WM1017 - 9te Konferenz Professionelles Wissensmanagement 5.-7. April 2017 in Karlsruhe, Deutschland Kompetenzen erkennen, dokumentieren und bewahren für ein bedarfsgerechtes Wissensmanagement im demografischen Wandel Nadine OGONEK 1, Michael RÄCKERS, Jörg BECKER Westfälische Wilhelms-Universität Münster Zusammenfassung. Gerade der öffentliche Sektor als einer der größten deutschen Arbeitgeber bekommt die Folgen des demografischen Wandels deutlich zu spüren: Einem sich ausbreitenden Fachkräftemangel gilt es, durch ein gewissenhaftes Personalmanagement Einhalt zu gebieten. Dabei spielt ein fokussiertes Wissensmanagement eine wichtige Rolle. Im Projekt E- Government-Kompetenz (E-Kompetenz) wurden hierzu zwei Werkzeuge entwickelt: ein Rollensteckbrief und eine Kompetenzmatrix, die durch ihren strukturierten Aufbau und einer damit einhergehenden besseren Vergleichbarkeit sowie ihrer einfachen Anwendung die Identifikation, Dokumentation und Bewertung von Stellen im öffentlichen Sektor unterstützen können, um so das Wissen als wertvollste Ressource öffentlicher Verwaltungen besser bewahren zu können. Keywords: E-Government, Rollensteckbrief, Kompetenzmatrix, Kompetenzen, Personalmanagement 1 Korrespondierender Autor. Seite 174 von 198 WM1017 - 9te Konferenz Professionelles Wissensmanagement 5.-7. April 2017 in Karlsruhe, Deutschland 1 Einleitung Der demografische Wandel in Deutschland hat nicht nur Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt insgesamt, sondern stellt vor allem für den öffentlichen Sektor eine große Herausforderung dar: mit etwa 4,6 Millionen Beschäftigten ist er einer der größten Arbeitgeber Deutschlands, deren Durchschnittsalter bei 45,1 Jahren, auf Bundesebene sogar bei 46,9 Jahren liegt und die höchste Beschäftigtenanzahl mit 148.615 Beschäftigten im Alter von 53 Jahren aufweist [1]. Gleichzeitig befindet er sich in einem fortwährenden, durch die Informationstechnologie (IT) getriebenen Wandel, der den gestiegenen Ansprüchen an die öffentliche Verwaltung im Sinne einer Effizienz- und Effektivitätssteigerung durch die Implementierung von Electronic Government (E-Government) Genüge tun soll [2], [3] und damit geänderte Anforderungen an den Arbeitsalltag sowie neue Kompetenzen [4] und natürlicherweise eine Komplexitätssteigerung hervorruft: „Die deutsche Verwaltung ist heute essentiell auf das Funktionieren seiner technischen Systeme angewiesen. Kompetenzen sollen in diesem Kontext verstanden werden als die „[…] verfügbaren oder […] erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können [5, S. 27f].“ „Mit dem technischen Fortschritt werden die Systeme immer komplexer und schwerer zu steuern [6].“ Erschwerend hinzu kommt, dass der öffentliche Sektor immer wieder als nicht innovativ und damit nicht attraktiv genug wahrgenommen wird, sodass sich der durch den demografischen Wandel erwartete Fachkräftemangel noch gravierender ausprägen könnte. „Besonders die mangelnde Rekrutierung jüngerer Menschen zeigt sich bereits heute an der Altersstruktur im öffentlichen Dienst. Auf allen föderalen Ebenen ist der Anteil an Nachwuchskräften sehr gering [7, S. 7].“ Vor diesem Hintergrund bedarf es zielgerichteter Maßnahmen, die einerseits helfen, bestehendes Wissen zu dokumentieren und damit zu strukturieren, andererseits aber auch, frühzeitig Wissensträger zu identifizieren und so für die Organisation wichtiges Wissen in der Verwaltung zu bewahren, was gerade jetzt, in Zeiten enger öffentlicher Haushaltskorsette ([8], [9], [10]) sehr wichtig ist. Auch eine Bewertung bereits bestehender Rollen durch eine bessere Vergleichbarkeit einzelner Stellenprofile kann hierdurch vorgenommen werden. Im Weiteren wird zunächst kurz das Projekt E-Government-Kompetenz des IT- Planungsrats skizziert sowie die zwei dort entwickelten Werkzeuge für ein professionelles Wissensmanagement ausführlicher dargestellt, dies sind der Rollensteckbrief und die Kompetenzmatrix. In Kapitel 3 erfolgt eine Reflexion der Ergebnisse in Bezug auf ihren Nutzen im Sinne eines professionellen Wissensmanagements. Der Beitrag schließt mit einem zusammenfassenden Ausblick. Seite 175 von 198 WM1017 - 9te Konferenz Professionelles Wissensmanagement 5.-7. April 2017 in Karlsruhe, Deutschland 2 Das Projekt E-Kompetenz Ein Ziel des Projekts E-Kompetenz bestand darin, in der Verwaltung heute und zu- künftig benötigte IT-Kompetenzen zu identifizieren und diese nach unterschiedlichen Beherrschungsgraden zu klassifizieren. Als Kompetenzen werden generell „[…] die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motiva- tionalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlö- sungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu kön- nen“ [5, S. 27f] verstanden. Da es in diesem Projekt vor allem um Kompetenzen im Zusammenhang mit IT ging, wurde die Definition von E-Kompetenzen nach [11, S. 386] zugrunde gelegt. Demnach können E-Kompetenzen „[…] als die Fähigkeit verstanden werden, sich […] innerhalb von durch moderne Techniken erweiterten Informationsräumen und mit technikunterstützten Methoden kreativ und selbstorgan- isiert zurecht zu finden.“ Zur einfachen Identifikation und Dokumentation all jener Kompetenzen wurden zwei unterschiedliche Werkzeuge entwickelt. Zunächst wurden sogenannte Rollen- steckbriefe identifiziert, um das Wissen um die nötigen Kompetenzen und Fähigkei- ten strukturiert zusammen zu tragen. Insgesamt wurden 19 Referenzrollen – aufgeteilt in vier Oberkategorien: Gestalter, IT- Koordinator, IT-Fachaufgaben/IT- Dienstleistungen und Fachaufgabenträger – in der öffentlichen Verwaltung mit heuti- ger und zukünftiger Bedeutung abgeleitet, deren detaillierte Beschreibung über je einen Rollensteckbrief erfolgte. Daran anknüpfend wurden Kompetenzmatrizen ent- wickelt, welche die einzelnen, einer Rolle zugeordneten Kompetenzen ausspezifizie- ren. Dies vereinfacht die Erfassung der nötigen Wissenstiefe einzelner Kompetenzen und unterstützt so das Personal- und Wissensmanagement in der öffentlichen Verwal- tung. Zur Wahrung der Anschlussfähigkeit wurden alle Ergebnisse in Workshops mit Experten aus Verwaltungs- und Hochschulpraxis diskutiert und reflektiert. 2.1 Der Rollensteckbrief Um eine möglichst vollständige Dokumentation der heute und in Zukunft in der öf- fentlichen Verwaltung benötigten Fähigkeiten und Kompetenzen zu schaffen, wurden innerhalb des Projekts zunächst mehr als 100 Stellenanzeigen aus dem öffentlichen Sektor herangezogen und tiefergehend analysiert. Für eine strukturierte Darstellung und damit bessere Vergleichbarkeit all jener Kompetenzen wurde eine bereits beste- hende Klassifizierung von E-Government-Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen nach [12] aufgegriffen, die Kompetenzen in insgesamt fünf Kompetenzkategorien unterteilt: Eine technische Kompetenzkategorie und vier fachliche Kategorien. Diese wurden in Form eines Rollensteckbriefs zusammengefasst (vgl. hierzu Tabelle 1). Über die inhaltlichen Kompetenzen hinaus, wurden zum Zwecke der Vollständigkeit auch soziale Kompetenzen und Persönlichkeitsmerkmale der Einordnung hinzuge- fügt, die auch bei Stellenanzeigen immer wieder Verwendung finden. Dabei sind mit sozialen Kompetenzen die Fähigkeiten gemeint, die im Umgang mit anderen Men- schen, zum Beispiel Angestellten oder Bürgern, benötigt werden. Beispiele hierfür Seite 176 von 198 WM1017 - 9te Konferenz Professionelles Wissensmanagement 5.-7. April 2017 in Karlsruhe, Deutschland sind Führungs-, oder Konfliktmanagement-Kompetenzen. Im Gegensatz dazu stellen Persönlichkeitsmerkmale stetige Charakteristika oder Verhaltensweisen einer Person dar, die diese natürlicherweise in sich trägt und die schwer bis gar nicht erlernbar sind. Hierunter fallen zum Beispiel Motivation oder Kreativität. Die technischen Kompetenzen werden hier dezidiert herausgehoben, da das Projekt E-Kompetenz darauf abzielte, vor allem den Einfluss von Informations- und Kommu- nikationstechnologien (IKT) auf Verwaltungen im Zuge der Digitalisierung zu be- rücksichtigen, von dem alle Bediensteten früher oder später in irgendeiner Form be- troffen sein werden oder dies bereits sind. Geänderte Anforderungen sind die Folge dieses vermehrten Einsatzes, dem es gilt, durch neue Kompetenzen zu begegnen und frühzeitig Maßnahmen zu schaffen, die die Bediensteten durch passende Aus- und Weiterbildungsformate auf diese geänderten Rahmenbedingungen vorbereiten. Tabelle 1: Aufbau des Rollensteckbriefs. Steckbriefnummer: Rollenname Zuordnung der Rolle zu einer Kategorie Beschreibung der Rolle Aufgaben und Verantwortlichkeiten Kompetenzen 1. Technische Kompetenzen (z. B. Kenntnisse der IT oder Planung/Gestaltung von IT, u.a. allgemeine EDV Kenntnisse, Programmierkenntnisse) 2. Fachliche Kompetenzen a) Sozio-technische Kompetenzen (z. B. Kenntnisse der Auswirkungen/Akzeptanz von E-Government) b) Die Organisation betreffende Kompetenzen (z. B. Prozessmanagement, Organisationsgestaltung) c) Managementkompetenzen (z. B. Changemanagement) d) Politisch-administrative Kompetenzen (z. B. rechtliche Rahmenbedingungen, administrative Abläufe) 3. Soziale Kompetenzen (z. B. Führungs- und Kommunikationskompetenz) 4. Persönlichkeitsmerkmale (z. B. Kreativität, Selbstmanagement) Bei all diesen Kompetenzen gibt es – unabhängig von der fachlichen/technischen Kategorisierung – Kompetenzen, die eher allgemeine Fähigkeiten darstellen, die die Personen, die die Rollen einnehmen, dazu befähigen, bestimmte Aufgaben auszufüh- ren bzw. die Grundlage hierzu bilden (zum Beispiel methodische Grundfähigkeiten im Projektmanagement). Andere Kompetenzen sind spezifischerer Natur und stellen Verfahren, Abläufe oder Richtlinien, dar, die die Personen befähigen, konkrete Sach- verhalte zu analysieren oder Probleme zu lösen (zum Beispiel das Wissen um IT- Sicherheitsrichtlinien). Seite 177 von 198 WM1017 - 9te Konferenz Professionelles Wissensmanagement 5.-7. April 2017 in Karlsruhe, Deutschland 2.2 Die Kompetenzmatrix Neben dem Erkennen, Einordnen und der Dokumentation benötigter Kompetenzen ist es gleichermaßen wichtig, die jeweilige Kompetenz- und Wissenstiefe der betref- fenden Fähigkeit zu identifizieren. Denn nicht jede Rolle benötigt dieselbe Kompe- tenz in der gleichen Tiefe. So kann es sein, dass es bei einer bestimmten Rolle aus- reicht, allein theoretisches Wissen zu einem Sachverhalt zu besitzen. Als Beispiel hierzu kann das Wissen darum angeführt werden, dass SAP als System für Bestellun- gen benutzt wird. Hingegen kann es bei einer anderen Rolle zwingend notwendig sein, dieses Wissen auch zur praktischen Anwendung zu bringen (z. B. Bestellungen anlegen und verarbeiten) bzw. mit diesem Wissen Sachverhalte zu hinterfragen oder weiterzuentwickeln. Sowohl der Rollensteckbrief als auch die Kompetenzen sollten so beschaffen sein, dass sie möglichst genau auf die jeweiligen Aufgabenbereiche zugeschnitten werden können, weshalb eine Matrix als geeignete Darstellungsform für die Einordnung un- terschiedlicher Kompetenzgrade identifiziert wurde, in der die Gesamtheit an Kompe- tenzen zu unterschiedlichen Beherrschungsniveaus in Bezug gesetzt werden konnte. Um eine passende Einteilung der jeweiligen Kompetenztiefe zu finden, wurde Blooms Taxonomie [13] als geeignete Einordnung identifiziert. Diese stellt eine etablierte Theorie zur Beschreibung von Lehr- und Lernprozessen dar. Das menschliche Lernen wird dabei in sechs Grade, sich pyramidenförmig nach oben weiter entwickelnd, ein- geteilt. Diese sind: „Erinnern“, „Verstehen“, „Anwenden“, Analysieren“, „Evaluie- ren“ und „Erschaffen“. Das Lernen beginnt am unteren Teil der Pyramide mit dem einfachen „Erinnern“ und steigert sich entlang der Pyramide, je nach Erreichung hö- herer Wissensgrade bis hin zum höchsten Grad „Erschaffen“. Erschaffen Evaluieren Gestalten Analysieren Anwenden Anwenden Verstehen Wissen Erinnern Abbildung 1: Blooms Taxonomie (links) und ihre Verwendung innerhalb des Projekts E-Kompetenz (rechts). Seite 178 von 198 WM1017 - 9te Konferenz Professionelles Wissensmanagement 5.-7. April 2017 in Karlsruhe, Deutschland Zur einfacheren Handhabbarkeit der Matrix wurden die sechs Kompetenzstufen nach Bloom zu drei Stufen zusammengefasst (vgl. hierzu Abbildung 1), was im Fol- genden weiter ausgeführt wird: 1. Wissen: Hier werden die Bloomschen Stufen „Erinnern“ und „Verstehen“ zusammengefasst. Kenntnisse werden passiv erworben und verstanden, eine Anwendung oder gar ein Transfer auf andere Anwendungskontexte ist nicht erforderlich. 2. Anwenden: Diese Kategorie entspricht der Stufe „Anwenden“ aus der Taxonomie von Bloom. Neben dem rein theoretischen Wissen, muss dieses auch zur Anwendung gebracht werden. 3. Gestalten: Diese Zusammenfassung setzt sich aus den Bloomschen Stufen „Analysieren“, „Evaluieren“ und „Erschaffen“zusammen. Neben reinem Wissen und der Anwendung dieses Wissens geht es zum einen darum, Probleme zu erkennen, als auch darum, Lösungen zu herauszuarbeiten und umzusetzen. Tabelle 2: Aufbau und beispielhafte Befüllung der Kompetenzmatrix. Matrixnummer: Rollenname Wissen Anwenden Gestalten IT-Kompetenzen technisch technisch sozio- fachliche Kompetenzen Die Organi- betreffend sation administra- nagement politisch- Ma- tiv Seite 179 von 198 WM1017 - 9te Konferenz Professionelles Wissensmanagement 5.-7. April 2017 in Karlsruhe, Deutschland Soziale Kompetenzen Benötigt Persönlichkeitsmerkmale Der Aufbau der Matrix sowie eine beispielhafte Befüllung sind in Tabelle 2 skiz- ziert. Die Matrix besteht aus dem Rollennamen sowie aller zuvor identifizierten Kompetenzen, die der Darstellung in den Rollensteckbriefen folgt. Pro identifizierter Rolle können die Zellen der Matrix jeweils durch eine farbliche Kennzeichnung mar- kiert werden. Grün ist dabei der Indikator für alle unbedingt benötigten Kompetenzen. Gelb werden alle darüberhinausgehenden, wünschenswerten Fähigkeiten gefärbt. Als Grundlage für die Befüllung der Matrizen innerhalb des Projekts E-Kompetenz dien- ten die vorher bereits erwähnten Stellenanzeigen aus dem öffentlichen Sektor. Die farbliche Kennzeichnung wurde für die sozialen Kompetenzen und Persönlichkeitsmerkmale nicht übernommen, da diese Art der Kompetenzen entweder vorliegen (muss) oder eben nicht und nicht auf einzelne Beherrschungsgrade eingegrenzt werden kann. Benötigt eine Rolle ein gewisses Maß an Durchsetzungsvermögen, so hat die Person, die jene Rolle einnimmt, diese Fähigkeit oder eben nicht, kann sie aber nicht bei gewissen Aufgaben „abstellen“. Daher ist es in diesen Kompetenzkategorien nur möglich, diesen eine Einordnung als „Benötigt“ zuzuordnen. 3 Nutzen im Sinne eines professionellen Wissensmanagements Die in Kapitel 2 dargestellten Werkzeuge können öffentlichen Verwaltungen bei der übersichtlichen und strukturierten Einordnung und Zuweisung bestehender und neuer Rollenprofile dienen. Sie ermöglichen gleichzeitig die Ermittlung unterschiedli- cher geforderter Kompetenz- und Wissenstiefen. Damit ermöglichen sie nicht nur eine frühzeitige Identifikation potentieller Wissensträger. Sie zeigen außerdem etwaige Lücken auf, die einen Bedarf an zusätzlichem Wissenserwerb eröffnen. Ihr gleich- förmiger Aufbau ermöglicht darüber hinaus den Vergleich, die Identifizierung von Aktualisierungsbedarfen und einen Ansatz zur Bewertung von Stellen. Die beiden Werkzeuge sprechen damit alle Bausteine des etablierten Wissensmanagementmo- dells nach [14] an: Von der Wissensidentifikation über den Wissenserwerb, der Wis- sensentwicklung und Wissens(ver)teilung, bis hin zur Wissensnutzung und der Wis- sensbewahrung. Dieses Modell wurde in seiner ersten Version bereits im Jahr 1997 veröffentlicht und hat zum Ziel, „[…] Unternehmen eine Art Handlungsanleitung zur besseren Beschreibung und einem besseren Verständnis von Wissensproblemen in- nerhalb ihrer Organisation anzubieten [15].“ Hierbei werden die einzelnen Elemente des Wissensmanagements in Aktivitäten bzw. sogenannte Kernprozesse unterteilt, um es auf diese Weise intuitiver, greifbarer und einfacher für die Umsetzung auf Unter- nehmensebene zu machen: Denn „[s]tatt organisationale Lernprozesse zu verstehen, brauchen Führungskräfte Methoden, mit denen sie organisationale Wissensbestände Seite 180 von 198 WM1017 - 9te Konferenz Professionelles Wissensmanagement 5.-7. April 2017 in Karlsruhe, Deutschland lenken und in ihrer Entwicklung beeinflussen können.“ [13, S. 29] Die folgende, ta- bellarische Übersicht stellt die konkreten Nutzenpotenziale Wissensmanagement her- aus. Tabelle 3: Gegenüberstellung der Kernprozesse des Wissensmanagements nach [14] mit den Nutzenpotenzialen der entwickelten Werkzeuge.. Kernprozess nach [14] Nutzenpotenzial Wissensidentifikation Die strukturierte Darstellung und Dokumentation in den Steckbriefen nach Kompetenzkategorie ermöglicht einen schnellen und einfachen Überblick über vorhan- dene bzw. fehlende Kompetenzen. Auf diese Weise können Wissens- bzw. Kompetenzträger im Unter- nehmen sehr schnell identifiziert werden, die dann u.a. für die interne Weitergabe von Kompetenzen, Wissen und Erfahrungen genutzt werden können. Wissenserwerb Auf einen Blick kann in den Steckbriefen festgestellt werden, ob benötigtes Wissen im Unternehmen vor- handen ist und demnach intern geschult werden kann. Ist dies nicht der Fall, kann außerhalb der eigenen Behörde nach geeigneten Schulungen externer Anbie- ter gesucht werden. Wissensentwicklung Ergänzend zum Wissenserwerb können durch den Steckbrief und die Matrix bisher unbeachtete oder nicht vorhandene Kompetenzen, die aber zentral für die Zielerreichung des Unternehmens sein können, einfacher in den Blick genommen, analysiert und ggf. relevante Angebote durch die Personalabteilung ge- schaffen werden. Dies gilt sowohl für neues Wissen als auch für die Weiterentwicklung gewisser Kompetenz- tiefen, die in den jeweiligen Matrizen festgehalten sind. Wissens(ver)teilung Die Steckbriefe und Matrizen ermöglichen nicht nur einen Überblick über vorhandene bzw. fehlende Kom- petenzen, sondern geben auch Aufschluss darüber, zu welchem Grad bestimmte Fähigkeiten, Wissen oder Erfahrungen vorhanden sind. Der Prozess der Wis- sensverteilung kann so durch interne Schulungen ver- einfacht werden. Auch wenn es darum geht, bestehendes Wissen zu vertiefen, können anhand der Kompetenzmatrix leich- ter Wissensträger mit gestalterischen Fähigkeiten mit solchen, die über rein theoretisches Wissen verfügen, zusammengebracht werden, um einen Kompetenztie- fentransfer zu ermöglichen. Seite 181 von 198 WM1017 - 9te Konferenz Professionelles Wissensmanagement 5.-7. April 2017 in Karlsruhe, Deutschland Wissensnutzung Eine effiziente und effektive Wissensvermittlung kann durch die konsequente Dokumentation mittels Rollen- steckbriefs ermöglicht werden, da es für eine frühzeiti- ge Identifikation von Wissen und Wissensträgern im Unternehmen sorgt und damit auch die Wis- sens(ver)teilung vereinfacht. Wissensbewahrung Gerade in Zeiten des demografischen Wandels besteht die Gefahr, dass bestehendes bzw. gerade erworbenes Wissen wieder verloren wird und damit nicht automa- tisch für alle Zeiten für das Unternehmen gesichert ist. Auch hier bietet die strukturierte Dokumentation in Form von Rollensteckbriefen und Kompetenzmatrizen die Möglichkeit, einfach und schnell Wissensträger zu identifizieren, die das Unternehmen in absehbarer Zeit verlassen und so entsprechende Maßnahmen zur Wis- sens(ver)teilung im Unternehmen einzuleiten. Die Konkretisierung der Gegenüberstellung des Wissensmanagementzyklus und der im Projekt E-Kompetenz entwickelten Werkzeuge macht deutlich, dass der kom- plette Lebenszyklus des Wissensmanagements in einem ganzheitlichen Sinne unter- stützt werden kann. Die Werkzeuge greifen hierbei ineinander und helfen so, das relevante Wissen im Wortsinne zu managen. Gerade der modularisierte und damit einfach anpassbare und integrierbare Aufbau der beiden Werkzeuge ermöglicht eine flexible Einbindung in bestehende Strukturen des Personalmanagements öffentlicher Einrichtungen. 4 Zusammenfassung Im Projekt E-Kompetenz wurden zwei unterschiedliche Werkzeuge für die Unter- stützung des Personal- und somit Wissensmanagements in öffentlichen Verwaltungen entwickelt. Die in diesem Beitrag vorgestellten Rollensteckbriefe und Kompetenzmat- rizen strukturieren im Zusammenspiel die nötigen Personalbedarfe und das Wissen in Form von Kompetenzen, welche die Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung der- zeit und in Zukunft benötigen. Die sich stetig wandelnden Anforderungen, insbeson- dere vor dem Hintergrund der immer massiver fortschreitenden Digitalisierung sowie des demografischen Wandels, können so zielführend moderiert werden. Die nötigen Personalbedarfe können transparent gemacht werden, Fortbildungs- und Wissensbe- darfe können zielgerichtet beschrieben werden und geeignete Maßnahmen zur Schlie- ßung von Wissenslücken können definiert und angegangen werden. Die gewonnenen Ergebnisse erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Sie wurden innerhalb des Projektzeitraums anhand des damaligen Stands der Forschung, der vorliegenden Dokumente sowie der Experteneinschätzungen vorgenommen. Trotzdem ermöglicht die Darstellung in der Kompetenzmatrix einen strukturierten Ein- und Überblick aller benötigten Kompetenzen. Zusätzlich zum Steckbrief kann sie Seite 182 von 198 WM1017 - 9te Konferenz Professionelles Wissensmanagement 5.-7. April 2017 in Karlsruhe, Deutschland vor allem als Hilfsmittel für die Ausschreibung neuer Stellen eingesetzt werden, da die Matrix - mehr als der Rollensteckbrief - auf die jeweilig benötigte Kompetenztiefe eingeht und zusätzliche, für die Stelle wünschenswerte Kompetenzen aufzeigt. Au- ßerdem kann sie Orientierungshilfe für Stellenbewertungen sein, da sowohl fachliche Aufgaben als auch soziale Kompetenzen und Persönlichkeitsmerkmale in ihrer Ge- samtheit berücksichtigt werden. Durch ihren modularisierten Aufbau können beide Werkzeuge zudem einfach und ohne großen Mehraufwand in bestehende Strukturen des Personalmanagements integriert und nach Bedarf angepasst werden. Im Folgenden sollen die Potenziale der Werkzeuge kurz beschrieben und den Kernprozessen des Wissensmanagements zugeordnet werden. Eindeutige Abgrenzung und Vergleichbarkeit: Durch ihren gleichförmigen Auf- bau (in Form von einzelnen Kompetenzmodulen) können Stellen untereinander ein- deutig abgegrenzt und so miteinander verglichen werden (Wissensidentifikation). Außerdem ermöglichen sie erste Hinweise auf Stellenbewertungen. Er kann von Füh- rungskräften dazu genutzt werden, um Stellen strukturiert festzuhalten (Wissensidenti- fikation und Wissensbewahrung) und gleichzeitig zu überprüfen, welche Kompeten- zen in ihrem Bereich vorhanden sind bzw. vorhanden sein sollten (Wissensnutzung und –Entwicklung). Des Weiteren kann auf Basis des ausfüllten Rollensteckbriefs und eines vollständigen Kompetenzprofils einfacher bewertet werden, welche Kompeten- zen zusätzlich benötigt werden (Wissens(ver)teilung). Anhand dieser Information können ggf. fehlende Kompetenzen identifiziert und durch Fort- und Weiterbildung erworben werden (Wissenserwerb). Standardisierung: Der einheitliche Ansatz einer immer gleichen Struktur unter Verwendung derselben Kategorien und Kompetenzen hilft dabei, den Koordinations-, Abstimmungs- und Kommunikationsaufwand bei der Stellenbeschreibung und letzt- lich auch der Stellenbewertung zu reduzieren (Wissensnutzung und -(ver)teilung). Grundlage für Schulungen/Qualifizierung: Durch den modulbasierten Aufbau kann der Schulungsbedarf einfacher ermittelt und so passende Fort- und Weiterbil- dungen schneller eruiert werden bzw. bei dringendem Bedarf Wissen extern einge- kauft werden (Wissenserwerb und Wissensentwicklung). Die im Projekt verwendeten Begriffe für Kompetenzen stammen größtenteils aus der Fachliteratur, sodass eine Anschlussfähigkeit gewährleistet ist. Abschließend kann festgehalten werden, dass die beiden Werkzeuge viele Vorteile für das Personalmanagement im öffentlichen Sektor bieten, da sie die Identifikation von Wissen erleichtern und eine Wissensbewahrung durch die strukturierte Dokumen- tation sicherstellen können, wenn sie konsequent und durchgehend angewendet wer- den. Gerade Letzteres kann den öffentlichen Sektor vor einem Wegbrechen der wich- tigsten Ressource Wissen im demografischen Wandel bewahren. Seite 183 von 198 WM1017 - 9te Konferenz Professionelles Wissensmanagement 5.-7. 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