LearnTeamPlenum Juliane Siegeris, HTW Berlin siegeris@htw-berlin.de Zusammenfassung Zeit in der Hochschule bereits für die Klärung der Pro- In diesem Artikel wird eine pragmatische Abwand- bleme zu nutzen. Man trifft sich nicht mehr nur, um lung der didaktischen Methode des LearnTeamCoa- „gemeinsam zuzuhören“ , sondern nutzt die Gruppe, ching von Fleischmann et. al., vgl. (Fleischmann u. a., um sich über Probleme und Verständnislücken auszut- 2003), vorgestellt. Diese Methode aus dem Reper- auschen und weitere Aufgaben gemeinsam zu lösen. toire des Inverted Classroom ermöglicht den Studieren- den ein individuelles Lernen. In drei aufeinanderfol- genden Phasen erarbeiten sich die Studierenden ein Thema selbständig (Lernen), diskutieren und beant- worten Fragen in der Lerngruppe (Team) und klären verbleibende Fragen der Gruppe mit der Dozentin (Coaching). Die Autorin beschreibt die Adaption und Anwendung der Methode im Studiengang Informatik und Wirtschaft der HTW Berlin in der Lehrveranstal- tung Usability. Die wichtigste Veränderung betrifft die Durchführung der letzten Phase im Plenum, statt mit jedem einzelnen Team. Das Ergebnis ist eine IC- Methode, die ohne große Vorbereitung (keine Videos) und mit vertretbarem Zeitaufwand für alle Beteiligten in einer normalen Lehrveranstaltung (2 SWS Vorle- Abbildung 1: Ablauf einer Lehrveranstaltung mit klas- sung + 2x2 SWS Übung) eingesetzt werden kann. sischer Vorlesung Überblick: LearnTeamCoaching Bei einer invertierten Veranstaltung werden die Stu- dierenden zuerst aufgefordert, sich im Selbststudium Das LearnTeamCoaching (LTC) ist eine Methode aus mit dem Inhalt der Vorlesung auseinanderzusetzen. dem Repertoire des Inverted Classroom (IC), vgl. Typischerweise werden hierfür Videoaufzeichnungen (Gannod u. a., 2008; Handke u. Sperl, 2012; Fischer bereitgestellt, in denen die Lehrinhalte erklärt werden. u. Spannagel, 2012). Die Idee des IC ist es, die Prä- Begleitend sollen Aufgabenblätter bearbeitet werden. senzzeit der Studierenden besser zu nutzen. In einer Die Aufgaben sind meist so formuliert, dass bei der klassischen Veranstaltung (Vorlesung + Übung) kom- Lösung eine Art Mitschrift der Vorlesung erzeugt wird. men alle Beteiligten in der Vorlesung zusammen, um Zum Abschluss der Vorbereitung werden die Studie- dem Lehrvortrag des Dozenten zuzuhören. Ziel ist, dass die Studierenden ausgewählte Sachverhalte ken- nenlernen und verstehen. Anschließend bekommen die Studierenden Aufgaben, in denen sie das Gelernte verinnerlichen und beispielhaft anwenden sollen. Die Aufgaben werden meist als Hausaufgabe gegeben, d.h. die Anwendung erfolgt meist allein im Selbststudium. Der Übungstermin dient dann dazu, die Lösungen zu besprechen. Dieses Format ist oft erneut frontal orga- nisiert: Eine Person rechnet die Aufgabe an der Tafel vor, alle anderen vergleichen mit der eigenen Lösung. Problem an dieser Aufteilung ist: Wurde der Inhalt in der Vorlesung und der eigenen Nachbereitung nicht verstanden, wird die Lösung der Aufgaben häufig nur abgeschrieben. Da die Inhalte der Vorlesungen aufein- ander aufbauen, wird der eigentliche Verständnispro- Abbildung 2: Ablauf einer IC-Veranstaltung zess immer weiter verschoben und (im besten Fall) erst in der Vorbereitung für die Klausur aufgeholt. Die renden aufgefordert, verbleibende Fragen zu formu- Idee des Inverted Classroom ist es, die gemeinsame lieren. Als Nächstes treffen sich die Studierenden in Bernd Bruegge, Stephan Krusche (Hrsg.): SEUH 2017 1 Juliane Siegeris - LearnTeamPlenum der Übung. Hier werden Aufgaben gestellt, die das Verständnis vertiefen sollen. Die Übung bietet die Mög- lichkeit sich mit den Kommilitonen über den Lernstoff auszutauschen und gemeinsam an der Lösung und der Klärung der Fragen zu arbeiten. Die Übungslei- ter unterstützen diesen Prozess. Erst jetzt kommt die Vorlesung, d.h. der Teil der Lehrveranstaltung, in dem sich der ganze Zug und die Dozentin in einem Hörsaal versammeln. Die Zeit wird aber nicht zur frontalen Wiederholung des Lernstoffs verwendet, sondern für die Klärung verbliebener Fragen, diesmal im Beisein des Dozenten, genutzt. Abbildung 1 und 2 zeigen Reihenfolge und Nutzung der verschiedenen Formate: Vorlesung, Übung und Abbildung 3: Die Methode des LearnTeamCoaching Selbststudium bei der klassischen und der invertierten nach (Fleischmann u. a., 2003) Veranstaltung. Die Kunst des IC spiegelt sich in der Ge- staltung der gemeinsamen Präsenzzeit wieder. Diese unterscheidet sich grundlegend von einer klassischen Lernerfolg und Wissenslücken klar werden. Auftreten- Vorlesung mit Frontalvortrag. Um den Unterschied de Unklarheiten sollen explizit als Fragen formuliert zu verdeutlichen, wurde hierfür der Begriff des Plen- werden. ums eingeführt, vgl. (Fischer u. Spannagel, 2012). Im Plenum muss unbedingt vermieden werden, dass Phase 2: Team In der zweiten Phase treffen sich die Inhalte aus der eigenverantwortlichen Vorbereitung Studierenden mit ihrem Team, stellen sich gegenseitig frontal wiederholt werden. Das würde sonst unweiger- die Lösungen vor und besprechen die offenen Fragen. lich dazu führen, dass sich die Studierenden darauf Fragen, die im Team nicht geklärt werden können, verlassen, dass der Stoff wiederholt wird und sich werden in einen gemeinsamen Fragenspeicher über- für die folgenden Veranstaltungen nicht mehr vorbe- führt. reiten, vgl. (Fischer u. Spannagel, 2012). Natürlich stellt sich damit die Frage, was man stattdessen in der Präsenzzeit macht und wie man die Studierenden Phase 3: Coaching In der dritten Phase trifft sich motiviert die gemeinsame Zeit möglichst effektiv für jeweils ein Team mit dem Dozenten. Die Coaching- den eigenen Verständnisprozess zu nutzen. Session folgt einer festen Agenda und umfasst die Will man als Dozent eine IC-Methode einsetzen, Klärung der offenen Fragen, eine Lernkontrolle seitens sollte man daher vorher folgende Fragen klären: des Dozenten und eine Reflexion zur Anwendung der Methode. 1. In welcher Form stellt man den zu lernenden Stoff bereit? 2. Wie schafft man es, dass die Studierenden sich vorher mit dem Stoff beschäftigen? 3. Wie erreicht man, dass die Studierenden ins Ple- num (gemeinsame Präsenzzeit) kommen? 4. Wie läuft die Präsenzzeit ab? Im Folgenden wird erläutert, wie die von (Fleisch- mann u. a., 2003) vorgestellte Methode des LTC diese Fragen beantwortet. Das LTC durchläuft drei Phasen, Abbildung 4: Agenda der Coaching-Session die hier 1. Lernen, 2. Team und 3. Coaching, genannt werden. Das Coaching - findet bei dieser Methode nicht mit dem ganzen Zug (Jahrgang) statt, sondern in kleinen Phase 1: Lernen In der ersten Phase sollen sich Runden mit Team und Dozentin. Der Ablauf ist da- die Studierenden eigenständig Wissen erarbeiten. Der bei durch eine vorgegebene Agenda strukturiert und Lernstoff wird dabei anhand eines vorbereiteten Lern- untergliedert sich in drei Teile. Der Ablauf wird in textes bereitgestellt (Frage1). Die Studierenden sol- Abbildung 4 zusammengefasst. len sich im Selbststudium mit den Materialien be- Wichtig ist, dass die Moderation nicht beim Do- schäftigen, sich die Inhalte erschließen und direkt in zenten, sondern bei den Studierenden liegt. Diese kleineren Übungsaufgaben anwenden. Während des übernehmen reihum verschiedene Aufgaben und sind Lernprozesses sollen sich die Studierenden über den verantwortlich für das Zeitmanagement, das Führen Bernd Bruegge, Stephan Krusche (Hrsg.): SEUH 2017 2 Juliane Siegeris - LearnTeamPlenum des Problemspeichers oder haben darauf zu achten, dass die Beiträge nicht zu weit vom Thema abweichen, vgl. (Fleischmann u. a., 2003). Die Verantwortung für die Durchführung der Präsenzphase liegt also nicht allein bei der Dozentin, sondern wird von allen Betei- ligten gemeinsam getragen. Die kleine Runde und die wechselnde Aufgabenver- teilung führt dazu, dass die Sichtbarkeit der einzelnen Studierenden sehr hoch ist und damit auch der soziale Druck sich einzubringen. Das erzeugt eine große Moti- vation, sich vorher mit dem Stoff auseinanderzusetzen (Frage 2) und zur Veranstaltung zu kommen (Frage 3). Der Ablauf der Präsenzzeit (Frage 4) ist durch die vorgegebene Agenda für alle Beteiligten transparent. Abbildung 5: Erfolge beim LearnTeamCoaching, vgl. Einsatz und Kritik (Fleischmann u. a., 2003) Die Methode wurde an der FH München in einem Stu- dienreformprojekt eingeführt und in dem beschriebe- nen Zeitraum von zwei Jahren von bis zu 20 Dozenten übernehmen sie die Visualisierung und Präsentation eingesetzt. Die Lehr-/Lernmethode wird als sehr flexi- der Lerninhalte als auch die Moderation des Lernge- bel beschrieben und kann sich vielen Gegebenheiten sprächs und der Reflektion. Die verschiedenen Rollen, anpassen. An der FH München wurde sie in verschie- die dabei auftreten (Vortrag, Moderation, Überwa- denen Lehrveranstaltungen (Umfang zwischen 2-6 chung Zeitmanagement, Protokoll), werden in jeder Semesterwochenstunden (SWS)) eingesetzt. Session anders besetzt und somit durch alle Studieren- In [Fle00] wird die Methode innerhalb einer Veran- den ausprobiert. Hier können Kompetenzen erlernt staltung mit 6 SWS für das Thema „Festigkeitsrech- werden, die in normalen frontalen Formaten nicht nung “ verwendet. Die Stunden wurden wie folgt auf- gefördert werden. geteilt: Phase 1 - „Lernen“ wurde als Hausaufgabe Ein kritisches Feedback der Studierenden betraf den vergeben, für die Phase 2 - „Team“ wurden 2 x 90 Mi- eingesetzten Aufwand. Um den Aufwand neutral, al- nuten mit Zeit und (teilweise individuellem) Raum zur so nicht größer als üblich, zu halten, empfehlen die Verfügung gestellt. Für die Phase 3 - „Coaching“ wurde Autoren ggf. die Kürzung der Lehrinhalte. wieder eine 90-Minuten-Einheit verwendet. Das heißt, Für die Lehrenden bedeutet diese Umsetzung ei- der gesamte Stoff wurde ausschließlich über diese Me- ne erhöhte Präsenz. Statt der drei Veranstaltungen thode vermittelt. Es gab keine weiteren begleitenden pro Woche, müssen sie jetzt eine Coaching-Sitzung Veranstaltungen, wie Vorlesungen oder Übungen. Die je Team durchführen. Auch der organisatorische Auf- Bewertung erfolgte mittels einer normalen Klausur in wand, der die Koordination der Termine und Räume der der Stoff aus allen Sitzungen relevant war. umfasst, ist erheblich. Weiterer Aufwand, der bei der Laut den Autoren „kann das LearnTeamCoaching, Umstellung auf diese Lehrform hinzukommt, entsteht als sehr erfolgreiche Methode bezeichnet werden. Die bei der Bereitstellung von Lerntexten und -aufgaben. Studierenden waren bei diesem gecoachten Lernen in In dem beschriebenen Beispiel wurden die Lerntexte der Lage, die meisten inhaltlichen Punkte entweder und die zugehörigen Übungsaufgaben mit Hilfe eines selbst oder in ihrer Lerngruppe zu lösen. [...] Sie ga- existierenden Skripts explizit erzeugt. Die Lerntexte ben an, nachhaltiger gelernt zu haben und in kürzerer enthalten exakt die Aspekte, die von den Studieren- Zeit den gleichen Lernerfolg erzielen zu können als den in der entsprechenden Einheit gelernt werden mit der konventionellen Methode.“ Abbildung 5 fasst sollen. die Erfolge des LearnTeamCoaching mit Blick auf die Studierenden zusammen. Adaption der Methode Die Methode berücksichtigt die verschiedenen Lern- Gegenüber den „normalen“ IC-Methoden hat das stände und Lerntypen der Studierenden und fördert LTC den Vorteil, dass keine Videoaufzeichnungen des die Wissensaneignung auf verschiedenen Kompetenz- Stoffs nötig sind, man also keine Vorlaufzeit von min- level. Statt den Stoff nur zu hören, müssen sich die destens einem Semester benötigt. Da die Methode Studierenden die Inhalte selbst erarbeiten und sich (bzw. die Umstellung darauf) für einen einzelnen Leh- dann gegenseitig vorstellen bzw. erklären. Selbst die renden trotzdem sehr zeitaufwendig ist und das üb- Aufgabe, Verständnislücken mittels passender Fragen liche Lehrdeputat sprengen würde, hat die Autorin zu formulieren, erfordert eine Auseinandersetzung mit die Methode recht pragmatisch adaptiert und für den dem Stoff, die sonst oft erst während der Prüfungs- Einsatz in einer normalen Veranstaltung mit 2 SWS vorbereitung erfolgt. Eine weitere Aktivität der Ler- Vorlesung (40 Studierende) + 2 SWS Übung (jeweils nenden ist die Gestaltung der Coaching-Session. Hier maximal 20 Studierende) angepasst. Alle drei Phasen Bernd Bruegge, Stephan Krusche (Hrsg.): SEUH 2017 3 Juliane Siegeris - LearnTeamPlenum kommen zum Einsatz, allerdings wird die Präsenzzeit mit der ganzen Gruppe priorisiert (15 Minuten). Jetzt (Phase 3) an einem Termin mit dem gesamten Zug beginnt die Beantwortung der Fragen durch die Grup- durchgeführt. Die Phasen verändern sich wie folgt: pe. Die Dozentin sollte sich dabei bis zuletzt zurück- halten, da ja alle Beteiligten kundig auf dem Gebiet 1. Phase (Lernen): Statt eines vorbereiteten Lern- sein sollten (50 Minuten). Um den nicht-frontalen textes mit Aufgaben, bekommen die Studierenden die Charakter und die veränderte Verantwortlichkeit zu Aufgabe ein bestimmtes Thema zu recherchieren. Ge- unterstützen, wird die Sitzordnung zu Beginn jeweils gebenenfalls wird dafür ausgewählte Literatur, z. B. so umgestaltet, dass ein nach vorn offener Stuhlkreis Kapitel aus Büchern, Links auf bestimmte Webseiten, entsteht, indem die Dozentin als eine von vielen Platz zur Verfügung gestellt. Dazu werden Fragen und/oder nimmt. Das Plenum endet mit einer Review-Runde, Aufgaben formuliert, die durch die Studierenden nach die von der Dozentin moderiert wird. Hier wird je- dem Literaturstudium beantwortet bzw. gelöst werden de Gruppe aufgefordert, kurz den gemeinsamen Ar- sollen. beitsprozess zu reflektieren, Ideen für den nächsten Durchlauf und Feedback zur Aufgabenstellung einzu- bringen. Zum Schluss wird die Arbeit des Moderati- 2. Phase (Team): Die Studierenden treffen sich im onsteams betrachtet. Die Gruppe gibt eine Selbstein- Rahmen einer Übung mit ihrem Team (5-6 Personen) schätzung und bekommt von den Anderen Feedback. und diskutieren Ihre Antworten, besprechen Ihre Lö- Die Aufgabe des Moderationsteams ist abgeschlossen, sungen und nehmen offen gebliebene Fragen auf. Zu- wenn Fotos der Poster sowie die protokollierten Fra- sätzlich zur ursprünglichen Fassung werden die Stu- gen und Antworten in die Moodle-Umgebung hoch- dierenden aufgefordert, alle Antworten und Lösungen geladen wurden (10 Minuten). Abbildung 6 fasst den auf einem Poster (FlipChart-Papier) zu visualisieren. Ablauf des Plenums zusammen. Mit Bezug auf die eingangs formulierten Fragen 3. Phase (Plenum): Statt mit jedem Team einzeln, lässt sich die adaptierte Methode, das LearnTeamPle- treffen sich am Vorlesungstermin alle Teilnehmerin- num (LTP), wie folgt zusammenfassen: nen. Dieses Zusammentreffen wird jeweils durch ein Team moderiert. Die Veranstaltung beginnt mit einer 1. In welcher Form stellt man den zu Poster-Session (15 Minuten), bei der sich alle Teilneh- lernenden Stoff bereit? merinnen die verschiedenen Poster (alle zum gleichen Es werden Aufgaben formuliert, deren Beantwortung Thema) anschauen. eine umfangreiche Recherche von Literatur oder Web- seiten erfordert. Es wird dabei darauf geachtet, die Fragen so zu formulieren, dass die Antworten sich möglichst nicht als einfache Aufzählung bzw. ohne Begründung beantworten lassen. Ergänzend ist es sinnvoll, die selbst erarbeiteten Methoden direkt an- wenden zu lassen. Das Ergebnis der Anwendung soll- te auch auf dem Poster visualisiert werden. Quellen werden zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig ist es ge- wünscht, dass die Studierenden passende Literatur oder interessante Links in der Literaturliste in Mood- le ergänzen. Abbildung 7 zeigt eine der im letzten Durchlauf verwendeten Aufgabenstellungen. 2. Wie schafft man es, dass die Studierenden sich vorher mit dem Stoff beschäftigen? Die Studierenden sind aufgefordert zum Präsenzter- min ein Poster mitzubringen. Das Poster soll gemein- Abbildung 6: Ablauf der Plenums sam in der Gruppe erarbeitet werden. Dafür bekom- men die Studierenden eine komplette Übungseinheit Während der Poster-Session ist jede Teilnehmerin auf- (90 Minuten) und das benötigte Material (Flipchart- gefordert, offene Fragen (mindestens eine) auf Mode- bogen, Stifte, Kleber, etc.) zur Verfügung gestellt. Da rationskarten zu notieren. Die Fragen ergeben sich da- das Poster nur einen begrenzten Platz bietet, erfordert bei entweder aus der Betrachtung der anderen Poster es eine intensive Kommunikation darüber, welche In- oder stammen aus dem im Team angelegten Fragen- halte ausgewählt und wie sie dargestellt werden. Die speicher. Studierenden müssen zu diesem Termin schon vor- Die Karten werden anschließend vom moderieren- bereitet kommen, da die Zeit sonst nicht ausreicht. den Team eingesammelt und an der Tafel nach sinnvol- Abbildung 8 zeigt beispielhaft zwei Poster, die zum len Kategorien geclustert und dann im Einvernehmen Thema Barrierefreiheit erarbeitet wurden. Bernd Bruegge, Stephan Krusche (Hrsg.): SEUH 2017 4 Juliane Siegeris - LearnTeamPlenum Abbildung 8: Posterbeispiele, hier zum Thema: Barrie- refreiheit sollte das spätestens in der Review-Runde thematisiert und nach den Ursachen gefragt werden. Diskussion der wesentlichen Themen: Um zu ge- währleisten, dass wichtige Lehrinhalte auch verstan- den wurden, sollten Fragen dazu durch die Dozentin formuliert werden. Diese zusätzlichen Moderations- karten werden dem Fragen-Pool hinzugefügt. Abbildung 7: exemplarische Aufgabe Einhaltung der Agenda: Falls die Diskussion zu weit vom Thema abschweift, einzelne Personen zu 3. Wie erreicht man, dass die Studierenden oft oder gar nicht zu Wort kommen oder die Zeit ins Plenum kommen? überschritten wird, sollte man dem Moderationsteam Das Plenum beginnt mit einer Poster-Session. Das Pos- diesbezügliche Hinweise geben, ohne selbst die Mode- ter wird von der Gruppe mitgebracht und aufgehängt. ration zu übernehmen. Der Name der Gruppe steht mit auf dem Poster. Jede Gruppe ist aufgefordert, die im Anschluss zu ihrem Erfahrungen und Feedback Poster gestellten Fragen zu beantworten. Die Gruppen Die Methode des LTP wurde jetzt zum 4. Mal im Rah- waren im Plenum meist vollständig vertreten. Das lag men der Veranstaltung Usability im 6. Semester im sicherlich an den für alle interessanten und sehr wert- Studiengang „Informatik und Wirtschaft“ angewendet, schätzenden Diskussionen. Ein weiterer Punkt ist, dass vgl. auch (Siegeris u. Krefting, 2014). eine mögliche Arbeitsteilung der Gruppe (jede bringt Damit die LTP-Methode nicht zu viel Arbeitsauf- einen Aspekt der Lösung ein) dazu führt, dass alle wand für die Studierenden bedeutet, finden die LTP- Gruppenmitglieder sowohl in der Poster-Erstellung als Einheiten im 14-tägigen Wechsel mit normalen Vorle- auch für die Beantwortung der Fragen zugegen sein sungen und normalen Übungen statt. Die Bewertung müssen. der Lehrveranstaltung setzt sich aus zwei bewerte- 4. Wie läuft die Präsenzzeit ab? ten Übungen und einer Klausur zusammen. Die LTP- Themen gehen dabei gleichbedeutend mit den ande- Der Ablauf der Präsenzzeit ist in Abbildung 6 wieder- ren Vorlesungsinhalten in die Klausur ein. Die sechs gegeben. Sichergestellt wird er durch die jeweils mit Poster und die Moderation waren Zulassungsvoraus- der Moderation der Sitzung betrauten Gruppe. Die setzung für die Klausur, gingen jedoch selbst nicht in Aufgabe der Dozentin besteht nur darin, wenn nötig, die Note ein. Der Wechsel aus normaler Vorlesung, einzugreifen oder einen Sachverhalt zu korrigieren. praktischer Übung und LTP erfordert eine sehr genaue Folgende Instrumente werden von der Autorin ge- Planung und viel Kommunikation für Vorstellung und nutzt, um dennoch unauffällig den Ablauf zu steuern Koordination der Veranstaltung. Die Abbildung 9 zeigt bzw. eine Lernkontrolle zu gewährleisten. ein Mindmap, das die Autorin in der Kommunikati- on mit den Studierenden verwendet hat. Grün sind Qualität der Poster: Falls in einer der ersten Poster- normale Vorlesungen, gelb die LTP-Anteile und blau Session ein eher nachlässig erstelltes Poster dabei ist, die Übungen. Die Inhalte der zweiten Übungsgruppe Bernd Bruegge, Stephan Krusche (Hrsg.): SEUH 2017 5 Juliane Siegeris - LearnTeamPlenum wurden nicht dargestellt, da sie identisch zur ersten Gruppe aufgebaut sind. Die Lehrveranstaltung wird von den Studierenden als abwechslungsreich, aber auch sehr aufwendig empfunden. Erst bei der Klausur- vorbereitung wurde der Aufwand „wieder reingeholt“, da die selbsterarbeiteten Themen (fast) nicht mehr gelernt werden mussten. Das konkrete Feedback der Studierenden zur Lehrveranstaltung aus der Evaluati- on des Sommersemesters 2016 ist in den folgenden beiden Blöcken wiedergegeben. Mir gefällt an dieser Lehrveranstaltung besonders gut: • die Umsetzung/Verwendung von LTP, Fachvortrag aus der Praxis, bekannte Praxisbeispiele, Zusam- mensetzung der Note aus mehreren Teilen • die abwechslungsreiche Lehrweise • Inhalte besonders interessant • die Atmosphäre in der Gruppenrunde (LTP) ist angenehm und lädt zum Mitdiskutieren ein • die LTP-Termine • das aktuelle Themen behandelt werden • Interaktion, rege Veranstaltung • dass der Unterricht sehr kurzweilig ist. Die Do- zentin hat einen sehr frischen und angenehmen Unterrichtsstil, bindet die Studierenden aktiv in den Unterricht ein und antwortet konkret auf Fra- gen zum Thema. • Gruppenarbeit, der Austausch in der Gruppe, Abbildung 9: Mindmap zur Planung der Lehrveran- Mockup entwickeln, die kompetente Unterstüt- staltung zung bei Problemen und Fragen seitens der Do- zentin • Praktische Arbeit, Anwenden von Gelerntem, Dis- • Die Lernziele/Struktur für die Klausur ist nicht kussionsrunden ganz klar geworden und der praktische Teil könnte • Die Interaktivität: Man wird zum mitmachen und zugunsten des theoretischen gekürzt werden oder mitdenken angeregt umgekehrt, da beides Spaß macht, aber etwas zu • der Praxisbezug, der Spaßfaktor und die Kreativi- viel ist. tät • zu viel Gruppenarbeit: keine Chance Einzelleis- • Abwechslung in der Didaktik, Selbständigkeit fürs tung zu erbringen, außer Klausur, Schade Leben, das Thema an sich • etwas schwierig z.T. 3 verschiedene Dinge The- • Mischung von Theorie und Praxis sehr gut men (Übung/Plakat/Vorlesung) zu bearbeiten • aktive Mitarbeit (LTP) • Zeit ist nicht ausreichend für die Bearbeitung der • die Gruppenarbeit Plakate • praktische Herangehensweise • Ich fand die neue Unterrichtsform des LTP inte- • dass es abwechslungsreich gestaltet und teilweise ressant und praktisch. Jedoch bin ich ständig mit auch Zukunftsthemen berücksichtig worden sind den Terminen durcheinander gekommen (gera- de/ungerade Woche, Plakate machen, Prototyp erstellen). Ich fand es super, dass wir 3 unter- Ich habe folgende Verbesserungsvorschläge für schiedliche Unterrichtsinhalte erarbeitet haben, diese Lehrveranstaltung: fand es aber auch verwirrend. • Etwas zu viel Aufwand für LTP (Plakaterstellung, • Termine (wer wann Übung hat) besser und über- Themeneinarbeitung), dafür dass dies nicht in die sichtlicher kommunizieren Benotung einfließt • klarere Koordination der Termine (welche Gruppe • Ich habe keine Kritik, gelungene Veranstaltung hat wann die Übung, wenn sich mal was termin- • etwas weniger umfangreiche Übungen (Plakate, lich verschiebt) LTP, Prototypen etc.) wären wünschenswert • Termine und Moodle waren etwas chaotisch. • Das Fach sollte mehr Credit Points erhalten, da Insgesamt ist die Veranstaltungsform sehr gut ange- der Aufwand sehr hoch ist. kommen ist. Hauptkritikpunkt war der hohe Aufwand, Bernd Bruegge, Stephan Krusche (Hrsg.): SEUH 2017 6 Juliane Siegeris - LearnTeamPlenum der sich in der Benotung oder Gewichtung des Fachs ten auseinandersetzen, die Ihnen bisher fehlen und widerspiegeln sollte. Außerdem wünschen sich die müssen keine Zeit auf bereits Bekanntes verwenden. Studierenden eine bessere Übersicht über die verschie- In der Diskussion wiederum können Sie mit ihrem denen Termine. Der häufige Wechsel hat bei etlichen Expertenwissen sichtbar werden. Das ist für alle sehr für Verwirrung gesorgt. Bei der erneuten Verwendung bereichernd, insbesondere wenn Erfahrungen aus er- der LTP-Methode, ist daher noch mehr auf die Ver- lebter Praxis eingebracht werden. mittlung der Methode selbst und die sorgfältige Koor- Hauptumstellung für die Autorin, war der Wechsel dination der verschiedenen Formate und Termine zu der Rolle als Dozentin von vortragender Expertin zu achten. Diskussionsteilnehmerin. Es war sehr ungewohnt, sich bei der Gestaltung der Lehreinheit zurückzunehmen Zusammenfassung und Fazit und auf die Diskussion zu vertrauen. Es ist jedoch ein Angewandt wurde das LTP bisher in Veranstaltungen Gewinn für alle. mit maximal 40 Studierenden. Eine Teilnehmeranzahl von 30-35 war dabei ideal. Über das Semester haben Literatur die Studierenden alle zwei Wochen ein Poster erstellt [Fischer u. Spannagel 2012] F ISCHER, Maike ; S PAN - und jedes Team hat einmal die Moderation eines Ple- NAGEL , Christian: Lernen mit Vorlesungsvideos in nums übernommen. der umgedrehten Mathematikvorlesung. In: DeLFI Bei einer größeren Teilnehmeranzahl müssten mehr 2012 - Die 10. e-Learning Fachtagung Informatik der Übungseinheiten für die Poster-Erstellung eingeräumt Gesellschaft für Informatik e.V., 24.-26. September werden und ein 14-tägiger Wechsel von LTP-Modus 2012, FernUniversität Hagen, 2012, 225–236 und Vorlesung mit normaler Übung wäre nicht mehr möglich. Auch das Plenum müsste angepasst werden, [Fleischmann u. a. 2003] F LEISCHMANN, Patrick ; G EU - PEL , Helmut ; L ORBEER , Bärbel: Lernteamcoaching da eine Diskussionsrunde im Stuhlkreis ab einer be- stimmten Teilnehmeranzahl nicht mehr sinnvoll ist. - Methode, Nutzung, Wirtschaftlichkeit und Erfah- Mit dem 14-tägigen Wechsel der Veranstaltungs- rungen. In: Neues Handbuch Hochschullehre, Raab- form gewinnt der Dozent außerdem die Möglichkeit Verlag, 2003 abzuwägen, welche Inhalte selbst erarbeitet und wel- [Gannod u. a. 2008] G ANNOD, Gerald C. ; B URGE, Ja- che Themen eher frontal erklärt werden. Durch diese net E. ; H ELMICK, Michael T.: Using the Inverted Flexibilität eignet sich die Methode sicherlich auch für Classroom to Teach Software Engineering. In: Pro- den Einsatz in etablierten Vorlesungsreihen wie z. B. ceedings of the 30th International Conference on Soft- Software-Engineering oder Datenbanken. ware Engineering. New York, NY, USA : ACM, 2008 Die Umstellung auf LTP ist für die Dozenten weni- (ICSE ’08). – ISBN 978–1–60558–079–1, 777–786 ger aufwendig als andere IC-Methoden. Im Gegensatz zum LTC, ist die eingesetzte Präsenzzeit ähnlich der [Handke u. Sperl 2012] H ANDKE, Jürgen ; S PERL, Alex- einer klassischen Vorlesung. Es ist außerdem kein Vor- ander: Das Inverted Classroom Model. Begleitband lauf, wie bei einer IC-Methode mit Video nötig. Die zur ersten deutschen ICM-Konferenz. (2012), S. bisherige Erfahrung zeigt, dass ein ähnlicher Stoff- 39–52 umfang wie bei der klassischen Vorlesung realisiert werden kann. [Siegeris u. Krefting 2014] S IEGERIS, Juliane ; K REF- TING, Dagmar: Lehrmethodenvielfalt im Curriculum Generell lässt sich sagen, dass das Format sehr er- frischend ist. Die Studierenden bringen neue Aspekte des Studiengangs Informatik und Wirtschaft – Ein und aktuelle Inhalte ein, was die Veranstaltung auch Erfahrungsbericht. In: L EICHT S CHOLTEN, Carmen bei Wiederholung nicht langweilig werden lässt. Ein (Hrsg.) ; S CHROEDER, Ulrik (Hrsg.): Informatikkul- Pluspunkt des LTP ist die größere Wertschätzung der tur neu denken – Konzepte für Studium und Lehre. Studierenden. Sie können sich mit genau den Inhal- Wiesbaden : Springer Fachmedien, 2014, S. 127– 139. – ISBN 78-3-658-06021-3 Bernd Bruegge, Stephan Krusche (Hrsg.): SEUH 2017 7