=Paper= {{Paper |id=Vol-1443/paper15 |storemode=property |title=Assistenz- und Wissensdienste für den Shopfloor |pdfUrl=https://ceur-ws.org/Vol-1443/paper15.pdf |volume=Vol-1443 |dblpUrl=https://dblp.org/rec/conf/delfi/UllrichABDIKKPS15 }} ==Assistenz- und Wissensdienste für den Shopfloor== https://ceur-ws.org/Vol-1443/paper15.pdf
               Sabine Rathmayer, Hans Pongratz (Hrsg.): Proceedings of DeLFI Workshops 2015
      co-located with 13th e-Learning Conference of the German Computer Society (DeLFI 2015)
                                                    München, Germany, September 1, 2015 47

Assistenz- und Wissensdienste für den Shopfloor

Carsten Ullrich1, Matthias Aust2, Roland Blach2, Michael Dietrich1, Christoph Igel1,
Niklas Kreggenfeld3, Denise Kahl4, Christopher Prinz3 und Simon Schwantzer5



Abstract: Ein Effekt der Transformation zu Industrie 4.0 ist ein stetiger Anstieg der Komplexität
sowohl in der Bedienung sowie Instandhaltung von Anlagen als auch in der Steuerung der Produk-
tionsabläufe. Der gleichzeitig einhergehende sukzessive Rückgang von Produktionsmitarbeitern
bei simultaner Zunahme der Komplexität der Arbeitsprozesse lässt den Informationsbedarf sowie
die notwendige berufliche Expertise rasant und im großen Umfang wachsen. Gleichzeitig bieten
diese Herausforderungen die Chance zu einer Neugestaltung der Arbeitsorganisation, in der die
Handlungs- und Gestaltungsräume der Mitarbeiter erweitert werden. Das Verbundprojekt APPsist
untersucht, wie diese Transformation technisch und organisatorisch unterstützt werden kann. In
diesem Beitrag wird der technische Ansatz, eine Architektur für intelligent-adaptive Assistenzund
Wissensdienste vorgestellt. Es wird beschrieben, wie die Anforderungen an das APPsist-System
durch Prozessaufnahmen erhoben wurden, welche Dienste realisiert wurden, wie diese kommuni-
zieren, und wie intelligent-adaptive Funktionalität realisiert wurde. Die geplante Benut-
zungschnittstelle stieß bei den Beschäftigten in einer ersten vorläufigen Evaluation auf positive
Rückmeldung. Durch die Verwendung eines ereignisorientiertes Anwendungsframework zur
Diensterstellung und von Ontologien um ausgetauschte Daten zu beschreiben wird eine Übertrag-
barkeit der Projektergebnisse gewährleistet.
Keywords: Arbeitsplatzintegriertes Lernen, Assistenzsystem, Adaptivität, Lerndienste



1     Einführung
Die heutigen Anforderungen an produzierende Unternehmen lassen sich nicht mehr nur
durch günstige Produktionsstandorte, höhere Prozessqualität oder technologischen Vor-
sprung erfüllen. Die Herausforderung der kundenindividuellen Produktion bis hin zur
Losgröße 1 bei gleichzeitiger Absicherung der Produktivität auf höchstem fachlichem
Niveau gehört mit zu den schwierigsten Aufgabenstellungen in der Produktionshalle
(dem „Shopfloor“). Cyber-Physische Systeme (CPS) bieten ein erhebliches Potenzial,
diesen Herausforderungen adäquat zu begegnen. Unter CPS werden in diesem Zusam-
menhang Systeme verstanden, die sowohl eingebettete Systeme, Produktions-, Logistik-,
Engineering-, Koordinations- und Managementprozesse als auch Internetdienste umfas-
sen. Diese greifen mittels Sensoren auf Daten der physikalischen Welt zu und wirken auf

1
  DFKI GmbH, Center for Learning Technology, Alt-Moabit 91c, 10559 Berlin
2
  Fraunhofer IAO, Virtual Environments, Nobelstr. 12, 70569 Stuttgart
3
  Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Produktionssysteme, 44801 Bochum
4
  DFKI GmbH, Innovative Retail Laboratory, 66123 Saarbrücken
5
  IMC AG, Innovation Labs, Scheer Tower Uni-Campus Nord, 66123 Saarbrücken
48    Carsten Ullrich et al.

diese mittels Aktoren ein [aDAdT11, KWH13]. Damit wird die physikalische Welt mit
der virtuellen Welt zu einem Internet der Dinge und Dienste verknüpft. Der Begriff „In-
dustrie 4.0“ beschreibt im Wesentlichen die technische Integration von CPS in Produkti-
on und Logistik sowie die damit verbundene Anwendung des Internets der Dinge auf
industrielle Prozesse, sodass Cyber-Physische Produktionssysteme (CPPS) entstehen
[KWH13].
Ungeachtet der fortschreitenden Automatisierung arbeiten in CPPS Mensch und Ma-
schine eng verzahnt miteinander zusammen und bilden somit ein soziotechnisches Sys-
tem. Vor diesem Hintergrund dürfen technologische Innovationen nicht isoliert betrach-
tet werden, sondern es bedarf vielmehr einer integrierten Betrachtungsweise von
technischen, organisationalen sowie personellen Aspekten im Sinne des Begriffsver-
ständnisses von soziotechnischen Systemen nach [HK14].
Ein Effekt der Transformation zu CPPS ist ein stetiger Anstieg der Komplexität sowohl
in der Bedienung sowie Instandhaltung von Anlagen als auch in der Steuerung der Pro-
duktionsabläufe. Der gleichzeitig einhergehende sukzessive Rückgang von Produkti-
onsmitarbeitern bei simultaner Zunahme der Komplexität der Arbeitsprozesse lässt den
Informationsbedarf sowie die notwendige berufliche Expertise rasant und im großen
Umfang wachsen. Intelligent-adaptive Assistenz- und Wissensdienste bieten hier Abhilfe
durch die Vermittlung von formellen und informellem Wissen und Know-how, ange-
passt auf Expertiseniveaus und fachliche Aufgaben der Mitarbeiter.


1.1      Das APPsist Projekt

Das Ziel des Verbundprojektes APPsist ist die Entwicklung einer neuen Generation
mobiler, kontextsensitiver und intelligent-adaptiver Assistenzsysteme zur Wissens- und
Handlungsunterstützung für die Smart Production. In APPsist werden KI-basierte Wis-
sens- und Assistenzsysteme entwickelt, die die Mitarbeiter in der Interaktion mit der
Maschine oder Anlage unterstützen, sowie Dienste zum Wissens- und Kompetenzer-
werb, die ebenso KI-basiert die Weiterentwicklung des Mitarbeiters zum Ziel haben.
Dieser Artikel gibt eine Übersicht über den aktuellen Projektstand von APPsist und
erörtert, wie Transfer und Verbreitung technisch und organisatorisch vorbereitet und
umgesetzt werden.
Zur Entwicklung der Wissens- und Assistenzdienste wurden technisches, personales
sowie organisationales Wissen erfasst und so aufbereitet, dass eine gezielte Unterstüt-
zung des Mitarbeiters möglich wird (Abschnitt 3.2). Darauf aufsetzend erfolgt dann die
Unterstützung des jeweiligen Bedieners, wobei das System als KI-basiertes, d.h. als
intelligentes System aufgesetzt wird. Die dafür entwickelte Architektur und das verwen-
dete Framework werden in Abschnitt 3.3 beschrieben, sowie die KI-Aspekte in 3.4.
Angesichts der Zielgruppen von APPsist, bei denen hohe Medienkompetenz nicht
zwangsläufig gegeben ist, ist eine visuell ansprechende und funktional einfach zu verste-
hende Benutzerschnittstelle sehr wichtig. Deren Entwicklung und erste vorläufige Eva-
                                       Assistenz- und Wissensdienste für den Shopfloor   49

luationsergebnisse werden in Abschnitt 3.5 vorgestellt. Abschnitte 4 und 5 erläutern wie
der Transfer in andere Domänen sowie die Verstetigung sowohl technisch als auch orga-
nisatorisch realisiert wurden und weitergehend geplant sind.


2     Vergleich mit thematisch ähnlichen Projekten
Unterstützung am Arbeitsplatz wird in einer Vielzahl von Projekten und Arbeiten unter-
sucht. Aufgrund der Zielsetzung des Workshops wird hier vor allem auf ähnliche Projek-
te verwiesen. So wurden bisher primär Web 2.0 Technologien für das Themenfeld Wis-
sensvermittlung in verschiedenen Szenarios erprobt, z.B. zur Erstellung und zum
Austausch von Inhalten in der Instandhaltung (BMBF Projekt DiLi) und zur Unterstüt-
zung von KFZ-MechanikerInnen bei Wartung und Reparatur (BMBF Projekt MOLEM).
Das BMBF Projekt ELIAS entwickelt ein Planungstool, das erlaubt bereits bei der Ent-
wicklung von Produktionsanlagen lernförderliche Maßnahmen zu berücksichtigen.
Ebenfalls gibt es erste Untersuchungen zur Verknüpfung von automatischer Kontexter-
fassung und sozialen Netzwerken für das betriebliche Wissensmanagement (BMBF
Projekt AmbiWise) und für den Transfer von Erfahrungswissen (BMBF Projekt
PLUTO). Die bisher weitgehendste Unterstützung des Lernens bieten Systeme, die sich
mit Hilfe von Methoden der künstlichen Intelligenz flexibel an individuelle Lernende
anpassen. Der Großteil der ITS-Systeme zielt jedoch auf Schul- und Universitätsausbil-
dung, und APPsist betritt mit der Anwendung von ITS auf die Produktion Neuland,
zusammen mit dem BMBF Projekt DigiLernPro, das auf die Erstellung semi-
automatisch generierter Lernszenarien, die an Maschinen durchzuführende Handlungs-
abfolgen aufzeichnen, zielt.


3     Stand der Umsetzung

3.1    Beschreibung der Domäne

Die Forschung und Entwicklung in APPsist orientiert sich an den realen Anforderungen
der produzierenden Industrie, repräsentiert durch drei Anwendungspartner, die ein
Klein- und ein mittelständisches Unternehmen sowie ein Großunternehmen abdecken.
Um die zu bearbeitenden Fragestellungen einzugrenzen wurden drei Pilotszenarien iden-
tifiziert, eines bei jeden der Unternehmen: Das Kleinunternehmen ist geprägt durch kun-
denspezifische Produktion und entwickelt komplexe Werkzeuge und Vorrichtungen für
die Automobil- und Automobilzulieferindustrie. Das Pilotszenario fokusiert die Inbe-
triebnahme von Anlagen (hier eine Fräsmaschine). Das mittelständische Unternehmen ist
ein Anlagenbauer für Schweiß- und Montageanlagen der Automobilindustrie und entwi-
ckelt kundenspezifische Produkte. Das Pilotszenario widmet sich der Fehlerinterpretati-
on und -behebung in erstellten Anlagen. Das Großunternehmen stellt pneumatische und
50    Carsten Ullrich et al.

elektrische Antriebe für die Fabrik-Prozessautomatisierung her, die sowohl in kunden-
spezifischen Produkten als auch in der eigenen Produktion Anwendung finden. Das
Pilotszenario betrifft die Wartung und Instandhaltung, insbesondere die Störungs- und
Fehlerbeseitigung (Wechsel eines Betriebsstoffs).


3.2      Vorgehensmodell zur Prozessaufnahme

Für die Assistenzgebung und Bereitstellung adäquater Wissensinhalte ist zunächst eine
ausführliche Beschreibung der zu verrichtenden Tätigkeiten notwendig. Diese Tätigkei-
ten stellen durch bestimmte Auslöser (z.B. Fehlermeldung) hervorgerufene Prozesse dar.
Entsprechend der Definition nach [BK12], nach der Prozesse eine „inhaltlich abge-
schlossene, zeitliche und sachlogische Folge von Aktivitäten“ beschreiben, erfolgt eine
Unterteilung der Prozesse in entsprechende Aktivitäten. Diese lassen sich wiederum
weiter in eine Folge von Aktionen untergliedern. Auf der oberen Ebene werden die Pro-
zesse im Projektkontext als Maßnahmen definiert. Diese maximal dreistufige Detaillie-
rung gewährleistet zum einen die Übersichtlichkeit der Prozessstruktur, zum anderen
ermöglicht sie aber auch, Mitarbeitern im Rahmen der Assistenzgebung Informationen
in unterschiedlicher Granularität und somit Assistenz für unterschiedliche Kompetenz-
stufen bereitstellen zu können. Da die Prozessbeschreibungen die Methode, nach der
eine Maßnahme ausgeführt wird, definieren und diese möglichst effizient sein muss, sind
daran einige Anforderungen geknüpft, die für die Qualität der Assistenz essentiell sind:
Die Prozesse müssen hinsichtlich Inhalt und Struktur klar verständlich sein, sie dürfen
keinen Interpretationsspielraum lassen (Eindeutigkeit & Nachvollziehbarkeit); Die Pro-
zesse müssen so gestaltet und definiert sein, dass sie immer zum gleichen Ziel führen
(Reproduzierbarkeit); Die Prozesse müssen alle eventuell auftretenden Tätigkeiten um-
fassen (Vollständigkeit).
Zur Sicherstellung dieser Qualitätsanforderungen werden die Prozesse iterativ erfasst.
Zunächst erfolgt eine Beschreibung der Prozesse, wie sie aktuell im Unternehmen
durchgeführt werden (Ist-Prozesse) durch die Prozessdesigner, in Zusammenarbeit mit
den Experten der entsprechenden Fertigungsbereiche (z.B. Shopfloormitarbeiter und
Fertigungsleiter). Diese Prozesse stellen eine zwar praktikable, jedoch nicht optimierte
und zwangsweise vollständige Vorgehensweise dar. Daher wird der in BPMN-Notation
(vgl. Abschnitt 3.4) definierte Ist-Prozess in einem nächsten Schritt hinsichtlich Struktur
und Inhalt optimiert (Soll-Prozesse), um den Qualitätsanforderungen zu genügen. Dazu
werden erneut sowohl die Prozess-Designer als auch Experten der entsprechenden Ferti-
gungsbereiche einbezogen, um eine bestmöglich Qualität der Prozesse sicherzustellen.
Für eine vollständige Prozessbeschreibung sind jedoch die Definition und Optimierung
der Prozesse nicht ausreichend. Damit bei der Assistenzgebung Wissensinhalte in adä-
quater Weise bereitgestellt werden können, müssen diese in einem weiteren Schritt eben-
falls definiert und den einzelnen Prozessschritten zugeordnet werden. Diese ergänzenden
Meta-Informationen unterteilen sich in einzusetzende Endgeräte darzustellende Medien-
                                        Assistenz- und Wissensdienste für den Shopfloor   51

inhalte, Daten aus IT-Systemen (z.B. Steuerung der Anlage, MES, ERP), die eine Maß-
nahme auslösen (z.B. Fehlermeldung) oder den Assistenzprozess beeinflussen (z.B.
Daten eines Türsensors) und Interaktionen des Nutzers (z.B. Eingabe am Bedienpanel
der Anlage). Diese Informationen werden jedem definierten Prozessschritt zugeordnet,
sofern dieser eine Assistenz notwendig macht.


3.3    Architektur/Framework

Ob des divergenten Anforderungsprofils muss die APPsist-Plattform viele unterschiedli-
che Funktionen in einem kohärenten System vereinen. Um dies zu ermöglichen wurde
der Plattform eine dienstbasierte Architektur zugrunde gelegt: Die Funktionalitäten wer-
den von weitgehend unabhängigen, dedizierten Diensten umgesetzt, welche zu einem
Gesamtsystem komponiert werden. Dabei gelten die Prinzipien einer MicroserviceArchi-
tektur [Ne15]: Die Dienste sind feingranular, austauschbar und abgeschlossen, so dass
sie unabhängig voneinander entwickelt und gewartet werden können. Sie stellen ihre
Funktionalitäten über leichtgewichtige APIs zur Verfügung.Um den individuellen An-
forderungen des jeweiligen Einsatzortes gerecht zu werden, kann die eingesetzte APP-
sist-Plattform aus unterschiedliche Instanzen der Dienste zusammengesetzt werden.
Zu den zentralen Diensten der APPsist-Plattform gehören der Maschinen-
Informationsdienst, der die Schnittstelle zwischen der Plattform und den Maschinen auf
dem Shopfloor aufbaut, der Maßnahmendienst, der Nutzern basierend auf Maschinen-
und Nutzerkontexten durchzuführende Maßnahmen vorschlägt, der Inhalte-
Interaktionsdienst, der die Funktionalitäten der verschiedenen Dienste über verschiedene
Endgeräte zugänglich macht, der Performance-Support-Dienst, welcher die Nutzer durch
den Assistenzprozess führt, die Prozess-Koordinationsinstanz, welche Assistenzprozesse
ausführt und verwaltet und der Inhalte-Selektor, welcher die relevanten Lern- und Assis-
tenz-Inhalte auswählt.
Die Dienste agieren ereignisbasiert und asynchron: Auslöser für die Verarbeitung und
Bereitstellung von Informationen sind Ereignisse, welche entweder von Nutzern (z.B.
Benutzereingaben), dem Kontext (z.B. Änderungen des Maschinenstatus) oder den
Diens ten selbst (z.B. basierend auf eingetragenen Regeln) kommen. Ereignisse werden
systemweit propagiert und können von den Diensten unabhängig voneinander verarbeitet
werden. Realisiert und verbunden werden die Dienste über das Vert.x-Framework. Jeder
Dienst wird im System von einem Vert.x-Modul repräsentiert. Die Module kommunizie-
ren untereinander über zwei Kanäle: Eine Request-Response-Kommunikation wird über
das HTTP-Protokoll realisiert, während der vom Framework bereitgestellte Event- Bus
einen Publish-Subscribe-Mechanismus zur Verfügung stellt. Letztere bietet u.a. den für
die Ereignis-Verteilung notwendigen Push-Mechanismus für Informationen innerhalb
der APPSist-Plattform. Komponiert werden die Dienste über das sog. Service-Gateway.
Dieser Dienst erfüllt zwei Funktionen: Zum einen verwaltet er die Konfiguration einer
APPsist-Installation und instanziiert die dort aufgeführten Dienste, zum anderen stellt er
52    Carsten Ullrich et al.

einen Proxy zu den HTTP-Schnittstellen der einzelnen Dienste bereit, so dass ein ein-
heitlicher Zugriff auf diese ermöglicht wird.


3.4      Wissensrepräsentation / Intelligente Dienste

In APPsist wurde die Domäne „Produktion“ modelliert, d.h. die auftretenden Konzepte
und deren Zusammenhänge wurden in einer formalen Beschreibungssprache (OWL) be-
schrieben und in einer semantischen Datenbank abgelegt (einem Tripplestore). Die Re-
präsentation dient als eindeutiges und festgelegtes Vokabular der Kommunikation der
Dienste und als Grundlage für die intelligenten Entscheidungsprozesse der adaptiven
Dienste. So kann beispielsweise der Maßnahmendienst über generische Anfragen an die
semantische Datenbank (über SPARQL) die für den aktuellen Kontext relevanten Maß-
nahmen bestimmen. SPARQL erlaubt dabei einen relativ einfach zu verwendende aber
gleichzeitig mächtige Abfragesprache, die auf einem Standard beruht und somit wieder-
verwendbar ist. Offen ist noch, ob alle Funktionalitäten der intelligenten Dienste über
OWL und SPARQL abgedeckt werden können. Die Formalisierung der Domäne in
OWL erlaubt auch, dass neue Konzepte oder Verfeinerungen leicht hinzugefügt werden
können, ohne dass die Abfragen geändert werden müssen.
Die Prozessbeschreibungen werden in BPMN (Business Process Model and Notation)
modelliert, welches sowohl die graphische als auch die semantischen Repräsentation
erfasst und die Ausführung von Prozessen (in der Prozess-Koordinationsinstanz) erlaubt,
da die Semantik für Prozess-Elemente eindeutig spezifiziert ist. In APPsist hat sich her-
ausgestellt, dass bereits eine kleine Teilmenge der umfangreichen Spezifikation aus-
reicht, um die Tätigkeiten zu erfassen. Zur funktionalen Einbindung der Prozessmodelle
in APP-sist ist es allerdings erforderlich die in Abschnitt 3.2 beschriebenen Informatio-
nen in den Prozesselementen hinzuzufügen (Endgeräte, Medieninhalte, Daten, Interakti-
onen). Dies wurde als BPMN-konforme Erweiterung innerhalb der Prozessdefinition
realisiert.


3.5      Benutzungsschnittstellen

Mit dem Ziel einer möglichst konsistenten Gestaltung der entwickelten Benutzungs-
schnittstellen wird projektbegleitend ein Styleguide als lebendes Dokument mitgeführt
und stetig aktualisiert. In diesem Dokument wurde in einer sehr frühen Phase des Pro-
jekts damit begonnen, anhand der Pilotszenarien und erster GUI-Skizzen, die abzuse-
henden grundlegenden Aufgabenschritte zu sammeln um so zu einer möglichst vollstän-
digen Sammlung von zu gestaltenden Elementen zu kommen. Die erste Projektphase
fokussiert sich hierbei auf die Betrachtung von Tablets als Endgeräte, da diese eine um-
fangreiche Informationsdarstellung bei hinreichender Mobilität des Benutzers ermögli-
chen.
Die Entwicklung des Designs der Benutzungsschnittstelle erfolgt in mehreren Schritten.
                                        Assistenz- und Wissensdienste für den Shopfloor   53

Zunächst wurden die verschiedenen Seiten der Applikation skizzenhaft dargestellt, und
eine erste Evaluation des Designs mit einer kleinen Gruppe von potentiellen Nutzern
durchgeführt. Insgesamt wurde das Design als sehr verständlich und übersichtlich einge-
stuft. Lediglich die Funktionen einzelner kleinerer Elemente (z.B. Icons) waren nicht
direkt ersichtlich. Die Skizzen wurden dahingehend überarbeitet und in einem zweiten
Schritt in farbige visuelle Designs umgesetzt. Auf Grundlage dieser visuellen Designs
erfolgt im Anschluss die Implementierung der Benutzungsschnittstelle. Weitere Evalua-
tionen in Form von Usability-Tests werden parallel zur Entwicklung folgen.
Die Benutzungsschnittstelle wird über den Inhalte-Interaktionsdienst (IID) realisiert, der
sich in eine Client-Server-Struktur aufteilt, um dynamisch die auf HTML5 basierende
GUI anzuzeigen. Dazu stellt der IID neben HTML-Templates Inhaltspakete zur Verfü-
gung, die situationsabhängig von verschiedenen anderen Diensten geliefert werden und
in die entsprechenden Templates eingefügt werden. Diese Herangehensweise erlaubt im
späteren Projektverlauf die Integration weiterer Klassen von Endgeräten wie Smartpho-
nes, -watches und -glasses. Hierbei wird auch die Kombination verschiedener Endgeräte
betrachtet. Zusätzlich zu dieser eher „klassischen“ GUI wird die Benutzungsschnittstelle
auch Augmented Reality Elemente enthalten. So wird das Kamerabild des Tablets mit
Zusatzinformationen in Form von Symbolen, Bildern oder 3D-Modellen überlagert.


4    Übertragbarkeit
Zur Sicherstellung der Übertragbarkeit der Ergebnisse wird im Projektkontext von APP-
sist nicht nur die (technische) Entwicklung des Assistenzsystems betrachtet. Ähnlich wie
bei der Einführung anderer IT-Systeme (z.B. MES, ERP) bedarf es für das APPsist-
System ebenfalls eines Vorgehensmodells zur Systemeinführung. Hier müssen Aspekte
wie die bereits vorhandene IT-Landschaft, technische Restriktionen und Systemkompa-
tibilitäten berücksichtigt werden. Aufgrund der großen Heterogenität dieser Aspekte in
der Industrie hat ein derartiger Einführungsprozess stets Projektcharakter und kann kei-
nesfalls standardisiert ablaufen. Vielmehr ist eine unternehmens- und ggf. sogar be-
reichsspezifische Integration des Systems in die vorhandenen technischen Strukturen
notwendig, um eine maximale Effizienz des Systems sicherzustellen. Da für die Leis-
tungsfähigkeit des Systems jedoch nicht nur technische, sondern auch organisatorische
Aspekte (z.B. vorhandene Mitarbeiterprofile) unabdingbar sind, muss das Vorgehens-
modell neben der technischen Einführung auch die Integration in die organisatorischen
Strukturen des Unternehmens berücksichtigen. Hier bedarf es beispielsweise der Festle-
gung von Betriebsvereinbarungen sowie der Betrachtung von Mitbestimmungsrechten
und weiteren rechtlichen Aspekten. Darüber hinaus werden in APPsist innovative Ge-
schäftsmodelle entwickelt, die beispielsweise unterschiedliche Ertragsmechanismen,
Schlüsselpartner, Schlüsselressourcen und Nutzenversprechen beinhalten. Somit soll
eine maximale Verwertbarkeit des Systems in einer großen Bandbreite möglicher Ein-
satzszenarios gewährleistet werden. Aus technischer Sicht trägt die Verwendung eines
54   Carsten Ullrich et al.

ereignisorientiertes Anwendungsframework zur Diensterstellung und von Ontologien um
ausgetauschte Daten zu beschreiben und zur Modellierung des Adaptionswissens, zur
Übertragbarkeit in andere Domänen wesentlich bei.


5     Verstetigung
Neben der Übertragbarkeit nimmt die Integration in vorhandene technische und organi-
satorische Systeme auch für die Verstetigung der Projektergebnisse eine wichtige Rolle
ein. Hierzu sind jedoch vor allem Aspekte der Usability des Systems entscheidend. Dies
beinhaltet die Notwendigkeit zur Detaillierung und Erweiterung von Vorgehensmodellen
und Schnittstellen zur Systemintegration, um einen Schritt in Richtung eines
„Plug&Play“-Ansatzes zu machen. Des Weiteren bedarf die Prozessaufnahme leistungs-
fähiger und intuitiv zu bedienender Tools (Autorentools), die das komplexe und iterative
Vorgehen (vgl. Abschnitt 3.2) in einer Anwendung bündeln, die direkt am Shopfloor mit
geringem Aufwand genutzt werden kann. Dies erfordert wiederum die Entwicklung
eines Bausteinsystems, in dem einzelne (wiederverwendbare) Prozessbausteine aus einer
Bibliothek genutzt werden, um den Erstellungsaufwand von Assistenzprozessen zu mi-
nimieren. Medieninhalte müssen effizient erstellt, editiert und an der richtigen Stelle im
Prozess eingefügt werden können. Nur wenn eine umfassende Usability des Systems
gewährleistet ist, kann dessen nachhaltiger Einsatz im industriellen Kontext sicherge-
stellt werden.


6     Fazit
Dieser Artikel gab einen Überblick über den aktuellen Stand des Projekt APPsist. Zu-
sammenfassend lässt sich sagen, dass der Weg über Pilotszenarios zur in sich geschlos-
senen Eingrenzung des Themengebiets sehr hilfreich war um die sich eröffnenden Fra-
gestellungen einzugrenzen. Es ist allerdings notwendig die Betrachtung im
Projektverlauf auf höherwertige Tätigkeiten zur erweitern. Das nun ausgearbeitete Vor-
gehensmodell wird voraussichtlich die Erfassung neuer Szenarios erleichtern. Heutige
Technologien bieten bereits eine gute Basis, um flexibel konfigurierbare Systeme zu
realisieren. Dienstbasierte Frameworks erlauben das getrennte Entwickeln von und das
Zusammensetzen eines Gesamtsystems aus verschiedenen Diensten. Standards des Se-
mantic Web ermöglichen sowohl eine eindeutige Kommunikation zwischen den Diens-
ten als auch die Realisierung intelligenter Dienste. Der weitere Projektverlauf wird zei-
gen, inwieweit die Übertragbarkeit tatsächlich gegeben ist. Die Erwartung ist, dass
geringfügige Anpassungen notwendig sein werden, der Gesamtentwurf aber Bestand
haben wird.
                                           Assistenz- und Wissensdienste für den Shopfloor   55

Danksagung
Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projekts „APPsist Intelligente Wissensdienste
für die Smart Production“, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unter
dem Kennzeichen 01MA13004C gefördert und vom DLR-Projektträger betreut wird.


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