Taktiler Sensor auf Magnetbasis zur Telepalpation in der medizini- schen Diagnostik Wissenschaftlicher Beitrag für die 11. CURAC Jahrestagung 2012 Christoph Ledermann¹, Thomas Forreiter¹, Dr. Gavin Kane², Prof. Heinz Wörn¹ ¹ Karlsruher Institut für Technologie, Institut für Prozessrechentechnik, Automation und Robotik, Karlsruhe, Germany ²Ferchau Engineering GmbH, Osnabrück, Germany Kontakt: christoph.ledermann@kit.edu Abstract: In dieser Arbeit wird ein neuartiger magnetischer Ansatz für einen miniaturisierten taktilen Sensor vorgestellt, welcher beispielsweise zur Telepalpation notwendig ist. Das Prinzip ist dabei die implizite Positionsbestimmung eines in einer elastischen Schicht eingebetteten Permanentmagneten. Durch Einwirken externer Kräfte wird dieser Magnet verscho- ben. Durch Beobachten dieses Magnetfelds kann auf die Position des Magnetes und damit auf die externe Kraft ge- schlossen werden. Verwendet wird hierfür der neuartige HallinOne-Sensor des Fraunhofer Instituts für Integrierte Schaltungen in Erlangen, welcher dreidimensionale Magnetfelder misst und digital ausgibt. Gegenüber konventionellen taktilen Sensoren, welche auf der Messung eindimensionaler Größen (z.B. Kapazitäten) beruhen, hat dieser Ansatz durch die Messung dreidimensionaler Größen stets einen Informationsvorsprung. Die Plausibilität des Ansatzes wurde mit einfachen Mitteln simulativ und experimentell bewiesen. Schlüsselworte: Taktiler Sensor, Magnetsensor, HallinOne, Telepalpation 1 Problem In der medizinischen Diagnostik spielt die Palpation nach wie vor eine große Rolle. Der untersuchende Arzt tastet das entsprechende Gewebe ab und kann anhand des haptischen Feedbacks eine Diagnose stellen. Die Palpation von Organen im Inneren des Körpers ist nicht einfach möglich, weshalb oft bildgebende Verfahren eingesetzt werden, wie z.B. Mag- netresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT). Diese Geräte sind aber sperrig und kostspielig, wes- halb die Möglichkeit einer einfachen Palpation im Körperinneren wünschenswert ist. Ein System für eine solche Tele- palpation benötigt auf der einen Seite einen taktilen Sensor, welcher verwendet wird, um das Organ abzutasten, und auf der anderen Seite ein taktiles Display, das die Fingerspitze des Mediziners stimuliert, sowie dazwischen eine Einheit zur Signalverarbeitung. In dieser Arbeit wird ein Ansatz für einen taktilen Sensor beschrieben, welcher auf der Messung magnetischer Felder beruht. Hierfür verwendet wird der neuartige integrierte Sensor „HallinOne“ [1] des Fraunhofer Instituts für Integrierte Schaltungen in Erlangen, Deutschland, welcher in der Lage ist, direkt einen Magnetfeldvektor in drei Dimensionen zu messen und digital auszugeben. 2 Methoden 2.1 Prinzip des taktilen Sensors Die grundsätzliche Idee hinter dem taktilen Sensor ist, dass ein Permanentmagnet durch externe Kräfte seine Position verändert und sich somit das erzeugte magnetische Feld in einem magnetischen Sensor verändert. Dieses Konzept ist schematisch in Abb. 1 dargestellt und wird nun im Detail erklärt. In einem elastischen Material, z.B. Silikon, befindet sich ein Permanentmagnet. Dieser Magnet erzeugt ein konstantes magnetisches Feld. Die elastische Schicht wird über dem HallinOne-Sensor platziert, welcher die Magnetfeldstärke in drei Raumrichtungen misst. Wirkt nun eine externe Kraft auf die elastische Schicht, wird diese verformt und die Position des Magneten translatorisch und rotatorisch verändert. Dadurch verändert sich auch der gemessene Magnetfeldvektor im HallinOne-Sensor. Durch Beobachten des magnetischen Feldes in allen drei Dimensionen kann also auf die externe Kraft zurückgeschlossen werden. 186 Abb. 1: Schematische Darstellung des Prinzips des taktilen Sensors: Ein Permanentmagnet befindet sich in ei- nem elastischen Material. Wird der Magnet durch externe Kräfte verschoben, kann dies durch die Än- derungen des gemessenen Magnetfelds detektiert werden. Im Gegensatz zu herkömmlichen (z.B. ka- pazitiven) Prinzipien, welche auf der Messung eindimensionaler Größen basieren, ist hier auch die De- tektion von Scherkräften möglich, da eine 3-dimenstionale Größe gemessen wird. Herkömmliche taktile Sensoren beruhen auf der Messung eindimensionaler Größen, z.B. Kapazitäten [2] oder Wider- ständen. Damit ein einwirkender Kraftvektor ermittelt werden kann, ist somit eine Matrix aus Messelementen notwen- dig. Durch die Messung der dreidimensionalen Magnetfeldstärke ist bei unserem Ansatz die Berechnung eines Kraftvek- tors prinzipiell mit nur einem Sensorelement möglich. Die praktische, quantitative Überprüfung der Plausibilität des An- satzes erfolgte bislang für vertikal wirkende Kräfte; die Auswirkung von Scherkräften auf den taktilen Sensor wurde qualitativ überprüft. 2.2 Simulationen Mit Hilfe des FEM-Simulationsprogramms Maxwell 14.0 von Ansoft wurde zunächst das Magnetfeld eines Permanentmagneten simuliert, um die Plausibilität des Ansatzes simulativ zu überprüfen und Parame- ter für den späteren experimentellen Messaufbau festzulegen. Simuliert wurden die Magnetfelder von axial magnetisierten zylindri- schen Permanentmagneten, welche auch im späteren Messaufbau ver- wendet wurden, mit folgenden Eigenschaften: • Radius R = 1mm bzw. 0,5mm • Höhe h = 1mm bzw. 0,75mm • Remanenzflussdichte Br = 1,4T • Magnetisierung M = 900 kA/m Der Magnet wurde dabei zentral in einem Abstand d entlang der z-Achse vom virtuellen Sensor positioniert, siehe Abb. 2, in welchem Abb. 2: Das Magnetfeld wurde simuliert und im Abstand d vom Magneten gemessen. das dreidimensionale Magnetfeld berechnet wurde. Der Abstand d wurde dabei von 0mm bis 4mm variiert. Abb. 3: Simuliertes Magnetfeld im virtuellen Sensor in Abhängigkeit der Entfernung zum Permanentmagneten 187 Das Ergebnis der Simulation ist in Abb. 3 zu sehen. Erwartungsgemäß sind die Magnetfeldstärken in x- und y-Richtung quasi gleich 0, lediglich die z-Komponente des Magnetfeldes spielt eine Rolle. Idealerweise sollte der Magnet möglichst nahe am Sensor platziert werden, sodass die Änderungsrate des magnetischen Feldes möglichst groß ist; im späteren praktischen Aufbau beträgt der Abstand zwischen Magnet und Sensor etwa 2,5 bis 3,5 mm. 2.3 Experimenteller Aufbau Der experimentelle Messaufbau ist in Abb. 4 zu sehen. Das Silikonkissen mit eingeschlossenem Mag- neten wurde in zwei Schritten mit Hilfe des Sensorgehäuses hergestellt. Zuerst wurde eine Schicht Silikon mit einer definierten Dicke aus- gehärtet, auf der der Magnet ausgerichtet wur- de. Anschließend wurde eine zweite Silikon- schicht darüber gegossen, um den Magneten mit dem Silikon zu umschließen. In diese zweite Silikonschicht wurde eine Senke eingearbeitet, sodass ein an der unteren Seite des Gehäusede- ckels befindlicher Stift genau hinein passt. Das Silikonkissen wurde auf das Sensorgehäuse gelegt, in dem sich die Platine mit dem HallinOne-Sensor befindet. Es wurde dabei ma- nuell so ausgerichtet, dass sich der Permanent- magnet zentral über dem Sensor befindet. Dies wird über die Messung der z-Komponente des Magnetfelds überprüft, welche dann am größten ist. Im Grundzustand beträgt der Abstand zwischen Magnet und Sensor ca. 3,4mm. Durch Auflegen von Präzisionsgewichten auf den Gehäusedeckel wurden genau definierte Kräfte axial auf das Sili- Abb. 4: Experimenteller Messaufbau: Durch Auflegen von Gewichten drückt der Gehäusedeckel auf das Silikonkissen und verschiebt den Magneten in z-Richtung. Darunter befin- det sich der HallinOne-Sensor. konkissen ausgeübt, sodass der Permanentmagnet in z-Richtung ausgelenkt wurde. Die runde Auflagefläche hatte einen Durchmesser von 2,85mm. 3 Ergebnisse Quantitative Experimente wurden durchgeführt für zwei verschieden große axial magnetisierte Permanentmagneten mit folgenden Daten: Radius R Höhe h Remanenzflussdichte Br Magnetisierung M Magnet 1 1 mm 1 mm 1,4 T 900 kA/m Magnet 2 0,5 mm 0,75 mm 1,4 T 900 kA/m Sämtliche Messreihen wurden dabei 5-mal durchgeführt, der Mittelwert der Messungen sowie die Standardabweichung der experimentellen Messergebnisse sind in Abb. 5 dargestellt. Für beide Magnete ist zu erkennen, dass mit steigendem Gewicht und damit geringer werdendem Abstand zwischen Permanentmagnet und Sensor die Feldstärke ansteigt. Die Änderungsrate ist dabei zunächst stark und nimmt mit zunehmendem Gewicht ab. Für hohe Gewichte ist eine Sättigung zu erwarten, da das Silikon ab einer gewissen Belastung nicht mehr weiter zusammengedrückt werden kann. Außerdem ist erkennbar, dass beim größeren Magneten (Magnet 1) die Feldstärke prinzipiell höher ist und auch die Än- derung für kleine Gewichte bis 100 Gramm deutlicher ausfällt. Bei kleineren Magneten (Magnet 2) wird lediglich ein Unterschied von 0,1 mT gemessen, außerdem ist die Messungenauigkeit sehr groß, wie an der Standardabweichung zu erkennen ist. Aus diesem Grund scheint Magnet 1 besser geeignet, um taktile Sensoren zu realisieren; eventuell sollten eher größere Magnete zum Einsatz kommen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass durch die Messung des Magnetfeldes der Rückschluss auf die extern wirkende Kraft möglich ist. Die Plausibilität des Ansatzes ist also bewiesen. 188 Abb. 5: Messergebnisse: Auf der x-Achse ist das aufgelegte Gewicht in Gramm aufgetragen, auf der y-Achse die gemessene Feldstärke Bz in z-Richtung in Millitesla. 4 Diskussion und Ausblick Die Plausibilität des magnetischen Ansatzes für einen taktilen Sensor wurde sowohl simulativ als auch experimentell bewiesen. Die weitere Forschung beinhaltet nun zwei prinzipielle Richtungen: die Ausführung des Sensors als Matrix von Magneten und Sensoren und die Ausführung des Sensors als Stempel. Die erste Möglichkeit, also die Verwendung von Matrizen von Magneten und Sensoren, verspricht die Möglichkeit einer guten Ortsauflösung der eintretenden Kraft. Allerdings wird in diesem Fall die Signalauswertung erheblich komplizier- ter, da sich die Magnetfelder gegenseitig beeinflussen. Möglicherweise muss dann ein genetischer Algorithmus verwen- det werden, der die Positionen der einzelnen Magneten im Silikon schätzt. Dadurch würde es auch möglich werden, nicht axial wirkende Kräfte akkurat zu messen sowie etwaige Drehmomente zu erfassen. Näher an der Telepalpation scheint aber die Ausführung des taktilen Sensors als „Stempel“ zu sein, siehe Abb. 6. Bei Palpationsvorgängen übt der Arzt üblicherweise einen senkrechten Druck auf das zu untersuchende Gewebe aus; etwaige Tumore sind dabei durch die abweichen- de Dichte bemerkbar. Diese Prozedur kann sehr gut durch ein stempelförmiges Tastinstrument nachgestellt werden. In diesem Falle würde lediglich ein Magnet (dargestellt in gelb-braun) in ein Silikonkissen eingebaut werden und der Durchmesser des Instruments kann theoretisch bis zur Größe des verwendeten HallinOne-Chips reduziert werden (5mm). In jedem Falle werden zusätzliche Materialforschungen angestellt werden, um die Magnete ge- eignet einbetten zu können. Wichtige Fragestellungen hierzu sind die Härte des verwendeten Materials, mechanische Hystere und natürlich am allerwichtigsten die Biokompatibilität. 5 Referenzen Abb. 6: „Stempel“ als Tastinstrument. [1] Intelligente 3D-Magnetfeldsensorik, Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen (IIS), http://www.iis.fraunhofer.de/Images/MagnetfeldSensor_A4_low_tcm182-52284.pdf, letzter Abruf: 30.07.2012 [2] D. Göger, M. Blankertz, H. Woern; „A tactile proximity sensor“, IEEE Senors 2010, pp. 589-597, 2010 189