=Paper=
{{Paper
|id=Vol-1429/paper12
|storemode=property
|title=MUKNO - Multi-Port-Knochenchirurgie am Beispiel der Otobasis Virtuelle Planung und Machbarkeitsanalyse multiangulärer Bohrkanäle
|pdfUrl=https://ceur-ws.org/Vol-1429/Proceedings_CURAC_2012_Paper_12.pdf
|volume=Vol-1429
|dblpUrl=https://dblp.org/rec/conf/curac/SteninHBHKS12
}}
==MUKNO - Multi-Port-Knochenchirurgie am Beispiel der Otobasis Virtuelle Planung und Machbarkeitsanalyse multiangulärer Bohrkanäle==
MUKNO - Multi-Port-Knochenchirurgie am Beispiel der Otobasis Virtuelle Planung und Machbarkeitsanalyse multiangulärer Bohrkanäle Wissenschaftlicher Beitrag für die 11. CURAC Jahrestagung 2012 I. Stenin¹, S. Hansen1, M. Becker2, J. Hirschfeld1, B. Bojovic1, T. Klenzner1, J. Schipper1 ¹ Hals-Nasen-Ohrenklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf, Germany ² Graphisch-Interaktive Systeme GRIS, Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD), Darmstadt, Ger- many Kontakt: stefan.hansen@uni-duesseldorf.de Abstract: Minimal-invasive Zugangswege zur seitlichen Schädelbasis sind bereits in ersten Kadaverstudien bei Cochlea Implan- tationen untersucht worden. Hierbei wird ein Bohrkanal angelegt für einen Zugang zum Innenohr zur Positionierung einer Cochlea-Implantat-Elektrode. Die übliche chirurgische Praxis verlangt jedoch derzeit eine weitgehende Freile- gung sensibler und z.T. lebenswichtiger neurovaskulärer Strukturen im Zielgebiet der seitlichen Schädelbasis (Otoba- sis). Der hier vorgestellte Ansatz einer Multiport-Knochenchirurgie mit drei Bohrkanälen zu verschiedenen Zielstruktu- ren der Otobasis erlaubt eine deutliche Erweiterung der Indikationen für minimal-invasive Zugänge in diesem Bereich. Anhand hochauflösenden Computertomographien des Felsenbeins wurden die relevanten Strukturen wie A. carotis in- terna, N. facialis oder Labyrinthorgan manuell segmentiert und in eine speziell für MUKNO entwickelte Planungssoft- ware eingelesen. Diese erlaubte die Berechnung möglicher Trajektorien zu einer in der Otobasis gelegenen Zielstruktur sowie die Erstellung einer Machbarkeitsanalyse. Schlüsselworte: MUKNO, Otobasis, Bohrkanal, Computertomographie, Cochlea Implantation, minimally invasive sur- gery, image-guided surgery, chirurgische Planungssoftware 1 Problem Dem Patientenwunsch entsprechend nach minimal-traumatischen Operationsprozeduren mit kalkulierbaren Operations- risiken und geringerer Morbidität sowie medicolegal nachvollziehbaren, objektiv dokumentierbaren Operationsmetho- den wird im Rahmen des Projektes Multi-Port-Knochenchirurgie am Beispiel der Otobasis (MUKNO) die Durchfüh- rung gewebeschonender Operationsverfahren an der Otobasis untersucht. Erste Ansätze einer minimal-invasiven Tech- nik an der Otobasis gibt es im Bereich der hörprothetischen Versorgung mit einem Cochlea Implantat [1]. Bisher sind gewebeschonende Operationsverfahren an der Otobasis durch multianguläre Bohrkanäle jedoch nicht möglich. Der Chi- rurg legt stattdessen über ein Operationsfenster sämtliche Kollisionsstrukturen frei (explorative Chirurgie), wodurch jedoch ein großes operatives Trauma geschaffen wird mit einer entsprechend erhöhten Morbidität. In Analogie zur La- paroskopie in der Viszeralchirurgie bedarf es zur Durchführung von minimal-invasiven Zugangswegen an Knochen- strukturen wie der seitlichen Schädelbasis einer entsprechenden hochpräzisen Planung sowie Visualisierungs- und De- tektionssystemen zur Lokalisation der Lage des Bohrkanals in seiner Umgebung [2]. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage für MUKNO. Für die Entfernung eines Krankheitsprozesses im Knochenbereich, dem Einbringen von Me- dikamenten (Drug-Delivery) oder dem Eröffnen einer Weichteilstruktur (Saccus endolymphaticus oder Epidermoidzys- te) bedarf es einer bestimmten räumlichen Anordnung der Bohrkanäle bzw. des Rendevue-Punktes für die dazu notwen- dige chirurgische Manipulation. Sowohl die Winkel als auch die Nähe zu Kontaktstrukturen muss vorher in Abhängig- keit von der Pathologie untersucht werden und hat damit wiederum Einfluss auf die knöchernen Operationskanäle ne- ben den zu passierenden Kollisionsstrukturen. 44 2 Methoden Es wurden 12 native Dünnschicht-Computertomographien von Patienten ausgewählt, die im Rahmen einer geplanten operativen Intervention eine entsprechende präoperative Bildgebung erhalten hatten. Die Daten wurden von Standard . -CT-Scannern der radiologischen Abteilung des Universitätsklinikums Düsseldorf erstellt und hatten eine mittlere Auf- lösung von 0,19 x 0,19 x 0,39 mm3 Die für eine Intervention kritischen neurovaskulären Strukturen bzw. deren Grenz- flächen wie Labyrinthorgan mit Innenohr und Gleichgewichtsorganen, Nervus facialis, Arteria carotis interna, Chorda tympani und innerer Gehörgang wurden manuell segmentiert, Gehirn und Schädelknochen wurden einer automatischen Segmentierung zugeführt (ITK Snap). Die anhand des vorliegenden 2D-Datensatzes segmentierten Regionen wurden dann extrahiert und über den „Marching Cube“ Algorithmus [3] als 3D-Model in den „Simulation Open Framework Architecture (SOFA) C++“ Programmierrahmen eingelesen. Mit diesem für MUKNO spezifizierten Softwaretool er- folgte die Planung der Bohrkanäle. Über ein selbst erstelltes „Graphical User Interface“ konnten die kritischen Struktu- ren definiert werden sowie Ausgangsfläche auf dem Schädelknochen und der Zielpunkt der Bohrkanäle bestimmt wer- den. Zusätzlich konnte der Durchmesser des Bohrkanals, dessen Abweichung von der Bohrachse und der minimale Ab- stand von den Zielstrukturen sowie die Anzahl der Bohrkanäle frei variiert werden. Das Planungstool berechnete alle innerhalb der Vorgaben möglichen Trajektorien und konnte sowohl die kollisionsfreien als auch kollidierten Trajektori- en innerhalb des 3D-Modells anzeigen (Abb. 1). Die kollisionsfreien Bohrkanalkombinationen können in Abhängigkeit von ihrem Winkel zu einander gelistet werden. Es wurden jeweils drei Zielregionen innerhalb der 3D-Modelle definiert, die als chirurgisches Zielgebiet in Frage kommen: rundes Fenster, innerer Gehörgang und Felsenbeinspitze. Für die Zielregion „innerer Gehörgang“ wurde jeweils auf der axialen Schicht des CT Felsenbeins diejenige Schicht ausgewählt, auf welcher das Ganglion geniculi abgrenzbar war. Hierauf wurde der Zielpunkt jeweils auf der Hälfte der Strecke in Längs- und Querrichtung des inneren Gehörgangs ausgewählt. Anhand der möglichen Kanälen wurden jeweils 3 Bohrkanäle ausgewählt mit Berücksichtigung der größtmöglichen Durchmesser bei gleichzeitig großem Öffnungswinkel. Die kleinsten, mittleren und größten Bohrkanäle aller Modelle wurde zusammengefasst und statistisch ausgewertet. A B Abb. 1: Berechnung und graphische Darstellung aller möglichen kollisionsfreier Trajektorien bzw. Bohrkanäle am Beispiel des chirurgischen Zielgebietes „innerer Gehörgang“ (A) im 3D-Modell des Felsenbeins sowie Auswahl einer 3-Kanal-Kombination anhand des größten Öffnungswinkels und der größten Bohrkanaldurchmesser (B) 3 Ergebnisse Die Planung der Bohrkanal-Kombination für die Zielstruktur „rundes Fenster“ zeigte als mittleren Bohrkanaldurchmes- ser einen Wert von 2,8 mm. Bei der Zielstruktur „innerer Gehörgang“ ergab sich ein Durchmesser von 2,8 mm und bei der „Felsenbeinspitze“ von 2,9 mm. Die Streubreite aller Durchmesser variierte deutlich (von 1,0 mm bis 5,8 mm) (Tab. 1). Bzgl. Öffnungswinkel war folgender Trend zu beobachten: In Richtung innerer Gehörgang zeigte sich in den meisten Fällen ein kleiner und zwei größere Winkel. Die Winkel bei der Felsenbeinspitze sind insgesamt deutlich kleiner als bei den anderen Zielstrukturen und haben eine größere Streuung. Diese war durch die sehr variable Ausdehnung der hinte- ren Schädelgrube bedingt. Bei der Zielstruktur „rundes Fenster“ entsprach in den meisten Fällen eine Trajektorie dem Weg zwischen N. facialis und Chorda tympani, dem sog. Chorda-Facialis-Winkel, der auch bei der konventionellen Chirurgie wie beispielsweise der Cochlea Implantation Berücksichtigung findet. 45 Bohrkanäle Rundes Fenster Innerer Gehörgang Felsenbeinspitze mittlerer Durchmesser [mm] 2,8 3,1 2,9 minimaler Durchmesser [mm] 1,0 1,6 1,4 maximaler Durchmesser [mm] 4,0 5,0 5,8 mittlerer Öffnungswinkel 2 104,2 107,5 37,5 Tabelle 1: Mittlere Durchmesser der bei den Zielstrukturen „rundes Fenster“, „innerer Gehörgang“ und „Felsenbein- spitze“, sowie die mittleren Öffnungswinkel 4 Diskussion Eine individuelle Machbarkeitsanalyse für eine Multi-Port-Knochenchirurgie setzt ein neues Atlantenwissen im Sinne der Indikation und chirurgischen Vorgehensweise beim Anlegen der Knochenkanäle voraus. Hierbei muss die räumliche Anordnung des Kontaktraums am Zielpunkt untersucht und definiert werden. Die individuelle Machbarkeit wird dann auf Basis dieser Erkenntnisse sowie über eine OP-Planungssoftware für jeden einzelnen Patienten einschließlich Fehl- bildungen beschrieben. Anhand der hier gezeigten virtuellen Planung einer MUKNO-Operation ist die Aussage mög- lich, ob die Multi-Port-Knochenchirurgie durchführbar ist oder der Patient einer konventionelle Operation zugeführt werden muss. Die Streubreite der Daten zeigt zudem die Notwendigkeit einer individuellen, patientenangepassten Machbarkeitsanalyse. Der mittlere Durchmesser der Bohrkanäle ist mit minimal 1,0 mm sehr klein für chirurgische Instrumente. Eine zunehmende Miniaturisierung der Instrumente, insbesondere im Bereich der optischen Systeme, führt jedoch möglicherweise zu einer Zunahme potentieller MUKNO-Patienten. Eine Unsicherheit der MUKNO-Planungs- software besteht zur Zeit in der Auswahl geeigneter Bohrkanalkombinationen. Dieses Problem resultiert vor allem aus der Schwierigkeit, einen optimalen Rendevue-Punkt bzw. die Größe und die geometrische Beschaffenheit des Arbeitsraumes am Zielpunkt zu definieren. Dieser ist wiederum auch von Größe und Flexibilität noch zu entwickelnder medizinischer Instrumente oder Manipulatoren abhängig. Die Software kann aber dahingehend weiterentwickelt werden, ggf. zunächst mit dem Kriterium eines möglichst großen Arbeitsraumes an der Zielstruktur. Mögliche Anwendungen des Verfahrens sind die Planung von Zugangswegen von Operationen verschiedenster Krank- heitsprozesse der seitlichen Schädelbasis wie die Behandlung der Ertaubung mit einer Cochlea Implantationen, Akusti- kusneurinome oder Felsenbeinspitzenprozesse (z.B. Cholesteringranulome, Osteomyelitiden, Epidermoid, Tumore bzw. Histologiesicherung). Auch Indikationen zum „Drug Delivery“ von neurotrophen Substanzen oder für eine Stammzellt- herapie sowie elektrische cochleäre Stimulationen bei Tinnitus könnten zukünftig eine Rolle spielen. Weiterhin dient die Etablierung der Planungsalgorithmen auch zur Übertragung der Methode auf Anwendungen in anderen Fachdisziplinen wie Unfallchirurgie, Orthopädie oder Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie. Die angestrebten Weiterentwicklungen von MU- KNO betreffen die Ungenauigkeiten bei der Bildgebung, die sich durch den gesamten Planungs- und Behandlungspro- zess ziehen, die Entwicklung einer geeigneten Bohrplattform mit navigierbaren Bohrelementen sowie die Durchführung von Kadaverstudien. Gefördert durch die DFG, Fördernummer: FOR 1585 5 Referenzen [1] Labadie RF, Noble JH, Dawant BM, Balachandran R, Majdani O, Fitzpatrick JM. Clinical Validation of Percutaneous Cochlear Implant Surgery: Initial Report. Laryngoscope. 2008 [2] Schipper J, Lohnstein P, Stummer W, Knapp F, Turowski B, Klenzner T. [Modification of the retrola- byrinthine approach with hearing preservation in CPA tumors]. Laryngorhinootologie. 2010 [3] Lorensen WE, Cline HE, Lorensen WE, Cline HE. Marching cubes: A high resolution 3D surface con- struction algorithm. ACM SIGGRAPH Computer Graphics. New York, USA: ACM; 1987 46