Automatische 3D Quantifizierung des Mitral Annulus in 3D Ultra- schall Daten Bastian Graser 1, Manuel Großgasteiger 2, Diana Wald 1, Mathias Seitel 1, Hans-Peter Meinzer 1, Raffaele de Simone 3, Ivo Wolf 4 1) Abteilung für Medizinische und Biologische Informatik, Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ) 2) Klinik für Anästhesiologie, Universität Heidelberg 3) Klinik für Herzchirurgie, Universität Heidelberg 4) Institut für Medizinische Informatik, Hochschule Mannheim Kontakt: b.graser@dkfz.de Abstract: Über 40.000 Mitralklappen Rekonstruktionen werden jedes Jahr in den Vereinigten Staaten durchgeführt. Dabei ist eine genaue Quantifizierung des Mitral Annulus erforderlich. Manuelle Vermessungen benötigen viel Zeit, die besonders in der klinischen Routine sehr wertvoll ist. Wir stellen eine Methode zur semi-automatischen Modellierung und Quantifi- zierung des Mitral Annulus anhand von 3D Ultraschall Daten vor. Dabei werden Bildinformationen zusammen mit an a- tomischem Wissen in Form eines Standardmodells genutzt, um selbst in stark verrauschten und unvollständigen Bildda- ten ein gutes Ergebnis zu erzielen. Die Methode wurde an Ultraschalldaten von 39 Patienten evaluiert, wobei festge- stellt wurde, dass die erzeugten Modelle lediglich um 0.5 mm von der Intra-Observer Variabilität des Experten abweichen. Dabei benötigt die vollständige Durchführung der Methode weniger als eine Minute pro 3D Datensatz. Schlüsselworte: Mitralklappeninsuffizienz, Mitral Annulus, 3D, Ultraschall 1 Problem Mitralklappeninsuffizienz ist eine weit verbreitete Krankheit. Studien1,2 aus den USA zeigen, dass ca. 2% der Gesamtbe- völkerung betroffen ist. In schwerwiegenden Fällen ist ein chirurgischer Eingriff notwendig, bei dem die Mitralklappe rekonstruiert wird. Hierbei spielt die Form und die Größe des Mitral Annulus (MA) eine wichtige Rolle. Für die manuel- le präoperative Vermessung kann 3D Ultraschall verwendet werden. Jedoch ist der zeitliche Aufwand hierfür sehr hoch. Für die klinische Routine werden schnelle Messverfahren benötigt. Schneider et al 3 stellten einen semi-automatischen Ansatz zur Erstellung eines Mitralklappenmodells vor, basierend auf Graphcut und aktiven Konturen. Weitere Ansätze wurden von Ionasec et al4 und Voigt et al5 entwickelt, welche beide auf maschinellem Lernen basieren. Im Folgenden stellen wir einen modellbasierten Ansatz zur Erzeugung eines MA Modells vor, der selbst auf stark verrauschten 3D Ult- raschallbildern schnelle und präzise Quantifizierung ermöglicht. 2 Methoden Die Grundidee ist die Verwendung von anatomischem Wissen bei der Lokalisierung des MA in den Bilddaten. Dieses Wissen wird repräsentiert mit einem Standard Modell, das auf Expertenwissen und anatomischer Literatur basiert. Das Modell besteht aus 16 Punkten, die mit Hilfe von Subdivisions Kurven6 zu einer rundlichen Form verbunden werden. Im ersten Schritt wird das Modell initial platziert. Dazu wird zunächst Rauschen aus dem Bild herausgefiltert mit Hilfe ei- nes Total Variation Filters7. Anschließend werden zwei anatomisch deutlich definierte Punkte, die beiden Kommissur- punkte des MA, durch den Arzt interaktiv ausgewählt. Größe und Position des initialen Modells können dadurch be- stimmt werden. Die Lage des Modells im Raum wird automatisch festgelegt, indem mehrere realistische Orientierungen des MA anhand ihrer Pixelintensitäten an den 16 Modellpunkten auf Plausibilität bewertet werden. Der zweite Schritt ist die automatische Optimierung des initialen Modells. Hierbei werden iterativ zwei Arten von Kräften berechnet, die auf das Modell wirken und es verformen. Die externen Kräfte und die internen Kräfte. Die externen Kräfte passen das Mo- dell an die Bilddaten an. Dabei wird für jeden der 16 Modellpunkte ein Verschiebungsvektor berechnet, der zum hellsten Pixel in der näheren Umgebung des Punktes zeigt. Zusätzlich werden zwei Faktoren berücksichtigt, die die Wahrschein- lichkeit für Fehldetektionen ausdrücken. Dies ist zum einen die Entfernung zum hellsten Pixel und zum anderen die Nä- he dieses Pixels zum Bildrand. Je weiter das Pixel entfernt ist, desto wahrscheinlicher ist eine Fehldetektion. Zudem ist 236 eine Nähe des Pixels zum Bildrand ein Indiz dafür, dass der MA unvollständig zu sehen ist. Die internen Kräfte sorgen dafür, dass die Form des Modells realistisch bleibt. Das gegenwärtige Modell wird in jeder Iteration mit dem ursprüngli- chem Standardmodel verglichen. Unterschiede im Abstand der Punkte sowie in den Winkeln zwischen den Verbundsli- nien der Punkte werden in entsprechenden kompensierenden Verschiebungsvektoren für alle 16 Punkte ausgedrückt. Al- le hierfür relevanten physikalischen Grundsätze, wie die Hebelwirkung und Newtons Wechselwirkungsprinzip, werden dabei berücksichtigt. Interne und externe Kräfte werden nun über mehrere Iterationen hinweg berechnet und angewandt, bis das Model gegen einen Endzustand konvergiert (siehe Bild 1). 3 Ergebnisse Die Methode wurde anhand von zeitaufgelösten 3D transösophagealen Ultraschalldaten von 39 Patienten (insgesamt 630 3D Bilder) evaluiert. Bei allen Patienten wurde eine Mitralklappeninsuffizienz diagnostiziert, kombiniert mit diver- sen anderen Herzerkrankungen und ein chirurgischer Eingriff vorgenommen. Die Aufnahmen wurden von einem Exper- ten abhängig von ihrer Bildqualität in Qualitätskategorien unterteilt: Geringe Qualität, mittlere Qualität und hohe Quali- tät. Anschließend erstellte der Experte für jeden 3D Datensatz drei Mal unabhängig voneinander ein Modell des MA, indem er die 16 Punkte manuell definierte. Die drei Modelle wurden anschließend zu einem mittleren Modell zusam- mengefasst und es wurde die Standardabweichung des Experten berechnet. Zur Evaluation wurde nun für jeden 3D Da- tensatz die vorgestellte Methode mit den beiden Kommissurpunkten aus dem mittleren Modell des Experten initialisiert und die automatische Optimierung durchgeführt. Anschließend wurde die mittlere Distanz der 16 Punkte des resultie- renden Modells zu den jeweilig korrespondierenden Punkten im mittleren Experten Modell als Fehlerwert berechnet. Auf dieselbe Weise wurde auch die Standardabweichung des Experten zu jedem 3D Datensatz berechnet. Die Fehler- werte bzgl. dem mittleren Experten Modell und dem resultierendem Modell der Methode, sowie die Standardabwei- chung des Experten, wurden für alle Datensätze einer Qualitätskategorie zusammengefasst (siehe Tabelle 1). Mittelt man die Fehlerwerte über alle Bilder, so erhält man den mittleren Fehlerwert von 3.42 mm. Die über alle Bilder gemittelte Standardabweichung des Experten beträgt 2.92 mm. Tabelle 1: Ergebnisse der Evaluation, kategorisiert nach Bildqualität der 3D Ultraschalldaten Bild 1: Volumenvisualisierung eines 3D Ultraschallbildes mitsamt passendem Mitral Annulus Modell 4 Diskussion Selbst für den Experten ist die genaue Lokalisierung des MA schwierig. Wie man aus Tabelle 1 entnehmen kann, steigt die Intra-Observer Variabilität mit Verschlechterung der Bildqualität. Der Fehlerwert der vorgestellten Methode ist über alle Bilder gemittelt nur geringfügig unter der Standardabweichung des Experten (0.5 mm). Die automatisch erstellten MA Modelle sind also mit den manuell erzeugten Modellen des Experten vergleichbar. Der Zeitaufwand der Methode, inklusive Initialisierung und Optimierung beträgt weniger als eine Minute pro 3D Datensatz. Eine Einbindung in die kli- nische Routine wäre daher denkbar und ist für die Zukunft angestrebt. 237 Danksagung. Das Projekt wurde vom Graduiertenkolleg 1126 der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Die Autoren möchten sich hierfür bedanken. 5 Referenzen tion based study," Lancet 368(9540), 1005-11 (2006). segmentation from 3d ultrasound using graph cuts.," IEEE Trans Med Imaging 29(9), 1676-87 (2010). [1] Singh, J. P., Evans, J. C., Levy, D., Larson, M. G., Freed, L. A., Fuller, D. L., Lehman, B., and Benjamin, E. J., “Prevalence and clinical determinants of mitral, tricuspid, and aortic regurgitation (the Framingham heart study)," Am J Cardiol 83(6), 897-902 (1999). [2] Nkomo, Gardin, Skelton, Gottdiener, Scott, and Enriquez-Sarano, “Burden of valvular heart diseases: a popula- [3] Schneider, R. J., Perrin, D. P., Vasilyev, N. V., Marx, G. R., del Nido, P. J., and Howe, R. D., “Mitral annulus [4] Ionasec, R., Voigt, I., Georgescu, B., Wang, Y., Houle, H., Vega Higuera, F., Navab, N., and Comaniciu, D., “Pa- tient-specific modeling and quantification of the aortic and mitral valves from 4-d cardiac ct and tee," IEEE Trans Med Imaging 29(9), 1636-1651 (2010). [5] Voigt, I., Mansi, T., Ionasec, R., Mengue, E. A., Houle, H., Georgescu, B., Hornegger, J., and Comaniciu, D., “Robust Physically-Constrained Modeling of the Mitral Valve and Subvalvular Apparatus," Proc. MICCAI 2011 (2011). [6] Dubuc, S., “Interpolation through an iterative scheme," J Math Anal Appl 114(1), 185-204 (1986). [7] Chan, T. F., Osher, S., and Shen, J., “The digital tv filter and nonlinear denoising.," IEEE Trans Image Process 10(2), 231-241 (2001). 238