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==Der Einsatz digitaler Lern- und Assistenzsysteme im industriellen Wandel – Softwarelösungen erfolgreich implementieren==
Raphael Zender (Hrsg.): Proceedings of DeLFI Workshops 2016
co-located with 14th e-Learning Conference of the German ComputerSociety (DeLFI 2016)
Potsdam, Germany, September 11, 2016 223
Der Einsatz digitaler Lern- und Assistenzsysteme im indust-
riellen Wandel – Softwarelösungen erfolgreich implementie-
ren
Roman Senderek1, Katharina Heeg2
Abstract. Digitalisierung, Industrie 4.0, Smart Factories: Termini wie diese sind immer öfter in
wissenschaftlichen Beiträgen und Medienberichten präsent. Sie verdeutlichen, dass die heutige Ar-
beitswelt unmittelbar mit digitalen Veränderungen verknüpft wird. Häufig wird betont, wie tiefgrei-
fend Digitalisierungsprozesse in gesellschaftliche und wirtschaftliche Strukturen eingreifen und dass
umfangreiche Transformationen nötig seien, um mit der zunehmend technischen Durchdringung
vieler Bereiche mithalten zu können. Mitunter wird gewarnt, zahlreiche Arbeitsplätzen seien gefähr-
det, weil immer mehr Tätigkeiten künftig von Maschinen oder Robotern ersetzt werden könnten.
Dabei gerät aus dem Blickfeld, dass digitale Softwarelösungen in der Industrie nicht nur Arbeits-
schritte ersetzen, sondern auch sinnvoll unterstützen können. Dadurch erhalten sie einen hohen
Mehrwert und können Prozessabläufe ebenso wie Kompetenzen zuständiger Mitarbeiter langfristig
verbessern, anstatt sie hinfällig zu machen. Der vorliegende Beitrag widmet sich deshalb der Imple-
mentierung digital gestützter Lern- und Assistenzsysteme, die im industriellen Bereich als maßgeb-
liche Arbeitserleichterung integriert werden können und so die Effizienz und Produktivität steigern.
Keywords: Digitalisierung, digitale Lern- und Assistenzsysteme, industrieller Wandel, Industrie 4.0
1 Chancen der Digitalisierung
„Werden Sie bald von einem Roboter ersetzt?“ [GHW16] fragt ein Beitrag der aktuellen
Spezialausgabe der Zeit zum Thema Digitalisierung kritisch, und ein Forschungsbericht
der INGDiba titelt: „Die Roboter kommen. Folgen der Automatisierung für den deutschen
Arbeitsmarkt“ [BB15]. Diese Beispiele aktueller themenbezogener Publikationen zeigen,
dass die voranschreitende Digitalisierung vieler Arbeits- und Produktionsprozesse nicht
nur positiv besetzt ist, sondern auch in einem besorgten Kontext zur Sprache gebracht
wird. Dabei geraten die Vorteile des Einsatzes von Softwarelösungen im Bereich der In-
dustrie oft aus dem Fokus der Betrachtungen. Vielmehr wird befürchtet, das Fachwissen
der Arbeitnehmer könne an Bedeutung verlieren und die Relevanz menschlicher Arbeits-
kräfte in den Hintergrund treten. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn Digitalisierung
gleichgesetzt wird mit der vollständigen Übertragung bestehender Arbeitsabläufe auf die
digitale Ebene. Eine solche Transformation der Arbeit ist allerdings zunächst nicht zu er-
warten und es gilt derzeit zu beantworten wie die Digitalisierung als Unterstützung für den
Menschen in bestehende oder zukünftige Arbeitssysteme gestaltet werden kann. Lern- und
1
FIR an der RWTH Aachen, Campus-Boulevard 55, 52074 Aachen, roman.senderek@fir.rwth-aachen.de
2
FIR an der RWTH Aachen, Campus-Boulevard 55, 52074 Aachen, katharina.heeg@fir.rwth-aachen.de
224 Roman Senderek und Katharina Heeg
Assistenzsysteme können im Sinne einfach zu realisierender Lösungen (in Form sog. mi-
nimum viable solutions, MVS oder auch minimum viable product, MVP) einen wertvollen
Beitrag zu der zielgerichteten Bearbeitung immer komplexer werdender Aufgaben leisten
und dabei helfen, Mitarbeiter auf künftige Aufgabenberieche vorzubereiten. COOPER et al.
definieren MVP als ein (Software-)Produkt, das über genau die kleinste Menge Funktio-
nalität verfügt, die nötig ist, um ein Problem zu lösen bzw. eine Aufgabe zu erledigen
[CVR13]. Bei Betrachtung der Relation von Aufwand und Nutzen ist eine MVS/MVP
somit eine ideale Lösung, um Prozesse effektiv zu optimieren, ohne dafür einen sehr ho-
hen Arbeitsaufwand einkalkulieren zu müssen (bspw. ausführliche Nutzerschulungen,
Aufbau neuer IT-Strukturen o.Ä.). Durch einfach strukturierte, aber effektive und assis-
tierende Softwarelösungen dieser Art können Kompetenzen und Fähigkeiten von Mitar-
beitern gefördert werden, ohne die Mitarbeiter bei der Einführung unmittelbar zu überfor-
dern. Ebenso kann die Zusammenarbeit verschiedener interner und externer Bereiche
maßgeblich unterstützt werden. Weil es ein zentrales Merkmal digitaler Kommunikation
ist, bestehende raumzeitliche Differenzen überbrücken zu können, ist mit ihr Kooperation
dort möglich, wo Zusammenarbeit anderenfalls nur durch hohen organisatorischen Auf-
wand existieren kann [Ha12].
Der Mehrwert des Einsatzes digitaler Softwaresysteme in Unternehmen wurde in der Ver-
gangenheit in Studien empirisch überprüft: CHUI ET AL. wiesen 2012 bspw. eine Produk-
tivitätssteigerung in wissensintensiven Arbeitsbereichen von bis zu 25 % nach, wenn die
Zusammenarbeit der im Rahmen der Studie geprüften Mitarbeiter mithilfe von Social
Software erfolgte [Ch12]. Social Software soll hier bestimmt werden als Bezeichnung für
vorrangig sozio-technische IT-Lösungen, die der Interaktion, Kommunikation, Koopera-
tion und Koordination von Menschen mit- und untereinander dienen [Dö07]. Der Fokus
auf Informationsaustausch macht digitale Softwarelösungen so wertvoll für Arbeitspro-
zesse: Könnten beispielsweise Fehlerquellen in Prozessketten durch digitale Systeme
frühzeitig identifiziert, kategorisiert und abgespeichert werden, so stünde Mitarbeitern
eine Informationsquelle zur Verfügung, die für die akute Fehlerbehebung ebenso wie für
die vorrausschauende Fehlervermeidung in zukünftig durchzuführenden Prozessen von
hoher Bedeutung sein kann. Ein solches Softwareprogramm dient dann als digitales As-
sistenzsystem, das die Arbeitsabläufe überwacht, unterstützt und möglichweise sogar Feh-
ler aufdeckt, bevor es der menschliche Arbeiter kann. Ein System dieser Art ersetzt auf-
grund der unterstützende Funktion jedoch nicht den Arbeiter selbst, vielmehr steigert es
dessen Fähigkeiten und kann darüber hinaus eine Lehrfunktion erfüllen: Es kann helfen,
Mitarbeiter im Umgang mit Prozessen und Maschinen zu schulen und sie so noch besser
für Aufgaben und Tätigkeitsfelder zu befähigen – nicht nur für die bereits bekannten, son-
dern auch für die neuartigen, die sich im Zuge der Digitalisierung künftig erst noch erge-
ben werden [Ha15; KWH13]. In diesem Sinne kann ein so beschriebenes Assistenzsystem
auch als Weiterbildungs- bzw. Trainingsmöglichkeit fungieren und als Lernprogramm an-
gewandt werden, etwa indem zusätzlich zu den für einen Einsatz nötigen Informationen
auch konkrete Lehrinhalte bereitgestellt werden, wie weiterführende und erklärende Text-
bausteine oder Illustrationen. Die MVS können so im Anwendungsfall speziell auf be-
stimmte Prozessabläufe, Maschinen oder Produkte abgestimmte „Lehr- und Lernarrange-
ments realitätsnah, authentisch, und flexibel in das Bildungskonzept [einbringen]“ [He12].
Digitale Lern- und Assistenzsysteme 225
Der Mehrwert digitaler Softwareneuerungen wäre dann nicht nur kurzfristig bei jedem
Einsatz vorhanden, sondern vielmehr langfristig bemerkbar und trüge zur dauerhaften Op-
timierung der Mitarbeiterkompetenzen bei. Diese individuelle Kompetenzentwicklung
sieht MEYER in einem direkten Zusammenhang mit dem Erfolg digitaler Transformatio-
nen in Unternehmen [Me16], was das Gewicht von Weiterbildungsmaßnahmen dieser Art
noch unterstreicht. Anhand einer von RICHTER ET AL. 2013 durchgeführten Studie lassen
sich weitere positiv zu bewertenden Effekte des Einsatzes digitaler Assistenz- und Lern-
systeme festmachen: Die Umfrage des Forscherteams ergab, dass auch die Zusammenar-
beit von Arbeitnehmern in Teams durch Nutzung digitaler Systemlösungen erleichtert
werde und insgesamt produktiver sei. Zudem sei mit bedeutenden Zeit- und Kostenein-
sparungen zu rechnen, es sei eine Erhöhung der Anzahl innovativer Ideen zu erwarten und
eine erleichterte Mitarbeiterverfügbarkeit [Ri14]. Die Beobachtungen zeigen, dass digitale
Softwarelösungen in Unternehmen sowohl lang- als auch kurzfristig und gleichermaßen
auf Ebene der einzelnen Angestellten wie auch auf der der Mitarbeiterteams positiv wirk-
sam sein können.
Wie eine assistierende und lernförderliche MVS gestaltet sein kann, veranschaulichen un-
terschiedliche Softwarelösungen, die im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung
und Forschung geförderten Projektes Engineering und Mainstreaming lernförderlicher in-
dustrieller Arbeitssysteme für die Industrie 4.0 (ELIAS) entwickelt wurden. Ziel des Pro-
jektes ist es, moderne Arbeits- und Produktionssysteme bereits im Entstehungsprozess
lernförderlich zu gestalten bzw. bestehende Systeme entsprechend zu verändern. Hierzu
wurden zahlreiche Publikationen und konkrete Leitfäden über das arbeitsnahe Lernen, die
entsprechende Arbeitssystemgestaltung sowie die verfügbaren klassischen arbeitsbezoge-
nen Lernformen oder neuere technologiegestützte Lernformen entwickelt und ein Pla-
nungstool zur Lernförderlichkeitsbilanzierung aufgesetzt. Darüber hinaus wurden bei den
beteiligten Unternehmenspartnern sowie in der Demonstrationsfabrik Aachen (DFA) ins-
gesamt sieben verschiedene technologiegestützte Lernformen als Demonstratoren entwi-
ckelt. So wurde bei der Hella KGaA Hueck & Co., ein führender Zulieferer der Automo-
bilindustrie in den Bereichen Licht und Elektronik, eine mobile Applikation entworfen,
die Produktionsmitarbeitern in der Fahrpedalgeberproduktion Informationen über den Ma-
schinenstatus und Art und Ort vorkommender Fehler zur Verfügung stellt und die Mög-
lichkeit beinhaltet, Hilfe des technischen Service anzufordern. Bei der FEV GmbH, einem
international tätigen Dienstleistungsunternehmen in der Konstruktion und Entwicklung
von Antrieben, wurde eine Softwarelösung für die Prozesse der Applikation elektronischer
Steuergeräte an automobilen Antriebssträngen so gestaltet, dass dem Nutzer z.B. System-
und Prozessverständnis während der Datenanalyse vermittelt wird. Des Weiteren hat das
FIR an der RWTH Aachen zusammen mit dem ebenfalls dort ansässigen WZL Werkzeug-
maschinenlabor, dem MTM e. V. und weiteren Unternehmenspartnern drei verschiedene
exemplarische technologiegestützte Lernlösungen konzeptualisiert. So wird bspw. für die
Vermittlung der Montageschritte eines Elektro-Karts die Arbeitsunterweisung digital ge-
stützt, indem kurze ergonomisch optimierte Utility Filmsequenzen visuell anleiten. Für
die gesamte DFA wurde zudem ein auf einer Community basierendes System zum Wis-
sensmanagement implementiert (Community-Information-Portal (CIP)). Zielsetzung war
226 Roman Senderek und Katharina Heeg
es dabei, die bisher im Unternehmen verstreuten Informationen und das aufgrund asyn-
chroner Anwesenheitszeiten fehlende Wissen zeit- und ortsunabhängig für alle Angestell-
ten verfügbar zu machen. Als weiterer Demonstrator wurde eine Tablet-Applikation zum
Zwecke der Fehlerregistration und -kommunikation innerhalb der Vorserienfertigung von
Elektrofahrzeugen entwickelt. Sie leitet den Nutzer während der Fehlerdokumentation an,
hilft, Bilder und Markierungen von Fehlerstellen anzufertigen, speichert sie und ermög-
licht so eine umfangreiche Prozessanalyse durch die Überführung der Daten in einen lang-
fristig einsehbaren und stetig wachsenden Fehlerkatalog. Die App kann passende bereits
bestehende Katalogeinträge beim Anlegen neuer Fehler vorschlagen und so Mehrfachnen-
nungen zu häufig vorkommenden Fehlertypen und Fehlerbereichen clustern.
Anhand dieser exemplarischen, sehr unterschiedlichen technologiegestützten Lern- bzw.
Assistenzsysteme wird der vielfältige Einsatzbereich deutlich, in dem digitale Software-
lösungen als MVS/MVP gewinnbringend eingesetzt werden können. Zugleich konnte
durch die Entwicklung der Demonstratoren zentrales Wissen über den Implementierungs-
prozess dieser neuen Programme gewonnen werden. Auf diese Schritte der Softwareein-
führung fokussiert das nachfolgenden Kapitel. Weil mit der Qualität der Implementierung
auch der Erfolg der digitalen Programme einhergeht, ist die strategische Einführung der
MVS/MVP elementar: So zeigte die Einführung der angesprochenen Systeme, dass die
frühzeitige Einbindung der Nutzer eine elementare Voraussetzung für deren Akzeptanz
gegenüber der IT-Lösungen ist. Auch hat sich die iterative und agile Entwicklung von
minimum viable solutions im Vergleich zu komplexen Programmlösungen in den genann-
ten Fällen als vorteilhaft erwiesen. Weil die entwickelten Technologien an einzelnen, klei-
nen zu optimierenden Prozessschritten ansetzen, konnten sie durch deutlich verkürzte
Feedbackschleifen immer wieder angepasst werden. So war es möglich, stets einen opti-
malen Fit zu dem tatsächlich vorliegenden Problem zu gewährleisten. Zudem konnte den
Nutzern frühzeitig der Mehrwert der Lösungen aufgezeigt werden, da die MVS schnell
ersichtliche Ergebnisse begünstigen. Auch wurde bei den verschiedenen beschriebenen
Anwendungsfällen deutlich, dass einheitliche Lösungen für die unterschiedlichen Anwen-
dungskontexte ungeeignet sind: Die verschiedenen Use Cases haben gezeigt, dass erfolg-
reiches technologiegestütztes Lernen sehr differente Formen annehmen kann und Lösun-
gen individuell auf den jeweiligen Arbeitskontext angepasst werden müssen.
2 Implementierung digitaler Assistenz- und Lernsysteme
Die erläuterten Beispiele veranschaulichen, wie digitale Lern- und Assistenzsysteme Ar-
beitsprozesse idealer Weise erleichtern und bereichern. Bevor MVS/MVP dieser oder ähn-
licher Form jedoch erfolgreich in Unternehmen Anwendung finden können, bedarf es ei-
ner strukturierten Planung und daran anschließend einer detaillierten Implementierung.
Denn der Nutzen eines digitalen Systems kann sich nur dann entfalten, wenn der ange-
strebte Zweck für Entwickler und Anwender gleichermaßen klar definiert ist und die be-
reits bestehenden personellen, technischen und unternehmens-organisatorischen Struktu-
ren berücksichtigt werden. Damit die Implementierung einer digitalen Assistenz- bzw.
Digitale Lern- und Assistenzsysteme 227
Lerninnovation erfolgreich organisiert werden kann, ist daher ein umfassendes Implemen-
tierungsmodell nötig. SENDEREK schlägt hierfür basierend auf dem Ansatz der Mensch-
Technik-Organisations-Analyse (MTO) nach STROHM U. ULICH [Ul13] ein umfangreiches
Planungs-Tool vor (s. Abb. 1), das die drei gleichermaßen von Digitalisierung betroffenen
Ebenen Mensch, Technologie und Unternehmensorganisation mit in die Programmeinfüh-
rung einbezieht [Se16]. Für jeden der Bereiche sieht das Modell konkrete zu bewältigende
Aufgaben als Implementierungsschritte vor und veranschaulicht somit, dass ein Digitali-
sierungsbestreben stets alle Bereiche eines Unternehmens berührt – nicht nur jene, in der
das einzuführende Assistenz- bzw. Lernkonzept letztendlich auch Anwendung finden soll.
Mensch Technik Organisation
Analyse der bestehenden Analyse der bereits Analyse der Arbeits-
Analyse des Status Quo bestehenden Lern- und
Kompetenzen im Team organisation, Lernkultur und
Assistenzsysteme Unternehmensstruktur
Definition angestrebter Zielgruppenbestimmung & Auswahl verfügbarer & Definition des Zeitplanes, der
Ziele & notwendiger Definition der passender lernfördernder Zielsetzungen & dem Ausmaß
Voraussetzungen Handlungsräume Technologien des Entwicklungspotentiales
Definition des didaktischen Erstellung Transformations-
Design des Lernkonzeptes Lernkonzeptes & der Adaption und Integration der
Lern- bzw. Assistenzsysteme Roadmap, Benennung von
Lerninhalte Verantwortlichen
Implementierung des interne Einführung der Integration der lernfördernden Implementierung der
Software (Schulung/Kick-off), Technologien in das Transformationsschritte &
Lernkonzeptes
ggf. Einholung von Feedback bestehende IT-System organisatorische Anpassung
Evaluierung der eingeführten Evaluierung der
Erfolgskontrolle Software technologischen Struktur, kontinuierliche
(Mitarbeiterfeedback) kontinuierliches Monitoring Feedbackschleife
Abb.: 1: Implementierungsprozess für Lern- und Assistenzsysteme in Unternehmen (eigene Dar-
stellung i. A. a. SENDEREK 2016 [Se16])
Zu Beginn des Implementierungsprozesses steht einer der grundlegendsten Schritte, die
Analyse des Status Quo. Die Bestimmung der bereits abrufbaren Wissens- und Organisa-
tionsstrukturen auf allen Ebenen ist essentiell, um die weiteren notwendigen Schritte der
Softwaregestaltung und ihrer Einführung zu planen. Werden hier Fehler gemacht, ist ein
tatsächlicher Erfolg der Softwarelösung fraglich, da es sein kann, dass diese dann für die
Kompetenzen der Mitarbeiter, die verfügbaren IT-Strukturen oder die Organisations-
grundlagen inadäquat ist. Anknüpfend an diesen Schritt folgt die Definition der anvisierten
Ziele, die ebenso grundlegend wie die Status-Quo-Analyse ist, denn beide Prozessab-
schnitte sind unmittelbar voneinander abhängig: Nur aufbauend auf dem detaillierten Wis-
sen über Bestehendes kann künftig zu Erreichendes geplant werden. Oft fokussiert diese
Zielbestimmung auf einen der drei Bereiche Mensch, IT und Organisation, allerdings gilt
es, im Idealfall gleichermaßen genaue Vorstellungen über den Sinn und Zweck des Digi-
talisierungsvorhabens für die verschiedenen Ebenen zu formulieren und zu verfolgen.
Auch die Partizipation der Mitarbeiter muss an diesem Punkt der Implementierungskette
sichergestellt werden. Deswegen gilt es zu definieren, was von den Angestellten konkret
228 Roman Senderek und Katharina Heeg
erwartet wird und wie und wofür sie die neuen Programme nutzen sollen. Entsprechend
transparent müssen die auf organisatorischer Ebene diskutierten Zielsetzungen dann kom-
muniziert werden. Im Anschluss hieran erfolgt die Erstellung des Assistenz- bzw. Lern-
systems und einer dazugehörigen Transformations-Roadmap. Ist das Softwaresystem kon-
zipiert, wird es implementiert und in einem weiteren, fünften Schritt auf die korrekte Funk-
tionsweise sowie die Passgenauigkeit mit den zuvor definierten Zielsetzungen abgegli-
chen. Diese Erfolgskontrolle stellt jedoch nicht das Ende des Implementierungsprozesses
dar, sondern ist als Ausgangspunkt für die Wiederholung der vorherigen Schritte zu ver-
stehen: Auf Grundlage einer umfassenden Erfolgskontrolle kann eine erneute Status-Quo-
Analyse, eine abermalige Definition weiterer Ziele und ein wiederholtes Anpassen der
Softwarestrukturen etc. erfolgen.
3 Resümee und Ausblick
Der vorliegende Beitrag zeigt, dass die oft anzutreffenden Befürchtungen in Bezug auf die
voranschreitende Digitalisierung nicht grundlegend gerechtfertigt sind. Die Angst vor kri-
tischen Auswirkungen der digitalen Innovationen lässt sich, so die Vermutung, v.a. auf
die noch fehlenden konkreten Praxiserfahrungen zurückführen. Es konnte aufgezeigt wer-
den, dass minimale und auf kleine Prozessschritte abgestimmte Softwarelösungen in Form
von minimum viable solutions eine Erleichterung für Arbeitsabläufe sein können und dar-
über hinaus zur langfristigen Qualifizierung der Mitarbeiter beitragen können. Um diese
Wirkung zu erreichen, müssen digitale Lern- bzw. Assistenzsysteme jedoch strukturiert in
bestehende Unternehmstrukturen eingeführt werden, zum Beispiel anhand des erläuterten
Implementierungsmodelles. Dessen schrittweise Einführung der Software bedeutet, dass
die Integration digitaler Lern- bzw. Assistenzsysteme kein abgeschlossener Vorgang ist,
sondern vielmehr ein Kreislauf, der einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess dient.
Weil schrittweise implementierte MVS nur kleine Teilaufgaben übernehmen bzw. opti-
mieren, ist ein schnell für alle Beteiligten sichtbarer Anfangserfolg der implementierten
Software wahrscheinlicher als im Falle umfangreicher Digitalisierungstransformationen:
Der positive Effekt ganzheitlicher Digitalisierungsbemühen kann sich oft erst verzögert
zeigen. Deshalb ist zu vermuten, dass die Motivation der Mitarbeiter, MVS als Änderun-
gen in bereits bestehenden Prozessketten zu akzeptieren und anzuwenden, aufgrund dieser
schnell ersichtlichen frühen Erfolge hoch ist, was erneut für den Einsatz zielgerichteter
minimaler Digitallösungen in Unternehmen spricht. Die aktive Partizipation aller Be-
troffenen wird in dem vorliegenden Bericht als elementar für den Erfolg des technologie-
gestützten Lernens betrachtet. Sie kann zusammen mit der hier vorgeschlagenen strategi-
schen Planung und Einführung von MVS für assistierende und lehrende Funktionen künf-
tig dazu beitragen, Unternehmen auf dem Weg in die digitalisierte Arbeitswelt zu unter-
stützen. Somit kann ein inkrementeller Wandel, der gleichzeitig mit dem notwendigen
Kompetenzaufbau auf Seiten der Mitarbeiter einhergeht, erreicht werden, der auch früh-
zeitig für Unternehmen und Mitarbeiter einen Mehrwert generiert und so den Weg hin
zum digitalisierten Unternehmen ebnet.
Digitale Lern- und Assistenzsysteme 229
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