=Paper= {{Paper |id=Vol-1477/paper23 |storemode=property |title=CBCT-unterstützte Nadelprozeduren mit der iSYS1 ® Roboter-Plattform |pdfUrl=https://ceur-ws.org/Vol-1477/Proceedings_CURAC_2013_Paper_23.pdf |volume=Vol-1477 |dblpUrl=https://dblp.org/rec/conf/curac/KronreifKFPV13 }} ==CBCT-unterstützte Nadelprozeduren mit der iSYS1 ® Roboter-Plattform== https://ceur-ws.org/Vol-1477/Proceedings_CURAC_2013_Paper_23.pdf
    CBCT-unterstützte Nadelprozeduren mit der iSYS1 Roboter-Plattform

                           G. Kronreif 1, M. Kornfeld 1, M. Fürst 1, W. Ptacek 1, M. Vogele 2

            ¹ ACMIT - Austrian Center for Medical Innovation and Technology, Wiener Neustadt, Österreich
                                2
                                  iSYS Medizintechnik GmbH, Kitzbühel, Österreich


                                     Kontakt: gernot.kronreif@acmit.at

Abstract:

Perkutane Nadelprozeduren haben sich zu wichtigen medizinischen Verfahren in Diagnostik und Therapie entwickelt.
Zu den gebräuchlichsten Anwendungen gehören die Gewebsentnahme für diagnostische Zwecke (Biopsie) sowie Be-
handlungsmethoden wie RF-Ablation, Kryo-Ablation, Schmerzbehandlung, Drainagen und andere. Da es während der
Platzierung des Werkzeugs – also der Nadel — keinen direkten Sichtkontakt zum Zielbereich gibt, werden diese Verfah-
ren durch prä- und/oder intra-operative Bildgebung unterstützt. Dieser Bericht beschreibt die Kombination einer neu-
artigen Roboter-Zielvorrichtung mit dem bildgebenden Verfahren der "Cone-Beam-Computertomographie" (CBCT).
Der Schwerpunkt des Artikels liegt auf dem entwickelten Work-Flow für eine nahtlose Integration des Robotersystems in
die klinische Umgebung. Ebenso werden Ergebnisse einer ersten multizentrischen Evaluationsstudie dargestellt.

Schlüsselworte: Medizin-Robotik, bildgestüzte Diagnose und Therapie, interventionelle Radiologie

1       Problemstellung

Nadel-basierte (perkutane) Interventionen – wie Biopsien, Aspiration oder Gewebe-Abtragungen durch RF- oder Kryo-
Ablation – haben längst ihren Platz in der Patientenversorgung gefunden und bieten einige offensichtliche Vorteile ge-
genüber Verfahren der herkömmlichen Chirurgie, wie zum Beispiel geringere Invasivität und Narbenbildung, reduzierte
postoperative Schmerzen und Komplikationen und letztlich eine schnellere Entlassung aus dem Krankenhaus.. Die hohe
Wirksamkeit dieser Technik hängt jedoch weitgehend von der Genauigkeit der Nadelplatzierung ab. Zeitweise kann der
Zugang der Nadel zu einem Ziel technisch schwierig sein , wie zum Beispiel im Falle eines begrenzten Raums bei der
Einstichstelle oder bei einem schwierigen doppelt-angulierten Zugang. Die Verwendung von (multi-modalen) intra-
operativen Bilddaten - wie Flouroskopie, CT, Ultraschall, MRT - ist eine Grund-Voraussetzung für eine sichere und prä-
zise Platzierung der Nadel ohne direkte Sicht auf die gewünschte Anatomie [1]. Robotertechnik kann potenziell die ge-
naue Übertragung des prä-operativen Plans an den Patienten unterstützen und so den Arzt bei der Nadelplatzierung ent-
lasten [2]. Letztlich ist eine erfolgreiche Anwendung solcher Roboter-Systeme im Routinebetrieb aber nur dann mög-
lich, wenn eine sorgfältige Integration der Technologie und / oder eine entsprechende Anpassung der bestehenden
Prozesse erreicht wird (neben der ohnedies vorauszusetzenden fehlerfreien und exakten Funktion der eingesetzten Ro-
boter-Technologie). Dieser Bericht beschreibt die Kombination des neuen Robotersystem iSYS1 mit intra-operativer
"Cone Beam CT" (CBCT) Bildgebung. Hauptaugenmerk liegt auf der Darstellung des entwickelten Workflow sowie
von ersten Resultaten aus der in vitro und in vivo Evaluierung des Setups unter klinischen Bedingungen.

2       Material und Methoden

Dieses Kapitel beschreibt die wesentlichen Komponenten des verwendeten Setups sowie den entwickelten Workflow
für CBCT-gestützte Nadelplatzierung.

Cone Beam-CT:
Cone Beam-Computertomographie (CBCT; auch als digitale Volumentomographie DVT bezeichnet) ist eine relativ
neue Bildgebung, die Flat-Panel-Detektor-Technologie nutzt, um CT-ähnliche Bilder zu erhalten. Sie wird zunehmend
in verschiedenen Bereichen der Medizin, wie zB kardiale Bildgebung oder Strahlentherapie, angewendet. Das Grund-
Prinzip ist die Verwendung eines kegelförmiges Röntgenstrahlenbündels, wobei die Röntgenquelle und der Detektor
eine Drehung um einen Punkt (Isozentrum) im Inneren des Patienten durchführen. Die konische Form des Strahlenbün-
dels unterscheidet diese Technik von einem klassischen Spiral-CT, welches einen fächerförmigen Strahl verwendet. Auf
Basis der solcherart erfassten zweidimensionalen Parallelprojektionen wird bei nur einer (180° bis 360°) Umdrehung
ein vollständiger dreidimensionaler Datensatz ermittelt. Die vom Detektor empfangenen Bilder werden in volumetri-

                                                          93
sche Daten (Primärrekonstruktion) zusammengestellt, welche im Anschluss als zweidimensionale multiplanare Schich-
ten oder drei-dimensional visualisiert werden können.
Im Projekt verwendet wurden Artis Zeego (Siemens AG, Erlangen / D) mit syngo iGuide Planungssoftware und Philips
Allura (Philips Healthcare NV, Best / NL) mit XperGuide Planungssoftware. Bei Verwendung anderer CBCT (und /
oder Planungs-)Systeme könnten kleinere Anpassung am hier beschriebenen Workflow erforderlich sein.

iSYS1 Roboter-System:
Der hier beschriebene Workflow wurde für das neue iSYS1 Robotersystem (iSYS Medizintechnik GmbH, Kitzbühel /
A) entwickelt. Die Positionierung der Nadel mit diesem System wird in zwei Schritten durchgeführt. Die grobe Vorposi-
tionierung erfolgt mit einem passiven 7DOF (Degrees of Freedom; Freiheitsgrade) Haltearm („MFA“); die Fein-
positionierung wird mit einem 2x2DOF aktiven Roboter-System (Robot Positioning Unit „RPU“) ausgeführt. Das ki-
nematische Konzept für diese aktive Positioniereinheit basiert auf einem Parallelogramm-Mechanismus. Zwei überei-
nander angeordnete x-y-Robotermodule sind über parallele "Finger" verbunden, welche wiederum durch eine spezielle
Nadelführung (Needle Guide Adapter „NGA") verbunden sind. Der aus dieser Konfiguration resultierende Bewegungs-
bereich für das aktive Robotersystem beträgt  20 mm in einer xy-Ebene (für die Feineinstellung des Nadeleinstich-
punkts) sowie  30 ° in zwei Ebenen für die genaue Einstellung der Nadelangulation. Die Verwendung hochpräziser
Komponenten für das mechanische System (zB spielfreie Getriebesysteme, hochpräzise Kugelumlaufspindeln und
Monorail Führungen, etc.) erlaubt eine Auflösung von etwa 5 µm für die Positionierung und 1/100-Grad-.für die
Angulation. Das hochintegrierte Design der Robotermodule resultiert in einem sehr geringen Platzbedarf des Roboters
(LxBxH: 120mm x 200mm x 70mm), wodurch das System auch innerhalb der "virtuellen Gantry" des CBCT-Detektors
ohne nennenswerte kinematische Einschränkungen verwendet werden kann (siehe Abbildung 1).


                            RPU
                                                                                                      HCU




NGA


                                       MFA                     CU
Abbildung. 1: Robotersystem bestehend aus passiven         Abbildung. 2: Control Unit CU und Bediengerät HCU an
7DOF Haltearm und 2x2DOF aktiven Roboter RPU               Side-Rail montiert

Das Robotersystem beinhaltet auch eine Steuerung und ein Handbediengerät. Die Steuerung (Control Unit "CU") kann
an der Side-Rail des Behandlungstisches montiert werden und beinhaltet im wesentlichen die Bewegungssteuerungen
der insgesamt vier aktiven Freiheitsgrade, einen Master-Controller für Bewegungskoordination und Kommunikations-
aufgaben, sowie ein umfassendes Sicherheitssystem. Das Sicherheitssystem umfasst eine automatische Identifizierung
der Roboter-Module durch eine Spannungs-Codierung, eine permanente Plausibilitätsprüfung der Encoder-
Informationen, Sicherheitsmaßnahmen zur Detektion und Vermeidung einer unbeabsichtigten Bewegung der einzelnen
Roboterachsen und eine Sicherheitsschaltung mit einem Not-Aus-System. Die Bedienung des Roboters erfolgt über ei-
ne Eingabevorrichtung (Handheld Control Unit "HCU"), bestehend aus einem Wahlschalter für den Bewegungsmodus
(d.h. Auswahl Position/Angulation), einen Kippschalter zur Auswahl der Grundgeschwindigkeit des Roboters in drei
verschiedenen Bereichen (schnell / mittel / langsam) sowie einem Joystick zur Eingabe der Bewegungsrichtung (siehe
Abbildung 2).

Zur Führung des Werkzeugs, dh der Nadel, ist ein Set von Führungseinsätzen (Needle Guide Insert „NGI") für den
NGA verfügbar. Diese NGIs ermöglichen eine präzise Führung der Nadel während des gesamten Einstichvorgangs. Bei
Bedarf kann die Nadel vom Roboter entkoppelt werden, indem das NGI aus dem NGA herausgezogen und aufgeklappt
wird.

Registrierung des Robotersystems mit den Bildkoordinaten:
Für die Verwendung der Bildinformation zur robotergestützten Positionierung des Werkzeugs muss der Roboter in den
Koordinaten der akquirierten Bilder bekannt sein. Dieser Vorgang, auch "Registrierung" genannt, erfordert im allgemei-

                                                         94
nen eine Struktur (= „Marker“), die einerseits einfach und stabil in den prä-/intra-operativen Bildern identifiziert werden
kann sowie auch in Roboterkoordinaten bekannt ist. Für den beschriebenen Workflow wurde dazu ein "Needle Guide
Marker Insert „NGMI" entwickelt, das zwei kleine zur Nadelachse des NGI konzentrische Metallringe enthält.

Workflow für die robotergestützte Nadelplatzierung:
(1) System-Einrichtung und Vorbereitung des Patienten
       Der passive Haltearm (MFA) wird am geeigneten Tisch-Adapter angeschlossen und in eine Parkposition ge-
       bracht. Das aktive Robotersystem (RPU) wird am MFA montiert. Steuereinheit (CU) und Bedieneinheit (HCU)
       werden in der Side-Rail des Behandlungstisches eingehängt.
(2) Bildaufnahme und Behandlungsplanung
       Nach Akquisition eines 3D-Datensatzes des Patienten erfolgt die Definition der Nadeltrajektorie unter Zuhilfe-
       nahme des Planungswerkzeugs der Bildgebung. Abhängig von der Funktionalität des jeweiligen Systems wird
       sowohl Nadeleintrittspunkt als auch Zielpunkt durch einfaches Klicken auf den gewünschten Bereich in den 3D-
       Bildern definiert. Die geplante Trajektorie kann in verschiedenen Ansichten kontrolliert werden.
(3) Ausrichtung des bildgebenden Systems
       Der Bildwandler wird automatisch in eine Normalebene zur geplanten Trajektorie verfahren („Bull’s Eye
       View“).
(4) Grobe Vorpositionierung der RPU und Einsetzen NGMI
       Die RPU wird mit dem MFA in die gewünschte Arbeitsposition (gemäß Planung, Schritt (2)) vorpositioniert. Die
       geplante Einstech- und Zielposition sollte innerhalb des Bewegungsbereichs der RPU liegen. Nach erfolgter
       Vorpositionierung wird das NGMI in den NGA eingesetzt.
(5) Bildgestützte Positionierung unter Durchleuchtung
       Bei der Feinpositionierung der RPU müssen die Marker-Kreise des NGMI in eine konzentrische Position mit der
       geplanten Trajektorie gebracht werden. Die RPU wird hierbei über die HCU aus sicherer Entfernung und unter
       Sichtkontrolle mittels intermittierender Bildgebung gesteuert.
(6) Einsetzen des NGI und Einführen der Nadel
       Nach der Feinpositionierung wird das NGMI durch das zum Nadeldurchmesser passende NGI ersetzt und die
       Nadel eingeführt. Dieser Prozess kann durch intermittierende Bildgebung des um 90° in A/P-Position ge-
       schwenkten C-Bogens überwacht werden.




                                                                              ad (2)               ad (5)                     ad (5)

Abbildung. 3: Ausgewählte Schritte des entwickelten Workflow zur robotergestützen Nadelplatzierung mit CBCT
Bildgebung

3        Ergebnisse

Der beschriebene Arbeitsablauf wurde in einer Reihe von ex vivo und in vivo Studien in fünf Institutionen und mit un-
terschiedlichen bildgebenden Systemen untersucht. Diese Tests wurden unter verschiedenen Gesichtspunkten und mit
verschiedenen Protokollen durchgeführt, zB für die Bewertung der Zielgenauigkeit, Auswertung der erforderlichen
Strahlendosis, Bedienbarkeit und andere.
In einer Phantomstudie am SIP Lab der Medizin-Universität Innsbruck wurden 10 Durchgänge mit jeweils 10 Nadeln
(Kirschnerdrähte, Durchmesser = 1,5mm, Länge = 28cm) durchgeführt. Die Planung erfolgte auf Basis eines 3D-
Datensatzes mit XperGuide (Philips Healthcare NV, Best / NL). Nachdem 10 Nadeln gemäß Plan gesetzt wurden, er-
folgte die Messung des Positionierfehlers (definiert als Euklidischer Abstand zwischen geplanten Zielpunkt und Nadel-
spitze der gesetzten Nadel) mittels CT-Scan mit 1mm Schichtabstand. Die solcherart ermittelte Positionsabweichung
beträgt 2,54  1,19 mm (n=100).
Nach leichter Überarbeitung des Workflow hinsichtlich Positionierung der Bildgebung für die Feinpositionierung (d.h.
genauere Vorpositionierung des Tisches zur genaueren Einstellung des „Bull’s Eye View“) und der NGIs (d.h. größerer

                                                            95
Abstand der Markerringe und längere Führungshülse) konnte in weiteren Tests eine signifikante Verbesserung der
Positioniergenauigkeit erreicht werden. Die nachfolgenden Daten resultieren aus einer Leichenstudie zur Positionierung
von K-Drähten zur Pedikelverschraubung, durchgeführt in Zusammenarbeit mit der Univ.Klinik Frankfurt/Main [3]:
        • Durchschnittliche Dauer Feinpositionierung RPU: 21,23 s (min. 11 s., max 35 s)
        • Mittlere Abweichung von der geplanten Trajektorie: 0,4 mm (RMS) bei 6,73 cm mittlerer Einstechtiefe (n=35).
Das hier beschriebene Robotersystem und der Workflow wurden schließlich auch in einer Reihe von klinischen Eingrif-
fen eingesetzt, zB für RF-Ablation Trigeminus, RF- und Kryo-Ablation Niere, Biopsie Wirbelsäule, Leber, Lunge, mul-
ti-Nadel Tumorablation Leber oder Schmerzbehandlung L1, L3, L4. Mit der Kombination von CBCT-Bildgebung und
dem iSYS1 Roboter konnten alle Nadeln erfolgreich positioniert werden. Die gemessene Genauigkeit betrug durch-
schnittlich 1,21 mm an der Nadelspitze und 0,78 mm am Einstechpunkt (n=21). Mit Ausnahme von drei Anwendungen
wurde der Eingriff mit Roboterunterstützung als „einfacher“ (n=15) oder „unverändert“ (n=3) bewertet.




Abbildung 4: links -- Evaluierung des Systems in Phantomstudie, mitte -- Leichenstudie (Setup für K-Draht-
Plazierung); rechts -- in klinischer Anwendung (Biopsie Tumor Oesophagus; geplante Trajektorie – grün; gesetzte Na-
del – pink)

4       Zusammenfassung

Die Verbindung von CBCT-Bildgebung und dem Robotersystem iSYS1 sowie der für diese Kombination entwickelte
Workflow unterstützen den Interventionalisten bei der bildgestützten Nadel-Platzierung. Die hier beschriebene Integra-
tion erleichtert die untersuchten Eingriffe ohne zu einer Verlängerung der Gesamt-Eingriffszeit zu führen. Die Platzie-
rung der Nadeln erfolgt komplikationslos mit hoher Genauigkeit.

5       Danksagung

Die Autoren danken ihren klinischen Partnern SIP Lab Innsbruck (R. Bale et al.), Med.Univ. Frankfurt/ Main (S. Zangos
et al.) und St. Antonius Ziekenhuis (M. van Strijen et al.) für die wertvolle Unterstützung bei der System-Evaluierung.

6       Referenzen

[1]   Kettenbach J et al., „Ultrasound-, CT- and MR-Guided Robot-assisted Assisted Interventions”, Image Processing
      in Radiology - Current Applications, Neri, E., Caramella, D., Bartolozzi, C. (Eds.), 2008, Springer, p. 391-408.
[2]   Kronreif G et al., Robotic Guidance for Percutaneous Interventions, Advanced Robotics, Vol. 17, No. 6, ISSN
      0169-1864, 2003, pp. 541 – 560.
[3]   Zangos S et al, C-arm computed tomography combining with a new remote operated positioning and guidance
      system for guidance of minimally invasive spine interventions, ECR 2013, 10.1594/ecr2013/C-2559




                                                          96