=Paper= {{Paper |id=Vol-1669/WS5_2_097_Paper |storemode=property |title=Betriebserkundung online als Blended Learning Szenario |pdfUrl=https://ceur-ws.org/Vol-1669/WS5_2_097_Paper.pdf |volume=Vol-1669 |authors=Michael Schuhen,Manuel Froitzheim,Tobias Schulte |dblpUrl=https://dblp.org/rec/conf/delfi/SchuhenFS16 }} ==Betriebserkundung online als Blended Learning Szenario== https://ceur-ws.org/Vol-1669/WS5_2_097_Paper.pdf
                                  Raphael Zender (Hrsg.): Proceedings of DeLFI Workshops 2016
       co-located with 14th e-Learning Conference of the German Computer Society (DeLFI 2016)
                                                   Potsdam, Germany, September 11, 2016 113

Betriebserkundung online als Blended Learning Szenario

Michael Schuhen1, Manuel Froitzheim2 und Tobias Schulte3



Abstract: Die Betriebserkundung ist eine domänenspezifische Unterrichtsmethode des
Ökonomieunterrichts, um die Berufsorientierung zu fördern. Da die reale Betriebserkundung, in
der eine Schulklasse einen Betrieb erkundet, einen hohen organisatorischen Aufwand darstellt,
wurde als Alternative ein Blended Learning Szenario entwickelt. Im Beitrag wird zunächst das
Konzept einer sogenannten „Betriebserkundung online“ dargestellt und anschließend anhand von
drei Beispielen unterschiedliche Aufgabenstellungen innerhalb der Betriebserkundung dargestellt.
Keywords: Betriebserkundung online, Ökonomieunterricht, Berufsorientierung, Fallstudie,
Multimediales Lernen, E-Learning



1     Einleitung
Die Betriebserkundung stellt als domänenspezifische Methode des Ökonomieunterrichts
eine der am besten geeignetsten Unterrichtsmethoden für die Berufsorientierung von
Schülerinnen und Schülern dar. Die Betriebserkundung dient vielen Schülerinnen und
Schülern als erster praxisnaher Einblick in berufliche Arbeitsabläufe. Damit soll eine
reflektierte, an den individuellen Fähigkeiten und Neigungen der Schülerinnen und
Schüler ausgerichtete Auswahl eines Betriebspraktikums gefördert werden. [MSW16]
Darauf aufbauen kann zum Beispiel die Wahl eines Ausbildungsplatzes oder eines
Studiums erfolgen.
Der organisatorische Aufwand einer Betriebserkundung ist relativ hoch, weil im
Klassenverbund eine Betriebsstätte besucht wird. Das bedeutet unter anderem, dass
Unterrichtsstunden anderer Fächer und anderer Klassen verlegt werden müssen, weil die
Schülerinnen und Schüler, sowie die Lehrerinnen und Lehrer am betreffenden
Unterrichtstag nicht in der Schule sind. Des Weiteren entstehen Kosten für die Fahrt zum
Betrieb und je nach geographischer Lage der Schule sind unter Umständen keine
geeigneten Unternehmen in der direkten Nähe zu Erkunden. Ein weiteres Problem
besteht darin, dass zum Teil keine selbständige Erkundung durch die Schüler im Betrieb
möglich ist, sondern vielmehr eine angeleitete Besichtigung des Betriebes stattfindet.
1
  Universität Siegen, Zentrum für ökonomische Bildung in Siegen (ZöBiS), Kohlbettstraße 15, 57068 Siegen,
schuhen@zoebis.de
2
  Universität Siegen, Zentrum für ökonomische Bildung in Siegen (ZöBiS), Kohlbettstraße 15, 57068 Siegen,
froitzheim@zoebis.de
3
  Universität Siegen, Zentrum für ökonomische Bildung in Siegen (ZöBiS), Kohlbettstraße 15, 57068 Siegen,
schulte@zoebis.de
114   Michael Schuhen et al.

Die Abstimmung der Unterrichtsinhalte und der Inhalte der Betriebserkundung ist
schwierig und für die Lehrerin oder den Lehrer sehr zeitaufwendig.
Was aber wäre, wenn die Schülerinnen und Schüler über das Internet die
berufsrelevanten Informationen „erkunden“, die ihre Berufsorientierung unterstützen und
tragfähig werden lassen. Dann würden sich vielleicht mehr als 50 Prozent der befragten
Gymnasiasten in der Lage fühlen, eine für sie klare und nachvollziehbare
Berufswahlentscheidung zu treffen [DH05] und die Abbruchquoten an deutschen
Hochschulen oder im Ausbildungsbereich [HS08] könnten sinken.


2     Konzept einer Betriebserkundung online
Die Betriebserkundung ist ihrer Genese nach eine Realbegegnung, ein Praxiskontakt
zwischen Schülerinnen beziehungsweise Schülern und Unternehmen. Deshalb soll an
dieser Stelle der Frage nachgegangen werden, ob eine Betriebserkundung online, also
eine virtuelle Erkundung in einem Blended Learning Szenario, als Alternative vor dem
Hintergrund der oben genannten Problemstellung tragfähig ist und beispielsweise zur
Berufsorientierung der Schülerinnen und Schüler beitragen kann. Dies impliziert, dass
die Betriebserkundung auf ihre Funktion der Informationsbeschaffung und
gegebenenfalls der Beobachtung reduziert wird. Auf Erfahrungsberichte aus erster Hand
und auf eigene Eindrücke muss somit verzichtet werden. Auch die Möglichkeit, das im
Unterricht Gelernte einer Prüfung in der Realität zu unterziehen, ist nicht durchführbar.
Der Erfolg einer Online-Betriebserkundung hängt im Wesentlichen von den
Möglichkeiten des Learning Management Systems und den Möglichkeiten der
Informationsbeschaffung über das Unternehmen ab. Dazu bedarf es an erster Stelle einer
fundierten Homepage, die es den Schülerinnen und Schülern erlaubt, Informationen zum
Unternehmen und zu den dort angebotenen Berufen zu recherchieren und zu
systematisieren. Weitere Informationen können und sollen aus anderen Quellen
entnommen werden, wie zum Beispiel aus Zeitungsartikeln, Fernsehreportagen oder
weiteren    statistischen   Informationsquellen.    Abhängig vom Aufbau der
Betriebserkundung kann die Lehrerin oder der Lehrer die Informationen im Vorfeld
selektieren und für die konkrete Unterrichtseinheit nach didaktischen Gesichtspunkten
auswählen oder die Schülerinnen und Schüler beschaffen während der
Unterrichtseinheit, angeleitet durch Aufgaben, die Informationen selbst. Bei der
Informationsbeschaffung ist in beiden Fällen darauf zu achten, dass nicht nur
Informationen direkt vom Unternehmen verwendet werden, sondern auch weitere
Quellen hinzugezogen werden, damit ein möglichst objektives Bild vom Unternehmen
und dem zu erkundenden Beruf entsteht.
                          Betriebserkundung online als Blended Learning Szenario 115

3    Konkrete Umsetzung einer Betriebserkundung online als
     Blended Learning-Szenario
Wesentliche vorbereitende Schritte waren auf technischer Ebene das Einrichten der
Plattform sowie für die Lehrenden und Lernenden das Kennenlernen der verschiedenen
vorgehaltenen Funktionalitäten von Moodle und wie diese Funktionen für die
Betriebserkundung nutzbar gemacht werden können. Für die praktische Erprobung
wurde das Learning Management System Moodle verwendet, weil dieses durch die
zahlreichen Plug-Ins auf die spezifischen Bedürfnisse angepasst werden kann und relativ
einfach eine bedarfsgerechte Entwicklung von neuen Erweiterungen ermöglicht. Die hier
vorgestellte Umsetzung einer Betriebserkundung online ist auch mit anderen Learning
Management Systemen möglich, sofern in diesen Systemen die benötigten
Aufgabentypen möglich sind.
Auf inhaltlicher Ebene ist die Auswahl des zu erkundenden Unternehmens wesentlich,
da dieses über eine umfassende Internetpräsenz verfügen sollte. Im Versuch wurden nur
DAX-Konzerne für eine Erkundung unter dem berufsorientierenden Aspekt ausgewählt.
Diese Konzerne eignen sich auch aufgrund ihrer Berichtspflicht für die Erkundung unter
ökonomischen Aspekten, da entsprechende Dokumente auf den Homepages zur
Verfügung gestellt werden.
Im nächsten vorbereitenden Schritt hat sich gezeigt, dass ein Leitfaden und erste Quellen
den Beginn der Arbeit deutlich beschleunigen. Deshalb wurde in Moodle ein
Strukturbaum festgelegt, der zwar bearbeitet und verändert werden kann, den „roten
Faden“ des Unterrichtsverlaufs aber transparent werden ließ.
Nach der Erstellung des Unterrichtsverlaufs müssen von der Lehrerin oder dem Lehrer
geeignete Aufgabenstellungen für die einzelnen Abschnitte der Erkundung erstellt
werden. Es hat sich nämlich ebenfalls bewährt, die Unterrichtszeit nicht für eine einzige
Internetrecherche zu verwenden, sondern den Unterricht in kleinere Einheiten zu
strukturieren. So setzt sich die Betriebserkundung online aus mehreren Arbeitsaufträgen
zu einem Aspekt zusammen. Die Arbeitsaufträge orientieren sich inhaltlich immer an
den Aspekten [BSW16][KK16] einer Betriebserkundung und können von den
Schülerinnen und Schülern in unterschiedlichen Sozialformen bearbeitet werden.
Dadurch, dass kein Wechsel des Lernortes stattfindet, können bei einer Online-
Betriebserkundung sowohl Vor- als auch Nachbearbeitung in den Moodle-Kurs
integriert werden. So kann die Dokumentation der Erkundung mit Hilfe von
Arbeitsaufträgen strukturiert werden und die Arbeitsergebnisse lassen sich in geeigneter
Form von den Schülerinnen und Schülern auf der Moodle-Plattform zusammentragen.
In der exemplarischen Entwicklung von Moodle-Kursen zur Betriebserkundung hat sich
herausgestellt, dass die Arbeitsaufträge der Lehrkraft so gestaltet werden können, dass
durch den Einsatz von Moodle die Funktionen einer realen Betriebserkundung
annäherungsweise        abgebildet     werden     können.      Die      Funktion    der
116   Michael Schuhen et al.

Informationsbeschaffung wird durch eine Internetrecherche abgedeckt (vgl. Beispiel in
Abschnitt 4.1). Die in der Betriebserkundung wichtige Beobachtungsaufgabe kann durch
die Einbindung von Videos vergleichbar – vielleicht sogar systematischer - eingelöst
werden (vgl. Beispiel in Abschnitt 4.2). Genau wie bei der realen Betriebserkundung
benötigen die Schülerinnen und Schüler aber auch hier einen Beobachtungsauftrag. Das
im Unterricht gelernte Wissen können die Schülerinnen und Schüler auf den konkreten
realen Fall des Unternehmens anwenden, indem zunächst die benötigten Informationen
vom Unternehmen beziehungsweise über das Unternehmen von den Schülerinnen und
Schülern beschafft werden und im Anschluss das Wissen angewendet wird (vgl.
Abschnitt 4.3).
Die direkten Erfahrungsberichte und eigenen Eindrücke können mit den von Moodle
angebotenen technischen Möglichkeiten bisher nicht adäquat abgebildet werden. Die
Kommunikation mit einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter des Unternehmens über
einen Chat oder ein soziales Netzwerk ist bisher nur eine theoretische Option, die in der
Praxis meistens nicht funktioniert.


4     Praxisbeispiele aus der Arbeit mit Moodle
Ergänzend zu den Beispielen in den nachfolgenden Unterkapiteln und im Anhang des
umfangreicheren Aufsatzes zum Konzept der Betriebserkundung online und dem
Umgang mit Moodle [SFS16] bieten die Materialien von Großmann [Gr05], Göbel/Keim
[GK84] und Jacobs [Ja12] vielfältige Anregungen für die Erstellung der Grundstrukturen
einer Betriebserkundung online.


4.1    Beobachten von authentischen Arbeitsabläufen

Innerhalb einer Betriebserkundung ist die Fähigkeit der Beobachtung von zentraler
Bedeutung. Die Schülerinnen und Schüler müssen im Unternehmen unterschiedliche
Prozesse beobachten und diese in geeigneter Form darstellen können. Die
Beobachtungskompetenz kann auch im Rahmen der Online-Betriebserkundung geschult
und genutzt werden. Ein häufig vorkommender Beobachtungsauftrag ist die Darstellung
eines Arbeitsplatzes beziehungsweise der Tätigkeiten, die eine Mitarbeiterin oder ein
Mitarbeiter an einem Arbeitsplatz ausübt. Um diesen Beobachtungsauftrag auf die
Betriebserkundung online zu übertragen, werden Videos, in denen die Tätigkeiten
dargestellt werden, benötigt. Die Bundesagentur für Arbeit stellt im Internet auf der
Plattform „BERUFE.TV“ mehr als 350 Videos zu Ausbildungs- und Studienberufen
bereit. [BA16] Mithilfe des Deep-Linking-Verfahrens können die benötigten Videos
direkt in den Moodle-Kurs integriert werden. Damit die ursprüngliche Autorin oder der
ursprüngliche Autor und damit auch die Quelle erkennbar ist, muss eine Quellenangabe
hinzugefügt werden.
                         Betriebserkundung online als Blended Learning Szenario 117




                 Abb. 1: Fragen und Antworten zum Beobachtungsauftrag
Zu dem Video ist ein geeigneter Beobachtungsauftrag zu formulieren und auch
Teilaufgaben sind anzugeben. In vielen Fällen ist es nicht ausreichend, wenn die
Teilnehmer der Online-Betriebserkundung das Video ohne Beobachtungsauftrag
anschauen. Mögliche Fragen für eine Beobachtung sind:

   Welche Tätigkeiten führt ein Auszubildender zum Rechtsanwaltsfachangestellten
    aus?
   Unter welchen Bedingungen arbeiten Rechtsanwaltsfachangestellte gewöhnlich?
   Welche körperlichen Anforderungen werden an Rechtsanwaltsfachangestellte
    gestellt?

Damit die Fragen von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern während der Beobachtung
bearbeitet werden können, ist eine Hilfestellung in Form von vorgefertigten Antworten
sinnvoll.
118   Michael Schuhen et al.

4.2    Gehaltsabrechnung

Die Informationsbeschaffung als wesentliche Funktion der Betriebserkundung wurde
bereits angesprochen und soll am Beispiel der Gehaltsabrechnung nun konkretisiert
werden.
Ein zentrales Merkmal bei der Wahl des Berufes ist die Ausbildungsvergütung und das
zu erwartende Gehalt während der Ausübung des Berufes. Zu den meisten Berufen kann
das durchschnittliche Brutto-Gehalt recherchiert werden. Eine Arbeitnehmerin oder ein
Arbeitsnehmer beziehungsweise eine Schülerin oder ein Schüler möchte aber eigentlich
das Netto-Gehalt in Erfahrung bringen, da sie oder er diese Summe tatsächlich erhält.
Natürlich ist das Nettogehalt von den persönlichen Lebensumständen abhängig,
allerdings können diese im Rahmen eines Fallbeispiels erarbeitet oder fiktiv
angenommen werden. Dadurch lernen die Schülerinnen und Schüler die Posten einer
Gehaltsabrechnung kennen und auch, die einzelnen Posten zu berechnen. Eine mögliche
Aufgabenstellung ist in Abbildung 2 dargestellt. [BF13] Die Antwortfelder werden beim
Speichern, in Abhängigkeit zum eingegebenen Bruttolohn, berechnet und die von den
Schülerinnen und Schülern eingetragenen Werte überprüft. Die von den Schülerinnen
und Schülern eingegebenen Daten werden in einer Datenbank gespeichert, wodurch eine
Datenbank mit den von den Schülerinnen und Schülern angestrebten
Ausbildungsberufen und der erzielbaren Vergütung entsteht.


4.3    Nachhaltigkeit bei der Adidas AG

Im folgenden Beispiel wird sowohl aus der ökonomischen als auch aus der ökologischen
Perspektive auf den Begriff der „Nachhaltigkeit“ bei der Adidas AG eingegangen. Es
wird angenommen, dass das Thema „Nachhaltigkeit“ im Unterricht behandelt wurde und
die Schülerinnen und Schüler somit die inhaltlichen Grundlagen des Themas kennen. Im
Rahmen der Betriebserkundung wird auf den Bereich der ökonomischen und
ökologischen Nachhaltigkeit bei der Adidas AG eingegangen, indem die Schülerinnen
und Schüler unterschiedliche Aufgaben zur Adidas AG und zum Thema Nachhaltigkeit
erhalten.
Damit die Schülerinnen und Schüler im ersten Schritt die Adidas AG besser
kennenlernen, bestehen die ersten beiden Aufgaben darin, sich auf der Homepage
[AG16] der Adidas AG allgemeine Informationen zum Unternehmen zu beschaffen. Als
Aufgabenstellung erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Fragebogen mit mehreren
Erkundungs- beziehungsweise Rechercheaspekten. Durch diese Form der Recherche auf
der Unternehmenswebseite und durch das anschließende Beantworten der Fragen zum
Unternehmensprofil wird sichergestellt, dass sich die Schülerinnen und Schülern einen
Überblick über das gesamte Unternehmen und beispielsweise nicht nur über die von
Adidas vertriebenen Produkte verschaffen.
                         Betriebserkundung online als Blended Learning Szenario 119




                              Abb. 2: Gehaltsabrechnung
Im zweiten Teil der Erkundung geht es um das Thema Nachhaltigkeit bei der Adidas
AG. Damit den Schülerinnen und Schüler der Begriff der Nachhaltigkeit in Erinnerung
gebracht wird, ist dieser zur Wiederholung in die Aufgabenstellung integriert worden.
Die Aufgabe besteht darin, sich auf der Webseite von Adidas über den Begriff der
Nachhaltigkeit zu informieren und zu erkennen, wie die Adidas AG den Begriff
verwendet. Zusätzlich zur Homepage wird den Schülerinnen und Schülern ein Link
[Aga16a] zu einem englischsprachigen Video zur Verfügung gestellt. Das Video wurde
von der Adidas AG produziert und informiert über die nachhaltige Produktion und
Entwicklung einzelner Adidas-Produkte. Den Schülerinnen und Schülern ist nach der
120   Michael Schuhen et al.

Recherche und dem Video ein Vergleich zwischen der allgemeinen Definition von
„Nachhaltigkeit“ und dem von Adidas vertretenen Nachhaltigkeitsverständnis möglich.
Die Schülerinnen und Schüler sollen die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten beider
Begriffsdefinitionen von Nachhaltigkeit gegenüberstellen. Durch die unterschiedlichen
Setzungen wird den Schülerinnen und Schülern bewusst, dass es auf die Sichtweise des
Betrachters auf ein spezielles Thema ankommt.
In der nächsten Aufgabe geht es darum, die Arbeitsbedingungen, unter denen Adidas-
Produkte hergestellt werden, kritisch zu betrachten. Hierfür werden den Schülerinnen
und Schülern vier verschiedene Quellen zur Verfügung gestellt, die unterschiedliche
Sichtweisen auf das Thema zeigen. Die erste Quelle [AG16b], in der das Unternehmen
erklärt, sich der Probleme und Risiken der Baumwollindustrie bewusst zu sein und sich
stets an Menschenrechte zu halten, ist der Adidas-Homepage entnommen. Die zweite
Quelle [Ka16] basiert auf einem Artikel der Zeitschrift Spiegel, in dem beschrieben
wird, unter welchen Bedingungen der Adidas-Ball für das Fußball-Champions-League-
Finale hergestellt wird. Die dritte Quelle [AG16] ist ein Video-Link zur Herstellung von
Fußbällen in Pakistan und die vierte Quelle [BS16], die die Schülerinnen und Schüler
zur Bearbeitung der Aufgabe heranziehen können, ist ein Artikel von Peter Bleckmann
und Ralf Späth zum Thema „Wie fair ist der Weltmarkt? Standards und Regeln in Zeiten
der Globalisierung am Beispiel der Herstellung von Fußbällen und anderen
Sportartikeln“. Die Aufgabe für die Schülerinnen und Schüler lautet: „Vergleiche die
Aussagen über Mitarbeiterumgang, Arbeitsbedingungen und Vergütung in den
verschiedenen Quellen. Stelle gegenüber, welche Aussagen das Unternehmen trifft und
wie die Bedingungen in der Presse und Öffentlichkeit gesehen werden. Nutze dazu die
aufgeführten Quellen und die Website des Unternehmens.“ Für die Abgabe der Lösung
steht den Schülerinnen und Schülern eine Wiki-Seite in der Moodle-Plattform zur
Verfügung. Ziel ist, dass die Schülerinnen und Schüler einen kritisch-konstruktiven
Umgang in gesellschaftlich relevanten Themenfeldern erlernen. Einerseits soll hier die
unternehmerische Seite analysiert und verstanden werden, andererseits aber auch die
Seite der Konsumenten.
Die Abschlussaufgabe ist eine Reflexionsaufgabe. Die Schülerinnen und Schüler sollen
die Erkenntnisse, die sie in den vorigen Aufgaben erworben haben, reflektieren,
bewerten und begründet darstellen. Auch hierfür steht eine Wiki-Seite zur Verfügung, in
die die Antworten eingegeben werden können. Im Sinne der Konsumentenbildung geht
es hierbei primär darum, bei den Schülerinnen und Schülern ein Bewusstsein dafür zu
entwickeln, beim Konsum beziehungsweise Kauf verschiedener Produkte auch auf deren
Herkunft und Entstehung zu achten.
                          Betriebserkundung online als Blended Learning Szenario 121


5    Fazit
Eine Online-Betriebserkundung weist gegenüber einer realen Betriebserkundung einige
Nachteile auf. Der größte Nachteil besteht im fehlenden persönlichen Kontakt zu den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Unternehmens. Konkrete Fragen zu einem
Unternehmen sind für den Lehrer zum Teil schwierig zu beantworten und über das
Internet mit einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter des Unternehmens Kontakt
aufzunehmen, ist bei konkreten Fragen in vielen Fällen während einer Unterrichtsstunde
nicht möglich. Über Kurznachrichtendienste, wie zum Beispiel Twitter oder Google
Plus, kann bei einigen Unternehmen auch kurzfristig eine Antwort eingeholt werden,
dies ist aber nicht die Regel.
Dadurch, dass die Betriebserkundung online am Computer durchgeführt wird und die
Betriebsstätte des Unternehmens nicht besucht wird, können die Schülerinnen und
Schüler die Atmosphäre des Arbeitsumfeldes nicht aufnehmen. Der Eindruck, den man
zum Beispiel in einer Schreinerei erhält, ist auch durch die beste Simulation oder durch
Fotos nicht zu ersetzen.
Für eine Online-Betriebserkundung müssen die für das Unterrichtsziel benötigten
Informationen online verfügbar sein. Somit ist diese Form nur für große Konzerne
geeignet.
Die Motivationslagen können sowohl bei einer realen als auch bei einer Online-
Betriebserkundung sehr unterschiedlich sein. Bei beiden Formen kann die Motivation
bei einer gut gestalteten Erkundung bei den Schülerinnen und Schülern sehr hoch sein
und bei einer schlecht gestalteten Erkundung entsprechend niedrig. Deswegen kommt es
eher auf eine vernünftig geplante und durchgeführte Erkundung, als auf das konkrete
Format der Erkundung an.
Der organisatorische Aufwand einer Online-Betriebserkundung ist anders als bei der
klassischen Betriebserkundung. Bei der realen Betriebserkundung muss die Lehrerin
oder der Lehrer einen Termin und die Inhalte mit dem Unternehmen abstimmen. Des
Weiteren sind die Eltern und die Schulleitung über die außerschulische Aktivität zu
informieren. Die Fahrt zur Betriebsstätte ist zu organisieren und die Übernahme der
entstehenden Kosten zu klären. Im Gegensatz dazu sind bei der Online-
Betriebserkundung die Inhalte von der Lehrerin oder dem Lehrer zu erstellen. Dazu
sollte die Lehrerin oder der Lehrer die Inhalte im Idealfall in einem Learning-
Management-System erstellen. Die Produktion des Kurses für die Betriebserkundung ist
beim ersten Einsatz des Kurses mit viel Arbeit verbunden, allerdings ist ein in der
beschriebenen Form erstellter Kurs in vielen Fällen mehrmals einsetzbar. Ein Kurs kann
parallel in mehreren Klassen und auch im folgenden Schuljahr in aktualisierter Form in
der nächsten Lerngruppe eingesetzt werden. Dadurch bezieht sich der
Vorbereitungsaufwand bei der Betriebserkundung online auf mehrere Durchführungen
des Kurses, während er bei der realen Betriebserkundung nur für die einmalige
122   Michael Schuhen et al.

Durchführung gültig ist. Auch bei der realen Betriebserkundung muss die Lehrerin oder
der Lehrer für die Vor- und Nachbereitung der Erkundung das Unterrichtsmaterial
erstellen.
Die Betriebserkundung online kann auf mehrere Unterrichtseinheiten aufgeteilt werden.
Dadurch ist kein weiterer Unterrichtsausfall für die Exkursion notwendig und die
Unterrichtszeit der anderen Fächer wird nicht beansprucht. Die Lehrerin oder der Lehrer
kann die Online-Betriebserkundung flexibler in den Unterricht einbinden, als es bei einer
realen Betriebserkundung möglich ist.
Bei einer realen Betriebserkundung ist das Unternehmen bemüht, sich möglichst positiv
darzustellen und führt die Betriebserkundung gegebenenfalls auch unter
Marketinggesichtspunkten durch. Dies kann zum einen zur Folge haben, dass die
Schülerinnen und Schüler das Unternehmen nicht erkunden, sondern nur besichtigen und
zum anderen erhalten die Schülerinnen und Schüler keinen mehrperspektivischen
Einblick. Bei einer Online-Betriebserkundung können neben der Webseite weitere
Quellen herangezogen werden. Dies ermöglicht eine kritische Überprüfung der
Informationen.
Eine Online-Betriebserkundung kann bedingt durch den geringen Vorbereitungsaufwand
bei mehrmaligem Einsatz auch mehrmals im Schuljahr zu unterschiedlichen Themen in
Verbindung mit jeweils einem anderen Unternehmen durchgeführt werden. Dies
ermöglicht eine Steigerung der praxisnahen Anteile im Unterricht. Zudem kann dadurch
regelmäßig eine Variante der domänenspezifischen Methode der Betriebserkundung
eingesetzt werden.


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                        Betriebserkundung online als Blended Learning Szenario 123

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124   Michael Schuhen et al.



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