=Paper= {{Paper |id=Vol-1669/WS1_2_091_Paper |storemode=property |title=Konzept-Lernressourcen-Beziehungen als Unterstützung von Selbstreflexion in einem Learning-Analytics-Werkzeug |pdfUrl=https://ceur-ws.org/Vol-1669/WS1_2_091_Paper.pdf |volume=Vol-1669 |authors=Sebastian Groß,Niels Pinkwart |dblpUrl=https://dblp.org/rec/conf/delfi/GrossP16 }} ==Konzept-Lernressourcen-Beziehungen als Unterstützung von Selbstreflexion in einem Learning-Analytics-Werkzeug== https://ceur-ws.org/Vol-1669/WS1_2_091_Paper.pdf
                                  Raphael Zender (Hrsg.): Proceedings of DeLFI Workshops 2016
       co-located with 14th e-Learning Conference of the German Computer Society (DeLFI 2016)
                                                    Potsdam, Germany, September 11, 2016 18

Konzept-Lernressourcen-Beziehungen als Unterstützung
von Selbstreflexion in einem Learning-Analytics-Werkzeug

Sebastian Gross1 und Niels Pinkwart1



Abstract: In diesem Beitrag stellen wir einen mathematischen Ansatz für ein Learning-Analytics-
Werkzeug vor, der es ermöglicht, Konzept-Lernressourcen-Beziehungen zu bewerten. Wir haben
den Ansatz in einem Lernsystems für die Java-Programmierung prototypisch implementiert. Das
Werkzeug nutzt dabei interaktive Visualisierungen, um Nutzer darin zu unterstützen, Lernfortschrit-
te anhand von domänenspezifischen Konzepten und deren Beziehungen zu Lernressourcen nachzu-
vollziehen und zu reflektieren. Abschließend diskutieren wir, wie das Werkzeug durch zukünftige
Erweiterungen zu einem Open Learner Model weiterentwickelt werden kann.

Keywords: Learning Analytics, Werkzeug, Visualisierung, Konzept, Lernressource, Selbstreflexion,
Open Learner Model



1    Einleitung
Lernen mithilfe computergestützter Lernsysteme gewinnt in der schulischen, universitären
aber auch betrieblichen Aus- und Weiterbildung zunehmend an Bedeutung. Gleicherma-
ßen steigt auch die Menge an Informationen und der Bedarf an Analysetechniken und
-verfahren, um computergestützte Lernprozesse zu verstehen und zu unterstützen. Lear-
ning Analytics hat sich, als noch relative junges Forschungsfeld, als Ziel gesetzt, Daten
aus dem Lehr-/Lernkontext zu erfassen, zu analysieren und in interpretierbarer Form dar-
zustellen, um unterschiedlichen Akteuren im Lernen eine Grundlage zur Untersuchung
und Interpretation von Lernprozessen zu bilden [Fe12]. Solche Daten repräsentieren (oft-
mals) Interaktionen zwischen Nutzern und dem Lernsystem und schließen z. B. Akti-
vitäten, die zum Erreichen eines (selbstgesteckten) Lernziels erforderlich sind, ein. Vor
allem in Selbstlernsystemen, die keine oder nur eine geringe Unterstützung durch mensch-
liches Lehrpersonal bieten, sondern in denen der Lerner2 eigene Ziele definieren und des-
sen Erreichen selbständig kontrollieren muss, ist eine Möglichkeit zur Auseinandersetzung
zwischen Lernziel und Lernfortschritt erforderlich.
In diesem Beitrag stellen wir ein Learning-Analytics-Werkzeug vor, das Beziehungen zwi-
schen domänenspezifischen Konzepten3 und Lernressourcen mithilfe interaktiver Visua-
1 Humboldt-Universität    zu Berlin, Institut für Informatik, Unter den Linden 6, 10099 Berlin,
  {sebastian.gross,niels.pinkwart}@hu-berlin.de
2 Aus Gründen der Übersichtlichkeit verwenden wir im gesamten Beitrag die geschlechtsneutrale Form, die

  sowohl weibliche als auch männliche Lerner einschließt.
3 Wir verwenden den deutschen Begriff Konzept“ im gesamten Beitrag synonym zu dem englischen Begriff
                                        ”
   Concept“, der im Lernkontext eine Abstraktion einer Idee oder eines in sich geschlossenen thematischen Be-
  ”
  griffs bezeichnet.
                Konzept-Lernressourcen-Beziehungen als Unterstützung von Selbstreflexion   19

lisierungen darstellt. Das Werkzeug basiert auf einem mathematischen Ansatz zur Be-
wertung von Konzept-Lernressourcen-Beziehungen und verfolgt das Ziel, den Nutzer zur
Selbstreflexion anzuregen, durch die dieser Aktivitäten während der Lernens untersuchen
und bewerten kann. Aufbauend auf diesen Bewertungen kann der Nutzer die eigenen Lern-
ziele hinsichtlich Fortschritt bewerten und ggf. neue Lernziele ableiten.
In Abschnitt 2 geben wir zunächst einen Überblick über Ansätze im Bereich der Lear-
ning Analytics, Lernende zur Selbstreflexion anzuregen und sie in diesen Prozessen zu
unterstützen. Anschließend stellen wir in Abschnitt 3 unseren mathematischen Ansatz
für ein Learning-Analytics-Werkzeug vor, das die Beziehung zwischen Konzepten und
Lernressourcen bewertet. Abschnitt 4 beschreibt eine prototypische Implementierung des
Ansatzes in einem Learning-Analytics-Werkzeugs, das die Beziehung zwischen Konzep-
ten und Lernressourcen unter Berücksichtigung von Lernfortschritten mithilfe interaktiver
Visualisierungen darstellt, um eine Unterstützung in Selbstreflexionsprozessen zu bieten.
Abschließend geben wir einen Ausblick auf mögliche Erweiterungen des Ansatzes in Ab-
schnitt 5 und ziehen ein Fazit in Abschnitt 6.


2   Werkzeuge zur Förderung von Awareness und Selbstreflexion

Learning Analytics umfassen Methoden und Verfahren, die Anwendung im Lehr-/Lern-
kontext finden. Ziel dieser Methoden und Verfahren ist dabei, Daten, die z. B. in der Inter-
aktionen zwischen Lerner und Lernsystem erfasst werden, zu analysieren, aufzubereiten
und in interpretierbarer Form darzustellen [Fe12]. Adressaten sind dabei sowohl Lerner,
über die das System Informationen generiert hat, als auch Lehrinstitutionen und -personal,
die Informationen über die Nutzer eines Lernsystems erhalten wollen [GD12]. In der Un-
terstützung von Nutzern in computergestützten Lernsystemen konzentrieren sich Ansätze
im Learning Analytics z. B. auf die Darstellung von Informationen, die aus Aktivitäten des
Nutzers extrahiert wurden [Ve13, Se12]. Ziel ist hierbei z. B. durch Awarenessmechanis-
men das Bewusstsein der Nutzer zu stärken oder sie mithilfe von (interaktiven) Visualisie-
rungen zur Selbstreflexion anzuregen, um zukünftige Aktivitäten im Lernen zu optimieren.
ALAS-KA [Ru15] ist eine Erweiterung der Learning Analytics Werkzeuge in der MOOC-
Plattform Khan Academy, die zusätzliche Visualisierungen für Lehrpersonal und Lerner
bereitstellt. Zu den dargestellten Informationen gehören u. a. Fortschrittsindikatoren (an-
gefangen, Fähigkeit erlangt, abgemüht (engl. struggled)) bei der Bearbeitung von Aufga-
ben. Santos und Kollegen [Sa13] definierten Badges als Repräsentation unterschiedlichster
Aktivitäten im Lehr-/Lernkontext, anhand derer Ziele und Fortschritte der Nutzer einer of-
fenen Lernumgebung ermittelt und dargestellt werden. Mithilfe von Dashboards werde
diese Informationen dann dargestellt, um den Nutzer zur Selbstreflexion und zur aktiven
Teilnahme in der Lernumgebung anzuregen. SAM (Student Activity Meter) [Go12] ist ein
weiteres Visualisierungswerkzeug zur Unterstützung von Selbstreflexion und Awareness,
das neben verschiedenen Darstellungen zu Lerneraktivitäten (u. a. ein Tracker, der Logfi-
les von Twitter analysiert) auch Empfehlungen für (externe) Ressourcen (z. B. Dokumente
oder Werkzeuge) bereitstellt. Es basiert dabei auf quantitativen Daten wie z. B. Anzahl und
Typ der verwendeten Ressourcen oder der benötigten/verwendeten Zeit.
20 Sebastian Gross und Niels Pinkwart

Die oben genannten Werkzeuge schaffen mithilfe von Visualisierungen für Nutzer eine
Grundlage, Lernziele -und Fortschritte in computergestützten Lernarrangements zu reflek-
tieren und Entscheidungen für zukünftige Aktivitäten zu treffen. Dabei stehen im Vorder-
grund quantitative Informationen oder in sich abgeschlossene Aktivitäten wie z. B. das
Lösen einer Aufgabe und das Erstellen von Beiträgen in einem Forum. Es kann jedoch
sinnvoller sein, Lernfortschritte qualitativ und über größere Zusammenhänge zu erfas-
sen und zu reflektieren. In unserem Ansatz für ein Learning-Analytics-Werkzeug, wel-
ches wir im Folgenden vorstellen, unterstützen wir daher die Reflexion von Lernerak-
tivitäten, die sich aus Zusammenhänge zwischen Konzepten und Lernressourcen unter
Berücksichtigung von Lernfortschritten ableiten lassen.


3   Ansatz zur Bewertung von Konzept-Lernressourcen-Beziehungen
Digitale Lernressourcen stellen einen wichtiges Bestandteil in computergestützten Ler-
numgebungen dar, mithilfe derer Wissen an Nutzer vermittelt und deren Wissensstand
(anschließend) überprüft werden kann. Dabei existieren unterschiedliche Ansätze, die Ver-
mittlung und Überprüfung technisch zu begleiten. Learning Management Systeme stellen
Lerninhalte z. B. in Form von (multimedialen) Dokumenten bereit und evaluieren mithil-
fe automatisierbarer Testverfahren wie z. B. Multiple-Choice-Tests, die Lernfortschritte
der Nutzer. Intelligente Systeme wie z. B. Kognitive Tutorensysteme [KC06], die mit-
hilfe künstlicher Intelligenz menschliche Tutoren zu imitieren versuchen, haben ihren
Fokus auf der schrittweisen Vermittlung von Wissen mithilfe (fest-)definierter Abläufe.
Die Überprüfung erfolgt dabei typischerweise durch modelliertes Domänenwissen, indem
der Ist-Zustand mit einem vordefinierten Soll-Zustand verglichen wird bzw. indem der
Lernfortschritt anhand sogenannter Knowledge Components [So13, S. 130], die kognitive
Fähigkeiten (z. B. die Berechnung des Flächeninhalts eines Kreises mithilfe des Radi-
us) beschreiben, nachvollzogen wird. Wie in Abschnitt 2 gezeigt, existieren verschiedene
Werkzeuge im Bereich Learning Analytics, die den Lerner bei der Reflexion seiner Lern-
ziele und -fortschritte unterstützten. Diese versuchen jedoch meist, die Fortschritte für in
sich abgeschlossene Einheiten wie z. B. Lerninhalte und Themengebiete, die die Bearbei-
tung mehrerer Lerninhalte erfordern, zu ermitteln. In dem von uns entwickelten Ansatz er-
mitteln wir die Fortschritte eines Nutzers in Abhängigkeit zu bearbeiteten bzw. erfolgreich
gelösten Lernressourcen und setzen diese Fortschritte in Relation zu domänenspezifischen
Konzepten. Dabei strukturieren wir diese Konzepte, so dass sich der Lerner die Zusam-
menhänge der Domäne anhand einer Konzepthierarchie nachvollziehen kann.

Lerninhalte repräsentieren Informationen, die ein Lerner erfassen muss, um ein Verständnis
zu einzelnen oder allen Aspekten einer Lerndomäne zu entwickeln. Die Unterteilung bzw.
Strukturierung solcher Lerninhalte ist dabei vielfältig und kann in sehr kleinen Einheiten
wie das Lösen eines typischen Problems (z. B. Berechnung eines Winkels in einem Drei-
eck mithilfe von Winkelfunktionen) bis hin zu größeren und großen Zusammenhängen der
Domäne wie Themen (z. B. Trigonometrie) oder ganze Themengebiete (z. B. Geometrie)
erfolgen. Eine mögliche Einteilung von Lerninhalten ist u. a. auch die Zuordnung von
Lerninhalten zu Konzepten. In unserem Ansatz verwenden wir eine hierarchische Anord-
nung von Konzepten und erweitern diese durch Beziehungen von Konzepten und durch
                    Konzept-Lernressourcen-Beziehungen als Unterstützung von Selbstreflexion          21

Lernressourcen repräsentierte Lerninhalte. Auf Grundlage dieser hierarchischen Struktur
kann anschließend dargestellt werden, welche Konzepte ein Lerner bereits erfasst hat bzw.
welche Konzepte er noch erfassen kann bzw. sollte.
Ausgehend einer sich mit jeder Ebene verfeinernden Strukturierung eines (übergeordneten)
Konzept in Subkonzepte, lassen sich Konzepthierarchien ableiten, die eine feingranulare
Zuordnung von (Sub-)Konzept zu Lerninhalt ermöglichen. In unserem Ansatz gehen wir
dabei von digitalen Lernressourcen aus, die Lerninhalte zu mehreren (Sub-)Konzepten ent-
halten und repräsentieren können. Die Zuordnung von Konzepten zu Ressourcen kann da-
bei manuell (z. B. durch Experten) oder automatisch (z. B. durch eine semantische Analyse
von Ressourcen) geschehen. Eine offene Frage ist, ob mehrere Konzepte eine Ressource
gleichermaßen charakterisieren oder ob eine Ressource unterschiedlich relevant für eine
Menge zugeordneter Konzepte sein kann. Bei der automatischen Analyse von Dokumen-
teninhalten ist ein verbreitetes Maß zur Messung, wie relevant ein Term für ein Dokument
ist, das Tf-idf-Maß, das die inverse Dokumenthäufigkeit eines Terms ermittelt. Dadurch
wird die Relevanz der Terme, die nur in wenigen Dokumenten auftauchen, höher bewer-
tet als die Relevanz solcher Terme, die in vielen Dokumenten enthalten sind. Allerdings
berücksichtig das Maß nicht, wie häufig ein Term verschiedenen Dokumenten zugeord-
net ist. In unserem Ansatz ermitteln wir zunächst die Relevanz einer Lernressource für
ein Konzept, wobei einer Ressource mehrere Konzepte zugeordnet werden können und
berücksichtigen dabei auch, wie häufig eine Ressource einem Konzept zugeordnet wur-
de. Angelehnt an das Tf-idf-Maß postulieren wir folgende Annahmen für die Beziehung
zwischen Konzepten und Lernressourcen:

•        Je seltener ein Konzept einer Ressource zugeordnet wurde, desto höher ist Relevanz
         der Ressource für eines der zugeordneten Konzepte.
•        Je weniger Konzepte einer Ressource zugeordnet wurden, desto höher ist die Rele-
         vanz der Ressource für eines der zugeordneten Konzepte.


Unter Berücksichtigung der oben aufgestellten Annahmen stellen wir einen mathema-
tischen Ansatz zur Ausbalancierung von Konzept-Ressourcen-Beziehungen vor, der die
Relevanz einer Lernressource für ein Konzept ermittelt. Ausgangspunkt ist zunächst eine
binäre Matrix, deren Zeilen m Konzepte und deren Spalten n Ressourcen repräsentieren.
Die Einträge bilden ab, ob einer Ressource eine Konzept zugeordnet (1) oder nicht zuge-
ordnet (0) ist.
Im nächsten Schritt werden die Einträge der Matrix alternierend zeilenweise (siehe Abb. 1)
und spaltenweise (siehe Abb. 2) normalisiert. Dieses Vorgehen basiert auf dem Algorith-
mus von Sinkhorn und Knopp [SK67] zur Ausbalancierung von Matrizen. Knight [Kn08]
hat gezeigt, dass dieses Verfahren für quadratische nichtnegative Matrizen konvergiert und
das Ergebnis doppelt-stochastische Matrizen4 sind. Im Fall einer nichtnegativen m × n-
                                                              n
Matrix konvergiert die Matrix zu 1 in der Spalten- und zu       in der Zeilensumme. Durch
                                                              m
4 Bei einer doppelt-stochastischen Matrix betragen die Spalten- und Zeilensummen eins und die Elemente neh-

    men Werte zwischen 0 und 1 ein.
22 Sebastian Gross und Niels Pinkwart

die abwechselnde Normalisierung der Zeilen und Spalten, werden die oben postulierten
Annahmen erfüllt, indem Einträge von Ressourcen, denen viele Konzepte zugeordnet wur-
den, abgeschwächt und Einträge von Ressourcen, denen seltener zugeordnete Konzepte
zugeordnet wurden, verstärkt werden.
                                                           xi, j
                                                xi, j =    n
                                                          ∑ xi,k
                                                          k=1

    Abb. 1: Zeilenweise Normalisierung: Matrixeintrag wird durch die Zeilensumme dividiert.
                                                 xi, j
                                        xi, j = m
                                                ∑ xk, j
                                                          k=1

   Abb. 2: Spaltenweise Normalisierung: Matrixeintrag wird durch die Spaltensumme dividiert.

Das folgende Beispiel demonstriert das Vorgehen exemplarisch anhand von 5 Konzepten
und 4 Lernressourcen. Ausgangspunkt ist eine binäre Matrix (dargestellt in Abb. 3). Die
Zeilen repräsentieren die Konzepte C1 bis C5, die Spalten die Ressourcen R1 bis R4. Der
Ressource R1 sind die Konzepte C1, C2, C4 und C5 zugeordnet.

                                            R1 R2 R3 R4
                                       C1    1  1  1  0
                                                       
                                       C2  1   0  1  1 
                                       C3  0   0  1  1 
                                                       
                                       C4   1  0  1  0 
                                       C5    1  1  1  1

                  Abb. 3: Binäre Matrix: Zuordnung von Konzept zu Ressource.

Im nächsten Schritt werden die Zeilen und Spalten normalisiert. Abb. 4 stellt die norma-
lisierten Matrizen nach dem ersten Durchlauf, Abb. 5 die normalisierten Matrizen nach
Konvergenz dar.

             R1        R2     R3        R4                         R1             R2      R3         R4
       C1   0, 333   0, 333 0, 333       0                 C1   0, 2353        0, 5714 0, 1739        0
                                                                                                       
       C2  0, 333      0   0, 333    0, 333              C2  0, 2353            0   0, 1739     0, 307 
       C3  0           0     0, 5     0, 5               C3  0                  0   0, 2609    0, 4615 
                                                                                                       
       C4  0, 5        0    0, 5        0                C4  0, 3529            0   0, 2609        0 
       C5   0, 25     0, 25  0, 25     0, 25               C5   0, 1765        0, 4286 0, 1304    0, 2308
         (a) Normalisierung über die Zeilen.                      (b) Normalisierung über die Spalten.
                 Abb. 4: Normalisierung der Zeilen bzw. Spalten (1. Durchlauf).


Das Ergebnis des mathematischen Verfahrens ist eine Matrix, deren Einträge die Relevanz
einer Ressource für ein Konzept widerspiegelt. Basierend auf der Relevanzmatrix (siehe
Abb. 5b) ist es nun möglich, Lernfortschritte in Relation zu Konzepten zu setzen und
aufzuzeigen, welche Konzepte in welchem Umfang bereits erfasst bzw. bearbeitet wurden.
Eine konkrete Umsetzung in einem Learning-Analytics-Werkzeugs unter Verwendung des
mathematischen Verfahrens stellen wir im folgenden Abschnitt vor.
                   Konzept-Lernressourcen-Beziehungen als Unterstützung von Selbstreflexion            23


              R1         R2      R3        R4                   R1      R2      R3      R4
      C1   0, 1816    0, 6892 0, 1292       0           C1   0, 1453 0, 5514 0, 1034     0
                                                                                          
      C2  0, 3364        0   0, 2393   0, 4243        C2  0, 2691     0   0, 1915 0, 3394 
      C3  0              0   0, 3606   0, 6394        C3  0           0   0, 2885 0, 5115 
                                                                                          
      C4  0, 5843        0   0, 4157       0          C4  0, 4674     0   0, 3326     0 
      C5   0, 1477    0, 5608 0, 1051   0, 1864         C5   0, 1182 0, 4486 0, 0841 0, 1491
     (a) Konvergierte Einträge nach Normalisierung    (b) Konvergierte Einträge nach Normalisierung
     der Zeilen.                                       der Spalten.
            Abb. 5: Konvergierte Einträge nach Normalisierung der Zeilen bzw. Spalten.


4    Prototypische Implementierung

Den in Abschnitt 3 beschriebenen Ansatz haben wir prototypisch in JavaFIT5 - einem
web-basierten Lernsystem für die Java-Programmierung - implementiert und eingesetzt.
Als Grundlage des Ansatzes dienten die ACM Curriculum Guidelines von 20016 zu den
Kernthemen der Grundlagen der Programmierung.




                      Abb. 6: Ausschnitt ACM Curriculum Guidelines von 2001.

Ausgehend von den 5 Kernthemen (siehe Abb. 6) haben wir eine hierarchische Struktur
erstellt, die, angelehnt an [GLR11] and [LYW05], Konzepte in Subkonzepte verfeinert.
Das Kernthema Datenmodelle“ (engl. data models) gliedert sich z. B. in die Konzepte
                  ”
 Primitive Datentypen“, Nicht primitive Datentypen“ und Typumwandlung“. Das Kon-
”                         ”                               ”
zept Primitive Datentypen“ wiederum gliedert sich in die Subkonzepte boolean“, char“,
     ”                                                              ”          ”
 Ganze Zahlen“ und Gleitkommazahlen“. Anschließend wurden den im System hinter-
”                      ”7
legten Lernressourcen solche Subkonzepte zugeordnet, die Blätter des Baums sind, und
das in Abschnitt 3 vorgestellte mathematische Verfahren angewandt, um die Relevanz ei-
ner Ressource für ein Konzept zu ermitteln.
5 https://javafit.de
6 http://www.acm.org/education/curricula-recommendations
7 Insgesamt sind im System ca. 100 Lernressourcen (z. B. Videotutorials, Programmieraufgaben und Multiple-

 Choice-Tests) hinterlegt.
24 Sebastian Gross und Niels Pinkwart

Die daraus resultierenden Relevanzmatrix nutzen wir, um Lernern deren Lernfortschritte
(d. h. den Grad der Vollständigkeit eines Konzepts) darzustellen. Dabei wird individuell
für einen Lerner der Fortschritt bei der Bearbeitung der im System hinterlegten Lernres-
sourcen ermittelt. Die berechnete Relevanz einer Ressource für ein Konzept dient als Mul-
tiplikator. Hat ein Lerner z. B. 8 von 10 Fragen einer Quiz-Ressource korrekt beantwortet
und die Relevanz der Ressource für ein Konzept beträgt 0, 25, so ergibt sich ein Wert von
0, 8 ∗ 0, 25 = 0, 2 bzw. 20% für den Lernfortschritt.
Wir haben drei Darstellungen (siehe Abb. 7 und 8) implementiert. Eine Baumansicht vi-
sualisiert die Konzepthierarchie. Durch Anklicken eines Knotens wird das entsprechende
Konzept in seine Subkonzepte verfeinert. Dabei folgen wir dem Prinzip der Informati-
onsvisualisierung nach Shneiderman [Sh96], nach dem zuerst ein Überblick geschaffen
werden soll und Details erst bei Bedarf eingeblendet werden. Außerdem stehen für jeden
Konzeptansicht zwei Diagramme zur Verfügung. Das linke Diagramm stellt dar, wie viele
der zugeordneten Subkonzepte (siehe Abb. 7) bzw. Lernressourcen (siehe Abb. 8) bereits
erfasst bzw. erfolgreich bearbeitet wurden. Das rechte Diagramm stellt für solche Ressour-
cen, bei denen die Leistung des Lerners gemessen werden kann, dar, wie erfolgreich die
Bearbeitung war. Für übergeordnete Konzepte werden dabei die entsprechenden Werte der
Subkonzepte aufsummiert und ins Verhältnis zur Anzahl der Subkonzepte gesetzt. Die Vi-
sualisierungen sollen den Lerner zur Selbstreflexion über seine Fortschritte und mögliche
Lernziele anregen.


5   Zukünftige Erweiterungen

Das vorgestellte Konzept zur Darstellung von Lernfortschritten basierend auf einer hierar-
chischen Anordnung von Konzepten und Lernressourcen sowie deren Beziehungen zuein-
ander lässt verschiedene Erweiterungen zu.
Gewichtung von Lernressourcen In unserem Ansatz dienen Lernressourcen als Grad-
messer für Fortschritte in Lernprozessen. Dazu wird betrachtet, welche Lernressourcen
vom Lerner verwendet wurden und, sofern möglich, ob und wie erfolgreich dieser die
Ressource bearbeitet hat (in einem Quiz könnte z. B. der prozentuale Anteil korrekter Ant-
worten ermittelt werden). Die Bearbeitung einer Ressource kann dabei einerseits Aussagen
über die Art des erlangten oder angewendeten Wissens, als auch über dessen Umfang in
Relation zu den enthaltenen Konzepten zulassen. Eine mögliche Gewichtung von Lernres-
sourcen kann daher z. B. über den Typ der Ressource (Videotutorials vermitteln mehr
prozedurales Wissen) oder über den Umfang des durch die Ressource repräsentierten Wis-
sens erfolgen. Der in Abschnitt 3 vorgestellte Ansatz könnte so angepasst werden, dass der
Ausgangspunkt nicht eine binäre Matrix (siehe Abb. 3) ist, sondern die Einträge die (für
jedes Konzept individuelle) Gewichtung widerspiegeln.
Berücksichtigung von Querbeziehungen Im vorgestellten Ansatz (siehe Abschnitt 3)
werden bislang nur hierarchische Beziehungen zwischen Konzepten und (Sub-)Konzepten
berücksichtigt. Eine weitere Möglichkeit, den Ansatz zu erweitern und somit zu einer
genaueren Betrachtung der Zusammenhänge zwischen Konzepten, Lernressourcen und
-fortschritten zu gelangen, wäre die Berücksichtigung von Querbeziehungen zwischen
                Konzept-Lernressourcen-Beziehungen als Unterstützung von Selbstreflexion   25




Abb. 7: Die obere Baumdarstellung dient als Navigationshilfe durch die Konzepthierarchie. Die
beiden Diagramme stellen für das übergeordnete Konzept Primitive Datentypen“ den Grad der
                                                            ”
Vollständigkeit bzw. der Leistung in Relation zu den Subkonzepten dar.




Abb. 8: Die beiden Diagramme stellen für das Konzept Rekursion“ den Grad der Vollständigkeit
                                                     ”
bzw. der Leistung in Relation zu den Lernressourcen dar. Lernressourcen sind dabei nach Typen
gruppiert (Aufgaben, Test/Quiz, Tutorials).



Konzepten (ähnlich wie es in Concept-Maps Anwendung findet). Diese könnte den Nutzer
zusätzlich dabei unterstützen, neue Lernziele abzuleiten, indem dieser, ausgehend von be-
reits bearbeiteten (Sub-)Konzepten über Querbeziehungen neue Konzepte exploriert, die in
26 Sebastian Gross und Niels Pinkwart

Zusammenhang zu dem bereits bearbeiteten Konzept stehen und somit ggf. eine sinnvolle
Fortsetzung des Lernprozesses darstellen.
Awareness- und Empfehlungsfunktionen Der vorgestellte Ansatz stellt in seiner bis-
herigen Ausprägung dem Nutzer Informationen bei Bedarf zur Verfügung, d. h. der Nutzer
muss aktiv die hierarchische Struktur explorieren und die zur Verfügung gestellten Infor-
mationen interpretieren und zur Selbstreflexion nutzen. Awareness-Funktionen sind ein
verbreiteter Ansatz, um das Bewusstsein eines Nutzers z. B. durch den Vergleich mit an-
deren Nutzern des Systems zu schärfen und dadurch zu unterstützen. Denkbar wäre, dass
z. B. Informationen bereitgestellt werden, welche Konzepte andere Nutzer, im Gegensatz
zu dem betroffenen Nutzer, bereits erfasst haben. Darüber hinaus können konkret formu-
lierte Empfehlungen Nutzer darin unterstützen, neue Lernziele abzuleiten, indem z. B. auf
Grundlage von Querbeziehungen noch nicht bearbeitete Konzepte als nächstes Lernziel
empfohlen werden.


6   Zusammenfassung und Fazit
In diesem Beitrag haben wir einen Ansatz vorgestellt, der auf einem mathematischen Al-
gorithmus basiert, mithilfe dessen die Relevanz einer Lernressource für ein Konzept ermit-
telt wird. Basierend auf diesen Relevanzbewertungen haben wir ein Learning-Analytics-
Werkzeug prototypisch in einem Lernsystem für die Java Programmierung implementiert,
das das Ziel verfolgt, den Lerner zur Selbstreflexion anzuregen. Dabei visualisiert das
Werkzeug die Beziehungen zwischen Konzepten und Lernressourcen und stellt dem Nut-
zer dar, welche Konzepte dieser bereits erfasst hat bzw. welche bearbeitet werden sollten.
Unser Werkzeug stellt, im Gegensatz zu anderen Werkzeugen (siehe Abschnitt 2), Lern-
fortschritte qualitativ unter Berücksichtigung von Konzepten und Lernressourcen dar, wo-
bei die Bearbeitung einer Lernressource mehrere Konzepte betreffen kann. Dadurch ist
es dem Lerner möglich, einerseits eigene Fortschritte als auch Beziehungen zwischen ver-
schiedenen Konzepten nachzuvollziehen und aus diesen Zusammenhängen neue Lernziele
abzuleiten.

Durch zukünftige Erweiterungen ist es möglich, das Werkzeug zu einem Open Learner
Model auszubauen, das sämtliche Informationen, die das System über die Lerner und des-
sen Aktivitäten erfasst hat, darzustellen und ggf. in Awareness- und Empfehlungsfunktio-
nen zu verwenden.


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