Analyse prä-, intra- und post-operativer MRT-Daten bei Gliompatienten mit einem „Open Source“ Programm Wissenschaftlicher Beitrag für die 11. CURAC Jahrestagung 2012 M. Huhndorf¹, A. Nabavi² ¹ Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Institut für Neuroradiologie, Kiel, Germany ² Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Klinik für Neurochirurgie, Kiel, Germany Kontakt: monika.huhndorf@neurorad.uni-kiel.de Abstract: In der medizinischen Bildverarbeitung gibt es ein Überangebot an proprietären Softwarelösungen und kommerziel- len Programmen zur Datenvisualisierung und -bearbeitung. Hieraus ergibt sich besonders für Patienten mit hirnei- genen Tumoren die Schwierigkeit, eine einheitliche Basis zur Langzeitkontrolle zu schaffen. Es wurde untersucht, inwieweit die Open Source Forschungsplattform 3D-Slicer geeignet ist, als Basis für einheitliche longitudinale Ver- laufskontrollen etabliert zu werden. Die Machbarkeit der Implementierung der Software zu diesem Zwecke wurde anhand der Datenverarbeitungsschritte Registrierung, Segmentierung und Volumetrie untersucht. Es ließen sich zu unterschiedlichen Zeiten und mittels unterschiedlicher Techniken acquirierte Datensätze aufein- ander registrieren und ausgewählte segmentierte Strukturen volumetrieren. Schlüsselworte: Open Source Software, Tumorverlaufskontrolle, Bildbearbeitung 1 Problem Das Gesamtüberleben von Patienten mit malignen hirneigenen Tumoren ist maßgeblich abhängig vom Resektionsaus- maß der operativen Therapie[1,2,3,4]. In der Literatur ist eine positive Korrelation zwischen der Radikalität der Operation und dem Gesamtüberleben be- schrieben [1]. Es wurden in den letzten Jahren Verfahren und Hilfsmittel entwickelt, um einen Tumor maximal zu resezieren. Hierzu gehören zum Beispiel der Einsatz von Neuronavigationssystemen sowie der Einsatz von 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) [5,6]. Doch die Identifizierung malignen Gewebes stellt nicht nur intraoperativ, sondern auch bilddiagnostisch im post- operativen Verlauf eine Herausforderung dar. Die longitudinale Verlaufskontrolle nach Therapiebeginn gilt der Differen- zierung zwischen Regress, Status idem und Progress. Besteht der Verdacht eines Resttumors oder eines Rezidivs, so ist es wichtig Lokalisation und Größe des suspekten Ge - webes zu bestimmen und festzuhalten, um den weiteren Verlauf vergleichend beurteilen zu können. Um die zu unterschiedlichen Zeitpunkten akquirierte Datensätze direkt miteinander vergleichen zu können, werden ver- schiedene Anforderungen an die Software gestellt. Sie muss nicht nur in der Lage sein, radiologische Datensätze zu vi- sualisieren, sondern sie auch aufeinander zu registrieren, sie weiter zu bearbeiten und zu analysieren. Lösungen für die- ses Problem waren bisher entweder kommerziell und daher mit hohen Kosten verbunden, Insellösungen oder in ihren Möglichkeiten der Bildbearbeitung limitiert. Open Source Software bietet auf Grund der Kostenneutralität, sowie der ubiquitären Verfügbarkeit eine Basis für einheitliche longitudinale Verlaufskontrollen und in diesem Rahmen die Mög- lichkeit groß angelegter multizentrischer Studie unabhängig von finanziellen Mitteln der beteiligten Zentren. Vor die- sem Hintergrund wurde der 3D-Slicer als Open Source Software zur Visualisierung, Analyse und Bearbeitung radiologi- scher Bilddaten ausgewählt und es wurde untersucht, in wieweit und unter welchen Vorraussetzungen es möglich ist, 15 longitudinale Verlaufskontrollen operativ therapierter maligner, kontrastmittelaufnehmender Gliome unter Anwendung dieser Software durchzuführen [7]. 2 Methoden Es wurden gezielt Patienten mit kontrastmittelaufnehmenden, malignen Hirntumoren ausgewählt, die in der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Schleswig Holstein, Campus Kiel unter zu Hilfenahme des intraoperativen MRT operativ therapiert wurden. Die Visualisierung und Analyse der prä-, intra- und postoperativen MRT-Datensätze erfolgt mit dem 3D-Slicer als frei verfügbare Plattform zur Darstellung, Analyse und Bearbeitung radiologischer Volu- mendatensätze auf der Betriebssoftware Linux fedora. Die MRT-Datensätzen wurden aus dem Klinikarchiv im DICOM-Format exportiert und im selben Format in den 3D- Slicer geladen. Mit einer Kombination aus manueller und affiner Registrierung wurden alle Datensätze eines Patienten in axialer Schichtung auf einen ausgewählten axialen präoperativen Datensatz registriert. Es wurden sowohl T1- als auch T2-gewichtete Datensätze registriert. Anschließend erfolgte die manuelle Segmentierung ausgewählter Zielvolu- mina. In diesem Fall wurden das Ventrikelsystem, das präoperative Tumorvolumen und die Resektionshöhle als Ziel- strukturen festgelegt. Das Volumen der ausgewählten Strukturen wurde in ml berechnet. Abbildung 1: Registrierung; OBERE REIHE: Registrierung eines intraoperativen T1w Datensatzes auf einen präoperativen T1w Datensatz (von links nach rechts: Präoperatives Bild, Intraoperatives Bild, Fusionierte Bil- der, registrierte Bilder); UNTERE REIHE: Registrierung eines postoperativen T2w Datensatzes auf einen prä- operativen T1w Datensatz (von links nach rechts: Präoperatives Bild, postoperatives Bild, Fusionierte Bilder, Re- gistrierte Bilder) 3 Ergebnisse Die stationären anatomischen Landmarken konnten mit dem 3D-Slicer mit hoher Genauigkeit registriert werden. In keinem Fall wurde die automatische Registrierung abgebrochen. Es ließen sich sowohl T1-, als auch T2-gewichtete Bil - der registrieren. Die manuelle Segmentierung erwies sich als sehr zeitaufwendig, ist jedoch verglichen mit automati- schen Segmentierungsverfahren zuverlässiger, besonders, wenn keine klare Graustufengrenze zu benachbarten Struktu- 16 ren vorhanden ist. Die segmentierten Zielvolumina ließen sich, sowohl zum visuellen Vergleich als Modelle darstellen, als auch zum quantitativen Vergleich volumetrieren. Die Zielvolumendifferenzen in den prä- und postoperativen kon- trastmittelunterstützten T1w-Bildern reichten bei Tumorvolumina zwischen 4 ml und 73 ml von -22 ml bis +27 ml. Abbildung 2: Dreidimensionale Darstellung der segmentierten Zielvolumina; LINKS: Darstellung des Vetrikel- systems (blau), des präöperativen Tumorbefundes (gelb), der intraoperativen Resektionshöhle (grün) und der postoperativen Resektionshöhle (rot); RECHTS: Zusätzliche Darstellung der intra- und postoperativen Subdu- ralraumerweiterung, die in Addition mit der Resektionshöhle das scheinbare Resektionsvolumen darstellt. präoperatives Postoperatives Patient Tumorvolumen Resektionsvolumen Differenz 1 63,2 35,6 27,6 2 73,8 85,9 -12,1 3.a 4,1 13,6 -9,5 3.b 59,5 54,2 5,3 4 21,3 42,9 -21,6 5 22,1 34,1 -12 6 25 30,2 -5,2 7 83,2 140,7 -57,5 8 66,2 54,2 12 Tabelle 1: Ergebnisse der volumetrischen Messung in kontrastmittelun- terstützten T1w Datensätzen. (Volumen in ml; a=Erst-OP, b=Rezidiv-OP) 17 präoperatives Postoperatives Patient Tumorvolumen Resektionsvolumen Differenz 1 50,6 46,1 4,5 2 70,1 101 -30,9 3.a 5,7 13,6 -7,9 3.b 59,5 54,2 5,3 4 35 35,7 -0,7 5 25,3 26,5 -1,2 6 25 34,4 -9,4 7 105,3 146,9 -41,6 8 63 73,1 -10,1 Tabelle 2: Ergebnisse der volumetrischen Messung in T2w Datensätzen. (Volumen in ml; a=Erst-OP, b=Rezidiv-OP) 4 Diskussion Der 3D-Slicer bildet eine modulierbare Open Source Plattform zur Analyse und longitudinalen Untersuchungen von Tu- morpatienten. Registrierung, Volumetrie und Vergleichsvolumetrische Untersuchungen sind durchführbar und erlauben die Konzeption einer longitudinalen individualisierten Verlaufskontrolle auf ubiquitärer Basis. Weitere Untersuchungen beziehen die Segmentierungen weiterer Strukturen, sowie die Automatisierung der Abläufe ein, um die Beeinflussbarkeit der Ergebnisse durch den Anwender so gering, wie möglich zu halten. Bei der Interpreta- tion der quantitativen volumetrischen Ergebnisse muss berücksichtigt werden, dass die Segmentierung, auf die die Volu- metrie aufbaut im bereits registrierten Datensatz stattfindet. Dessen Bildmatrix und Schichtdicke wird während des Re- gistrierungsvorganges an die des fixierten Datensatzes angepasst, so dass auch hier eine Fehlerquelle besteht, die für die Planung weiterer Studien mit dem 3D-Slicer berücksichtigt werden muss. Optimal wäre eine einheitliche Bildmatrix und Schichtdicke aller zu registrierenden Datensätze. 5 Referenzen [1] Clarke, J., Butowski, N., and Chang, S. (2010). Recent advances in therapy for glioblastoma. Arch Neurol, 67(3):279–83. [2] Stummer, W., van den Bent, M. J., and Westphal, M. (2011). Cytoreductive surgery of glio- blastoma as the key to successful adjuvant therapies: New arguments in an old discussion. Acta Neurochirurgica, 153(6):1211–1 218. [3] Stummer, W. and Kamp, M. A. (2009). The importance of surgical resection in malignant glioma. Curr Opin Neurol, 22(6):645–9. [4] Stummer, W., Reulen, H.-J., Meinel, T., Pichlmeier, U., Schumacher, W., Tonn, J.-C., Rohde, V., Oppel, F., Turowski, B., Woiciechowsky, C., Franz, K., Pietsch, T., and ALA-Glioma Study Group (2008). Extent of resection and survival in glioblastoma multiforme: identification of and adjustment for bias. Neurosurgery, 62(3):564–76; discussion 564–76. [5] Mehdorn HM, Schwartz F, Dawirs S, Hedderich J, Dorner L, Nabavi A (2010): High-Field iMRI in Glioblastoma Surgery: Improvement of Resection Radicality and Survival for the Patient? Acta Neurochir Suppl 109:103-106. [6] Schulder, M. and Carmel, P. W. (2003). Intraoperative magnetic resonance imaging: impact on brain tumor surgery. Cancer Control, 10(2):115–24. [7] www.slicer.org 18