11. CURAC-Jahrestagung, 15.-16. November 2012, Düsseldorf Bestimmung und Visualisierung von Abstandsmaßen für die interaktive Chirurgiesimulation S. Adler¹, I. Rössling², M. Fröhlich³, C. Wex³, L. Dornheim², R. Mecke¹ ¹ Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung, Magdeburg, Deutschland ² Dornheim-Medical-Images GmbH, Magdeburg, Deutschland ³ Universitätsklinikum Magdeburg, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Magdeburg Kontakt: simon.adler@iff.fraunhofer.de Abstract: Die Etablierung neuer Operationsmethoden hängt unter anderem davon ab, welche chirurgischen Eingriffe mit dieser Methode erfolgen können und Vorteile für den Patienten bieten. Eine zentrale Fragestellung bei minimalinvasiven Ver- fahren ist, ob das Operationsgebiet von einem geplanten Zugang aus erreicht werden kann und ob die dann dort ver- bleibenden Freiheitsgrade die notwendigen Prozeduren ermöglichen. Dieser Beitrag beschreibt eine Methode, mit der kritische Abstände zwischen Instrumenten und anatomischen Strukturen in Echtzeit bestimmt und quantitativ visualisiert werden können. Das Verfahren bildet einen Teil einer virtuellen Testumgebung, mit der Chirurgen zukünftig bei der Er- probung neuer Operationsmethoden und -instrumenten unterstützt werden sollen. Schlüsselworte: Chirurgiesimulation, Visualisierung, Abstandsberechnung 1 Problem Bei der minimal-invasiven Chirurgie (MIC) werden grundlegende fachliche Qualifikationen durch Fortbildungen er- langt, bei denen der Chirurg einem Experten bei MIC-Eingriffen assistiert. Sowohl der Experte als auch der Chirurg in der Fortbildung sind während dieser Zeit im Krankenhausalltag eingebunden. Die Fortbildungszeit hängt damit von ge- eigneten MIC-relevanten Fallzahlen, aber auch von den Verfügbarkeiten des lernenden Chirurgen und des lehrenden Experten ab. Durch Computersimulatoren kann der Lernfortschritt gemessen und automatisiert bewertet werden [1]. Hierdurch kann die Fortbildungszeit verkürzt werden, da das Training motorischer Fähigkeiten patientenfern und vom Experten unabhängig erfolgen kann. Der primäre Trend in der MIC besteht in der Verringerung von Traumata, wodurch die Genesungszeit verkürzt und das kosmetische Ergebnis verbessert werden. Bei der Single-Port Technik (SPT) werden, im Vergleich zur klassischen MIC, das Endoskop sowie die erforderlichen Instrumente nebeneinander durch einen Zugang (meist im Bauchnabel des Pati- enten) eingeführt. Bisher gibt es zur SPT vor allem Berichte einzelner Kliniken, wobei für eine weite Etablierung die Machbarkeit und die Vorteile für Patienten wissenschaftlich untersucht werden müssen [2]. Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei, ob durch einen geplanten Zugang das Zielgebiet der Operation erreicht werden kann und ob die dort verblei- benden Freiheitsgrade ausreichen um die notwendigen Prozeduren durchzuführen. Bisher wird dies durch sukzessive Erweiterung bereits etablierter Operationen beantwortet, wobei die SPT ohne Verfahrenswechsel in eine konventionelle MIC oder in einen offen-chirurgischen Eingriff konvertiert werden kann. Um das Testen von Zugängen, alternativen Zugangswegen und Operationen mit neuen Methoden zu unterstützen, wird eine VR-Simulation als Testumgebung entwickelt. Die Testumgebung soll den Chirurg bei der Beantwortung derartiger Fragestellungen unterstützen und dabei potentielle Sicherheitsrisiken aufzeigen. In der Simulation besteht unter anderem die Möglichkeit, vorhandene Instrumente zu variieren, so dass der Chirurg prü- fen kann, ob Anpassungen vorhandener Instrumente Vorteile für eine Operation bringen oder diese erst ermöglichen. Zu Beginn kann der Chirurg in der Testumgebung Zugänge in einer Volumendarstellung der diagnostischen Bilddaten defi- nieren und vergleichen. Die reine Volumendarstellung wird in weiteren Schritten mit 3-D Modellen der anatomischen Strukturen ergänzt. Nach der Definition des Zugangs kann anhand statischer Modelle die Navigation in das Zielgebiet erprobt werden, um kritische Bereiche während der Navigation zu identifizieren. Hierfür wird für die Instrumente ein kritischer Abstand definiert. Beim Unterschreiten dieses Abstandes soll die noch verbleibende Distanz bis zu einem Kontakt in Echtzeit bestimmt und auf den Oberflächen der betroffenen anatomischen Strukturen visualisiert werden. Zur Bestimmung der Abstände eignen sich keine Verfahren der Kollisionserkennung, da eine Annäherung von Eintreten 69 11. CURAC-Jahrestagung, 15.-16. November 2012, Düsseldorf eines Kontaktes ermittelt werden muss. Im Bereich medizinischer Anwendungen sind nur wenige Arbeiten bekannt, die die Berechnung von Abständen zwischen triangulierten Modellen fokussieren. Preim et al. [3] verwenden eine Appro- ximation mit hierarchischen Kugelvolumina, wobei das Verfahren nicht dynamische und in der Position unveränderliche Modelle fokussiert. Rössling et al. [4] nutzen Quader als hierarchische Hüllkörper, die im Masseschwerpunkt (Bary- zentrum) der beinhalteten Primitive unterteilt werden, als Suchbäume. Solche Verfahren erfordern jedoch Vorberech- nungen der hierarchischen Strukturen, die bei dynamischen Modellen (affine Transformation und Deformation) aktuali- siert werden müssen, wodurch die Echtzeitfähigkeit nicht mehr garantiert werden kann. 2 Methoden Die vorgestellte Methode adressiert interaktive Simulationen mit statischen und dynamischen virtuellen Modellen. Sta- tische Modelle können interaktiv durch affine Transformationen manipuliert werden. Dynamische Modelle (Organe, Gefäße) können zusätzlich einer Gewebesimulation unterliegen, so dass auftretende Kräfte während Interaktionen zu Formveränderungen führen können. Die Methodik wurde für die beschriebene Testumgebung entwickelt und eignet sich auch für den Einsatz in Trainingssimulationen. Für jedes Instrument 𝐼 der Simulation wird ein Mindestabstand 𝑑 definiert, den es zu anatomischen Strukturen ein- halten sollte. Außerhalb dieses Abstandes gilt die Annäherung des Instrumentes als unkritisch. Für die Oberflächenmo- delle der Organe und Gefäße wird in Echtzeit ermittelt, ob ein Instrument diesen Mindestabstand unterschritten hat. Diese Berechnung erfolgt auf Basis der Eckpunkte der Organ- und Gefäßmodelle. Um eine interaktive Simulation auch bei mehreren komplexen Modellen zu gewährleisten, wird in Abschnitt 2.1 ein Verfahren zur Verteilung der Berechnung auf mehrere Simulationsschritte beschrieben. Organ- und Gefäßmodelle haben unterschiedliche Modelleigenschaften, die in den Abschnitten 2.2 und 2.3 zur effizienten Berechnung der Abstandsmaße differenziert betrachtet werden. 2.1 Verteilung der Abstandsdetektion Um Abstandsberechnungen für Modelle mehrerer anatomischer Strukturen (z.B. Abdomen) in Echtzeit zu ermöglichen, wird die Berechnung auf mehrere Zeitschritte aufgeteilt. Dennoch muss eine möglichst geringe Latenz zur Detektion eines unterschrittenen Mindestabstandes gewährleistet werden. Hierfür wird der maximale Mindestabstand 𝑑 = max(𝑑 ) aller Instrumente ermittelt, ab dem eine Distanz für alle Instrumente unkritisch ist. Für jedes anatomische Modell werden die Eckpunkte mittels Mersenne-Twister [5] in Objekt-Listen 𝐿 randomisiert. Befindet sich die Ober- fläche eines Instrumentes 𝐼 zum Eckpunkt 𝑝 eines Organs 𝑂 in einer kritischen Distanz 𝑑(𝑝 ) ≤ 𝑑 erfolgt die Ri- sikoeinstufung 𝑟 = 𝑑(𝑝 )/𝑑 , anhand derer der Eckpunkt in die gemeinsame Risiko-Liste L als kritischer Eck- punkt einsortiert wird. In jedem Simulationsschritt wird das Zeitintervall zur Abstandsberechnung vorgegeben. Die Berechnung erfolgt in zwei Phasen (Abb. 1). Die erste Phase nutzt maximal die Hälfte der vorgegebenen Zeit zur Aktualisierung kritischer Abstän- de in 𝐿 . Ausgehend vom kritischsten Eckpunkt werden die Abstände und die Risikoeinstufungen aktualisiert. Gilt der Abstand nicht mehr als kritisch, wird der Punkt aus 𝐿 entfernt und an die zugehörige Liste 𝐿 angefügt. Abb. 1: In Phase 1 werden Punkte kritischer Abstände aktualisiert. In Phase 2 werden neue kritische Abstände gesucht. In der verbleibenden Zeit des Zeitintervalls werden neue kritische Abstände in der zweiten Phase ermittelt. In jeder Be- rechnung wird ein Eckpunkt einer Objekt-Liste 𝐿 untersucht. Die Liste wird über eine Zufallsfunktion (Gewichtung abhängig von der Eckpunktanzahl) ausgewählt. Liegt ein neuer kritischer Abstand vor, wird der Endpunkt in 𝐿 ver- schoben. Ansonsten wird der Punkt wieder in 𝐿 angefügt. 70 11. CURAC-Jahrestagung, 15.-16. November 2012, Düsseldorf Durch die Verteilung der Berechnung auf mehrere Simulationsschritte und den randomisierten Test der Eckpunkte wird eine geringe Latenz erreicht. Da in den Simulationsschritten ein festes Zeitintervall zur Ermittlung kritischer Bereiche verwendet wird, ist auch eine Integration in komplexe Simulationsumgebungen möglich. 2.2 Abstandsdetektion für Organe Modelle der Organe werden durch triangulierte Oberflächennetze repräsentiert, bei denen je Eckpunkt 𝑝 eine Oberflä- chennormale 𝑛⃗ definiert ist. Beim Suchen nach kritischen Eckpunkten (Abb. 1, Phase 2) erfolgt ein Schnitttest zwi- schen einem Strahl in Richtung der Normalen mit 𝑟 = 𝑝 + 𝑑 𝑛⃗ und den Instrumentenoberflächen (Abb. 2, A). Durch die Verwendung hierarchischer Hüllkörper sowie die Begrenzung der Strahlenlänge auf 𝑑 kann ein Schnitt- punkt frühzeitig ausgeschlossen werden (early reject). Für jeden Schnittpunkt auf einem Instrument wird der Abstand zum Eckpunkt 𝑑(𝑝 ) ermittelt. Ist dieser Abstand ge- ringer als der mit dem Instrument assoziierte Sicherheitsabstand 𝑑 gilt der Eckpunkt als potentiell kritisch und wird für die weitere Aktualisierung vorgesehen. Bei der Aktualisierung der kritischen Abstände (Phase 1, Abb. 1) wird um den potentiell kritischen Eckpunkt 𝑝 ein Kugelvolumen mit dem Radius 𝑑 gebildet. Für jedes Instrument werden die Schnittpunkte 𝑝 mit dem Kugelvolumen bestimmt (Abb. 2, B). Abb. 2: Je Eckpunkt des Organmodells wird ein Strahl entlang seiner Oberflächennormale gebildet (A). Existiert ein Schnittpunkt mit einem Instrument, wird eine Kugel um den Eckpunkt gebildet. Die Risikobewertung erfolgt anhand der Schnittpunkte zwischen Instrument und Kugel. Der kürzeste auf die Oberflächennormale projizierte Abstand zwischen Schnitt- und Eckpunkt min((𝑝 − 𝑝 ) ⋅ 𝑛⃗ ) wird als Annäherung des Instrumentenabstandes verwendet. Liegt bei Suche oder Aktualisierung des Eckpunktes ein kritischer Abstand vor, werden ebenfalls dessen topologische Nachbarn für die Aktualisierung (Abb. 1, Phase 1) vorge- sehen und in 𝐿 einsortiert. 2.3 Abstandsdetektion für Gefäße Oberflächenmodelle von Gefäßen sind durch Krümmungen und variierende Radien relativ zur Ausdehnung gesehen komplexer als die von Organen. Um aufwendige Berechnungen dennoch effizient durchzuführen, werden Gefäße häufig durch ihre Mittellinie repräsentiert, bei der mit jedem Linienpunkt 𝑝 eine Radiusangabe 𝑟 assoziiert ist. Im Gegensatz zu einer Repräsentation als Oberfläche kann hierdurch das Gefäßvolumen mit weniger als 10% der Punkte implizit be- schrieben werden [6]. Für die Linienpunkte einer Mittellinie ist allerdings keine Oberflächennormale definiert. Zur Suche kritischer Linien- punkte (Phase 2, Abb. 1) wird daher, ähnlich der Aktualisierung bei Organmodellen, ein Kugelvolumen mit dem Radius 𝑑 + 𝑟 um den Linienpunkt 𝑝 gebildet (Abb. 3, A). Liegen Schnittpunkte zwischen einem Instrument und dem Kugelvolumen vor, wird dieser nun kritische Linienpunkt zur Aktualisierung vorgesehen. Bei der Aktualisierung wird eine Kontaktebene (und –normale) durch die drei Schnittpunkte mit dem geringsten euklidischen Abstand zum Linien- punkt gebildet. Der Instrumentenabstand entspricht nun dem Abstand der Kontaktebene zum Linienpunkt (Abb. 3, B). Zur Visualisierung des Gefäßes ist weiterhin ein Dreiecksnetz der Oberfläche erforderlich. Jeder Eckpunkt des Oberflä- chenmodells 𝑝 wird mit mindestens einem Linienpunkt assoziiert. Die Menge der mit 𝑝 verbundenen Linienpunkte 𝑝 wird im Folgenden als 𝑃 (𝑗) bezeichnet. Zur Visualisierung des Abstandes in einem Oberflächenpunkt werden die 71 11. CURAC-Jahrestagung, 15.-16. November 2012, Düsseldorf berechneten Abstände der Punkte in 𝑃 (𝑗) auf den Oberflächenpunkt übertragen. Hierbei wird der zusätzliche Abstand des Oberflächenpunktes zu seinen Linienpunkten durch 𝑑(𝑝 ) = 𝑚𝑖𝑛(𝑑(𝑝 ) − (𝑝 − 𝑝 )𝑛⃗) mit einbezogen, wobei 𝑛⃗ der Kontaktnormalen entspricht (Abb. 3, C). Die aufwendige Abstandsberechnung (Suche und Aktualisierung) erfolgt damit stets auf den Linienpunkten, während Risikobewertung und -visualisierung bei der Visualisierung des Oberflä- chenmodells erfolgen. Durch die Berücksichtigung des zusätzlichen Abstandes der Oberflächenpunkte zu den Linien- punkten erfolgt die Risikobewertung richtungsabhängig, wodurch für die dem Instrument zugewandten Bereiche der Oberfläche von den abgewandten Bereichen in der Visualisierung unterscheidbar ist. Abb. 3: Abstandsberechnung für Gefäße anhand der Mittellinie (A). Der Abstand eines Linienpunktes 𝑝 entspricht dem Abstand der Kontaktebene, die aus drei Schnittpunkten einer umgebenden Kugel mit der Oberfläche eines In- strumentes gebildet wird (B). Zur Visualisierung wird der Abstand zwischen Oberflächenpunkten 𝑝 zu Linien- punkten entlang der Kontaktnormale einbezogen (C). 3 Ergebnisse Zur Auswertung wurde eine generisch definierte Mittellinie verwendet (Abb. 4, oben) sowie ein auf Basis der diagnosti- schen Bildgebung generierter Datensatz der Milz (Abb. 4, unten). Genauigkeit: Für den Vergleich der Genauigkeiten wurden die Abstände zwischen dem Modell eines Instrumentes und dem generischen Gefäßmodell mit dem Tumor Therapy Manager (TTM) [7] bestimmt. Der TTM, ein kommerzielles Planungssystem, ermöglicht unter anderem die Bestimmung von Abständen zwischen Tumoren und anatomischen Strukturen zur Unterstützung des Tumorstaging. Das dort verwendete Verfahren garantiert für Oberflächennetze geo- metrisch exakte Ergebnisse [4]. Aufgrund der aufwendigen Berechnungen ist es jedoch nicht für Echtzeitumgebungen mit dynamischen Modellen geeignet. Für die Vergleichbarkeit wurde mit dem TTM die kürzeste Distanz jedes einzelnen Eckpunktes der Oberfläche des ge- nerischen Gefäßmodells zur Oberfläche des Instrumentes bestimmt. Für das Instrument wurde ein Sicherheitsabstand von 𝑑 = 2𝑐𝑚 verwendet. Im Vergleich zu den Messungen des TTM wurde im Mittel eine Abweichung von 𝜇 = 1.2𝑚𝑚 (Standardabweichung 𝛿 = 0.8𝑚𝑚) erreicht. Performance1: Die Berechnungen erfolgten mit einem Intel-I7 System mit mehreren Prozessoren, wobei sich die fol- genden Angaben auf die Nutzung eines Prozessors ohne Parallelisierung beziehen. Eine Übersicht über die Modelle und der erforderlichen Berechnungszeiten ist in Tabelle 1 aufgeführt. Das Testgefäß mit einer Oberfläche aus 219 Punkten ist in Abb. 4 (oben) und das Modell der Milz ist in Abb. 4 (unten) dargestellt. Für die Kontaktberechnung wurden in jedem Simulationsschritt 2ms vorgegeben. Für das Instrument wurde ein Sicher- heitsbereich 𝑑 = 2𝑐𝑚 definiert und besteht aus 170 Eckpunkten (326 Dreiecke). 1 Hardware: Intel i7 960, 3.2 GHz, 12 GB Ram, NVIDIA GeForce GTX 295 72 11. CURAC-Jahrestagung, 15.-16. November 2012, Düsseldorf Abb. 4: Oben: Instrument wird an ein Gefäß angenähert. (Sicherheitsabstand 2cm, Positionsänderung von 4mm je Schritt). Unten: Beispielvisualisierung einer Sonde nahe dem Milzhilus mit Milzgefäßen. Bei den Gefäßmodellen ist in Tabelle 1 zusätzlich die erforderliche Zeit angegeben, um anhand der Distanzmaße der Oberfläche die Risikobewertung auf dem assoziierten Oberflächenmodell durchzuführen und damit das Oberflächen- modell hinsichtlich der Mittellinie zu synchronisieren. Dieser Aufwand skaliert mit der Anzahl der Oberflächenpunkte linear, aber kann in hohem Maße parallelisiert werden, da die Punkte voneinander unabhängig bewertet werden können. Testgefäß Portalvene Milz Magen Linienpunkte 7 349 Oberflächenpunkte 219 1039 8793 66743 1100 3391 Suchen (Ø ms) 0,0104 0,0107 0,0096 0,011 Aktualisieren (Ø ms) 0,182 0,078 0,056 0,056 Synchronisieren (Ø ms) 1,3 4,2 51,1 391,1 Tabelle 1: Ergebnisse der Performancemessungen. Für Gefäße wurden jeweils zwei Oberflächennetze verwendet, für die zusätzlich die Zeit zur Synchronisation mit der Mittellinie angegeben wurde. Die Suche nach neuen kritischen Abständen erfordert weniger Zeit als die Aktualisierung und Bestimmung der Abstän- de. Bei der Zeitvorgabe von 2ms für die Kontaktberechnung, von der mindestens 1ms zur Suche nach neuen kritischen Abständen verwendet wird, können etwa 100 Eckpunkte Simulationsschritt überprüft werden, wobei durch das rando- misierte Prüfen der Eckpunkte eine große Flächenabdeckung erreicht wird. Werden die zur Visualisierung erforderli- chen 50Hz Aktualisierungsrate zu Grunde gelegt, können somit 5000 Eckpunkte je Sekunde auf ein potentielles Sicher- heitsrisiko geprüft werden. 4 Diskussion Die vorgestellte Methode ermöglicht die Berechnung und Visualisierung kritischer Abstände in Echtzeit und kann ins- besondere für Simulationen mit dynamischen Modellen eingesetzt werden. Da der Schwerpunkt der Berechnungen in interaktiven Simulationen mit dynamischen Modellen häufig bei der Gewebesimulation liegt (FEM, Feder-Masse Mo- delle, Kollisionserkennung, Haptik), werden die erforderlichen Abstandsberechnungen über mehrere Simulationsschrit- te verteilt. Durch die Verwendung einer Zufallsfunktion bei der Suche nach potentiell kritischen Abständen kann den- noch gewährleistet werden, dass in wenigen Simulationsschritten eine große Flächenabdeckung erreicht wird. Wurde ein kritischer Abstand gefunden, wird in diesem lokalen Umfeld priorisiert gesucht, indem benachbarte Punkte ebenfalls bei Aktualisierungen einbezogen werden. Kritische Abstände werden in jedem Zeitschritt entsprechend ihrer Risikoein- stufung aktualisiert, so dass Bereiche mit potentiell hohem Risiko eine geringe Latenz aufweisen. Die erreichte Genauigkeit ist für eine quantitative Darstellung potentieller Risiken für Simulationen des Abdomen ge- eignet. Die hohe Performance bei der Berechnung wird vor allem dadurch ermöglicht, dass alle Instrumente ab einem 73 11. CURAC-Jahrestagung, 15.-16. November 2012, Düsseldorf maximalen Abstand (𝑑 ) kein Risiko mehr darstellen, wodurch die Strahlen- und Schnitttests mit den Kugelvolumina räumlich beschränkt werden können. Für Gefäße, bei denen Oberflächendreiecksnetze eine hohe Komplexität aufweisen, wurde ein Verfahren entwickelt, das ihre besonderen geometrischen Eigenschaften berücksichtigt. Durch die Verwendung der auch in Planungssystemen üb- lichen Mittellinie können Sicherheitsabstände effizient bestimmt werden. Bei der Visualisierung des assoziierten Ober- flächenmodells ist eine Synchronisierung mit der Gefäßmittellinie erforderlich. Diese Synchronisierung kann für sehr komplexe Oberflächenmodelle ein Performanceproblem darstellen und sollte parallelisiert werden. Die Risikobewertung wird bisher als Farbgradient abgebildet. Für die bessere visuelle Abgrenzung der Risikobewertung vom eigentlichen Gewebe, sind alternative Darstellungen empfehlenswert. Die Risikobewertung sowie deren Visualisie- rung erfolgt anhand der Modelleckpunkte. Für Dreiecksnetze (Organe) wird die Visualisierung über die Dreiecksfläche trilinear interpoliert, so dass eine möglichst homogene Modelltopologie erforderlich ist. Die Evaluierung der vorgestellten Methode durch Chirurgen ist mit der Evaluierung der Testumgebung geplant, die sich aktuell noch in der Entwicklung befindet. 5 Referenzen [1] P. Lamata, P. Sánchez-Gonzáles, I. Oropesa, A. Cano, F. Sánchez-Margallo und E. Gómez, „Simulation, Planning and Navigation in Laparoscopic Surgery: Current Status and Challenges,“ in Surgical Simulation and Training - Surgery - Procedures, Complications, and Results, J. L. Huang, Hrsg., Nova Science Publishers, 2010, pp. 29-58. [2] T. Carus, „Single-Port Technik in der laparskopischen Chirurgie,“ Der Chirurg, Nr. 5, pp. 431-440, 2010. [3] B. Preim, C. Tietjen, M. Hindennach und H.-O. Peitgen, „Integration automatischer Abstandsberechnungen in die Interventionsplanung,“ Bildverarbeitung für die Medizin (BVM), pp. 259-263, 2003. [4] I. Rössling, C. Cyrus, L. Dornheim, A. Boehm und B. Preim, „Fast and Flexible Distance Measures for Treatment Planning,“ International Journal for Computer Assisted Radiology and Surgery, Bd. 5, pp. 633-646, 2010. [5] M. Matsumoto und T. Nishimura, „Mersenne Twister. A 623-dimensionally Equidistributed Uniform Pseudorandom Number Generator,“ ACM Transactions on Modelling and Computer Simulation, Nr. 8, pp. 3-30, 1998. [6] S. Adler, T. Mönch und R. Mecke, „Physics-Based Simulation of Vascular Trees for Surgery Simulations,“ 2nd In- ternational Workshop on Digital Engineering (IWDE), pp. 24-30, 2011. [7] I. Rössling, J. Dornheim, L. Dornheim, B. Preim und A. Boehm, „The Tumor Therapy Manager -- Design, Refine- ment and Clinical Use of a Software Product for ENT Surgery Planning and Documentation,“ in Information Pro- cessing in Computer-Assisted Interventions, Springer Berlin / Heidelberg, 2011, pp. 1-12. Danksagung Die vorgestellten Arbeiten wurden durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Projektes ViERforES II gefördert (Förderkennzeichen 011M100002A, http://www.vierfores.de). 74