11. CURAC-Jahrestagung, 15.-16. November 2012, Düsseldorf TAURUS Neuartiges Konzept zur patientennahen Bewegung eines Röntgen-Flachbilddetektors Sebastian Engel¹, Fabian Stopp², Marc Käseberg¹, Stephan Jantzen¹, Erwin Keeve1,2 ¹ Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK, Berlin, Germany ² Charité Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany Kontakt: keeve@charite.de Abstract: Zur Umsetzung neuer Bildaufnahmekonzepte bei der intraoperativen 3D-Röntgenbildgebung wurde ein Konzept mit unabhängig voneinander beweglicher Röntgenquelle und Röntgen-Flachbilddetektor entwickelt. Gerade zur Anwen- dung neuer Bildaufnahmestrategien ist die freie Bewegung beider Komponenten vorteilhaft. In diesem Zusammenhang wird ein Konzept einer an der Operationstischbasis montierten, fünf-achsigen Robotermechanik zur Bewegung des Röntgen-Flachbilddetektors vorgestellt. Diese befindet sich unterhalb des Operationstisches und erlaubt eine Auslen- kung des Röntgen-Flachbilddetektors seitlich und unterhalb des Zielgebietes in unmittelbarer Patientennähe. Schlüsselworte: Intraoperative Röntgenbildgebung, Roboter in der Medizin, Bewegter Röntgen-Flachbilddetektor 1 Fragestellung Heutige 3D-Röntgenbildgebungssysteme für den intraoperativen Einsatz sind durch eine starre mechanische Verbin- dung zwischen der Röntgenquelle und der Röntgendetektoreinheit gekennzeichnet. Typische Beispiele sind intraopera- tive Computertomographen [1], 3D-C-Bögen [2] sowie robotergeführte C-Bogen-Systeme [3]. Während eines Eingriffs verbleiben diese Systeme selten in der Nähe des Operationsgebietes, da der mechanische Aufbau des Bildgebungssys- tems den offenen Zugriff zum Patienten verhindert. Dies ist nachteilig, da das Heranführen und Wiederausrichten des Bildgebungssystems zum Zielbereich mit zusätzlichem, zeitlichem Aufwand verbunden ist [4]. Roboterarm mit Röntgenquelle Zielgebiet der Röntgenaufnahme Roboterarm mit Röntgen-Flachbilddetektor Abb. 1: Konzeptvariante mit bewegtem Röntgen-Flachbilddetektor des offenen 3D-Röntgensystems ORBIT, links: Simulation des ORBIT-Systems mit TAURUS, rechts: Aufbau des ORBIT- Systems in den Laborumgebungen des Fraunhofer IPK Zwecks eines offenen Bildgebungssystems sind bei unserer Konzeptvariante des 3D-Röntgenssystems ORBIT [5] die Röntgenquelle und der Röntgen-Flachbilddetektor voneinander losgelöst (Abb. 1). Aufbauend auf den Vorarbeiten die- ses ORBIT-Röntgenscanners ist das Ziel dieser Arbeit die Konzeptentwicklung einer Mechanik zur Bewegung eines Röntgen-Flachbilddetektors in der Nähe des Patienten. 211 11. CURAC-Jahrestagung, 15.-16. November 2012, Düsseldorf 2 Methoden Zur Umsetzung einer geeigneten Mechanik zur Bewegung des Röntgen-Flachbilddetektors wurden verschiedene An- forderungskriterien evaluiert. Notwendig zu betrachten waren die Anforderungen hinsichtlich des Arbeitsraums, der Patientennähe, der Integration sowie der möglichen Detektorgröße bzw. des Detektormodells und der damit verbunde- nen Arbeitslast durch das Detektorgewicht. Typischer Bewegungsbereich des Röntgen-Flachbilddetektors und der Röntgenquelle eines C-Bogens oder Computertomographen Zielgebiet/Patient Beispielhafter Aufnahmewinkelbereich zur vollständigen Re- konstruktion des Zielgebietes Angestrebter Arbeitsbereich des Röntgen-Flachbilddetektors in Patientennähe Operationstisch Abb. 2: Angestrebter Bewegungsbereich des Röntgen-Flachbilddetektors im Vergleich zu konventionel- len, intraoperativen 3D-Röntgensystemen Zur Realisierung großer Bildaufnahmen bzw. rekonstruierbarer 3D-Volumina ist, bei einer kegelstrahlförmigen Rönt- genstrahlausbreitung, der Röntgen-Flachbilddetektor möglichst nah am Patienten zu bewegen (Angestrebter Arbeitsbe- reich in Abb. 2). Damit Projektionsbilder aus jeder Richtung um den Patienten aufgenommen werden können, ist ein Bildaufnahmebereich von mindestens 180° um den Patienten anzustreben (Aufnahmewinkelbereich in Abb. 2). Dies ist zum einen vorteilhaft für die erreichbare Bildqualität der 3D-Bildaufnahme und zum anderen ggf. notwendig bei ein- zelnen Durchleuchtungen seitlich des Patienten, beispielsweise aus lateraler Richtung. Bzgl. der Integration des Systems sind der angestrebte Arbeitsraum, die geringe Raumeinnahme der Mechanik sowie ein freier Fußbodenbereich zu berücksichtigen. Der Operationstisch sollte sich ohne Bewegung der Mechanik in Längs- richtung bewegen lassen. Kipp-, Neig- und Schwenkbewegungen des Operationstisches sollte die Mechanik allerdings folgen. 3 Ergebnisse Zur Realisierung eines bewegten Röntgen-Flachbilddetektors mit den gewünschten Bedingungen wurden verschiedene Bewegungsmechaniken betrachtet. Hinsichtlich Flexibilität und Praktikabilität zeichnete sich eine Robotermechanik als zielführend ab (Abb. 3). In Zusammenarbeit mit Klinikern der Charité - Universitätsmedizin Berlin und einem industri- ellen Projektpartner wurden die wesentlichen Anforderungen hinsichtlich des Freiraums unterhalb des Operations- bzw. Aufnahmegebietes erörtert. Als eine mögliche Umsetzungsvariante wurde die in Abb. 3 dargestellte Robotermechanik betrachtet. Ausgehend von einer Montage der Roboterbasis unterhalb des Operationstisches stellen drei Drehantriebe die notwendige Basisbewegung zur Verfügung (Achsen 1, 2 und 3 in Abb. 3). Die Bewegung entlang des Operationsti- sches wird durch eine Linearachse oder wie in den Abbildungen dargestellt durch zwei Drehachsen realisiert (Achsen 4 und 5 in Abb. 3). Die Rotationsbewegung des Röntgen-Flachbilddetektors wird mithilfe einer Drehachse ermöglicht (Achse 5 in Abb. 3). Achse 5 Achse 1 Achse 4 Achse 3 Achse 2 Abb. 3: 3D-Konzeptdarstellung der, am OP-Tischbasis montierten Robotermechanik TAURUS mit fünf 212 Drehantrieben und einem 430x430 mm Röntgen-Flachbilddetektormodell 11. CURAC-Jahrestagung, 15.-16. November 2012, Düsseldorf Die Robotermechanik wurde in zwei Bewegungsräume unterschieden, die durch eine Kombination der Drehantriebe zur Verfügung gestellt werden: Die ersten drei Drehantriebe ermöglichen die Bewegung um den Patienten bzw. das Zielgebiet, die letzten beiden Drehachsen ermöglichen die Bewegung entlang des Patienten. ~ 400 mm ~ 700 mm ~ 500 mm ~ 550 mm Abb. 4: 3D-Konzeptdarstellung der an der OP-Tischbasis montierten, Robotermechanik TAURUS in Nullstellung (links und mittig) und seitlicher Auslenkung (rechts) Mithilfe von CAD-Software wurde der Arbeitsraum sowie die Kollisionsfreiheit überprüft und sichergestellt. Die in den Abbildungen dargestellte Robotermechanik ermöglicht bei dieser Form der Befestigung und Positionierung an der Ope- rationstischbasis eine Bahn um den Patienten bzw. das Zielgebiet von mehr als 180 Grad. Der benötigte Linearhub entlang des Operationstisches wird maßgeblich durch die vierte Achse, gezählt ab Operations- tischbasis, ermöglicht. Im Gegensatz zu einer Umsetzung des Linearhubs mithilfe eines Linearantriebs ist die Linear- bewegung zwar nicht unabhängig von den restlichen Antrieben, verfügt aber, aufgrund des eingesparten Linearlagers, über eine kompaktere Bauweise. Das Vorgestellte System profitiert von den voneinander losgelösten Komponenten. Während der Operation bzw. der Bildaufnahme befindet sich der Röntgen-Flachbilddetektor entweder unterhalb oder seitlich des Operationstisches, dort verhältnismäßig naheliegend zum Patienten (Abb. 4). Demgegenüber ist die Röntgenquelle weiter entfernt, oberhalb und seitlich zum Zielgebiet. Dies führt zu einem geringeren Risiko bezüglich möglicher Kollisionen zwischen Bildge- bungssystem und Patienten bei einer 3D-Röntgenaufnahme. Bei der 2D- Bildgebung ermöglicht der temporär unbeweg- te Detektor einen offenen Zugang zum Patienten ohne eine mechanische Verbindung zwischen Röntgenquelle und Röntgen-Flachbilddetektor. 4 Diskussion Vorgestellt wurde ein Konzept eines bewegten Röntgen-Flachbilddetektors mit dem Ziel, neue Möglichkeiten hinsicht- lich Systemintegration und flexiblen Bildaufnahmestrategien der intraoperativen 3D-Röntgenbildgebung zur Verfügung zu stellen. Unser Ansatz ist die Befestigung einer fünfachsigen Robotermechanik unterhalb des Operationstisches an der Operationstischsäule. Neben den Anforderungen an die Mechanik zur Bewegung des Röntgen-Flachbilddetektors muss die Operationstischplatte, aufgrund der Positionierung des Röntgen-Flachbilddetektors unterhalb des Operations- tisches, im Bereich des Aufnahmegebietes röntgendurchlässig sein. Hier eignen sich starre Operationstischplatten aus Karbon-Materialien. Segmentierte, bewegliche OP-Tischplatten eignen sich für den vorgestellten Aufbau nicht, da mit- hilfe der vorgestellten Mechanik eine Nachverfolgung der einzelnen Segmente nicht möglich ist. Die Verwendung von Multi-Segment-OP-Tischen würde eine deutlich aufwändigere Mechanik zur Folge haben. Diskutiert wurden außerdem mögliche Gefahrenquellen durch einen Kontakt des TAURUS-Systems mit Kabeln oder Schläuchen. Das Gefahrenpotential ist ähnlich zu dem der 3D-C-Bögen, der Bewegungsbereich des TAURUS-Systems muss frei von kollisionsgefährdeten Objekten sein. Gerade bei den weiter steigenden Röntgen-Flachbilddetektorgrößen und den damit verbundenen Röntgen- Flachbilddetektorgewichten werden Konzepte zur Kalibrierung der Bewegungsmechanik immer wichtiger, während bei einfachen Mechaniken die Genauigkeit rein konstruktiv erreicht werden kann. Die Realisierbarkeit des Systems ist we- sentlich vom Integrationsgrad in den OP-Tisch abhängig. Hier besteht bereits eine Zusammenarbeit mit einem namhaf- ten OP-Tisch-Hersteller bzgl. der Integration dieses Systems in den OP-Tisch. In enger Zusammenarbeit mit Bildgebungs- und OP-Tisch-Herstellern ist das nächste Ziel der Aufbau eines funktions- fähigen Labormusters. Weiterhin werden in kommenden Arbeiten die Genauigkeit, Bildaufnahmebahnen sowie Patien- tensicherheit untersucht. 213 11. CURAC-Jahrestagung, 15.-16. November 2012, Düsseldorf 5 Referenzen [1] Hoffmann J., Krimmel M., Dammann F., Reinert S., „Möglichkeiten der intraoperativen Diagnostik mit einem fahrbaren Computertomographen“, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Vol. 6, No. 5., pp. 346-350, 2002. [2] Mattes T., „Flat-Panel-Technologie im orthopädisch-unfallchirurgischen Operationssaal“, Der Unfallchirurg, Volume 115, Number 3, pp. 202–208, 2012. [3] Niebler C., Tita R., Kalender W. A., „Trajektorienreproduzierbarkeit eines robotergeführten C-Bogen- Systems“, 7. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Computer- und Roboterassistierte Chirurgie, curac.08 Tagungsband, pp. 131-133, 2008. [4] Hüfner T., Stübig T., Gösling T., Kendoff D., Geerling J., Krettek C., „Kosten und Nutzenanalyse der intraope- rativen 3D-Bildgebung“, Der Unfallchirurg, 110(1), pp. 14-21, 2007. [5] Stopp F., Käseberg M., Winne C., Marx B., Dehler J., Keeve E., „ORBIT - Open X-ray Scanner for Image- guided Interventional Surgery - Development of Concept”, INFORMATIK 2011, Lecture Notes in Informatics (LNI) – Proceedings, Series of the Gesellschaft für Informatik (GI), Köllen Druck+Verlag GmbH, 2011. Danksagung Dieses Vorhaben wird freundlicherweise durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert (Förderkennzeichen 01EZ1115) 214