Auf dem Weg zum Heiligen Gral der 3D-Navigation: submillimetrische Anwendungsgenauigkeit im Felsenbein Z. R. Bardosi, Y. Özbek, C. Plattner, F. Kral, W. Freysinger Arbeitsgruppe 4D Visualisierung, Univ. HNO Klinik, Medizinische Universität Innsbruck, Anichstraße 35, 6020 Innsbruck, Österreich Kontakt: wolfgang.freysinger@i-med.ac.at Abstract: Sinnvolle Navigation im Felsenbein kann erst dann erfolgen, wenn die erzielte Anwendungsgenauigkeit im submillimetrischen Bereich - oder maximal knapp darüber- ist. Die Anwendungsgenauigkeit des open4Dnav Navigationssystems wurde in einem Laborexperiment an einem Plastik- schädel mit implantierten Schrauben, einer im hinteren Nasengang liegenden Registrierungsvorrichtung und mit dem Aurora Tracker von ND mit unserem Navigationssystem gemessen. Dazu wurden mit zehn Registrierungen mit einer Registrierungsvorrichtung („Rhinospider“, RS) die Anwendungsgenauigkeit an Titan-Minischrauben bestimmt. Die Zielstrukturen wurden im Datensatz (CT, 0.75 mm Schichtdicke, je 0.39 mm Auflösung in x und y Richtung) möglichst exakt definiert. Nach automatischer Registrierung des Schädels an die CT-Daten mit der Rhinospider und dem Naviga- tionssystem wurden die Targets mit der Sonde des Aurora-Tackers angesteuert, die Koordinaten gemessen und gespei- chert. An relevanten Targets (Pyramide, Clivus, Mastoid wurden 1.00(0.15) mm, 1.13(0.23) mm, 1.18(0.25) mm, 0.78(0.17) mm, 0.95(0.21) mm, und 1.24(0.16) mm [Mittelwert (Standardabweichung)] gemessen. Diese Experimente konnten zeigen, dass auch mit magnetischer Positionsmessung unter Ausnutzung optimaler Regist- rierungsstrategien mit einem Registrierungselement die Grundvoraussetzung für submillimetrische Navigation im Fel- senbein realisiert werden kann. Schlüsselworte: Felsenbein, Anwendungsgenauigkeit, Navigation, Registrierung. 1 Problemstellung Bereits seit den Anfängen der klinischen Navigation, etwa [1], wurde Navigation im Felsenbein angestrebt. Bei der Vielzahl von komplexen und delikaten anatomischen Strukturen in diesem Gebiet wäre – ganz besonders bei veränder- ten anatomischen Verhältnissen – Unterstützung durch Navigation hilfreich. Allerdings stellen sich der Navigation im Felsenbein große Schwierigkeiten. So werden üblicherweise hochauflösende CT-Scans des Felsenbeins verwendet. Da- bei ist es besonders schwierig, anatomische Landmarken am planum mastoideum zu finden, so dass zumeist Titan- schrauben für die intraoperative Registrierung gesetzt werden. Dies muss allerdings unter Lokalanästhesie in einer eige- nen Sitzung erfolgen. Auch wenn reguläre axiale Schichten des Patienten zur Navigation verwendet werden, kann keine bessere Registrierung erzielt werden, denn die Registrierung erfolgt zumeist an Arealen, die relativ weit vom Operati- onsgebiet, dem Felsenbein, entfernt sind. Damit ergibt sich nach der gegenwärtig akzeptierten Theorie von Fitzpatrick zur Vorhersage der Anwendungsgenauigkeit von rigid-body-registration [2], dass Zielstrukturen – Targets – mit zuneh- mender Entfernung vom Schwerpunkt der Registrierungspunkte (Fiducials) größere Navigationsfehler (Target Registra- tion Error) haben. Um im Zielgebiet der Laterobasis optimale Anwendungsgenauigkeit zu erzielen, ist es in Summe notwendig, in einer optimierten Konfiguration möglichst nahe zum Operationsgebiet zu registrieren. Alle diese Anforderungen konnten bis heute nicht erfüllt werden. In diesem Beitrag wird ein technologischer Ansatz präsentiert, der dieses Problem lösen kann. 155 2 Material und Methoden Abbildung1: Schematische Darstellung einer geöffneten im Nasopharynx liegenden Rhinospider. Links sind die Einführungshülse und -stab sichtbar, rechts die vier aufgespreizten Arme, die jeweils eine Titankugel mit einem integrierten 5D Positionssensor (0.6 mm x 8 mm, nicht sichtbar) tragen. An der Basis ist ein 6D Positionssensor (0.8 mm x 8 mm, nicht dargestellt) angebracht. Die Verbindungskabel zum Aurora Tracker sind nicht dargestellt. Navigation in den CT Daten wird mit open4Dnav, einem open-source Navi- gationssystem [3] durchgeführt. Zur Positionsmessungen wird der Aurora 3D-Tracker (Planar Field Generator, NDI, Deutschland) verwendet. open4Dnav [4] verwendet IGSTK (igstk.org), ITK (itk.org) und VTK (vtk.org) und Qt (qt- project.org). Die Trackeranbindung an das Navigationssystem erfolgt mit OpenIGTLink (openigtlink.org). Für die präoperative Bildgebung und die automatische Registrierung wird ein Registrationselement, („Rhinospider“, RS) verwendet; es ist in Abbildung 1 gezeigt. Dieses Re- gistrierungselement ist dazu konzipiert, in Lokalanästhesie in der hinteren Nasenhöhle positioniert zu werden. Es ver- bleibt für die Bildgebung und den operativen Eingriff im Patienten liegen. RS wird als Einmalartikel nach dem Eingriff entsorgt. Alle fünf (4 5D und 1 6D) Sensoren werden vom Aurora Tracker ausgelesen, wobei die 5D Sensoren in den Abbildung 2: a) Der verwendete Plastikschädel mit implantierten Titan-Markern. Links sind die drei Kabel zu den Sensoren sichtbar. b) Rechts ist in einer posterior-anterioren kaudo-kranialen Ansicht das RS Element dar- gestellt. In jeder Titankugel ist ein 5D Sensor montiert; der Patiententracker (6D) ist im rechten Nasengang am „knöchernen“ Septum sichtbar. Markern zur Bestimmung der Markerpositionen verwendet werden. Die Fidu- cials werden als Kugeln mit bekanntem Durchmesser im CT-Datensatz gefun- den. Dadurch werden die Benutzerfehler bei der Definition der Fiducials im Bilddatensatz und bei der Registrierung eliminiert; es kann also mit der Ge- nauigkeit (Präzision) des Trackers navigiert werden. Zudem kann die Zone mit der optimalen Anwendungsgenauigkeit [5] möglichst nahe an das Operations- gebiet (etwa Pyramide, Felsenbein, Hypophyse, etc.) gebracht werden. Für die Experimente wurde das RS Element in den Plastikschädel eingeklebt, siehe Abbildung 2a und b, und ein CT angefertigt. Für die Experimente wurde der Schädel mit liegender RS in einer möglichst metallfreien Umgebung auf einem großen Karton im optimalen Arbeitsabstand zum Feldgenerator des Aurora Trackers positioniert. Siehe dazu Abbildung 3. Insgesamt wurden zehn (automatische) Registrierungen – jeweils nach Neu- start des Navigationssystems - und Auswertung an zwanzig Targets durchge- führt. Alle Targets waren implantierte Titan-Minischrauben an den folgenden Lokalisationen (Target-Nummer in Klammer) canthus laterale rechts und Abbildung 3: Setup für die Messun- rechts (1,5), foramina surpraorbitalia (2,4), nasion (3), spina nasalis (6), gen. squama ossis temporalis (7,8,9), processus mastoideus (10), meatus acusticus externus (11), eminentia arcuata (12), sinus sigmoideus (13), meatus acusticus 156 internus (14), foramen n. petrosi major (15), clivus (16), Hypophyse (17), vordere Schädelabsis (18), lamina cribrosa (19), Hinterwand Stirnhöhle (20). Die Targets wurden mit der Sonde angefahren und die Positionen im Bildraum gespeichert. Retrospektiv wurde die Dif- ferenz der manuell im Bildraum definierten Targets mit den navigierten Targets bestimmt und als Mittelwert und Stan- dardabweichungen gespeichert. 3 Ergebnisse Die CT-Daten konnten problemlos zur Regist- rierung und Navigation verwendet werden. Die Routine zum automatischen Auslesen der 4 mm Titankugeln konnte das Kugelzentrum immer präzise finden, ohne dass eine manuel- le Korrektur des gefundenen Mittelpunktes notwendig gewesen wäre. Nach Auslesen aller Sensorpositionen relativ zum DRF, wie es bei zeitgemäßer Navigation üblich ist, wurden über die Abstände der Sensoren zueinander die korrespondierenden Marker für die punkt- basierte Registrierung identifiziert. Dabei wurden zweihundert Messungen gemittelt, um eine möglichst repräsentative Stichprobe der Sondenpositionen zu erhalten. Nach Bestim- mung der Korrespondenzen wurde mit [6] re- gistriert und der RMS der Registrierung aus- gegeben. Für die zehn Registrierungen erga- ben sich im Mittel 0.54 mm. Natürlich wurde die Anwendungsgenauigkeit an den Targets bestimmt. Für die zwanzig untersuchten Tar- Abbildung 4: Screenshot des Navigationssystems (Ausschnitt). Ver- gets sind die Ergebnisse in Tabelle 1 wieder- größerte CT-Ansichten (axial, koronar, sagittal), so die wie detektier- gegeben. ten Fiducials (rechts unten) und ihre Abstände im Bildraum (darüber). Die Experimente wurden von zwei Personen Deutlich sichtbar ist, dass das sich Fadenkreuz der Sondenspitze im durchgeführt, von denen eine navigierte, die Zentrum einer Schraube befindet. andere den Rechner bediente. Als besonders Target 1 Target 2 Target 3 Target 4 Target 5 Target 6 Target 7 Mittelwert [mm] 2,69 2,54 2,85 2,18 1,76 2,68 2,28 Standardabweichung [mm] 0,56 0,53 0,49 0,39 0,24 0,41 0,15 Target 8 Target 9 Target 10 Target 11 Target 12 Target 13 Target 14 Mittelwert [mm] 3,32 2,76 2,40 1,00 1,13 1,18 0,78 Standardabweichung [mm] 0,37 0,43 0,25 0,15 0,23 0,25 0,17 Target 15 Target 16 Target 17 Target 18 Target 19 Target 20 Mittelwert [mm] 0,95 1,24 1,74 1,65 2,01 1,95 Standardabweichung [mm] 0,21 0,16 0,41 0,46 0,35 0,29 Tabelle 1: Detaillierte Aufstellung der gemessenen Anwendungsgenauigkeiten. Grün hervorgehoben sind submillimetrische Targets, gelb solche die knapp über einem Millimeter liegen. kritisch stellte sich die Positionierung des Schädels im Messvolumen des Aurora Trackers dar. Der Aurora Tracker ist mit einer Genauigkeit von 0.6 mm RMS spezifiziert, die 5D und 6D Sonden liegen mit ihrer Messgenauigkeit knapp 157 unter einem Millimeter. Die Abstände der Fiducials im Bild- und Trackerraum werden zur Findung der Korresponden- zen der Fiducials verwendet. Bei Dimensionen des RS Registrierungselements im Bereich von etwa zwei Zentimetern muss also das der ideale Ab- stand zum Feldgenerator gefunden werden. Dies wurde über eine „Kalibrierungsroutine“, die einen bekannten Abstand im Volumen vermisst, realisiert. 4 Diskussion Die vorliegenden Ergebnisse sind als proof-of-concept der Nachweis, dass mit einer optimalen Definition von Fiducials im Bild- und im Trackerrraum beinahe ideale Registrierungen für Navigation erreicht werden können. Aus der Literatur ist bekannt, dass der menschliche Benutzerfehler [3] die dominierende Größe für Ungenauigkeiten bei 3D-Navigation ist. Die Targets mit den besten erreichten Anwendungsfehler liegen relativ nahe an dem von der RS aufgespannten Vo- lumen; auch alle anderen Targets weisen eine sehr gute Anwendungsgenauigkeit auf. Bei den Messungen wurde die Sonde im Bildraum immer auf den Köpfen / in der Gegen der Ausnehmung der Schrauben lokalisiert. Damit liegt aber auch im gesamten Operationsgebiet im Kopf eine klinische sehr zuverlässige Registrierung vor. Für den Patientenbetrieb und den klinischen Ablauf ergeben sich durch den Einsatz der RS deutliche Vorteile gegenüber der Verwendung von standardmäßiger intraoperativer Navigation mit und ohne implantierten Schrauben:  Eliminierung der unvermeidlichen Benutzerfehler bei der manuellen Definition der Fiducials im Bild- und Trackerraum,  Navigation mit der Präzision des Trackers,  Verkürzung der präoperativen Vorbereitungszeit, da keine Schrauben oder Marker gesetzte werden müssen.  Automatische Registrierung des Patienten im OP und dadurch extrem verkürzte Rüstzeiten für Navigation.  Maßgeschneiderte Anwendungsgenauigkeit im Zielgebiet, etwa in der Laterobasis. Die von uns entwickelte Technologie ist nicht auf den Aurora Tracker von NDI beschränkt; jeder magnetische oder an- dere 3D-Tracker mit hinreichend kleinen Sensoren kann eingesetzt werden. Allerdings gilt, wie bei allen magnetischen Positionsmesssystemen, dass besondere Sorgfalt auf den intraoperativen Aufbau und eventuelle Feldstörungen durch magnetisierbare Materialien – wie etwa Spatel, Hammer, Klemmen oder ähnliches – verwendet werden muss. 4 Zusammenfassung Durch Verwendung eines im hinteren Nasengang eingesetzten Registrierungselementes (RS) mit einer Kombination aus vier Markern und magnetischen Sensoren, so wie einem Patiententracker, die Navigation vereinfacht werden. Das RS- Element wird vor der präoperativen Bildgebung eingesetzt und nach der Operation entfernt. Es erlaubt eine Navigation ohne Benutzerfehler mit Trackerpräzision. Aktuell wird an der Herstellung eines klinischen Prototypen gearbeitet und eine erste klinische Testung vorbereitet. 6 Referenzen [1] Gunkel, A. R., Vogele, M., Martin, A., Bale, R. J., Thumfart, W. F., Freysinger, W., Computer-Aided Surgery in the Petrous Bone, Laryngoscope 109(11), 1793 - 1799 (1999). [2] Fitzpatrick, J. M., West, J. B., Maurer, C. R., Jr., Predicting error in rigid-body point-based registration, IEEE Trans. Med. Imaging 17(5), 694 - 702 (1998). [3] Güler, Ö., Perwög, M., Kral, F., Schwarm, F., Bardosi, Z. R., Göbel, G., Freysinger, W., Quantitative error analysis for computer assisted navigation: a feasibility study, Med Phys. 40(2), 021910 (2013). [4] Bickel, M., Güler, Ö., Kral, F., Freysinger, W., Exploring the validity of predicted TRE in navigation., Proc SPIE MI 7625, 261 - 265 (2010). [5] Balachandran, R. Fitzpatrick, J. M., Insertion of electrode array using percutaneous cochlear implantation technique: a cadaveric study, Proc SPIE 7964, 7964E1 - 7964E7 (2011). [6] Arun, K. S., Huang, T. S., Blostein, S. D., Least-Squares Fitting of Two 3-D Point Sets., IEEE Trans. Pattern Analysis and Machine Intelligence 9, 698 - 700 (1987) 158