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|title=Mechanische Modelle zur Qualitätssicherung der 3D-Navigation in der HNO-Chirurgie
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==Mechanische Modelle zur Qualitätssicherung der 3D-Navigation in der HNO-Chirurgie==
Mechanische Modelle zur Qualitätssicherung der 3D-Navigation in der HNO-Chirurgie G. Diakov¹, W. Freysinger¹ ¹ 4D-Visualisierungslabor Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde Medizinische Universität Innsbruck Österreich Kontakt: georgi.diakov@i-med.ac.at Abstract: Die neue Oberflächenregistrierungsmethode mittels Gauß-Feldern (GF) wurde zur Automatisierung des Patientenre- gistrierungsverfahrens in der navigierten HNO Chirurgie entwickelt und validiert. Die Methode formuliert eine Gaußsche Energiefunktion (GEF) als die Summe der euklidischen Punktabstände, die durch Gewichtungsfaktoren mul- tipliziert werden, um die Reliefbesonderheiten der zu registrierenden anatomischen Struktur in den Datensätzen zu be- rücksichtigen. Die GEF wurde mit der Gradienten-basierten Quasi-Newton-Optimierungsmethode minimiert. Die GF Methode wurde als dynamische Bibliothek in ParaView integriert. Ein weiteres mechanisches Modell formuliert den Registrierungsfehler als die Arbeit elastischer Kräfte und wertet die erreichte Genauigkeit aus. Synthetisch generierte asymmetrische rauschfreie Oberflächen, sowie ein Ultraschallprofil eines Schädel-Phantoms und die CT Daten des Schädels wurden mit der GF Methode registriert. Form-Attribute wurden an ausgeprägten Stellen in den Datensätzen definiert. Die Konvergenzbecken des Algorithmus wurden bestimmt, wobei im Bereich [-35°, 35°] um die registrierte Position 89% der Fälle mit sub-millimetrischer Genauigkeit konvergierten. Der quantitativ gemessene Registrierungsfehler wurde intuitiv dargestellt. Schlüsselworte: 3D-Navigation, Oberflächenregistrierung, Registrierungsfehler 1 Problemstellung Die manuelle Registrierung des Patienten zum präoperativen diagnostischen Datensatz zur Computer-assistierten HNO- Chirurgie macht die chirurgische Navigation anfällig für menschliche Fehler. Dieser Nachteil wird durch die intraopera- tive Unzugänglichkeit der Registrierungsmarker verstärkt. Intraoperative Registrierung kann nur durch den Chirurgen durchgeführt werden, da die Bezugspunkte im sterilen Bereich sind. Zum intraoperativen Tracking des Patienten wer- den optische oder elektromagnetische [1] Marker eingesetzt. Oberflächenregistrierung wird zunehmend in den „State- of-the-art“ Navigationssystemen, wie die Medtronic StealthStation® S7®, verwendet. Eine Oberflächenregistrierung erfolgt automatisch mit intraoperativ gewonnenen räumlichen Daten, wie Ultraschall, Laser-, oder „Time-of-Flight“ (ToF) Scans des Patienten [2]. Die Fehler-Funktion, die dabei minimiert wird, wird als der quadratische Mittelwert (RMS) der kleinsten Abstände formuliert und durch einen Optimierer [3,4] minimiert. Die Konvergenz der Fehler- Funktion zum globalen Minimum wird durch den zur Oberflächenregistrierung meist verwendeten „Iterative Closest Point“ (ICP) Algorithmus [5] nicht garantiert. Der Fehler (Target Registration Error - TRE) bei einer „Paired-Point“ Registrierung ist in der Literatur ausgewertet. In [6] wurden alle Faktoren, die die Qualität einer „Paired-Point“ Registrierung beeinflussen, mit der Methodik von Fitzpatrick et al analysiert und ein quantitatives Maß wurde für den Benutzer-verursachten Fehler eingeführt. Ein zuver- lässiges Verfahren zur Schätzung der Registrierungsfehler (TRE) bei Oberflächenregistrierung ist in den „State-of-the- art“ Navigationssystemen nicht vorhanden. 2 Material und Methoden Die Oberflächenregistrierungsmethode mit Gauß-Feldern wird auf einem Laboraufbau (Abb. 1) validiert, wobei der Hinterkopf des Patienten intraoperativ durch einen mechanisch positionierten Ultraschall-Sensor abgetastet wird und die Knochenoberfläche von den gewonnenen Daten generiert wird. Der Kopf des Patienten wird auf eine halbkugelförmige PTFE-Schale gelagert, die am Operationstisch befestigt wird. Der A-Mode Sensor wird dicht an die 121 PTFE-Schalle mit Ultraschallgel gekoppelt und folgt einer halbkugelförmigen Abtasttrajektorie. Der ständige Kontakt mit der PTFE-Oberfläche wird durch die elastischen Kräfte einer metallischen Feder gewährleistet. Der Ultraschallsensor wird mit Modulen für Rotation und Translation positioniert und von einem Panametrics Sender- Empfänger 5800 gesteuert. Ein polares Koordinatensystem wird mit dem Ursprung im Zentrum der halbkugelförmigen Schale definiert. Der Drehwinkel des Rotationsmoduls wird direkt als die Φ-Polarkoordinate genommen, anderseits wird die Translation des zweiten Moduls in die Q-Polarkoordinate umgewandelt. Der Radius wird aus den Laufzeiten der Ultraschallwellen bis zur Reflektion von der Knochenoberfläche berechnet. Die davon gewonnene Knochenoberfläche wird mit dem diagnostischen CT-Datensatz des Patienten registriert. Abbildung 1: Links: Das kinematische Schema des experimentellen Aufbaus ist aus der Abbildung ersichtlich. Das Schlitten (A) wird vom Translationsmodul in Bewegung auf der linearen Laufbahn (L) gesetzt. Die Kurbelwelle (B) ist durch ein Gelenk mit (A) verbunden. (B) ist durch ein weiteres Gelenk mit dem Ultraschallsensor-Halter (C) ver- bunden. Der Schallwandler des Sensors gleitet auf der Oberfläche der halbkugelförmigen PTFE-Schalle (S). Das feste Kontakt des Schallwandlers mit der PTFE-Schalle wird durch eine Feder (F) gewährleistet, die auf (A) fixiert ist. Der Ultraschallstrahl breitet sich radial in Richtung des Zentrums (O) der PTFE-Schalle aus und wird von der Oberfläche des hinteren Schädels reflektiert. Der Winkel Θ wird aus dem Laufweg (l) des Schlittens (A) gewonnen. Das Transla- tionsmodul (L) ist auf dem Rotationsmodul (R) fixiert, beziehungsweise ist die PTFE-Schale (S) auf dem Operations- tisch (T) fixiert. Die Rotation von (R) ergibt den Winkel Φ. Auf dieser Weise folgt der Schallwandler einer halbkugel- förmigen Laufbahn, die eine erste Annäherung der hinteren Schädelkalotte darstellt. Rechts: Operationstisch mit daran befestigtem Registrierungsgerät. Der A-Mode Sensor wird mit Modulen für Rotati- on und Translation positioniert. Der Patientenkopf wird auf eine halbkugelförmige PTFE Schale gelagert. Mit dem experimentellen Laboraufbau und dem herkömmlichen ICP Algorithmus wurden Registrierungen an einem humanen Schädelphantom durchgeführt. In einer Oberflächenregistrierungsapplikation ist der quadratische Mittelwert der kleinsten Abstände die generische Metrik für die Güte der Registrierung [4]. Zur Oberflächen-Registrierung mit der Gauß-Felder Methode [7] wurde eine Gauß-Energie-Funktion (GEF) als die Summe von „mollifizierten“ kleinsten Abständen formuliert. Die „Mollification“ ist eine Faltung mit einem Gauß-Kern und stellt die Differenzierbarkeit der GEF in der Nachbarschaft der registrierten Position sicher. Die Formulierung der GEF ähnelt der Integration eines Potentialfeldes. Durch Multiplikation mit Ge- wichtungsfaktoren wurde die GEF im Mahalanobis-Raum [3] als das Produkt zweier Exponenten definiert. Die Gaußsche Blende wurde manuell getunt und die Parameter wurden skaliert zur passenden Reaktion der GEF auf Ab- weichungen von der registrierten Position. Die Gaußsche Energiefunktion (GEF) wurde mit dem Gradienten-basierten Optimierungsverfahren "quasi-Newton" [3] minimiert. Die partiellen Ableitungen der GEF wurden mit der Finite- Differenzen-Methode [4] berechnet. Ein zweites mechanisches Modell [9] quantifiziert den Registrierungsfehler, indem die Knochenoberfläche als auf elas- tischen linearen und Torsions-Feder aufgehängter Festkörper betrachtet wird. Die davon entstehenden elastischen Kräfte neigen dazu, das System ins Gleichgewicht zu bringen und unterliegen dem Hooke'schen Gesetz. Die Verschiebung der Punkte aus der Gleichgewichtsposition besteht aus einer Translation und einer Rotationskomponente und wird als Schraubenbewegung formuliert. Die Federkonstante wird durch eine Trägheitsmatrize ersetzt, deren Eigenwerte die Hauptträgheitsmomente des Festkörpers darstellen [10]. 122 Die durch die Kontraktion der mechanischen Feder geleistete Arbeit wird durch die Veränderung der kinetischen Ener- gie ausgedrückt und zur Schätzung des Registrierungsfehlers (TRE) verwendet. Anderseits wird TRE durch die Varianz bei der Bestimmung der Korrespondenzpunkte ausgedrückt. Ein Unsicherheitsfaktor wird jedem Punkt zugewiesen, um den „Point Localization Error“ (PLE) zu berücksichtigen. Der PLE wird der geleisteten Arbeit angeglichen und davon wird der Registrierungsfehler durch die Abstände zu den Hauptachsen und die Trägheitsmomente der 3D-Oberfläche ausgedrückt, ähnlich wie die Formel für „Target Registration Error“ (TRE) bei einer „Paired-Point“ Registrierung [6]. 3 Ergebnisse Die Gauß-Felder Methode wurde durch Registrierungen an MatLab generierten synthetischen Oberflächen validiert. Dafür wurden Spitzenpunkte auf den Oberflächen manuell als Reliefbesonderheiten in der ParaView [11] Umgebung definiert. Formattribute wurden als skalare Werte den Punkten zugewiesen. Den restlichen Punkten wurde der Wert Null zugewiesen. Bei den Registrierungen mit humanen Schädel und Kadavern werden die Lambda-Fissur und die Protuberantia occipitalis externa als Reliefbesonderheiten genommen. Die Oberflächen wurden aus Ausgangspositionen registriert, die durch 5° stufenweise Drehungen um die drei Haupt- achsen erhalten wurden. Durch Translation des beweglichen Datensatzes wurden die Oberflächen zur Überlappung ihrer Massenzentren gebracht. Konvergenz wird erreicht, wenn entweder der Gradient oder die Änderung der Funktionspa- rameter durch die Minimierungsroutine auf Null gesetzt werden. Die Konvergenzbecken des GF-Algorithmus (Abb. 2) wurden durch Messung des Restfehlers bestimmt. Bei Null-Restfehler (mit einer Annäherung von 0,01 mm) wurden die Registrierungen als erfolgreich genommen. Für Ausgangspositionen im Bereich von [-20 °, 20 °] um die registrierte Po- sition waren alle Registrierungen erfolgreich. Im Bereich von [-35 °, 35 °] war die Mehrheit der Registrierungen erfolg- reich, wobei 89% zum globalen und 11% - zu einem lokalen Minimum konvergierten. Damit konnten lokale Minima noch nicht vollständig vermieden werden. Abbildung 2: Links: Konvergenzbecken des GF-Registrierungsalgorithmus. Die Ausgangspositionen zur Registrierung wurden durch schrittweisen 5° Drehungen des beweglichen Datensatzes um jede Hauptachse erhalten. Die drei Graphi- ken entsprechen jedem der Euler-Winkel: Φ, Θ und Ψ. Die Koordinatenachsen zeigen die Verdrehung in der Ausgangs- position (x-Achse) und den Restfehler in [mm] nach der Konvergenz (y-Achse). Rechts: Die Änderungen der GEF während der Optimierung mit dem Quasi-Newton Verfahren und die Transformati- onsparameter in wichtigen Punkten sind gezeigt. In der Ausgangsposition wurde der bewegliche Datensatz mit 15 Grad um jede Hauptachse rotiert und die Massenzentren der Datensätze wurden in überlappender Position gebracht. Das glo- bale Minimum wird vom Optimierer mit der "Backtracking"-Vorgehensweise gesucht. Im Abschnitt zwischen Iteration 20 und 70 hat die GEF ein Minimum im Punkt A. Weitere Minima werden durch Annäherung der Hesseschen Matrix gesucht [3], bis der Punkt B erreicht wird, in dem der Gradient berechnet wird. Die Richtung und Absolutbetrag des Gradienten ergeben den nächsten Newtonschen Schritt. Die Minimierung in die Newtonsche (Gradienten-) Richtung garantiert das Erreichen eines niedrigeren Werts von GEF. Dennoch wird zuerst der volle Newtonsche Schritt vorge- nommen, was zu einem neuen Maximum im Punkt C führt. Minima werden durch „Backtracking“ in der negativen Gradienten-Richtung gesucht, bis ein neues Minimum im Punkt D erreicht wird. Das globale Minimum wird im Punkt (-10, -18, -18) erreicht, der die Parameter für die Transformation der Registrierung ergibt. 4 Diskussion und Zusammenfassung Zusätzliche Punktinformationen sind noch nicht gründlich genutzt um die Qualität einer Oberflächenregistrierung si- cherzustellen. In [2] wurde das Rauschen bei der Punktlokalisation als zusätzliches Punkt-Attribut durch eine Kovarianz 123 Matrix in die Fehler-Funktion eingebaut. Damit wurde der Registrierungsfehler (TRE) um 70% minimiert. Hier wurde eine neue Methode zur Oberflächenregistrierung aus klinischer Ansicht ausgewertet. Erste Experimente mit syntheti- schen Oberflächen wurden durchgeführt. Momentan ist die Konvergenz zu lokalen Minima noch nicht vollständig eli- miniert, wobei die Registrierung von der Ausgangsposition abhängt. Die erreichte Genauigkeit wird im nächsten Schritt des Projekts durch ein weiteres mechanisches Model [9] vorherge- sagt. Damit wird der Registrierungsfehler (TRE) durch die Abstände zu den Hauptachsen und die Trägheitsmomente des Datensatzes geschätzt, eine Auswertung der klinischen Genauigkeit, die bislang für „Paired-Point“ Registrierungen existiert [6]. Durch Messungen am Zielpunkten auf dem vorderen Schädel wird der TRE ausgewertet und graphisch in- tuitiv dargestellt. Die Registrierungsmethode wird auf humanen anatomischen Präparaten validiert. Registrierungen mit intraoperativen Datensätzen von verschiedenen Ultraschall-Sensoren und diagnostischen CT-Bildern werden durchgeführt. Die Vermei- dung der Konvergenz zu lokalen Minima wird in der Auswahl und der Konfiguration der anatomischen Besonderheiten gesucht. Alternativ könnte man die Konvergenz zum globalen Minimum mit einer Monte-Carlo Initialisierung des GF Algorithmus sicherstellen. 5 Danksagungen Unterstützt durch Fördergelder des Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank (Projektnummer: 14751) und der Medizinischen Universität Innsbruck unter MFI-Projekt 2007-404. 6 Referenzen [1] Franz AM, März K, Hummel J, Birkfellner W, Bendl R, Delorme S, Schlemmer H-P, Meinzer H-P, and Maier- Hein L (2012) Electromagnetic tracking for US-guided interventions: standardized assessment of a new compact field generator. Int.J.CARS 7:813-818 [2] Maier-Hein L, Franz AM, dos Santos TR, Schmidt M, Fangerau M, Meinzer H-P, and Fitzpatrick JM (2012) Convergent iterative closest-point algorithm to accommodate anisotropic and inhomogeneous localization error. IEEE Trans.Pattern Anal.Mach.Intell. 34 (8) [3] Press WH, Teukolsky SA, Vetterling WT, and Flannery BP (2007) Numerical recipes: the art of scientific compu- ting. Cambridge University Press, New York, USA, ISBN 978-0-521-88068-8 [4] Yoo TS (2004) Insight into Images: Principles for Segmentation, Registration, and Image Analysis. AK Peters Ltd., Wellesley, Massachusetts, ISBN 1-56881-217-5 [5] Besl, P. J. and Mckay, N. D. (1992) A Method for Registration of 3-D Shapes. IEEE Trans.Pattern Analysis and Machine Intelligence 14 (2):239-256 [6] Gueler O, Perwög M, Kral F, Bardosi ZR, Goebel G, and Freysinger W (2013) Quantitative error analysis for computer assisted navigation: A feasibility study. 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