Tagungsband UIS 2017 Beitrag R: Thomas Schwotzer Offen Historische Daten und Karten (OHDM) Thomas Schwotzer HTW Berlin {Thomas.Schwotzer@HTW-Berlin.de} Abstract OHDM is a platform that allows interested amateurs and professionals to store historical card data and location and time-related information. OHDM is open and free. It expands the idea of Open Street Map (OSM) by a temporal dimension and provides more ways of storing data. OHDM is part of the Open Data Movement. Zusammenfassung OHDM ist eine Plattform, die es interessierten Laien und Profis erlaubt, historische Kartendaten und orts- und zeitgebundene Informationen abzulegen. OHDM ist offen und frei. Es erweitert die Idee von Open Street Map (OSM) um eine zeitliche Dimension und bietet mehr Möglichkeiten der Speicherung von Daten. OHDM versteht sich als Teil der Open Data Bewegung. 1 Motivation Die Erhebung, Zusammenführung und Auswertung von Karten- und Umweltdaten ist aufwendig. Es gibt aber Beispiele wie Webanwendungen interessierte Laien zur Mitarbeit gewinnen können und dabei sinnvolle und hilfreiche Ergebnisse erzeugen können. Open Street Map (OSM) ist ein Beispiel dafür, wie eine sehr große Anzahl interessierter (Laien-) Kartograph_innen Kartenmaterial produziert, dass vor allem in Europa erstaunlich präzise ist. In Teilbereichen wie Radwegekarten gilt OSM als präziseste Karte überhaupt. 241 Tagungsband UIS 2017 OSM hat einen klaren Fokus: Es ist eine Plattform auf der Freiwillige Geometrien einstellen können und die daraus aktuelle Karten produziert45. OSM bietet aber nur rudimentäre Möglichkeiten, historische Daten zu speichern und nahezu keine Möglichkeiten, zusätzliche Informationen zu hinterlegen. Es erlaubt lediglich die Ablage von Beschreibungen und von Links. Das soll nicht als Kritik verstanden werden – OSM ist ein Dienst für aktuelle Karten; mehr nicht. Das Konzept von OSM ließe sich aber in zwei Richtungen erweitern: Einmal könnten historische Kartendaten verwaltet werden können und zum anderen könnten aktuelle und historische statistische und Umweltdaten gespeichert werden. Genau das ist das Ziel von Open Historical Data Map (OHDM), dessen Konzept im Rahmen einer Lehrveranstaltung an der HTW Berlin entstand. Die Machbarkeit des Projektes kann gezeigt werden und wir hoffen, dass wir es bald auch mit Unterstützung der Staatsbibliothek Berlin fertig stellen können. 2 Basisstruktur von OHDM OHDM unterscheidet zwei Basisstrukturen: Geografische Objekte und Geometrien. Das ist wahrhaftig nichts neues, erstaunlicherweise macht OSM diese Trennung nicht, sondern speichert lediglich Geometrien mit einer, wenn überhaupt vorhandenen, impliziten Semantik. Geografische Objekte kann alles sein, was auch mit einer Geometrie auf der Erde beschreiben werden kann. Das können Gebäude und Straßen sein, aber auch Überschwemmungen, radioaktive Wolken wie sie leider zuweilen von Atomkraftwerken freigesetzt werden usw. Objekte können semantisch beschrieben werden und auf externe Quellen verweisen. Öffentliche Datenquellen biete sich an, wie bspw. Denkmalschutz, Katasterdaten, aber auch Wikipedia oder Open Data Portale. Statistische und Umweltinformationen lassen sich mit Geoobjekte verknüpfen. Geografische Objekte haben oder hatten in jedem Fall eine Beziehung zu einer Geometrie, die die aktuelle oder ehemalige Position des Objektes auf der Erde beschreibt. Objekte können ihre Position ändern. Wolken bewegen sich. Aber auch 45 siehe http://osm.org 242 Tagungsband UIS 2017 Bauwerke werden manchmal verschoben (z.B. Siegessäule in Berlin). In dem Fall bleiben die Objekte gleich, aber die Position, d.h. damit die Geometrie ändert sich. Andererseits beschreibt eine Geometrie ein Gebäude, dessen Funktion sich ändern kann. Die Maße bleiben identisch, aber die Nutzung und damit die Semantik = das Objekt ändert sich. Ein Beispiel ist die HTW in Berlin die unter anderem die Gebäude des ehemaligen Kabelwerks Oberspree nutzt. Die Geometrie der Gebäude ist identisch, die Objekte nicht. Die Datenstruktur wurde an anderer Stelle beschrieben [Schwotzer 2016], Erläuterungen finden sich auch auf dem Software-Repository [OHDM 2017]. 3 (geplante) Funktionen von OHDM und Status OHDM wird wie OSM Tools anbieten, um historisches Gegebenheiten als Geometrien zu beschreiben. Es wird Anwendungen für Smartphones geben und Webanwendungen. Außerdem wird es Importschnittstellen für vorhandene historische Geodaten geben. Daran wird gearbeitet. Es sollen aber auch Möglichkeiten bestehen, weitere Informationen zu den Objekten zu speichern und dabei wird explizit auch an Umweltinformationen gedacht, dazu mehr im kommenden Abschnitt. Die meisten Arbeiten wurden bisher auf Seiten des Kartenmaterials geleistet. Wir sehen drei Quellen historischer Daten • Zeitzeugen der jüngeren Vergangenheit können Daten einstellen wie das bereits bei OSM erfolgt. So kennen viele noch die ehemaligen Straßennamen z.B. aus der DDR. In sehr wenigen Fällen werden diese bereits in OSM hinterlegt. Da sie aber nur schwer auf der Karte erkennbar sind, wird diese Möglichkeit selten genutzt. Historiker_innen und Archäolog_innen erstellen nicht selten Datenmaterial. Wir wollen mit OHDM eine bequeme Plattform anbieten, um die Daten auch dort einzustellen und daraus historische Karten erzeugen zu können. • Die Staatsbibliothek von Berlin hat eine der größten Kartensammlungen Europas. Studenten von uns haben in Kooperation mit ihr und einem Berliner Unternehmen untersucht wie sich Geometrien aus alten Karten extrahieren und 243 Tagungsband UIS 2017 in OHDM integrieren lassen. Sie nutzten dazu Methoden der automatischen Bilderkennung [2]. • OSM ist Quelle historischer Daten. Wir werden einmal jährlich die Daten von OSM in OHDM integrieren. Die historischen Kartendaten sollen Grundlage sein, um weitere Daten anzuhängen. Sobald man z.B. eine Karte von Preußen wie OSM nutzen kann, könnte man dort auch statische Informationen hinterlegen bzw. verlinken, die ihrerseits auch im Netz vorliegen. Naturereignisse wie Überschwemmungen oder Industrieunfälle sind räumliche und zeitliche Phänomene, die sich mit OHDM speichern und visualisieren lassen (werden). Wir nutzen in OHDM PostGIS und Geoserver als WMS Server. Unsere Infrastruktur ist in der Lage die weltweiten OSM-Daten zu verwalten und daraus Karten zu erzeugen. Ein Prototyp ist zu finden unter [Prototyp 2017]. Es ist zu beachten, dass wir das Caching zu Testzwecken bewusst deaktiviert haben. Die Karten wird jedes mal vom Server erzeugt. Das geht – aus unserer Sicht – im Untersekundenbereich erstaunlich schnell. (Der Server ist auch nicht reserviert als WMS-Server. Wenn es länger dauert, liegt das mit hoher Sicherheit an einer umfänglichen Datenbankoperation. Wir tauschen auch manchmal die Datenbasis aus.) 4 Warum noch eine Plattform? Tatsächlich gibt es all diese Funktionen bereits in unterschiedlichen Systemen. Vermessungsämter, Denkmalschutzbehörden, Umweltbehörden, Landesplanung usw. usf. verfügen über eine Fülle von Informationen. Die Verknüpfung von Informationen ist aber in aller Regel zeitaufwendig erzeugt oftmals aber interessante Resultate. In OSM gibt es allein in Deutschland eine halbe Millionen Nutzer. OSM verfügt derzeit über mehrere Milliarden Geometrien, die allesamt von unbezahlten Freiwilligen aufgenommen und in das System integriert wurden. Die OSM Daten wuchsen schneller mit breiterer Verfügbarkeit von GPS fähigen Smartphones. Mobile Nutzer_innen nutzten die Fähigkeiten der Geräte, um freie und offene Kartendaten zu produzieren. Das machen sie dezentral, sie stimmen sich über Wikis ab oder organisieren dezentral Treffen. Es ist eine weltweite Community 244 Tagungsband UIS 2017 entstanden, die wertvolles produziert – was, unter vorgehaltener Hand, auch professionelle Kartograph_innen zugeben. Immer mehr Studierende arbeiten mit Sensoren, die Umweltdaten messen. Offene und freie Hardware-Plattformen wie Raspberry-PI und Arduino sind kostengünstig und erlauben die Erfassung von Umweltdaten auch für interessierte Laien. Genau so entstand vor etwas über einem Jahrzehnt OSM. Da waren ein paar „Verrückte“, die allen Ernstes die Welt mit ihren GPS-Receivern neu vermessen wollten. Ein Jahrzehnt später ist dies erledigt. Derzeit spielt eine wachsende Anzahl Interessierter mit Sensoren herum und sammeln Daten. Das erfolgt unstrukturiert und kann zunächst nur belächelt werden. Wir geben davon aus, dass es keine zehn Jahre dauert, um diese Daten zu einem wertvollen Hilfsmittel für professionelle Arbeit zu machen, auch und vor allem für Umweltinformatiker_innen. ODHM sieht sich als Plattform für eine netzbasierte Crowdanwendungn für (historische) Karten und Umweltdaten und sieht sich damit auch im Kontext der Open Data Initiative. Alle Daten und die gesamte Software von OHDM ist frei verfügbar [OHDM 2017]. 5 Literaturverzeichnis Hirsch, Thomas; Westphal, Florian; Saeger, Kai; Schwotzer, Thomas (2016b): Vectorisation of historical maps Exploring Old Maps (workshop), Luxembourg, June, 8. 2016, In: https://exploringoldmaps.uni.lu/content/download/706/3738/version/1/file/eomproc.pdf zuletzt aufgerufen am 03.08.2017 Schwotzer, Thomas (2016a): Open Historical Data Map – work in progress, summary of a presentation of the workshop Exploring Old Maps (workshop), Luxembourg, June, 8. 2016 (https://exploringoldmaps.uni.lu/2016). Script: (https://www.researchgate.net/publication/303818952_Open_Historical_Data_Map_OHD M_-_work_in_progress) zuletzt aufgerufen am 03.08.2017 OHDM auf GitHub (2017): https://github.com/OpenHistoricalDataMap zuletzt aufgerufen am 03.08.2017 Prototyp (2017): http://ohdm.net/ zuletzt aufgerufen am 30.08.2017 245