Tagungsband UIS 2017 Beitrag K: Gunnar Minx Ein Chemikalieninformationssystem als App im Einsatz Gunnar Minx1 1 Umweltbundesamt, gunnar.minx@uba.de Abstract The GSBL (Joint Substance Data Pool of the German Federal Government and the German Federal States) is a chemical information system that has been operated together with the federal states and the German Environment Agency (Umweltbundesamt) for more than 20 years. The system was conceived primarily for use in authorities for a wide range of questions regarding chemicals. In 2003 the database GSA (Hazardous Substances Directive) was added. It should now be possible, for example, for the fire brigade to use this database for its purposes. It was also tried in the following years, the GSBL and the GSA to spread and new target groups to open up. The GSBL was made available in the Extranet of the police and applied to trade fairs. From 2014, the GSA was then designed as an app and tailor- made for the fire brigade. A further application was made available in Spring 2017. The app is now also offered for the PC as GSAdesktop with different user profiles and more substances. Zusammenfassung Der GSBL (Gemeinsamer Stoffdatenpool Bund/ Länder) ist ein Chemikalieninformationssystem, das seit mehr als 20 Jahren im Umweltbundeamt zusammen mit den Bundesländern betrieben wird [GSBL 2016]. Konzipiert wurde das System hauptsächlich für den Einsatz in Behörden für die unterschiedlichsten Fragestellungen in Bezug auf Chemikalien und Einsatzzwecke. In 2003 kam der 154 Tagungsband UIS 2017 Datenbestand GSA (Gefahrstoffschnellauskunft) hinzu. Damit sollte es nun beispielsweise der Feuerwehr möglich sein, diese Datenbank für ihre Anforderungen zu nutzen. Es wurde auch in den folgenden Jahren versucht, den GSBL und die GSA weiter zu verbreiten und sich neue Nutzergruppen zu erschließen. So wurde der GSBL im Extranet der Polizei verfügbar gemacht und auf Messen beworben. Ab 2014 wurde die GSA dann als App konzipiert und für die Feuerwehr passgerecht konfektioniert. Eine weitere Anwendung wurde im Frühjahr 2017 zur Verfügung gestellt. Die App wird nun auch für den PC als GSAdesktop mit verschiedenen Nutzerprofilen angeboten. 1 Überblick zu Anwendungen im Chemikalienumfeld Abbildung 1: 20 Jahre GSBL Eine Chemikaliendatenbank ist eine große Sammlung der verschiedensten Stoffe mit ihren jeweiligen Merkmalen. So haben Stoffe, Identmerkmale, Stoffeigenschaften, Rechtseigenschaften, Physikalisch-Chemische Daten, Daten zum Umweltverhalten, zur Ökotoxikologie, usw. Insgesamt finden sich im GSBL 320 000 Stoffe mit jeweils bis zu 450 Merkmalen. Es gibt Stoffe, die nahezu vollständig mit Daten gefüllt sind, während bei anderen Stoffen lediglich ein Identifizierungsmerkmal vorhanden ist. 155 Tagungsband UIS 2017 Abbildung 2: Vielfalt der Merkmale von Stoffen Benzol hat beispielsweise 60 Angaben zur Siedetemperatur, 313 Angaben zum Brechungsindex und 320 Angaben zur relativen Dichte. An der Stelle „ticken“ Chemiker komplett aus und sind vollkommen begeistert (sehr unwissenschaftlich formuliert aber wahr). Für den Fachbetreuer der Datenbank und ihrer Inhalte, bedeutet es jedoch diese Daten für den Anwender zielgruppenrelevant aufzubereiten. Abbildung 3: Vielfalt der Zielgruppen im Umfeld der Chemikalienanwendungen Die Datenbank wurde über Jahre hinweg aktualisiert, verbessert, qualitätsgesichert und den Ländern zur Verfügung gestellt. Der Benutzerkreis schwankte um 650 Personen. Dort schon inklusive war die Benutzung durch Ersteinsatzkräfte. 156 Tagungsband UIS 2017 Für die Feuerwehr gab es mittlerweile schon eine besonders angepasste Sicht auf die Daten, aber die Benutzeroberfläche war immer noch stark an die der Chemikaliendatenbank angelehnt und somit nicht ideal. Abbildung 4: GSBL und seine Anwendungen In 2012 entstand die Idee, in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr eine Anwendung genau für diese Zielgruppe zu erstellen. Es sollte eine Webanwendung sein, die genau auf diesen Personenkreis zugeschnitten ist. Die Idee, den Einsatzkräften eine App mit den benötigten Daten zur Verfügung zu stellen, wurde dann 2013 konkretisiert und bis Ende 2014 in Form der GSAapp realisiert. Im Anschluß daran wurde die Anwendung GSAdesktop für spezialisierte Einsatzkräfte für den Einsatz am PC im Einsatzwagen entwickelt. 2 GSAapp 2.1 Anforderungen Die Ausgangssituation war, die Anzahl der Stoffe soweit zu kürzen, dass, wenn möglich, nur gut gefüllte Stoffe übrig bleiben. Ein weiterer Schritt war, die Anzahl der Merkmale zu reduzieren und sich auf eine Angabe (z.B. bei Siedetemperatur) zu beschränken. Wir hatten nun ca. 14 000 Stoffe mit je bis zu 40 Merkmalen. 157 Tagungsband UIS 2017 Abbildung 5: Von der Idee bis zur Umsetzung der App Die App sollte so gestaltet sein, dass die Einsatzkräfte ohne besondere Einstellungen im Datenbestand recherchieren sollten. Die Anwendung sollte offline also auch ohne Internet benutzbar sein und die App sollte schnell sein. Weiterhin musste die Anwendung so konzipiert sein, dass die Recherche sowohl mit den verschiedensten Smartphones oder Tablets im Hochformat, wie auch im Querformat möglich sein sollte. Da die Daten auch offline auf dem Gerät verfügbar sein sollten, wurde die Datenbank [SQLite] für die Umsetzung favorisiert. Diese relationale Datenbank besteht aus einer einzigen Datei und wird unter den Betriebssystemen Android, IOS, UNIX und Windows genutzt. Da nur ein lesender Zugriff erfolgt, ist die Datenbank außerordentlich performant. Dies musste auch so sein, da chemische Stoffe auch über Synomyme gesucht werden können. So besitzt z.B. der Stoff Aceton 118 Synonyme. Andere Stoffe haben dagegen nur 2 – 3 Synonyme. In jedem Fall ist jedoch die Suche über Synonyme sehr aufwendig. Für die Suche wurden vier Felder als Suchfelder definiert, so wie sie auch in der Situation vor Ort genutzt werden. Es handelte sich dabei um den Namen, UN-Nummer, CAS-Nummer und die Gefahrennummer (ehemals Kemler Zahl). Der gefundene Stoff sollte in einer Ergebnistabelle wählbar sein und seine Daten auf drei Bildschirmseiten präsentieren (Eigenschaften, Gefahren und Maßnahmen). 158 Tagungsband UIS 2017 In Zusammenarbeit mit einer Agentur wurden entsprechende Mockups gestaltet. Entgegen ersten Annahmen waren alle Suchzeiten unter einer Sekunde und somit akzeptabel. 2.2 Migrationstool für Datenqualitätsverbesserung Den größten Aufwand bereitete die Zuordnung der Daten zu den Feldern in der Benutzeroberfläche. Ein Export von Daten aus dem GSBL ist recht aufwändig und erfolgt in einem eigens für den GSBL erstellten SSF Format (Standard-Schnittstellen- Format). Dies ist ein proprietäres Format, das aber lesbar ist und für seine 20 Jahre eigentlich schon recht fortschrittlich war. Es ist angelehnt an JSON. Hier wurde von der Agentur ein entsprechendes Migrationstool entwickelt, das die benötigten Daten in die Datenbank schreibt. Damit war es auch möglich, schlecht gefüllte Stoffe nachträglich zu entfernen bzw. auch kleinere Fehler bei der Datenmigration zu korrigieren. Abbildung 6: Gegenüberstellung des GSBL Standardschnittstellenformat (SSF) und Javascript Object Notation (JSON) 159 Tagungsband UIS 2017 2.3 Die App-Benutzeroberfläche Das Hauptaugenmerk lag auf der Bedienung der Anwendung. Hier sollte es jedem möglich sein, schnell und sicher zu richtigen Ergebnissen zu kommen. Wenn man sich an dieser Stelle in der Entwicklung mehr Gedanken macht, erhöht sich die Akzeptanz des Nutzers automatisch. Abbildung 7: Suchparameter und Ergebnisliste bei der GSAapp Die Suche sollte sich an den Bedürfnissen der Einsatzkräfte orientieren. So sollte ein Name oder auch Namensbestandteil gesucht werden können. Diese Angaben findet man oft in Lieferpapieren. Da eine Namenssuche in Synonymen erfolgt, ist damit auch sicher gestellt, dass auch identische Stoffe in anderen Sprachen gefunden werden. Die UN-Nummer und die Gefahrennummer finden sich auf allen Lastwagen, die Gefahrstoffe transportieren. Die UN-Nummer wird von den Vereinten Nationen festgelegt und bezeichnet Gefahrgüter (1203 = Benzin, 1090 = Aceton). Die Gefahrennummer ist die Nummer zur Abbildung 8: Beschilderung eines Lastwagens beim Transport von Gefahrgut Kennzeichnung der Gefahr (33 = leicht entzündbarer flüssiger Stoff (Flammpunkt unter 23 °C)) 160 Tagungsband UIS 2017 Die CAS-Nummer schlußendlich ist eine eindeutige Registriernummer für chemische Stoffe. Nach der Suche wird eine Ergebnisliste angezeigt, aus der der gewünschte Stoff ausgewählt werden kann. Die einzelnen Seiten wurden in Eigenschaften, Gefahren und Maßnahmen unterteilt. Die Eigenschaften beschreiben die Daten zu dem Stoff und geben anhand von Piktogrammen einen schnellen Überblick über die Stoffeigenschaften und deren Gefährlichkeit. Die Piktogramme können geöffnet werden und beinhalten weitere Informationen. Abbildung 9: Benutzeroberfläche der GSAapp mit Die Gefahren beschreiben die Zusatzinformation zum Gefahrendiamant Gefahren, die von dem Stoff ausgehen können (Explosionsgefahr, Brandgefahr, Gesundheitsgefahren, …). Der Reiter Maßnahmen informiert über Maßnahmen am Gefahrenort, den Einsatz von Löschmitteln, gibt Hinweise zu Bindemitteln und Abdichtmaterialien. Die einzelnen Reiter können durch einfaches wischen auf der Oberfläche erreicht werden ohne komplizierte Navigation in Menüs. Die Einfachheit der Anwendung, mit einer trotzdem hohen Informationsdichte trägt zu einer hohen Akzeptanz bei den Anwendern bei. So hat sich die Zahl der Nutzer des GSBL in den vergangenen zwei Jahren versechsfacht. 3 GSAdesktop für den Einsatz Durch den Erfolg der App ist das BBK (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe) darauf aufmerksam geworden und hat das Umweltbundesamt gebeten, eine Version für die Einsatzwagen des BBK zu erstellen. 161 Tagungsband UIS 2017 3.1 Anforderungen Für die Version für die Einsatzwagen gilt es besondere Anforderungen zu berücksichtigen. Die genutzten Anzeigegeräte sind sehr klein, mit einer Auflösung von 800x600 dpi. So muss speziell darauf geachtet werden, den Einsatzkräften trotzdem die angemessene Softwareergonomie zu bieten. Eine weitere Anforderung ist, dass die Software wegen fehlender Administrationsrechte auf den Einsatzwagen von einem USB Stick ausführbar und schnell einsatzbereit sein muss. Realisiert wurde die Applikation mit dem .NET Framework der relationalen Datenbank SQLite und der NoSQL Datenbank CouchDB. Diese Anwendung beinhaltet insgesamt ca. 46 000 Stoffe mit jeweils bis zu 80 Merkmalen. Hier wird dem Anwender der gleiche Komfort geboten wie in der App. Es gibt jedoch zusätzliche Profile, die der Anwender leicht auswählen kann. So werden nicht nur Daten für die Feuerwehr, sondern zusätzlich noch Informationen für Fachberater und Rettungskräfte bereitgestellt. 3.2 Die Desktop-Benutzeroberfläche Die Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.zeigt die Benutzeroberfläche für die Desktopanwendung. Wie in der App, wird das Ziel verfolgt, dem Benutzer schnell die benötigte Information zur Verfügung zu stellen. Die Benutzeroberfläche wurde in zwei Bereiche aufgeteilt: • Die linke Seite beinhaltet die Suchmaske mit den suchbaren Feldern. Darunter befindet sich die Ergebnisliste aus der der Stoff ausgewählt werden kann. • Die rechte Seite zeigt die zu dem Stoff verfügbaren Informationen an, die in verschiedenen thematisch unterteilten Reitern angeboten wird. So ist es möglich, schnell an die relevanten Informationen zu gelangen. 162 Tagungsband UIS 2017 Abbildung 10: Darstellung der Benutzeroberfläche von GSAdesktop mit Suchparameter, Ergebnisliste und Informationsdarstellung 3.3 Datenhaltung In der Anwendung GSAdesktop werden zur Datenhaltung zwei Datenbanken verwendet. Die Suche mit den vorhandenen Suchfeldern, inklusive aller vorhandenen Synonyme erfolgt in der SQLite Datenbank. Das Suchergebnis wird in einer Ergebnisliste dargestellt. Die Dateninhalte werden bei Auswahl eines Stoffes aus der CouchDB bezogen. Bei [CouchDB] handelt es sich nicht um eine relationale sondern um eine dokumentorientierte Datenbank. Die Daten werden nicht in Tabellen sondern in Dokumenten als JSON (Javascript Object Notation) Objekte verwaltet. Dadurch, dass die Anwendung die Daten nur liest, ist diese Datenbank sehr performant. Da NoSQL Datenbanken keinen vollständigen Transaktionsmechanismus zur Verfügung stellen, liegen die Antwortzeiten bei unter einer Sekunde. 163 Tagungsband UIS 2017 Abbildung 11: Zusammenspiel von CouchDB und SQLite 4 Zusammenfassung und Ausblick Die Entwicklung von Client/ Server zur Webanwendung, Fokussierung auf Zielgruppen und die Entwicklung einer App haben die Aufmerksamkeit für unser Produkt stark gesteigert. Wir werden auf jeden Fall in dieser Richtung weiter agieren und weitere Zielgruppen identifizieren, um dann entsprechende Anwendungen zu erstellen. Hier sind auch weitere Sprachversionen denkbar, auch Versionen, die in der Seeschifffahrt zum Einsatz kommen, denn auch dort gibt es Gefahrguttransporte. Der nächste Schritt ist jedoch die Erweiterung der GSAapp mit den zusätzlichen Profilen, die bereits in der PC Anwendung im Einsatz sind. Das Hauptaugenmerk sollte jedoch immer auf dem Informationsgehalt und der Softwareergonomie liegen, denn nur so lässt sich die Akzeptanz für eine Anwendung steigern. “It's not just what it looks like and feels like. Design is how it works”.” - Steve Jobs - Abbildung 12: Quelle [JOBS 2002] 164 Tagungsband UIS 2017 5 Literaturverzeichnis GSBL (2016): GSBL wird zu Informationssystem Chemikalien Bund / Länder; https://www.umweltbundesamt.de/themen/gsbl-wird-zu-informationssystem-chemikalien- bund (letzter Zugriff am 06.06.2017) Steve Jobs (2002): Steve Jobs on Design; https://www.youtube.com/watch?v=L7gb7rxhvEI (letzter Zugriff am 06.06.2017) CouchDB (2017): http://couchdb.apache.org/ , https://de.wikipedia.org/wiki/CouchDB (letzter Zugriff am 06.06.2017) SQLite (2017): https://www.sqlite.org/about.html (letzter Zugriff am 06.06.2017) 165