher, dass der Arbeitsertrag über die Projektphasen für beide Kooperationspartner gleichwertig
ist. Die Präsenz des persönlichen Nutzens fördert das Engagement und die Bindung zum Projekt. Eine
Möglichkeit ist zum Beispiel auch die geteilte Erstautorenschaft oder das Nutzen kollaborativer Software zur
gemeinsamen Kontrolle des Projektfortschritts. In den Evaluationen des Graduiertenkollegs konnte immer
wieder bestätigt werden, dass Projekte mit häufigeren Arbeitstreffen erfolgreicher sind.
Um angemessene medizintechnische Produkte zu entwickeln ist es nötig, dass die technischen Projektpartner
engen Kontakt zur medizinischen Disziplin bekommen und über das gesamte Projekt halten. Die
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Doppelbesetzung von Projekten mit jeweils einem technischen mit einem medizinischen Doktoranden ist eine
Besonderheit im Graduiertenkolleg, deren beispielhafter Erfolg in der zweiten Förderphase bestätigt wurde. Der
Doktorand der jeweils anderen Disziplin fungiert als direkter Ansprech- und „Lernpartner“ möglichst über das
gesamte Projekt und fördert in hohem Maße die Verbindung des disziplinären Wissens. Durch das gemeinsame
Projekt wird ein reziproker Vertrag geschlossen, was die Motivation und gegenseitige Hilfe entscheidend positiv
verstärkt.
Unterschiede in Aufwand und Zeitpunkt der Promotion führt ebenfalls zu Problemen. Medizinische Doktoranden
befinden sich meist noch im Studium und können nur teilweise das notwendige Wissen an die technischen
Projektpartner weitergeben. Von struktureller Sicht ist es deswegen sehr hilfreich, Mediziner nach der
Ausbildung in das Projektteam zu integrieren. Assistenzärzte und Postdoktoranden als direkte Betreuer und
mittlere Ebene zwischen Doktorand und Projektleitung fördern die Zusammenarbeit. Projekte im
Graduiertenkolleg, in denen es gelang eine Betreuerebene zu integrieren, profitierten deutlich in Bezug auf
Projektverlauf und Zufriedenheit.
Regelmäßige Kommunikation und persönlicher Austausch ist für den Abbau von Vorurteilen und falschen
Erwartungen besonders hilfreich. Neben fachlichen Arbeitsbesprechungen ist informelle gemeinsame Zeit
besonders förderlich. Diese stärkt den Zusammenhalt, bringt Motivation zur gemeinsamen Arbeit und hilft
Hemmungen abzubauen, Kritik zu äußern oder nach Hilfe zu fragen. Aktivitäten wie gemeinsame Essen sind
besonders geeignet in freien Diskurs zu kommen und neue Kooperationen aufzubauen [7].
Neben diesen strukturellen Fördermöglichkeiten können personelle Fördermaßnahmen integriert werden. In
Bezug auf Fach- und Methodenkompetenz können Weiterbildungsveranstaltungen hilfreich sein. So können die
als in besonderem Maße notwendigen Kompetenzen wie Mündlicher Ausdruck, Schriftlicher Ausdruck,
Argumentation oder Koordination durch klassische Weiterbildungen in den Bereichen Rhetorik, Scientific
Writing, Verhandlungstraining/Konfliktmanagement und Projektmanagement gefördert werden. Im Graduierten-
kolleg wird ein darauf angepasstes Studienprogramm in Form von meist zweitägigen Workshops angeboten.
Neben inhaltlicher Vermittlung stärken diese gemeinsamen Aktivitäten zudem den Zusammenhalt.
Eine Limitation der Studie ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere medizintechnische Projekte und
Institution, da alle befragten Personen aus einem Graduiertenkolleg stammen. Des Weiteren ergeben sich die
besonderen Probleme interdisziplinärer Zusammenarbeit zu einem wesentlichen Teil aus der disziplinären
Sozialisation. Jede Disziplin hat ihre eigene Wahrnehmung von Realität in Abhängigkeit von disziplinären
Theorien, Methoden und Einstellungen. Meist wurde nicht gelernt, dass die eigene Denk- und Arbeitsweise eine
von vielen möglichen ist und neben spezifischen Vorteilen auch Beschränkungen aufweist. Dies führt zu
Vorurteilen und falschen Erwartungen gegenüber der anderen Disziplin. Für erfolgreiche interdisziplinärer
Zusammenarbeit ist es notwendig, die unterschiedlichen disziplinären Sichtweisen zu erkennen, zu reflektieren
und für sich nutzen zu lernen. Hier kann ein Training helfen, dass speziell für interdisziplinäre Forschung
relevante Kompetenzen, wie Perspektivenübernahme, Reflexionsfähigkeit, Empfänglichkeit für andere
Disziplinen oder Würdigung von Diversität fördert [8]. Ein solches Training wird derzeit im DFG
Graduiertenkolleg 1126 entwickelt und evaluiert.

Danksagung: Wir danken der DFG für die Unterstützung im Rahmen des Graduiertenkollegs 1126/2
(Entwicklung neuer computerbasierter Methoden für den Arbeitsplatz der Zukunft in der Weichteilchirurgie).

5       Referenzen
[1]     National Academy of Sciences, Facilitating interdisciplinary research, National Academies, 2004, S.26
[2]     Laudel, G., Interdisziplinäre Forschungskooperation - Erfolgsbedingungen der Institution
        ‘Sonderforschungsbereich’, Edition Sigma, 1999
        [3]     Defila, R., Di Giulio, A., Drilling, M., Leitfaden – Allgemeine
        Wissenschaftspropädeutik für interdisziplinär-ökologische Studiengänge, Schriftenreihe
        „Allgemeine Ökologie zur Diskussion gestellt“, IKAÖ, 2000
        [4]     Sonntag, Kh., Kompetenztaxonomien und -modelle: Orientierungsrahmen und
        Referenzgröße beruflichen Lernens bei sich verändernden Umfeldbedingungen, Nova Acta
        Leopoldina NF 100, Nr.
        364, 2009
[5]     Mayring, P., Qualitative Inhaltsanalyse - Grundlagen und Techniken, Beltz Verlag, 2010
        [6]     Kleinmann, M., Manzy, D., Schuhmacher, S., Fleishman, E. A., Fleishman – Job Analyse
        System für eigenschaftsbezogene Anforderungsanalysen - Deutschsprachige Bearbeitung des
        Fleishman Job Analysis Survey by E.A. Fleishman, Hogrefe, 2010
        [7]     Epstein, S. L., Making Interdisciplinary Collaboration Work, Derry, S. J., Schunn, C. D.,
        Gernsbacher, M. A., Interdisciplinary Collaboration, Lawrence Erlbaum, 2005
[8]     Repko, A., Interdisciplinary Research – Process and theory, Sage Publishing, 2012
                                                     4