Irreführende mentale Modelle beim Smart-TV Misleading mental models for Smart-TVs Gamze Ucar, Andrea Kohlhase Information Management, University of Applied Sciences Neu-Ulm Abstract Information Management comprises many different aspects - among others the communication of information in several modali- ties within the field of Human-Computer Interaction. Such interactions are experienced with varying degrees of complexity - for instance, when integrating modalities. A design goal is the reduction of interaction com- plexity as much as possible. Mental models help to simplify interactions and thus, are a means to tackle complexity. In this paper, we report on a study, that showcases a misleading use of mental models when dealing with smart TVs. Quite the contrary, here, the interaction complexity increases because of mixed-up mental models. Zusammenfassung Informationsmanagement umfasst viele verschiede- ne Aspekte - unter anderem den der Kommunikation von Information in verschiedensten Modalitäten innerhalb des Bereichs Mensch-Computer- Interaktion. Solche Interaktionen weisen verschiedene Komplexitäten auf - zum Beispiel in der Kombination der Modalitäten. Ein Designziel bei Produkten ist die Reduzierung dieser Komplexität. Mentale Modelle ver- einfachen im Allgemeinen die Interaktion und reduzieren daher die In- teraktionskomplexität. In diesem Papier beschreiben wir ein Beispiel, wo das - bisher jedenfalls - nicht so ist: bei der Bedienung von Smart-TVs. Sogar im Gegenteil, hier wird die Komplexität durch die irreführenden mentalen Modelle gesteigert. 1 Einführung Informationsmanagement umfasst viele verschiedene Aspekte - unter anderem den der Kommunikation von Information in verschiedensten Modalitäten in- nerhalb des Bereichs Mensch-Computer-Interaktion. Um beispielsweise eine be- stimmte Sendung auf einem Fernsehen anschauen zu können, muss Information wie der Name der Sendung an das Fernsehgerät kommuniziert worden sein. Sol- che Interaktionen weisen verschiedene Komplexitäten auf, wie z.B. das Verständ- nis des TV-User Interfaces zusammen mit der Auge-Hand-Kooperation bei der Benutzung der Fernbedienung. Copyright © 2017 by the paper’s authors. Copying permitted only for private and academic purposes. In: M. Leyer (Ed.): Proceedings of the LWDA 2017 Workshops: KDML, FGWM, IR, and FGDB. Rostock, Germany, 11.-13. September 2017, published at http://ceur-ws.org Schon in den 80er Jahren gab es die Vision vom Fernseher als vernetz- te Entertainment- und Steuerzentrale in den eigenen vier Wänden (siehe z.B. [LMB15]). Durch die Digitalisierung von Inhalten und Übertragungstechniken ist dies mit neuen Technologien nun möglich. Seit 2009 können Geräte der Unterhaltungselektronik mit dem Internet verbunden werden.Die Zauberwörter der Fernsehindustrie lauten Hybrid-TV“ und Connected-TV“, also vernetztes ” ” Fernsehen (siehe z.B. [Con15]). Moderne Fernsehbildschirme, Blu-ray-Player und auch Digital-Receiver ermöglichen die smarte“ Nutzung, d.h. die Nutzung von ” zusätzlichen Services über die Verbindung zum Internet per LAN oder WLAN. Im Folgenden bezeichnen wir solche als Smart-TVs. Insbesondere ermöglichen smarte TV-Geräte die Vernetzung mit anderen Unterhaltungselektronikgeräten. So sind am Bildschirm digitale Fotoapparate, Kameras, DVD- sowie Blu-ray- Geräte, Spielekonsolen, MP3-Player und sogar Smartphones nutzbar. Es gibt inzwischen Lösungen für die Steuerung des Fernsehers über Smartphones und Tablets durch Apps (siehe Abbildung 1). Interessanterweise ist die Internetnutzung bisher an Computer bzw. Smart- phones gebunden, das Fernsehen aber an TVs. Für die verschiedenen Medi- en werden typischerweise bei der Benutzung unterschiedliche mentale Modelle verwendet. Ein mentales Modell ist ein Modell, also eine Reduktion auf we- sentliche Eigenschaften, der Benutzung eines Artifakts für einen Benutzer (sie- he [Joh80]). Insbesondere sind mentale Modelle Hilfen bei der Benutzung, die schon vor der eigentlichen Benutzung die Art und Weise wie ein Artifakt benutzt werden sollte, prognostizieren und so die Erstellung von Aktionsplänen ermögli- chen. Zum Beispiel müssen wir nicht wirklich (alle) verstehen, wie ein elektrischer Lichtschalter funktioniert. Es reicht beispielsweise, wenn wir uns Strom als flie- ßendes Material vorstellen und den Lichtschalter als eine Art Sperre, um ihn (oder dann auch z.B. Strom-Steckdosen) leicht benutzen zu können. Die Verwendung eines geeigneten mentalen Modells führt damit zu einer wesentlichen Komplexitätsminderung bei Interaktionen mit den Artifakten (sie- he [GLT03]). Allerdings gibt es keine generell guten mentalen Modelle für die Bedienung von Artifakten, da Menschen diese individuell lernen und gewichten. Bei der Gestaltung von Benutzungsoberflächen können höchstens mentale Mo- delle suggeriert werden. Dies ist um so erfolgreicher, je bekannter die verwendete Analogie ist. Das Einkaufswagensymbol für den “Warenkorb” in eCommerce- Shops ist hierfür ein Beispiel. Wir können unsere Produkte erst sammeln und dann gehen wir zur Kasse. Uns interessiert hier besonders, ob die mentalen Modelle für die Bedienung von klassischen TVs mit denen für Computer beim Smart-TV kollidieren oder sich ergänzen.1 1 Im Folgenden nennen wir das mentale Modell, welches die Metapher eines inter- netfähigen Computers (Laptops, Tablets, Smartphones, ...) im weitesten Sinn be- nutzt “Computer”. Abbildung 1: Interaktionsmodalitäten für Smart-TVs Abbildung 2: Probandenauswahl 2 Die explorative Studie Wir berichten in diesem Papier über Teile einer explorativen Studie, die im Rah- men der Bachelorarbeit [Uca17] durchgeführt wurde. Der Eye-Tracking Test fand in einem Wohnzimmer unter realistischen Bedingungen statt. Jede Testperson musste die Aufgaben laut Testplan 3 lösen und zusätzliche Fragen in Form eines strukturierten Interviews beantworten. Nachdem sich die Testpersonen mit dem Smart-TV im Zusammenspiel mit der Fernbedienung auseinandergesetzt haben, mussten Fragen mittels eines Fragebogens mit Likert-Skalen selbstständig be- antwortet werden. Die Auswahl der Testpersonen hat sich nach Nielsens User Cube in [Nie93] gerichtet, wobei Probanden, die noch keine Erfahrung in der Bedienung von Smart-TVs hatten, als Novizen betrachtet wurden, alle anderen als Experten. Das Teilnehmerfeld für den Eye-Tracking Test setzt sich wie in Abb. 2 beschrieben zusammen. Um die Interaktionskomplexität eines Samsung Smart-TVs genauer verste- hen zu können, wurde im Testplan (siehe Abb. 3) auf verschiedene Fragen ein- gegangen. Dabei wurden die Aufgaben in Form von Szenarien gestellt, damit sich die Testpersonen in die Alltagssituation besser hineinversetzen können und somit ein wenig die Laboratmosphäre aufgelöst wird. 3 Ergebnisse Bei der Auswertung des Tests wurden jeweils gleiche oder ähnliche Antworten mit Hilfe der Card-Sorting-Methode zu einem Oberbegriff zusammengefasst. Wir gehen auf die Ergebnisse jeder Aufgabe im Testplan in Abb. 3 im Folgenden gesondert ein. 3.1 Aufgabe 1 Die für Aufgabe 1 gesammelten Eye-Tracking-Daten wurden als Heatmap (stell vertretend von 5 Probanden) in Abb. 4 visualisiert. Es ist bekannt, dass ein prädesti- nierter Anfangsblickpunkt für Abbildung 4: Aufgabe 1 – Suche nach einer eCommerce-App Abbildung 3: Testplan der Studie eine Suche auf einer Websi- te mit unbekanntem Inhalt die Mitte derselben ist. Da beim Smart-TV ja bewegte Bilder gezeigt werden, ist die Orientierung schwieriger, so dass eine allgemeine Bevor- zugung der linken Seite bei den Probanden durch ihr nor- males von-links-nach-rechts- Lesen nicht verwundert. Die Visualisierung (Abb. 4) zeigt aber auch deutlich, dass der linke Teil des App-Menü im unteren Rand des Fernseherbildschirms darüberhinaus bei der Webbrowser-Suche intensiv angeschaut wurde. Der Webbrowser war im Smart- Hub (App-Menü des Samsung-TVs) in der Rubrik Kürzlich“ zu finden, die als ” erstes auftaucht, wenn auf die Smart-Hub-Taste gedrückt wird (siehe Abb. 5 ). Alle zwölf Teilnehmer fanden den Webbrowser innerhalb von wenigen Sekunden. Recht eindeutig haben sich alle Testpersonen für den Pointer entschieden, da er als praktischer, bequemer und vor allem als einfacher wahrgenommen wurde. Die Schwierigkeit beim Lösen der ersten Aufgabe war für Smart-TV-Novizen die Steuerung des Pointers, insbesondere bei der Texteingabe. 3.2 Aufgabe 2 In der zweiten Aufgabe mussten die Testpersonen unter den Samsung-Apps (Mei- ne TV-Apps) Facebook finden und herunterladen. Die Samsung-Apps sind unter der Rubrik Empfohlen“ (siehe Abb. 5 und 6) zu finden. Das heißt, die Samsung- ” Apps sind etwas versteckter und nicht auf den ersten Blick im Smart-Hub auf- findbar. Das Finden der Samsung-Apps war für alle sechs Smart-TV-Experten kein Problem. Sie wurden ebenfalls innerhalb von wenigen Sekunden gefunden. Abbildung 5: Startseite - Smart-Hub Ansicht “Kürzlich” Abbildung 6: Startseite - Smart-Hub Ansicht “Empfohlen” Für die Novizen jedoch war es eine kleine Herausforderung. Ein Teil von ihnen hat nach einer Samsung-Apps-Taste auf der Fernbedienung gesucht, ein anderer Teil im Menü und wiederum andere probierten beides. Keiner hat jedoch über die Suche-Taste nach den Samsung-Apps gesucht. Insbesondere wird das mentale Bedienungsmodell ‘Computer’ von den Testpersonen selbst bei der Pro- blemlösung nicht herangezogen. Auf einem Smartphone oder auf einem Laptop wird sofort nach “Google” gegriffen. Zudem war auffällig, dass zwei Samsung-TV Novizen erst unter der Rubrik Kürz- ” lich“ nach den Samsung-Apps gesucht haben. Interessanter- weise gibt es auf den meisten Betriebssystemen und ihren Filesystem-Navigatoren (wie z.B. dem Explorer auf Win- dows oder Finder auf Mac) Abbildung 7: Aufgabe 2 – Visualisierung der Er- und auch vielen Office-An- gebnisse “Suche nach Samsung-App” wendungen ein “Kürzlich”- Feature, welches zum schnellen Auffinden von kürzlich benutzten Objekten gebraucht wird. Wir vermuten daher, dass die Probanden hier nun mit dem mentalen Modell “Computer” arbeiteten und insbesondere hofften, hier eine “Abkürzung” zu finden. Nachdem sie nicht fündig wurden, haben sie andere Wege ausprobiert. Abbildung 7 zeigt die Auswertung der Beobachtungsergeb- nisse dieser zwei Smart-TV-Novizen. 3.3 Aufgabe 3 Das Verlassen einer Anwendung stellte für keinen der zwölf Probanden ein Pro- blem dar. Um den Kanal Pro 7 zu finden, zappten zehn Testpersonen durch die Kanäle bis sie auf den richtigen Kanal stießen. Zwei der Testpersonen suchten und fanden den Kanal über die Guide-Taste (Programmübersicht von mehreren Kanälen). Jedoch ist im Guide die Übersicht über die Kanäle eingeschränkt. Der Nutzer kann nur wenige Kanäle auf einen Blick sehen. So musste sich der Pro- band auch hier einzeln durch die Programme mit dem Steuerkreuz der Fernbe- dienung durchklicken. Diese zwei “Try-and-Error”-Methoden können durch die vielen Tastenklicks sehr zeitaufwändig werden, was ein Zeichen von erhöhter In- teraktionskomplexität ist. Vielleicht unterstellten die Testpersonen einen kleinen Suchraum, der diese Methode durchaus effizient machen kann. Das Smart-TV zeichnet sich aber auch gerade durch die Internetfähigkeit durch den eher großen Kanal-Suchraum aus. Einerseits wird hier also wegen der zielgerichteten Aufgabe nicht das mentale Modell “Computer” verwendet, andererseits wird die Erfor- schung eines großen Suchraums mit “Try-and-Error” gerade im Web auch mit Spaß assoziiert, was die Anwendung akzeptabel erscheinen lässt. Die Ambiguität des “Computer”-Modells wird deutlich. 3.4 Aufgabe 4 Wenn die Testpersonen nicht eigenständig herausfanden, wie eine Sendung auf- genommen werden kann, wurden ihnen zwei Hilfestellungen gegeben. Der erste Tipp lautete: Es gibt eine Gebrauchsanweisung, in der du nachlesen kannst, ” wie die Aufnahme funktioniert“ und der zweite Tipp lautete: Es gibt für die ” Gebrauchsanweisung eine Taste auf der Infrarot-Fernbedienung“. Fünf der Novizen und drei der Experten konnten trotz der zwei Hilfestellun- gen die Aufgabe nicht lösen. Vier von ihnen gaben an, dass sie in einer komple- xen Situation auf Youtube oder Google nach einer Lösung suchen würden. Hier werden also Webdienste zur Problemlösung bei der Nutzung eines Smart-TVs herangezogen, aber interessanterweise nicht auf dem internetfähigen Medium selbst. 3.5 Aufgabe 5 Wie auch in Aufgabe 1, wurde die Netflix-App von allen zwölf Probanden inner- halb von wenigen Sekunden aufgefunden, da diese App tatsächlich unter Kürz- ” lich“ (siehe Abbildung 5) aufzufinden war. Nur zwei der Testpersonen haben die Medientasten in Anspruch genommen, da sie die Benutzung als praktischer emp- finden. Der Rest der Testpersonen nutzte entweder die Pointer-Funktion oder die Pfeiltasten zum Vorspulen. 3.6 Aufgabe 6 Zu der Frage Was geht dir bei der Betrachtung der Fernbedienungen durch den ” Kopf?“, haben sich die Aussagen in Abb. 8 ergeben (die Zahl hinter den Aussagen gibt die Anzahl der Personen an, die mit gleicher oder ähnlicher Aussage geant- wortet haben): Die Größe der Infrarot-Fernbedienung hängt mit der Anzahl der Abbildung 8: Aufgabe 6 – Kategorisierte Antworten auf “Was geht dir bei der Betrachtung der Fernbedienungen durch den Kopf?” Tasten zusammen. Dadurch wird das Erreichen aller Tasten schwieriger. Die Be- nutzer müssen mehr auf- und ab Bewegungen machen um an die gewünschte Tas- te heranzukommen. Daher wird die Pointer-Fernbedienung, mit weniger Tasten, als kompakter und handlicher empfunden. Die Optik der Pointer-Fernbedienung trifft auch den Geschmack der Probanden. Da mit dem Pointer das Steuerkreuz zur Auswahl von Menüpunkten oder Buchstaben auf der On-Screen Tastatur nicht genutzt werden muss, wird sie als einfacher und praktischer bewertet. Die Farbtasten werden von den Probanden als unwichtig empfunden, da sie kaum bis gar nicht gebraucht werden. Tasten, die oft benutzt werden, wie zum Beispiel Lautstärke“, Smart-Hub“ oder Programmwechsel“ werden dagegen ” ” ” als wichtig empfunden. Bei den Zifferntasten sind sich die Probanden uneinig. 3.7 Fragebogen Der erste Fragenkomplex beschäftigt sich mit den von den Testpersonen be- nutzten Analogien. Der zweite Fragekomplex hingegen, beschäftigt sich mit der subjektiven Wahrnehmung der Komplexität des Zusammenspiels verschiedener Komponenten. Es ist auffällig beim ersten Fragekomplex (siehe Abb. 9), dass Abbildung 9: Fragenkomplex 1 die Mehrheit der Probanden die Pointer-Fernbedienung mit einer Computer- Mouse, aber nicht mit einer Computer-Tastatur vergleicht (dies scheint aber auch nicht notwendig, denn eine ausklappbare Tastatur wünschen sich die Pro- banden nicht). Trotzdem empfindet die Hälfte der Probanden das Smart-TV als eine Mischung aus Laptop und selbstgesteuertem Kino. Die Probanden unter- scheiden jedoch recht deutlich zwischen einem Tablet und Smart-TV. Wir gehen davon aus, dass durch die Analogiebildung mit einem geeigneten mentalen Modell die Interaktionskomplexität reduziert wird und dann also die Aufgaben leichter gelöst werden sollten. In unserem Fragekomplex 1 haben wir nur nach bestimmten Analogien gefragt. Wir setzen dabei voraus, dass, wenn die Antwort “trifft zu” gewählt wurde, der Proband auch das entsprechende mentale Modell bei der Benutzung herangezogen hat, wogegen, wenn die Antwort “trifft nicht zu” gegeben wurde, der Proband ein anderes mentales Modell verwendet. Da wir mit dieser Studie sowieso nur Tendenzen vermuten können, haben wir in der Diskussion die “trifft zu”- und “trifft eher zu”-Zahlen zu “benutzt traditio- nelles Modell” zusammengefasst und den Rest zu “benutzt anderes Modell”. Um die Zahlen besser miteinander vergleichen zu können, haben wir weiterhin die Zahlen aus Abb. 9 in Abb. 10 vereinfacht und als Prozentzahlen angegeben. Aus Abbildung 10 können wir ablesen, dass nur 38, 9% aller Probanden zumindest teilweise ein traditionelles mentales Modell bei der Benutzung herangezogen hat. Da hier die Abweichungen besonders groß sind, differenzieren wir nochmal: Die Abbildung 10: Fragenkomplex 1 mit Prozentzahlen (FB = (Pointer-)Fernbedienung; TV = Smart-TV) Fernbedienung wurde von 75% mit einer Maus verglichen, nur von 16, 7% als Tastatur und nur 8, 3% vergleichen ein Smart-TV mit einem Tablet-PC. Hieraus könnte nun eine erste These abgeleitet werden, nämlich die, dass eine Pointer-FB versucht wird wie eine Maus zu bedienen. Insbesondere die Zeige-Funktionalität einer Pointer-FB kann mit der der Maus verglichen werden. Diese Analogie wird z.T. auch visuell durch die Form der Pointer-FB (siehe Abb. 3) unterstützt. Allerdings hat eine Maus nur zwei bis drei Tasten, eine Fernbedienung aber ty- pischerweise (sehr viel) mehr. Daher liegt auch die Metapher der Tastatur als mentales Modell für die Verwendung einer Fernbedienung nahe. Allerdings sehen das von unseren Probanden ja nur 16, 7% so. Schon hieraus erkennen wir, dass das mentale Modell für eine Fernbedienung nicht so einfach von den bisherigen Modellen abgeleitet werden kann. Nun schauen wir uns unsere Daten bzgl. des ersten Fragenkomplexes mit Hilfe der Abbildungen 11 und 12 genauer an. Interessant wäre es ja, wenn wir in unseren Daten Anzeichen dafür fänden, dass die Lösbarkeit der Aufgabe mit diesen mentalen Modellen zusammenhängt. Wenn wir uns Abbildung 11 im De- Abbildung 11: Unterscheidung im Fragekomplex 1 per Erfolgsrate mit 4 erfolgreichen und 8 erfolglosen Probanden tail anschauen, stellen wir fest, dass von den 4 Probanden, die die Aufgaben gelöst haben, nur zu 33, 3% das traditionelle Modell gewählt wurde. Von den 8 Probanden, die die Aufgaben evtl. nur zum Teil gelöst haben, wurde dage- gen zu 41, 7% das traditionelle mentale Modell als zutreffend empfunden. Ganz vorsichtig könnten wir hier interpretieren, dass der Gebrauch der traditionellen mentalen Modelle evtl. die korrekte Benutzung der Fernbedienung erschwert. Die Unterschiede im Detail sind zum Teil sehr deutlich. Weiterhin können wir die Daten daraufhin untersuchen, ob die Erfahrung der Probanden die benutzten mentalen Modelle beeinflusst. Eine genauere Analyse Abbildung 12: Unterscheidung im Fragekomplex 1 per Erfahrung der Probanden mit jeweils 6 Novizen und Experten unserer Daten in Abbildung 12 zeigt, dass 33, 3% der Novizen und 44, 4% der Experten ein traditionelles mentales Modell benutzt haben. Wie auch schon bei den Gesamtzahlen in Abb. 10 schauen wir uns die Variation an: Die Experten verwenden bei der Bedienung des Smart-TVs mit der Fernbedienung zu 100% die Analogie mit der Maus und zwar ganz explizit (d.h. keine tendenzielle “trifft eher zu”-Aussage). Dagegen empfinden die Experten ganz explizit den Vergleich eines Smart-TVs mit einem Tablet zu 100% als nicht richtig. Beachtet werden muss hierbei, dass nur ein Novize und nur die Hälfte der Experten die Aufgaben gelöst haben. Wie in den Unterkapiteln 3.1 und 3.2 beschrieben wurde, ist aber der Label-Content an der Metapher Computer bzw. Smartphone-Apps ausgerichtet. Hier gibt es also auch deutlich irreführende suggerierte mentale Modelle. Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass die Probanden sich sehr uneinig sind und das Smart-TV noch nicht als Medium zum Online Surfen ansehen und nicht in eine bestimmte Kategorie einordnen können. Offensichtlich ist das Smart-TV, trotz des PC ähnlichen Bildschirms, prinzipiell ein anderes Medium. Abbildung 13: Fragenkomplex 2 Beim zweiten Fragenkomplex in Abb. 13 stellt sich heraus, dass unabhängig davon, ob die Testperson ein Smart-TV-Novize oder Smart-TV-Experte ist, die Bedienung mit dem Pointer als sehr angenehm bewertet wird. Dabei ist zu beach- ten, dass aber nicht alle Aufgaben ohne Hilfe gelöst werden konnten. Zwei Test- personen (Smart-TV-Novizen), empfanden die Interaktion zwischen der Fernbe- dienung und dem Samsung TV als komplex. Diese zwei Testpersonen empfanden sie auch als verwirrend. Drei Testpersonen, (Smart-TV-Experten), die die Inter- aktion zwischen der Fernbedienung und dem Samsung TV als nicht komplex empfanden, waren der Meinung, dass die Interaktion nicht verwirrend, einfach, selbsterklärend, natürlich und integriert ist. Es kann also zusammenfassend ge- sagt werden, dass Smart-TV-Novizen die Interaktionskomplexität des Smart- TVs in unserer Studie anders wahrnehmen als Experten. Der Erfahrungswert spielt also eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung. 4 Zusammenfassung In diesem Papier haben wir uns mit der Interaktionskomplexität von Smart- TVs befasst und insbesondere mit den mentalen Modellen, die diese reduzieren könnten. Dabei haben wir festgestellt, dass die Lernkurve bei Smart-TVs steil zu sein scheint, da nicht viele Probanden die Aufgaben überhaupt vollständig lösen konnten. Da unsere Aufgaben nicht besonders anspruchsvoll waren, können wir hieraus auf jeden Fall schon ein Usability-Problem ableiten. Bei genauerem Hinsehen haben wir festgestellt, dass die von den Probanden verwendeten men- talen Modelle zum einen noch nicht eindeutig sind, zum anderen aber auch nicht adäquat. Insbesondere werden auch mentale Modelle wie das “Computer”- Modell zur Benutzung herangezogen, die in die Irre führen, weil die Smart-TV- Produzenten nicht so sehr den Benutzer, sondern die Marketingstrategien für ihre eigenen Produkte im Blick haben. Unsere Studie ist eine kleine, explorative Studie, die noch keine allgemeingülti- gen Aussagen zeigen kann. Aber der Zusammenhang zwischen den mentalen Mo- dellen und der Interaktionskomplexität bei der Benutzung von User Interfaces kann als Ausgangspunkt für weitere Studien genommen werden. Insbesondere wäre die Frage interessant, inwiefern User von der Verwendung alter menta- ler Modelle abzubringen sind bzw. wie diese sinnvoll in neue integriert werden können. References [Con15] Deloitte Consulting. “Video interaktiv”. In: Deloitte Media Consumer Sur- vey 2015 (2015). [GLT03] D. Gentner, J. Loewenstein, and L. Thompson. “Learning and Transfer: A general role for analogical encoding”. In: Journal of Educational Psychology 95.2 (2003), pp. 393–408. [Joh80] Philip N. Johnson-Laird. “Mental Models in Cognitive Science”. In: Cogni- tive Science 4.1 (1980), pp. 71–115. doi: 10.1207/s15516709cog0401_4. url: http://dx.doi.org/10.1207/s15516709cog0401_4. 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