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==Assistenz- und Wissensdienste für den Shopfloor==
Sabine Rathmayer, Hans Pongratz (Hrsg.): Proceedings of DeLFI Workshops 2015 co-located with 13th e-Learning Conference of the German Computer Society (DeLFI 2015) München, Germany, September 1, 2015 47 Assistenz- und Wissensdienste für den Shopfloor Carsten Ullrich1, Matthias Aust2, Roland Blach2, Michael Dietrich1, Christoph Igel1, Niklas Kreggenfeld3, Denise Kahl4, Christopher Prinz3 und Simon Schwantzer5 Abstract: Ein Effekt der Transformation zu Industrie 4.0 ist ein stetiger Anstieg der Komplexität sowohl in der Bedienung sowie Instandhaltung von Anlagen als auch in der Steuerung der Produk- tionsabläufe. Der gleichzeitig einhergehende sukzessive Rückgang von Produktionsmitarbeitern bei simultaner Zunahme der Komplexität der Arbeitsprozesse lässt den Informationsbedarf sowie die notwendige berufliche Expertise rasant und im großen Umfang wachsen. Gleichzeitig bieten diese Herausforderungen die Chance zu einer Neugestaltung der Arbeitsorganisation, in der die Handlungs- und Gestaltungsräume der Mitarbeiter erweitert werden. Das Verbundprojekt APPsist untersucht, wie diese Transformation technisch und organisatorisch unterstützt werden kann. In diesem Beitrag wird der technische Ansatz, eine Architektur für intelligent-adaptive Assistenzund Wissensdienste vorgestellt. Es wird beschrieben, wie die Anforderungen an das APPsist-System durch Prozessaufnahmen erhoben wurden, welche Dienste realisiert wurden, wie diese kommuni- zieren, und wie intelligent-adaptive Funktionalität realisiert wurde. Die geplante Benut- zungschnittstelle stieß bei den Beschäftigten in einer ersten vorläufigen Evaluation auf positive Rückmeldung. Durch die Verwendung eines ereignisorientiertes Anwendungsframework zur Diensterstellung und von Ontologien um ausgetauschte Daten zu beschreiben wird eine Übertrag- barkeit der Projektergebnisse gewährleistet. Keywords: Arbeitsplatzintegriertes Lernen, Assistenzsystem, Adaptivität, Lerndienste 1 Einführung Die heutigen Anforderungen an produzierende Unternehmen lassen sich nicht mehr nur durch günstige Produktionsstandorte, höhere Prozessqualität oder technologischen Vor- sprung erfüllen. Die Herausforderung der kundenindividuellen Produktion bis hin zur Losgröße 1 bei gleichzeitiger Absicherung der Produktivität auf höchstem fachlichem Niveau gehört mit zu den schwierigsten Aufgabenstellungen in der Produktionshalle (dem „Shopfloor“). Cyber-Physische Systeme (CPS) bieten ein erhebliches Potenzial, diesen Herausforderungen adäquat zu begegnen. Unter CPS werden in diesem Zusam- menhang Systeme verstanden, die sowohl eingebettete Systeme, Produktions-, Logistik-, Engineering-, Koordinations- und Managementprozesse als auch Internetdienste umfas- sen. Diese greifen mittels Sensoren auf Daten der physikalischen Welt zu und wirken auf 1 DFKI GmbH, Center for Learning Technology, Alt-Moabit 91c, 10559 Berlin 2 Fraunhofer IAO, Virtual Environments, Nobelstr. 12, 70569 Stuttgart 3 Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Produktionssysteme, 44801 Bochum 4 DFKI GmbH, Innovative Retail Laboratory, 66123 Saarbrücken 5 IMC AG, Innovation Labs, Scheer Tower Uni-Campus Nord, 66123 Saarbrücken 48 Carsten Ullrich et al. diese mittels Aktoren ein [aDAdT11, KWH13]. Damit wird die physikalische Welt mit der virtuellen Welt zu einem Internet der Dinge und Dienste verknüpft. Der Begriff „In- dustrie 4.0“ beschreibt im Wesentlichen die technische Integration von CPS in Produkti- on und Logistik sowie die damit verbundene Anwendung des Internets der Dinge auf industrielle Prozesse, sodass Cyber-Physische Produktionssysteme (CPPS) entstehen [KWH13]. Ungeachtet der fortschreitenden Automatisierung arbeiten in CPPS Mensch und Ma- schine eng verzahnt miteinander zusammen und bilden somit ein soziotechnisches Sys- tem. Vor diesem Hintergrund dürfen technologische Innovationen nicht isoliert betrach- tet werden, sondern es bedarf vielmehr einer integrierten Betrachtungsweise von technischen, organisationalen sowie personellen Aspekten im Sinne des Begriffsver- ständnisses von soziotechnischen Systemen nach [HK14]. Ein Effekt der Transformation zu CPPS ist ein stetiger Anstieg der Komplexität sowohl in der Bedienung sowie Instandhaltung von Anlagen als auch in der Steuerung der Pro- duktionsabläufe. Der gleichzeitig einhergehende sukzessive Rückgang von Produkti- onsmitarbeitern bei simultaner Zunahme der Komplexität der Arbeitsprozesse lässt den Informationsbedarf sowie die notwendige berufliche Expertise rasant und im großen Umfang wachsen. Intelligent-adaptive Assistenz- und Wissensdienste bieten hier Abhilfe durch die Vermittlung von formellen und informellem Wissen und Know-how, ange- passt auf Expertiseniveaus und fachliche Aufgaben der Mitarbeiter. 1.1 Das APPsist Projekt Das Ziel des Verbundprojektes APPsist ist die Entwicklung einer neuen Generation mobiler, kontextsensitiver und intelligent-adaptiver Assistenzsysteme zur Wissens- und Handlungsunterstützung für die Smart Production. In APPsist werden KI-basierte Wis- sens- und Assistenzsysteme entwickelt, die die Mitarbeiter in der Interaktion mit der Maschine oder Anlage unterstützen, sowie Dienste zum Wissens- und Kompetenzer- werb, die ebenso KI-basiert die Weiterentwicklung des Mitarbeiters zum Ziel haben. Dieser Artikel gibt eine Übersicht über den aktuellen Projektstand von APPsist und erörtert, wie Transfer und Verbreitung technisch und organisatorisch vorbereitet und umgesetzt werden. Zur Entwicklung der Wissens- und Assistenzdienste wurden technisches, personales sowie organisationales Wissen erfasst und so aufbereitet, dass eine gezielte Unterstüt- zung des Mitarbeiters möglich wird (Abschnitt 3.2). Darauf aufsetzend erfolgt dann die Unterstützung des jeweiligen Bedieners, wobei das System als KI-basiertes, d.h. als intelligentes System aufgesetzt wird. Die dafür entwickelte Architektur und das verwen- dete Framework werden in Abschnitt 3.3 beschrieben, sowie die KI-Aspekte in 3.4. Angesichts der Zielgruppen von APPsist, bei denen hohe Medienkompetenz nicht zwangsläufig gegeben ist, ist eine visuell ansprechende und funktional einfach zu verste- hende Benutzerschnittstelle sehr wichtig. Deren Entwicklung und erste vorläufige Eva- Assistenz- und Wissensdienste für den Shopfloor 49 luationsergebnisse werden in Abschnitt 3.5 vorgestellt. Abschnitte 4 und 5 erläutern wie der Transfer in andere Domänen sowie die Verstetigung sowohl technisch als auch orga- nisatorisch realisiert wurden und weitergehend geplant sind. 2 Vergleich mit thematisch ähnlichen Projekten Unterstützung am Arbeitsplatz wird in einer Vielzahl von Projekten und Arbeiten unter- sucht. Aufgrund der Zielsetzung des Workshops wird hier vor allem auf ähnliche Projek- te verwiesen. So wurden bisher primär Web 2.0 Technologien für das Themenfeld Wis- sensvermittlung in verschiedenen Szenarios erprobt, z.B. zur Erstellung und zum Austausch von Inhalten in der Instandhaltung (BMBF Projekt DiLi) und zur Unterstüt- zung von KFZ-MechanikerInnen bei Wartung und Reparatur (BMBF Projekt MOLEM). Das BMBF Projekt ELIAS entwickelt ein Planungstool, das erlaubt bereits bei der Ent- wicklung von Produktionsanlagen lernförderliche Maßnahmen zu berücksichtigen. Ebenfalls gibt es erste Untersuchungen zur Verknüpfung von automatischer Kontexter- fassung und sozialen Netzwerken für das betriebliche Wissensmanagement (BMBF Projekt AmbiWise) und für den Transfer von Erfahrungswissen (BMBF Projekt PLUTO). Die bisher weitgehendste Unterstützung des Lernens bieten Systeme, die sich mit Hilfe von Methoden der künstlichen Intelligenz flexibel an individuelle Lernende anpassen. Der Großteil der ITS-Systeme zielt jedoch auf Schul- und Universitätsausbil- dung, und APPsist betritt mit der Anwendung von ITS auf die Produktion Neuland, zusammen mit dem BMBF Projekt DigiLernPro, das auf die Erstellung semi- automatisch generierter Lernszenarien, die an Maschinen durchzuführende Handlungs- abfolgen aufzeichnen, zielt. 3 Stand der Umsetzung 3.1 Beschreibung der Domäne Die Forschung und Entwicklung in APPsist orientiert sich an den realen Anforderungen der produzierenden Industrie, repräsentiert durch drei Anwendungspartner, die ein Klein- und ein mittelständisches Unternehmen sowie ein Großunternehmen abdecken. Um die zu bearbeitenden Fragestellungen einzugrenzen wurden drei Pilotszenarien iden- tifiziert, eines bei jeden der Unternehmen: Das Kleinunternehmen ist geprägt durch kun- denspezifische Produktion und entwickelt komplexe Werkzeuge und Vorrichtungen für die Automobil- und Automobilzulieferindustrie. Das Pilotszenario fokusiert die Inbe- triebnahme von Anlagen (hier eine Fräsmaschine). Das mittelständische Unternehmen ist ein Anlagenbauer für Schweiß- und Montageanlagen der Automobilindustrie und entwi- ckelt kundenspezifische Produkte. Das Pilotszenario widmet sich der Fehlerinterpretati- on und -behebung in erstellten Anlagen. Das Großunternehmen stellt pneumatische und 50 Carsten Ullrich et al. elektrische Antriebe für die Fabrik-Prozessautomatisierung her, die sowohl in kunden- spezifischen Produkten als auch in der eigenen Produktion Anwendung finden. Das Pilotszenario betrifft die Wartung und Instandhaltung, insbesondere die Störungs- und Fehlerbeseitigung (Wechsel eines Betriebsstoffs). 3.2 Vorgehensmodell zur Prozessaufnahme Für die Assistenzgebung und Bereitstellung adäquater Wissensinhalte ist zunächst eine ausführliche Beschreibung der zu verrichtenden Tätigkeiten notwendig. Diese Tätigkei- ten stellen durch bestimmte Auslöser (z.B. Fehlermeldung) hervorgerufene Prozesse dar. Entsprechend der Definition nach [BK12], nach der Prozesse eine „inhaltlich abge- schlossene, zeitliche und sachlogische Folge von Aktivitäten“ beschreiben, erfolgt eine Unterteilung der Prozesse in entsprechende Aktivitäten. Diese lassen sich wiederum weiter in eine Folge von Aktionen untergliedern. Auf der oberen Ebene werden die Pro- zesse im Projektkontext als Maßnahmen definiert. Diese maximal dreistufige Detaillie- rung gewährleistet zum einen die Übersichtlichkeit der Prozessstruktur, zum anderen ermöglicht sie aber auch, Mitarbeitern im Rahmen der Assistenzgebung Informationen in unterschiedlicher Granularität und somit Assistenz für unterschiedliche Kompetenz- stufen bereitstellen zu können. Da die Prozessbeschreibungen die Methode, nach der eine Maßnahme ausgeführt wird, definieren und diese möglichst effizient sein muss, sind daran einige Anforderungen geknüpft, die für die Qualität der Assistenz essentiell sind: Die Prozesse müssen hinsichtlich Inhalt und Struktur klar verständlich sein, sie dürfen keinen Interpretationsspielraum lassen (Eindeutigkeit & Nachvollziehbarkeit); Die Pro- zesse müssen so gestaltet und definiert sein, dass sie immer zum gleichen Ziel führen (Reproduzierbarkeit); Die Prozesse müssen alle eventuell auftretenden Tätigkeiten um- fassen (Vollständigkeit). Zur Sicherstellung dieser Qualitätsanforderungen werden die Prozesse iterativ erfasst. Zunächst erfolgt eine Beschreibung der Prozesse, wie sie aktuell im Unternehmen durchgeführt werden (Ist-Prozesse) durch die Prozessdesigner, in Zusammenarbeit mit den Experten der entsprechenden Fertigungsbereiche (z.B. Shopfloormitarbeiter und Fertigungsleiter). Diese Prozesse stellen eine zwar praktikable, jedoch nicht optimierte und zwangsweise vollständige Vorgehensweise dar. Daher wird der in BPMN-Notation (vgl. Abschnitt 3.4) definierte Ist-Prozess in einem nächsten Schritt hinsichtlich Struktur und Inhalt optimiert (Soll-Prozesse), um den Qualitätsanforderungen zu genügen. Dazu werden erneut sowohl die Prozess-Designer als auch Experten der entsprechenden Ferti- gungsbereiche einbezogen, um eine bestmöglich Qualität der Prozesse sicherzustellen. Für eine vollständige Prozessbeschreibung sind jedoch die Definition und Optimierung der Prozesse nicht ausreichend. Damit bei der Assistenzgebung Wissensinhalte in adä- quater Weise bereitgestellt werden können, müssen diese in einem weiteren Schritt eben- falls definiert und den einzelnen Prozessschritten zugeordnet werden. Diese ergänzenden Meta-Informationen unterteilen sich in einzusetzende Endgeräte darzustellende Medien- Assistenz- und Wissensdienste für den Shopfloor 51 inhalte, Daten aus IT-Systemen (z.B. Steuerung der Anlage, MES, ERP), die eine Maß- nahme auslösen (z.B. Fehlermeldung) oder den Assistenzprozess beeinflussen (z.B. Daten eines Türsensors) und Interaktionen des Nutzers (z.B. Eingabe am Bedienpanel der Anlage). Diese Informationen werden jedem definierten Prozessschritt zugeordnet, sofern dieser eine Assistenz notwendig macht. 3.3 Architektur/Framework Ob des divergenten Anforderungsprofils muss die APPsist-Plattform viele unterschiedli- che Funktionen in einem kohärenten System vereinen. Um dies zu ermöglichen wurde der Plattform eine dienstbasierte Architektur zugrunde gelegt: Die Funktionalitäten wer- den von weitgehend unabhängigen, dedizierten Diensten umgesetzt, welche zu einem Gesamtsystem komponiert werden. Dabei gelten die Prinzipien einer MicroserviceArchi- tektur [Ne15]: Die Dienste sind feingranular, austauschbar und abgeschlossen, so dass sie unabhängig voneinander entwickelt und gewartet werden können. Sie stellen ihre Funktionalitäten über leichtgewichtige APIs zur Verfügung.Um den individuellen An- forderungen des jeweiligen Einsatzortes gerecht zu werden, kann die eingesetzte APP- sist-Plattform aus unterschiedliche Instanzen der Dienste zusammengesetzt werden. Zu den zentralen Diensten der APPsist-Plattform gehören der Maschinen- Informationsdienst, der die Schnittstelle zwischen der Plattform und den Maschinen auf dem Shopfloor aufbaut, der Maßnahmendienst, der Nutzern basierend auf Maschinen- und Nutzerkontexten durchzuführende Maßnahmen vorschlägt, der Inhalte- Interaktionsdienst, der die Funktionalitäten der verschiedenen Dienste über verschiedene Endgeräte zugänglich macht, der Performance-Support-Dienst, welcher die Nutzer durch den Assistenzprozess führt, die Prozess-Koordinationsinstanz, welche Assistenzprozesse ausführt und verwaltet und der Inhalte-Selektor, welcher die relevanten Lern- und Assis- tenz-Inhalte auswählt. Die Dienste agieren ereignisbasiert und asynchron: Auslöser für die Verarbeitung und Bereitstellung von Informationen sind Ereignisse, welche entweder von Nutzern (z.B. Benutzereingaben), dem Kontext (z.B. Änderungen des Maschinenstatus) oder den Diens ten selbst (z.B. basierend auf eingetragenen Regeln) kommen. Ereignisse werden systemweit propagiert und können von den Diensten unabhängig voneinander verarbeitet werden. Realisiert und verbunden werden die Dienste über das Vert.x-Framework. Jeder Dienst wird im System von einem Vert.x-Modul repräsentiert. Die Module kommunizie- ren untereinander über zwei Kanäle: Eine Request-Response-Kommunikation wird über das HTTP-Protokoll realisiert, während der vom Framework bereitgestellte Event- Bus einen Publish-Subscribe-Mechanismus zur Verfügung stellt. Letztere bietet u.a. den für die Ereignis-Verteilung notwendigen Push-Mechanismus für Informationen innerhalb der APPSist-Plattform. Komponiert werden die Dienste über das sog. Service-Gateway. Dieser Dienst erfüllt zwei Funktionen: Zum einen verwaltet er die Konfiguration einer APPsist-Installation und instanziiert die dort aufgeführten Dienste, zum anderen stellt er 52 Carsten Ullrich et al. einen Proxy zu den HTTP-Schnittstellen der einzelnen Dienste bereit, so dass ein ein- heitlicher Zugriff auf diese ermöglicht wird. 3.4 Wissensrepräsentation / Intelligente Dienste In APPsist wurde die Domäne „Produktion“ modelliert, d.h. die auftretenden Konzepte und deren Zusammenhänge wurden in einer formalen Beschreibungssprache (OWL) be- schrieben und in einer semantischen Datenbank abgelegt (einem Tripplestore). Die Re- präsentation dient als eindeutiges und festgelegtes Vokabular der Kommunikation der Dienste und als Grundlage für die intelligenten Entscheidungsprozesse der adaptiven Dienste. So kann beispielsweise der Maßnahmendienst über generische Anfragen an die semantische Datenbank (über SPARQL) die für den aktuellen Kontext relevanten Maß- nahmen bestimmen. SPARQL erlaubt dabei einen relativ einfach zu verwendende aber gleichzeitig mächtige Abfragesprache, die auf einem Standard beruht und somit wieder- verwendbar ist. Offen ist noch, ob alle Funktionalitäten der intelligenten Dienste über OWL und SPARQL abgedeckt werden können. Die Formalisierung der Domäne in OWL erlaubt auch, dass neue Konzepte oder Verfeinerungen leicht hinzugefügt werden können, ohne dass die Abfragen geändert werden müssen. Die Prozessbeschreibungen werden in BPMN (Business Process Model and Notation) modelliert, welches sowohl die graphische als auch die semantischen Repräsentation erfasst und die Ausführung von Prozessen (in der Prozess-Koordinationsinstanz) erlaubt, da die Semantik für Prozess-Elemente eindeutig spezifiziert ist. In APPsist hat sich her- ausgestellt, dass bereits eine kleine Teilmenge der umfangreichen Spezifikation aus- reicht, um die Tätigkeiten zu erfassen. Zur funktionalen Einbindung der Prozessmodelle in APP-sist ist es allerdings erforderlich die in Abschnitt 3.2 beschriebenen Informatio- nen in den Prozesselementen hinzuzufügen (Endgeräte, Medieninhalte, Daten, Interakti- onen). Dies wurde als BPMN-konforme Erweiterung innerhalb der Prozessdefinition realisiert. 3.5 Benutzungsschnittstellen Mit dem Ziel einer möglichst konsistenten Gestaltung der entwickelten Benutzungs- schnittstellen wird projektbegleitend ein Styleguide als lebendes Dokument mitgeführt und stetig aktualisiert. In diesem Dokument wurde in einer sehr frühen Phase des Pro- jekts damit begonnen, anhand der Pilotszenarien und erster GUI-Skizzen, die abzuse- henden grundlegenden Aufgabenschritte zu sammeln um so zu einer möglichst vollstän- digen Sammlung von zu gestaltenden Elementen zu kommen. Die erste Projektphase fokussiert sich hierbei auf die Betrachtung von Tablets als Endgeräte, da diese eine um- fangreiche Informationsdarstellung bei hinreichender Mobilität des Benutzers ermögli- chen. Die Entwicklung des Designs der Benutzungsschnittstelle erfolgt in mehreren Schritten. Assistenz- und Wissensdienste für den Shopfloor 53 Zunächst wurden die verschiedenen Seiten der Applikation skizzenhaft dargestellt, und eine erste Evaluation des Designs mit einer kleinen Gruppe von potentiellen Nutzern durchgeführt. Insgesamt wurde das Design als sehr verständlich und übersichtlich einge- stuft. Lediglich die Funktionen einzelner kleinerer Elemente (z.B. Icons) waren nicht direkt ersichtlich. Die Skizzen wurden dahingehend überarbeitet und in einem zweiten Schritt in farbige visuelle Designs umgesetzt. Auf Grundlage dieser visuellen Designs erfolgt im Anschluss die Implementierung der Benutzungsschnittstelle. Weitere Evalua- tionen in Form von Usability-Tests werden parallel zur Entwicklung folgen. Die Benutzungsschnittstelle wird über den Inhalte-Interaktionsdienst (IID) realisiert, der sich in eine Client-Server-Struktur aufteilt, um dynamisch die auf HTML5 basierende GUI anzuzeigen. Dazu stellt der IID neben HTML-Templates Inhaltspakete zur Verfü- gung, die situationsabhängig von verschiedenen anderen Diensten geliefert werden und in die entsprechenden Templates eingefügt werden. Diese Herangehensweise erlaubt im späteren Projektverlauf die Integration weiterer Klassen von Endgeräten wie Smartpho- nes, -watches und -glasses. Hierbei wird auch die Kombination verschiedener Endgeräte betrachtet. Zusätzlich zu dieser eher „klassischen“ GUI wird die Benutzungsschnittstelle auch Augmented Reality Elemente enthalten. So wird das Kamerabild des Tablets mit Zusatzinformationen in Form von Symbolen, Bildern oder 3D-Modellen überlagert. 4 Übertragbarkeit Zur Sicherstellung der Übertragbarkeit der Ergebnisse wird im Projektkontext von APP- sist nicht nur die (technische) Entwicklung des Assistenzsystems betrachtet. Ähnlich wie bei der Einführung anderer IT-Systeme (z.B. MES, ERP) bedarf es für das APPsist- System ebenfalls eines Vorgehensmodells zur Systemeinführung. Hier müssen Aspekte wie die bereits vorhandene IT-Landschaft, technische Restriktionen und Systemkompa- tibilitäten berücksichtigt werden. Aufgrund der großen Heterogenität dieser Aspekte in der Industrie hat ein derartiger Einführungsprozess stets Projektcharakter und kann kei- nesfalls standardisiert ablaufen. Vielmehr ist eine unternehmens- und ggf. sogar be- reichsspezifische Integration des Systems in die vorhandenen technischen Strukturen notwendig, um eine maximale Effizienz des Systems sicherzustellen. Da für die Leis- tungsfähigkeit des Systems jedoch nicht nur technische, sondern auch organisatorische Aspekte (z.B. vorhandene Mitarbeiterprofile) unabdingbar sind, muss das Vorgehens- modell neben der technischen Einführung auch die Integration in die organisatorischen Strukturen des Unternehmens berücksichtigen. Hier bedarf es beispielsweise der Festle- gung von Betriebsvereinbarungen sowie der Betrachtung von Mitbestimmungsrechten und weiteren rechtlichen Aspekten. Darüber hinaus werden in APPsist innovative Ge- schäftsmodelle entwickelt, die beispielsweise unterschiedliche Ertragsmechanismen, Schlüsselpartner, Schlüsselressourcen und Nutzenversprechen beinhalten. Somit soll eine maximale Verwertbarkeit des Systems in einer großen Bandbreite möglicher Ein- satzszenarios gewährleistet werden. Aus technischer Sicht trägt die Verwendung eines 54 Carsten Ullrich et al. ereignisorientiertes Anwendungsframework zur Diensterstellung und von Ontologien um ausgetauschte Daten zu beschreiben und zur Modellierung des Adaptionswissens, zur Übertragbarkeit in andere Domänen wesentlich bei. 5 Verstetigung Neben der Übertragbarkeit nimmt die Integration in vorhandene technische und organi- satorische Systeme auch für die Verstetigung der Projektergebnisse eine wichtige Rolle ein. Hierzu sind jedoch vor allem Aspekte der Usability des Systems entscheidend. Dies beinhaltet die Notwendigkeit zur Detaillierung und Erweiterung von Vorgehensmodellen und Schnittstellen zur Systemintegration, um einen Schritt in Richtung eines „Plug&Play“-Ansatzes zu machen. Des Weiteren bedarf die Prozessaufnahme leistungs- fähiger und intuitiv zu bedienender Tools (Autorentools), die das komplexe und iterative Vorgehen (vgl. Abschnitt 3.2) in einer Anwendung bündeln, die direkt am Shopfloor mit geringem Aufwand genutzt werden kann. Dies erfordert wiederum die Entwicklung eines Bausteinsystems, in dem einzelne (wiederverwendbare) Prozessbausteine aus einer Bibliothek genutzt werden, um den Erstellungsaufwand von Assistenzprozessen zu mi- nimieren. Medieninhalte müssen effizient erstellt, editiert und an der richtigen Stelle im Prozess eingefügt werden können. Nur wenn eine umfassende Usability des Systems gewährleistet ist, kann dessen nachhaltiger Einsatz im industriellen Kontext sicherge- stellt werden. 6 Fazit Dieser Artikel gab einen Überblick über den aktuellen Stand des Projekt APPsist. Zu- sammenfassend lässt sich sagen, dass der Weg über Pilotszenarios zur in sich geschlos- senen Eingrenzung des Themengebiets sehr hilfreich war um die sich eröffnenden Fra- gestellungen einzugrenzen. Es ist allerdings notwendig die Betrachtung im Projektverlauf auf höherwertige Tätigkeiten zur erweitern. Das nun ausgearbeitete Vor- gehensmodell wird voraussichtlich die Erfassung neuer Szenarios erleichtern. Heutige Technologien bieten bereits eine gute Basis, um flexibel konfigurierbare Systeme zu realisieren. Dienstbasierte Frameworks erlauben das getrennte Entwickeln von und das Zusammensetzen eines Gesamtsystems aus verschiedenen Diensten. Standards des Se- mantic Web ermöglichen sowohl eine eindeutige Kommunikation zwischen den Diens- ten als auch die Realisierung intelligenter Dienste. Der weitere Projektverlauf wird zei- gen, inwieweit die Übertragbarkeit tatsächlich gegeben ist. Die Erwartung ist, dass geringfügige Anpassungen notwendig sein werden, der Gesamtentwurf aber Bestand haben wird. Assistenz- und Wissensdienste für den Shopfloor 55 Danksagung Dieser Beitrag entstand im Rahmen des Projekts „APPsist Intelligente Wissensdienste für die Smart Production“, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unter dem Kennzeichen 01MA13004C gefördert und vom DLR-Projektträger betreut wird. Literaturverzeichnis [aDAdT11] acatech Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Hrsg. Cyber-Physical Sys- tems: Innovationsmotoren für Mobilität, Gesundheit, Energie und Produktion, Jgg. 11 in acatech bezieht Position. Springer-Verlag, Berlin, 2011. [BK12] Becker, Jörg; Kahn, Dieter: Der Prozess im Fokus. In (Becker, Jörg; Kugeler, Martin; Rosemann, Michael, Hrsg.): Prozessmanagement, S. 3–16. Springer Berlin Heidelberg, 2012. [HK14] Hirsch-Kreinsen, Hartmut: Wandel von Produktionsarbeit – „Industrie 4.0“. Soziologi- sches Arbeitspapier 38, Technische Universität Dortmund, Wirtschafts- und Sozialwis- senschaftliche Fakultät, Dortmund, Januar 2014. [KWH13] Kagermann, Henning; Wahlster, Wolfgang; Helbig, Johannes, Hrsg. Deutschlands Zukunft als Produktionsstandort sichern: Umsetzungsempfehlungen für das Zu- kunftsprojekt Industrie 4.0, Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0. acatech Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Berlin, 2013. [Ne15] Newman, S.: Building Microservices. O’Reilly Media, Incorporated, 2015.