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==Klangsalat – Auditives Navigationssystem==
Klangsalat – Auditives Navigationssystem Andreas Negrei, BSc Florian Csizmazia, BSc Tamás Künsztler, BSc dm151555@fhstp.ac.at dm151504@fhstp.ac.at dm151553@fhstp.ac.at Mathias Berger, BSc Patrick Wiertel, BSc Florian Pichler, BSc dm151502@fhstp.ac.at dm151539@fhstp.ac.at dm151559@fhstp.ac.at Maximilian Sramek, BSc (Hons) dm151532@fhstp.ac.at akustische Ebene. Signifikante Orte der Stadt St. Pöl- ten, Points of Interest (POIs) genannt, werden durch Abstract bestimmte Sounds repräsentiert. Die Entfernung der NutzerInnen zu einem POI bestimmt die Lautstärke des Das Ziel dieser Arbeit war die Implementierung ei- jeweiligen Sounds. Durch gezieltes Drehen des Kör- ner Android-Applikation mit binauralen Klangtex- pers (bzw. des Smartphones) und Bewegung der Nut- turen, die den NutzerInnen eine Stadtführung durch St. Pölten auf auditiver Ebene ermöglicht. In der zerInnen kann die St. Pöltner Innenstadt, mit Hilfe von App sind 22 Points of Interest (POIs) auf einer visueller und akustischer Navigation, erkundet werden. Google Maps Karte definiert, denen jeweils ein Eine wichtige Rolle spielt der Einsatz von Binauralität spezifischer Klang zugeordnet ist. Diese Klangtex- (siehe Abschnitt 4.1), auch als Richtungshören be- turen sind akustische Simulationen der jeweiligen zeichnet. Bei der Bewegung des Smartphones und der Orte. Die Schallquellen sind, wie deren zugehöriger damit einhergehenden Änderung der Winkel zu den POI, statisch in der App positioniert und besitzen einzelnen POIs, sollten die Sounds weiterhin aus der einen klar definierten Klangradius. Bewegt sich al- standortspezifisch richtigen Richtung zu hören sein. so ein User innerhalb des Klangradius einer Schall- Diese Positionierung auf der horizontalen Ebene ist mit quelle, so beginnt diese zu klingen. Jede Klangtex- einfacher Stereophonität nicht bzw. in keinem zufrie- tur eines POI wiederholt sich und wird je nach Ent- denstellenden Ausmaß zu erreichen. fernung vom NutzerIn zum POI intensiver bzw. weniger intensiv und binaural aus der richtigen Am Ende des ersten Projektabschnittes sollte ein And- Richtung wahrgenommen. roid-Prototyp der App Klangsalat stehen, der die akus- tische Ortung der NutzerInnen auf die Probe stellt. 1 Einleitung Obwohl die visuelle Ebene in Form einer Karte trotz- dem bedient wird, stellt sich auch die Frage, ob die rein Die verbreitete Nutzung von Smartphones und immer akustische Navigation durch die zu den POIs gehörigen genauere GPS- und Richtungssensoren bieten Entwick- Sounds möglich und sinnvoll ist. Die Auswahl und lerInnen zahlreiche Möglichkeiten zur Implementie- Implementierung der richtigen Sounds stellte einen rung standortbasierter Anwendungen. Das Smartphone entsprechend wichtigen Teil der Entwicklungsarbeit ist als täglicher Begleiter oft auch Ersatz für klassische dar. Im Rahmen einer Fokusgruppe wurden daher die Straßenkarten. Während die zielorientierte Verwen- POIs und mögliche Sounds gemeinsam mit potenziel- dung von Google Maps und Co. vergleichsweise wenig len NutzerInnen diskutiert. Usertests sollten die Funk- Erlebnisnutzen mit sich bringt, finden auch standortba- tionalität der App allgemein, die richtige Auswahl der sierte Spiele, wie beispielsweise Pokémon Go, immer Sounds und die korrekte Richtungswahrnehmung eva- mehr Gefallen. luieren. Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung einer standort- und richtungsbasierten App (in weiterer Folge als Klangsalat bezeichnet), mit der Erweiterung um die Copyright © by the paper’s authors. Copying permitted only for private and academic purposes. In: W. Aigner, G. Schmiedl, K. Blumenstein, M. Zeppelzauer (eds.): Proceedings of the 9th Forum Media Technology 2016, St. Pölten, Austria, 24-11-2016, published at http://ceur-ws.org 32 Klangsalat – Auditives Navigationssystem 2 State of the Art 3 Hard- und Software Spezifikationen Das Projekt „Klänge der Stadt – Soundscape Regens- zur Umsetzung burg“ (List, Mantaj, & Ottmann, 2014) demonstrierte Für die Umsetzung dieses Projekts wurde eine mobile bereits einen akustischen Stadtplan mit Hilfe einer Android App entwickelt. Programmiert wurde in der Google Maps Karte. Hierbei wurden für bestimmte IDE (Integrated Development Environment) „Android Orte die Originalklänge zugeordnet und in der Studio“ mit der Programmiersprache Java. Die Signal- Soundmap mit dazugehörigem Foto markiert – jedoch verarbeitung erfolgt mit einem Pure Data Patch. Pure ohne mobile Applikation. Eine solche wurde als Proto- Data1 (Pd) ist eine Open Source2 und visuelle Pro- typ für Tablets von Georg Weidenauer im Rahmen grammiersprache, die v.a. in der Audio Branche oft seiner Diplomarbeit „Virtual Soundscape Elements“ zum Einsatz kommt. Für den Einsatz von Pd Patches (Weidenauer, 2014) mit Hilfe von „KEMAR Impuls auf Smartphones sind nur Knoten (Nodes), die im Pa- Antworten“ implementiert – inklusive Einbindung ket Vanilla Pd enthalten sind, verfügbar. Weiters muss virtueller Schallquellen. Eine App für die Aufzeich- eine spezielle Library (libpd)3 eingebunden werden, nung von Soundscapes ist auch beim Projekt „Record welche die Kommunikation zwischen dem Client Code the Earth“ (Pijanowski, 2014) in Verwendung. Die (Java) und dem Pure Data Patch ermöglicht. Da im dabei verwendete Methode nennt sich „Soundscape Rahmen einiger Tests auf verschiedenen Mobiltelefo- Ecology“ und dient, ähnlich wie bei dem hier nen unterschiedliche Winkeldaten ausgegeben wurden, vorgestellten Projekt, zur Kategorisierung von Kläng- beschränkte man sich in der Alpha Version der Appli- en. Durch die daraus gewonnenen Informationen und kation auf das Mobiltelefon Sony Xperia Z3. Es ver- Eigenschaften von Sounds wurde beim Projekt „Euro- fügt über einen 2,5 GHz Quad-Core-Prozessor und 3 noise“ (Davies et al., 2009) die Tiefenstaffelung ge- GB RAM. Das Gerät besitzt außerdem einen internen bildet. Zusätzlich wurden Aspekte der Sounddefiniton Kompass, Gyrometer und GPS Sensoren. Um auf Sen- vom Experiment „The measurment of soundscapes – is sor- und GPS-Daten zugreifen zu können, muss die it standardizable?“ (Genuit & Fiebig, 2014) aufgegriff- Google Play Services API mit eingebunden werden. en, um die emotionalen Reaktionen von NutzerInnen Zur Verarbeitung der POIs wurden diese mit Namen, zu evaluieren. Mit den Attributen von Soundscapes Beschreibung und Koordinaten in einer CSV-Datei beschäftigten sich Ljungdahl Eriksson und Berg bereits gespeichert, die als Liste in Java geladen und verarbei- 2009 in ihrer Arbeit „Soundscape Attribute Identifica- tet werden kann. Diese Liste ist einfach wart- und er- tion“ (Ljungdahl Eriksson & Berg, 2009), 2014 der weiterbar und benötigt nur wenig Speicherplatz. Holländer Almo Farina in „Soundscape Ecology“ (Fa- rina, 2014), sowie die 2015 veröffentlichte Arbeit „Ef- Obwohl für optimales Richtungshören In-Ear Kopfhö- fects of Psychoacoustical Factors on the Perception of rer verwendet werden sollten, wurde bei den Tests – Musical Signals in the Context of Environmental vor allem aus hygienischen Gründen – auf halb-offene, Soundscape“ (Deng, Kang & Liu, 2015). aufliegende Kopfhörer zurückgegriffen. Die Verbindung einer Applikation mit GPS Daten behandelte das bereits erwähnte Projekt „Record the 4 Methoden Earth“ – jedoch ausschließlich zur Lokalisation von Zur Findung der passenden Klänge für die einzelnen aufgenommenen Sounds. Die Annäherung, Ent- POIs wurde eine Diskussionsrunde mit Personen unter- fernungsunterschiede, sowie die Verwendung von schiedlichen Alters, verschiedenen beruflichen Hinter- einem binauralen System war Teil des Projekts „Inter- gründen und unterschiedlichen Wohnorten durch- active 3-D Audio“ (Schmidt, Schwartz, & Larsen, geführt. Diese Fokusgruppe bestand aus elf 2012) und „I Hear NY3D“ (Musick, Andreopoulou, TeilnehmerInnen, denen zu jedem Point of Interest ein Boren, Mohanraj, & Roginska, 2013). In der aktuellen Bild gezeigt wurde, zu dem sie jeweils die Klänge Smartphone-Applikation „Pokémon Go!“ ist die erfol- beschreiben sollten, die ihnen dazu einfallen. Die Mod- greiche Echtzeit-Interaktion von App- und GPS-Daten eratoren gaben zu den POIs – wenn nötig – kurze – also das Zusammenspiel zwischen Funktionen und Erklärungen. Durch die Diskussion sollten zu jedem Standort der UserIn – in Verwendung. „Project GO!“ (“Project GO! Trailer,” n.d.) arbeitet innerhalb einer App mit aktuellem und geschichtlichem Bildmaterial, 1 https://puredata.info welches positionsbezogen abgerufen wird. Ausgehend 2 vom dargestellten Stand der Forschung wurde mit Open Source bezeichnet freie Software, deren Quellcode Klangsalat eine App entwickelt, wo einzelne Klangtex- frei verfüg- und erweiterbar ist 3 turen zum Teil aus Klängen der Vergangenheit und aus https://puredata.info/downloads/libpd der Gegenwart gebildet werden. 33 Klangsalat – Auditives Navigationssystem POI verschiedene Klänge und Assoziationen gefunden lichsten wahrzunehmen. Das liegt daran, dass beim werden, gleichzeitig aber auch ein Konsens zum intui- Abhören mit Kophörern die Signale am linken und am tiv “richtigen” Klang. Zu jedem Point of Interest rechten Ohr völlig getrennt voneinander ankommen. wurden nach Übereinstimmung der Probanden (Jens Blauert & Jonas Braasch, 2008, Kapitel 3: zumindest vier verschiedene Klänge vorgeschlagen. Räumliches Hören, Herausgeber: Stefan Weinzierl, S. Aus der Liste der Ergebnisse wurden im Anschluss 89-90) vom Projektteam jene Sounds, die der Klangästhetik Bei der entwickelten App „Klangsalat“ wird Binaural- der zu produzierenden Klangtexturen am besten dien- ität vor allem für das Orten der Richtung, aus der die ten, ausgewählt. Für die Produktion der Klangtexturen Klänge der Points of Interests kommen, verwendet. Die wurden einerseits Klänge in St. Pölten mittels eines Applikation berechnet den Winkel zwischen den GPS Aufnahmegerätes mit Stereomikrofonierung (XY- Koordinaten der NutzerIn und des POIs in Bezug auf Mikrofon des Zoom H6) und einem Richtrohrmikrofon den magnetischen Nordpol. Das Ergebnis dieser aufgenommen, andererseits wurde auf lizenzfreie Berechnung wird vom aktuellen Blickwinkel der Nut- Sounds der Soundbibliothek www.freesound.org zerIn (abhängig von der Ausrichtung des zurückgegriffen. Dabei wurden nur Sounds verwendet, Smartphones), der über die Sensordaten erhalten wird, die unter der CC0 (creative commons 0 – Public Do- abgezogen. main Dedication) lizensiert sind. Diese Lizenz erlaubt die Kopie, Veränderung und Verbreitung der Klänge (auch für kommerzielle Zwecke). Die durchschnittliche Länge einer Klangtextur beträgt 30 Sekunden. Da diese beim Benutzen der Applikation so lange wiederholt werden, bis sich der User nicht mehr in deren Klan- gradius befindet, war es wichtig, dass keine Übergang- sartefakte zwischen End- und Anfangspunkt der Klang- texturen wahrnehmbar sind. Die Klangtexturen wurden daher so produziert, dass eine beliebige Wiederholung ohne eindeutige Identifizerung von Start und Ende möglich ist. Die in St. Pölten aufgenommenen Klänge und jene von www.freesound.org wurden in die Soft- ware Ableton Live importiert und dort editiert. Jede Klangtextur besteht aus mehreren Klangebenen, die Abbildung 1: Änderung der Lautstärke in Bezug auf zeitlich und klanglich (Filterung, Pitch-Shifting, Time- den Blickwinkel Stretching, Kompression, Hall) aufeinander angepasst wurden. Wenn das Ergebnis 0 oder 360 beträgt, blickt der/die NutzerIn direkt auf den Point of Interest. Beträgt das 4.1 Binauralität Ergebnis 180, hat der/die BenutzerIn dem POI den Rücken zugedrehte. Das binaurale Hören ermöglicht ein Richtungshören beziehungsweise ein räumliches Hören. Laut Blauert Durch die Drehung des des Smartphones ändert sich und Braasch werden Schallsignale, die auf den Kopf der erreichnete Winkel und auch die wahrgenommene treffen, bezüglich ihres Frequenzspektrums linear ver- Lautstärke. Die Tatsache, dass sich die Klangtextur bei zerrt. Es kommt zu Änderungen von Amplituden- und der Drehung nicht mitbewegt führt dazu, dass der POI Phasenverlauf des Spektrums. Diese Änderungen, die akustisch geortet werden kann. auf dem Übertragungsweg zwischen Schallquelle und Ohren passieren, können mit Hilfe von sogenannten 5 Implementierung Head-Related Transfer Functions (HRTFs) mathe- Die Programmierung von Klangsalat wurde in zwei matisch beschrieben und messtechnisch erfasst werden. Hierfür werden aus dem Nahfeld und in bestimmten Bereiche unterteilt. Die Java-seitige Entwicklung in Winkeln rund um den Kopf Impulse abgespielt und Android Studio, umfasste die Berechnung der Entfer- mittels Mikrofonen im Ohr der Versuchsperson oder nungsdaten zu den POIs und die Verarbeitung der eines Kunstkopfes aufgenommen. Durch Laufzeit- und Sensor- und GPS-Daten. In Pure Data wurden Binaura- Form-Unterschiede ergeben sich spezielle Filterkurven, lität, Lautstärkeanpassung und das Abspielen der die beim Hören einen sehr realistischen, räumlichen Sounds in Pd umgesetzt. (binauralen) Richtungseindruck geben. Der Binaura- Das eingebaute GPS-Modul des Mobiltelefons liefert leffekt in der Stereofonie ist mit Kopfhörern am deut- eine auf ein bis drei Meter genaue Standortlokalisation 34 Klangsalat – Auditives Navigationssystem mit Werten für Breiten- und Längengrad. Aus dem Die übermittelten Winkeldaten werden zur Bearbeitung aktuellen GPS-Standort und den Koordinaten der POIs, im Pd Patch für die binaurale Verteilung der Sounds die aus der CSV–Datei geladen werden, wird die Dis- herangezogen. Es werden Filterkurven für beide Ohren tanz zu jedem POI berechnet und die nähesten vier aus den Impulsantworten (IR) der Binaural Library4 werden mit folgenden Parametern an Pd gesendet: “1002” des IRCAM Instituts in Tables (Subpatches, die • ID (zur Auswahl der richtigen Audiodatei) Arrays und die dazugehörigen Graphen beinhalten) im 15-Grad-Abstand gespeichert. Diese werden abhängig • Entfernung (für die Lautstärkeanpassung) vom aktuellen Winkel über die jeweiligen • Winkel (für HRTFs und Binauralität) Klangtexturen gefalten, um eine Lokalisation der Im Folgenden ist ein Ausschnitt aus jener Funktion zu Soundquelle zu ermöglichen. Die relativ grobe sehen, die bei jedem Standort-Update (ca. alle 20 Se- Auflösung von 15 Grad ist für die Applikation dennoch kunden) durch das Smartphone aufgerufen wird, um ausreichend, wie die Usertests (siehe Abschnitt 6) die notwendigen Parameter für die vier nächsten POIs beweisen. Zusätzlich wird mit zunehmender an Pd zu senden. Entfernung (0-200 Meter) zum jeweiligen POI die Lautstärke des Sounds abgeschwächt. 7 ∗ 0,4 + 200 6= 1,617 Formel 2: Abschwächung der Lautstärke einzelner POI's L nimmt dabei Werte zwischen 0 und 200 Metern ein. Der Mulitplikator M wird zum Schluss mit einem "dbtorms" Befehl umgerechnet, um so einen an- Abbildung 2: Senden der 3 Parameter zu Pd sprechenden Lautstärkenverlauf zu erhalten, der Werte zwischen 0 und 8 einnehmen kann. Die Werte wurden Davor erfolgt eine Überprüfung, ob sich der POI inner- im Laufe der Entwicklung und des Testens ermittelt halb eines Radius von 200 Metern ausgehende vom und angepasst. Standort der NutzerIn befindet. Die Entfernungsbe- Nach Anpassung aller Parameter wird der Befehl zum rechnung zwischen zwei Punkten ist durch folgende Abspielen gegeben und an den Audioausgang des Mo- Formel gegeben: biltelefons geschickt. ∆( ∆( ! = #$%& + +,#(- ∗ +,#(& ∗ #$%& 2 2 + = 2 ∗ !/!%2( ! ∗ 1−! ) 4 =5∗+ Formel 1: Berechnung des Klangradius Mithilfe von Gyrometer und Kompass des Smartpho- nes erfolgt die Winkelberechnung, welche für die Rich- tungsgebung der verschiedenen Sounds herangezogen wird. Die Einbindung von libpd in Android ermöglicht die Abbildung 3: Ablauf der Berechnungen in Java und die Kommunikation zwischen der App und dem Pure Data Kommunikation zum Pd Patch Patch. Die Klasse PDBase erlaubt den Zugriff auf Me- thoden, die diese Kommunikation ermöglichen. Um die 4 oben genannten Parameter an Pd zu schicken wird die http://recherche.ircam.fr/equipes/salles/listen/download.html Methode sendFloat verwendet (Brinkmann, 2012). 35 Klangsalat – Auditives Navigationssystem einzelner Sounds, kein automatisches Hinzukommen bzw. Wegfallen der Instanzen und digitale Verzerrun- gen, wenn Sounds lauter wurden. Außerdem wurde die Qualität und Funktionalität der einzelnen Sounds beur- teilt, wie zum Beispiel Verständlichkeit oder Identifi- zierbarkeit. 6.3 Rundgang Wien Vor dem Usability-Test wurden die durchgeführten Adaptierungen noch einmal live getestet. Dieser weite- re Rundgang fand in einer Fußgängerzone in Wien statt. Die ursprünglichen St. Pöltner POIs wurden dabei gleichmäßig im Testgebiet verteilt. Teile der in Ab- schnitt 6.2 beschriebenen Probleme wurden durch Anpassung der gesendeten Paramter an Pd bzw. durch Abbildung 4: Ablauf der Berechnungen im Pd Patch eine Umpolung bei der Auswahl der Impulsantworten behoben. Um die entstandenen Verzerrungen zu ent- 6 Empirische Studien/Evaluierung fernen wurden die Sounds für die Endversion noch einmal normalisiert. Die richtige Funktion der Applikation wurde in mehre- ren Schritten beurteilt. Im Laufe der Implementierung 6.4 Usability-Test wurden mehrere Testläufe durchgeführt, bevor schluss- endlich mit dem fertigen Prototyp mit projektfremden Der Usability-Test wurde wieder im finalen Zielgebiet Personen ein Usability-Test im finalen Zielgebiet vor- durchgeführt. Zwei Teams waren mit jeweils einem genommen wurde. Gerät und Kopfhörern im Kerngebiet St. Pölten unter- wegs und baten Passanten um ihre Mithilfe. Nach ei- 6.1 Testläufe nem Rundgang von maximal 5-10 Minuten sollte ein kurzes Feedback in Form eines Fragebogens abgege- In den Testläufen nach den einzelnen Implementie- ben werden. Dabei sollten Grundprinzip und Funktion rungsphasen wurde die richtige Funktion der jeweili- der Applikation durch Fragen, die von „trifft sehr zu“ gen Elemente getestet. Dazu gehörten zum Beispiel das bis „trifft gar nicht zu“ beantwortet werden konnten, richtige Erkennen der Winkel und Abstände vom Gerät bewertet werden. Dies sollte von einer möglichst diver- zu den einzelnen POIs, die richtige Ausgabe der Werte sen und realitätsnahen Zielgruppe passieren. zur Weiterverarbeitung in Pure Data und die Einbin- dung des Pure Data Patches in die Applikation. Von den Testpersonen kamen 50 % nicht aus St. Pöl- ten, die anderen 50 % waren entweder in der Stadt Auf der Seite der Klangverarbeitung in Pd mussten ortskundig oder wohnhaft. Zwei Drittel waren unter 26 unter anderem die Änderungen des adaptierten Patches, Jahre alt und 58,3 % weiblich. das flüssige Funktionieren der Binauralität und die Entfernungswahrnehmung, die Einbindung der produ- Für 75 % der ProbandenInnen war die Funktion der zierten Sounds in die Applikation und die Verschachte- Applikation klar verständlich. Nur 8,3 % gaben an, lung mehrerer Instanzen getestet werden. dass das eher nicht zutrifft. 83,3 % gaben an, dass die Sounds sehr oder eher zu den festgelegten POIs passen. Für drei Viertel der Personen war die Orientierung 6.2 Rundgang St. Pölten mithilfe der Klangtexturen sehr oder eher klar. Von den Nach dem ersten Zusammenfügen aller Einzelteile und Befragten fühlte sich die Hälfte eher nicht und 8,3 % dem Übertragen auf zwei Testgeräte führte das Projekt- gar nicht durch das Benutzen der Applikation von ihrer team einen Rundgang im finalen Zielgebiet durch. Umgebung abgelenkt, 41,7 % hingegen sehr oder eher Dabei sollten grundsätzliche Probleme der Applikation schon. Bei der Frage, ob die angezeigte Karte der Um- identifiziert und anschließend behoben werden, bevor gebung für die Orientierung notwendig sei, waren die diese zur Evaluierung an Dritte weitergereicht werden Antworten eher ausgeglichen, mit Tendenz ins Positi- konnte. ve: 25 % finden ja, 33,3 % eher ja, 25 % eher nein und Zu den Problemen gehörten zum Beispiel die Vertau- 16,7 % gar nicht. schung von links und rechts, Probleme beim Abspielen 36 Klangsalat – Auditives Navigationssystem • Es ist für mich verständlich, wie die Applika- • Die Sound sind zu den jeweiligen Orten pas- tion funktioniert. (12 Antworten) send gewählt. (12 Antworten) trifft gar nicht zu trifft gar nicht zu trifft eher nicht zu trifft eher nicht zu trifft eher zu trifft eher zu trifft sehr zu trifft sehr zu 0 20 40 60 80 0 10 20 30 40 50 Abbildung 5: Verständlichkeit der App Abbildung 8: Qualität der Sounds • Die Orientierung ist klar und ich weiß, in wel- Da nicht alle ProbandInnen alle POIs und deren che Richtung ich laut Applikation gehen Sounds gehört haben, wurden die Routen zusätzlich mit auf den Fragebögen vermerkt, um eine individuelle muss. (12 Antworten) Bewertung der jeweiligen Sounds zu ermöglichen. 7 Diskussion trifft gar nicht zu 7.1 Findung der richtigen Sounds trifft eher nicht zu Ziel des Projektes war die Entwicklung eines Android- trifft eher zu Prototypen der Applikation mit Sounds zu den enthal- tenen 22 Points of Interest (POIs). Zur initialen Fin- trifft sehr zu dung der Sounds wurde, wie in Abschnitt 4 beschrie- ben, eine Diskussion mit einer Fokusgruppe durchge- 0 10 20 30 40 50 führt. Bei dieser Diskussion zeigte sich auch deutlich, wie viele verschiedene Sounds die TeilnehmerInnen mit den jeweiligen POIs assoziieren. Während in der Abbildung 6: Orientierung initialen Idee noch von Einzelsounds ausgegangen wurde, wurden auf Basis all dieser Ideen für viele POIs • Ich werde von der Applikation sehr abgelenkt stattdessen Soundcollagen entwickelt. Durch die Ver- und mir fällt es schwer mich auf die Umge- wendung verschiedener Sounds in einer Collage sollte bung zu konzentrieren. (12 Antworten) für möglichst viele NutzerInnen eine eindeutige Zuord- enbarkeit zu den jeweiligen POIs gegeben sein. Bei den Usertests in St. Pölten zeigte sich, dass die trifft gar nicht zu Auswahl der Sounds zu den jeweiligen POIs den Er- wartungen der NutzerInnen entsprach. Es gab wenig trifft eher nicht zu Probleme mit der Vermischung der Sounds unter- schiedlicher POIs. Die Tatsache, dass für 83 % der trifft eher zu TeilnehmerInnen die Aussage „Die Sounds sind zu den jeweiligen Orten passend gewählt.“ eher oder sehr trifft sehr zu zutrifft, unterstreicht, dass die richtigen Sounds gefun- den und entwickelt wurden. Auch dort, wo mehrere 0 20 40 60 POIs in einem sehr kleinen Radius liegen (so zum Beispiel am St. Pöltner Rathausplatz), konnten die NutzerInnen durch gezieltes Drehen des Kopfes (bzw. Abbildung 7: Ablenkung und Sicherheit des Smartphones) oder durch Bewegung in eine be- stimmte Richtung die POIs und ihre Sounds separieren. 37 Klangsalat – Auditives Navigationssystem Die binaurale Darstellung half also bei der Orientie- rung und Lokalisierung der POIs. 8 Ausblick Neben den Ergebnissen des Fragebogens wurden auch Bei der Entwicklung des Prototyps wurde vor allem auf im persönlichen Gespräch während des Usertests Fra- die grundsätzliche Funktion der Applikation und den gen beantwortet und Erkenntnisse dokumentiert. Hier Einsatz der richtigen Sounds Wert gelegt. Entwickelt zeigte sich, dass auch Probleme bei der Unterscheid- wurde ausschließlich für Android auf Basis des Testge- barkeit der POIs und ihrer Sounds aufgetreten sind. Als räts Sony Xperia Z3. Grundfunktionen, wie das Zulas- Beispiel sind hier vor allem die POIs „Sparkasse“ und sen der Standortüberprüfung durch die UserInnen, sind „Marktviertel“ zu nennen. In beiden Soundcollagen zwar enthalten, allerdings noch nicht ausreichend ge- kommt das Klirren von aufeinanderprallenden Münzen testet und auf Fehler überprüft. Weiters muss bei einer vor (siehe auch Anhang 1). Mehrere TeilnehmerInnen Weiterentwicklung großes Augenmerk auf die Perfor- des Usertest empfanden die Ähnlichkeit als verwirrend mance der App gelegt werden. Häufiges Abstürzen oder sogar störend. Es zeigte sich, dass die Unter- oder Probleme mit der Signalverarbeitung und daraus scheidbarkeit der einzelnen Sounds wichtig für die resultierendes Rauschen oder Knacksen müssen analy- richtige Orientierung ist. siert und behoben werden. Weitere Punkte sind das Branding (zum Beispiel bei der Darstellung der Karte) 7.2 Richtige Funktion des Prototyps und Entwicklung bzw. Design der Benutzeroberfläche. Dazu gehört auch die Darstellung von Informationen Der bereits angesprochene Usertest hatte neben der zu den jeweiligen POIs, die für die NutzerInnen nach Evaluation der erstellten Sounds und ihrer richtigen der akustischen Navigation zu einem POI einen Zu- Zuordenbarkeit auch den Test der richtigen Funktion satznutzen darstellen soll. der Applikation zum Ziel. Durch die Beschränkung der Benutzeroberfläche auf ein Minimum sollte den Nutze- Nach Umsetzung der besprochenen Punkte kann au- rInnen die Möglichkeit gegeben werden, sich voll und ßerdem über eine Entwicklung bzw. Anpassung der ganz auf die Funktionsweise der Sounds zu konzentrie- App für iOS-Geräte nachgedacht werden. Die kom- ren. Die persönlichen Gespräche während des Usertests merzielle Verwertbarkeit der Applikation an sich ist als bestätigten diese Annahme. eher gering anzusehen, sie soll nach der Fertigstellung aber gratis im Google Play Store herunterladbar sein. Grundsätzlich war die Funktion des Prototyps in die- sem Bereich gegeben und zufriedenstellend. Mit der Das System – Location basierte und binaurale Sounds Bewegung der UserInnen wurden die Lautstärken der auf Smartphones – kann allerdings auch über die Gren- jeweils spielenden Sounds angepasst, die Drehung des zen der Applikation Klangsalat hinaus interessant sein. Smartphones führte zur Anpassung der Filterkurven So ist es zum Beispiel in den immer beliebter werden- und damit zur binaural richtigen Darstellung der den Standort basierten Smartphone-Spielen, wie Sounds im Raum. Probleme gab es allerdings bei sehr Pokémon Go, denkbar, binaurale Sounds einzusetzen geringer Entfernung der NutzerInnen zu einem POI. und die Spiele so um die akustische Ebene zu erwei- Die Maximallautstärke war zu hoch und das Drehen tern. Klangsalat kann hier als Beispiel für die Ver- des Smartphones führte zu einem „Springen“ des wendung von akustischer Orientierung in Smartphone- Sounds im Raum. Hierbei muss über eine Anpassung Apps dienen. der Filterkurven bei geringer Distanz oder über eine Abschwächung der durch den Sensor erhaltenen Win- keldaten nachgedacht werden. Außerdem wurden Probleme mit der Performance der App auf den verwendeten Smartphones festgestellt. Obwohl beim Test Smartphones der Oberklasse mit schnellen Prozessoren und ausreichend Arbeitsspeicher zum Einsatz kamen (Sony Xperia Z3 und OnePlus Two), konnte die App nur nach Beenden aller anderen Prozesse zufriedenstellend verwendet werden. Bei Sounds mit hohem Signallevel (z.B. beim Sound „Fest- spielhaus“) wurden außerdem Probleme wie Rauschen und Knacksen festgestellt. 38 Klangsalat – Auditives Navigationssystem Literaturverzeichnis Anhang 1 Abgebildete POIs und deren Brinkmann, P. (2012). Making musical apps (1st ed). Sounds Sebastopol, Calif: O’Reilly Media. ID Name Sound Davies, W. J., Adams, M. D., Bruce, N. S., Cain, R., Jennings, P., Carlyle, A., … Plack, C. (2009). Euro- 1 Rathausplatz Stimmengewirr, Gespräche, noise 2009. Straßenmusiker (Ziehhar- monika) Deng, Z., Kang, J., & Liu, A. (2015). Effects of Psy- choacoustical Factors on the Perception of Musical 2 Rathausgasse 2 Schubertiade, Klavier Signals in the Context of Environmental Soundscape. 3 Bahnhof St. Pölten Zug, Gleisgeräusche, Stim- In Audio Engineering Society Convention 138. Re- men, Durchsage trieved from http://www.aes.org/e- lib/browse.cfm?elib=17701 4 Klosterviertel Geistlicher Männergesang in Kirche Farina, A. (2014). Soundscape Ecology. 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