=Paper= {{Paper |id=Vol-2020/paper6 |storemode=property |title=Agentenbasiertes Mischflottenmanagement in der innerstädtischen Logistik (Agent Based Mixed Fleet Management in City Logistics) |pdfUrl=https://ceur-ws.org/Vol-2020/paper6.pdf |volume=Vol-2020 |authors=Thomas Oppolzer,Johannes Kretzschmar,Marianne Mauch,Volkmar Schau,Wilhelm Rossak |dblpUrl=https://dblp.org/rec/conf/lbas/OppolzerKMSR17 }} ==Agentenbasiertes Mischflottenmanagement in der innerstädtischen Logistik (Agent Based Mixed Fleet Management in City Logistics)== https://ceur-ws.org/Vol-2020/paper6.pdf
        Agentenbasiertes Mischflottenmanagement in der
                   innerstädtischen Logistik

    Thomas Oppolzer, Johannes Kretzschmar, Marianne Mauch, Volkmar Schau, Wil-
                                   helm Rossak

     Institut für Mathematik und Informatik, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland,
                                             Germany
         {Thomas.Oppolzer, Marianne.Mauch, Johannes.Kretzschmar,
                   Volkmar.Schau, Wilhelm.Rossak}@uni-jena.de



            Abstract. Smart Distribution Logistik, a german research project, wants to
         extend the usage of battery electric vehicle (BEV) in inner-city logitics. This goes
         hand in hand with the desire of german population and politics for less CO2 em-
         mision and noise of the traffic. BEV’s have a number of disadvantages like higher
         acquisition cost than vehicles with combustion engine, limited driving ranges and
         high recharge times. But they have low CO2 emission, do not produce noise and
         do not need fossil fuels. SDL tries to show the concept of an Information and
         Communications Technology (ICT) platform for managing logistic-fleets of
         BEV combined with combustion engine vehicles and optimizing the logistic
         fleet-composition, logistic concept and planned routes for BEV’s in inner-city
         logistics. In this paper we outline the concept of an ICT platform to optimize
         underused resources. We try to achieve this goal with sharing resources between
         project partners for utilization maximization. Therefore we make a Total Cost of
         Ownership (TCO) analysis of the data from stakeholders for optimizing car-,
         cargo-sharing in order to optimize the whole logistic concept for using more
         BEV’s in combined logistic fleets. We outline a concept of a distributed big data
         network with usage of software-agent technology to acquire and preprocess the
         data with a software-agent at stakeholders offices. The agents have knowledge
         about the data policies and only submit that the stakeholder allowed.


1        Einleitung

Die Elektrifizierung der Fahrzeugflotten von Logistikdienstleistern geht einher mit dem
Wunsch der Bevölkerung und Politik nach Schadstoff- und Geräuschreduktion im in-
nerstädtischen Verkehr [1]. Konventionelle Antriebe haben einen hohen CO2-Ausstoß
und sind aufgrund des Verbrennermotors laut. Elektrofahrzeuge stoßen kaum Feinstaub
und CO2 aus und verursachen aufgrund des Elektromotors weniger Lärm. Diesen Vor-
teilen stehen wesentlich höhere Anschaffungskosten im Vergleich zu konventionell an-
getriebenen Fahrzeugen, eine schlechte Ladeinfrastruktur in Deutschland sowie eine
begrenzte Reichweite einer batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugflotte gegenüber
[2]. Wu et al. haben in ihrer Studie 2015 gezeigt, dass Elektrofahrzeuge mit zunehmen-
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der Fahrleistung profitabler als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor werden [3]. Lo-
gistikdienstleister in strukturschwachen oder ländlichen Regionen, kommen meist auf
keine so hohe Fahrleistung und haben daher Fahrzeugflotten mit Verbrennungsmoto-
ren.
   Trotz der starken Förderung von Elektromobilität über die letzten Jahre halten sich
die Unternehmen bisher bei der Anschaffung von Elektrofahrzeugen durch die ein-
gangs erwähnten Nachteile eher zurück. Im Rahmen des Forschungsprogramms „In-
formations- und Kommunikationstechnik (IKT) für Elektromobilität III: Einbindung
von gewerblichen Elektrofahrzeugen in Logistik-, Energie- und Mobilitätsinfrastruktu-
ren” wird Elektromobilität im kommerziellen Bereich gefördert [4]. Das Projetk Smart
Distribution Logistik (SDL) hat sich daher den Ausbau von Elektromobilität in der in-
nerstädtischen Logistik zum Ziel gesetzt.
   Im Rahmen von SDL wird ein hierarchisches Optimierungssystem (Abbildung 6)
mit mehrschichtigem Planungsprozess, Rückkopplung zwischen den Tourenebenen
und Input-Flexibilität, wie Mensch, Ware, Fahrzeuge und Standorte, als selbstlernendes
System entwickelt. Die Tourenebenen setzen sich aus der Rahmentour (bezogen auf
Zustellgebiete), der Tagestour (tägliche zu realisierende Tour), sowie dem Logistikkon-
zept (bezogen auf Standorte und strategische Entscheidungen) zusammen. Innerhalb
der Optimierung der Rahmentour wird die Verteilung der Hubs und Mikro-Hubs fest-
gelegt. Die Knotenpunkte (Hubs) sind Umschlagsplätze für Logistiktransportgut und
dienen der Verteilung [5]. Sie kommen in verschiedenen Größenordnungen vor. Es
können große zentrale Verteilzentren (Hubs) sein oder sehr kleine Verteilzentren
(Mikro-Hubs). Diese Mikro-Hubs sind im Projekt SDL beispielsweise Garagen oder
kleine mobile, energieautarke Anhänger.
   Das hierarchische Optimierungssystem wird innerhalb von SDL in eine IKT-
Systemplattform mit mehrschichtiger Planungsunterstützung für Standort-, Rahmen-
und Tourenplanung und Tourensteuerung integriert.
   Die Entwicklung einer computergestützten Total Cost of Ownership (TCO) Analyse
dient als Grundlage zur monetären Bewertung einer Liefertour. Sie beinhaltet alle an-
fallenden Kosten für den Einsatz eines Fahrzeuges. Sie dient im Projekt SDL als Be-
rechnungsgrundlage zur Tour- und Standortoptimierung sowie zum überbetrieblichen
Teilen der Fahrzeuge [6].
   Die Medienlogistik als Teilbereich der Logistik befindet sich seit einiger Zeit im
Umbruch und gestaltet ihre Geschäftsprozesse neu [7]. Aufgrund der Mindestlohnein-
führung und des stetig zurückgehenden Zeitungsgeschäfts durch anhaltende Digitali-
sierung muss diese Branche neue Wege gehen, um rentabel zu bleiben. Wurden die
Fahrer vor der Mindestlohneinführung nach Stückzahl bezahlt, so werden sie jetzt pro
Stunde entlohnt und sind dadurch teurer geworden. Die Arbeitszeit muss so effektiv
wie möglich genutzt werden. Die Medienlogistiker wollen dazu neben dem Verteilen
von Zeitungen und Werbebroschüren zur maximalen Auslastung ihrer Fahrzeugflotte
auch Briefe verteilen. SDL erarbeitet gemeinsam mit verschiedenen Partnern dieser
Branche ein Konzept zur Optimierung der Auslastung der bereits angeschafften Elekt-
rofahrzeuge aus. Dazu wird eine IKT-Plattform implementiert, welche die firmenüber-
greifende Mehrfachnutzung der Fahrzeuge, die Logistikkonzeptplanung und die TCO-
Analyse automatisiert ermöglicht.
Ortsbezogene Anwendungen und Dienste 2017                                            83


2      Grundlagen / verwandte Arbeiten

In der Stadtlogistik eingesetzte IT-Systeme sind bisher meist rein für die Tourenpla-
nung verwendet worden. Sie bieten grobe Fahrzeitvoraussagen, welche auf der Berech-
nung von Distanzen zwischen den Tourenstops beruhen, aber sie beachten bei der Pla-
nung keine zeitabhängigen Verkehrsfaktoren wie den Berufsverkehr in den Morgen-
stunden. Dieser verursacht Staus und bringt den Verkehr komplett zum Erliegen. Diese
Fahrzeitschwankungen in den Morgenstunden sind bekannt, werden aber bei der Pla-
nung durch bisherige Tools kaum berücksichtigt. Dies führt zu ungenauen Lieferzeit-
angaben mit entsprechenden Folgen [8].
   Mit dieser Problemstellung setzte sich das Projekt Smart City Logistik (SCL) Erfurt
auseinander. SCL implementiert eine IKT-Systemplattform, welche bestehende Lo-
gistiksysteme um e-mobility-spezifische Faktoren erweitert. Dabei wurden die be-
grenzte Reichweite elektromotorisch betriebener Fahrzeuge sowie der Aspekt des
elektrischen Lademanagements betrachtet. Zur Errechnung der Reichweite eines Elekt-
rofahrzeugs wurden die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Reichweite untersucht und
diese in ein Reichweitenmodell zur Tagestourplanung überführt [9].
   Die Einführung heterogener Fahrzeugflotten in die Stadtlogistik bringt Herausfor-
derungen mit sich. Das auf SCL aufbauende Projekt SDL verfolgt den Ansatz, Elekt-
rofahrzeuge kombiniert mit konventionell angetriebenen Fahrzeugen rentabel in Stadt-
logistikprozesse zu integrieren. Dabei gilt es die speziellen Besonderheiten wie die La-
dezeit der Fahrzeuge, die Reichweitenbeschränkung sowie eine beschränkte Anzahl
und schlechte Verteilung von Ladesäulen mit zu beachten. Auch Umwelteinflüsse wie
Dunkelheit und schlechtes Wetter haben einen größeren Einfluss auf die Reichweite
und müssen beachtet werden [10]. Fahrverbote in Umweltzonen für bestimmte Schad-
stoffklassen verhindern das Einfahren von diesen in bestimmte Bereiche der Stadt. Der
Übergang oder auch die Integration von Elektrofahrzeugen in Fahrzeugflotten ist in der
bisherigen Literatur wenig behandelt [11]. Schneider et al. haben 2014 das Electric Ve-
hicle Routing Problem (EVRP) vorgestellt, welches sich mit auf dem Weg befindlichen
Ladestationen zum Nachladen beschäftigt, um optimale Routen für Elektrofahrzeuge
zu planen.


3      Methoden

Zur wirtschaftlichen Umsetzung der Elektrifizierung der Logistikflotte verfolgt das
Projekt SDL den Ansatz einer Fourth-Party-Logistics (4PL) Plattform. 4PL Provider
besitzen keine eigenen Lkw, Hubs oder Lagerhallen, sondern stellen ihr Wissen, bei-
spielsweise im Bereich Fuhrparkmanagement, zur Verfügung [12]. Dieser 4PL Provi-
der stellt eine TCO-basierte Planungs- und Steuerungsplattform mit Hilfe von Soft-
ware-Agenten dar, welche die gesamte Logistikkette selbstätig reguliert und dabei
Mehrfachnutzungskonzepte (Car-Sharing) der Fahrzeugflotte berücksichtigt. Software-
Agenten sind Software-Instanzen, welche autonom von einem Benutzer vorgegebene
Aufgaben in einer Ausführungsumgebung bearbeiten. Ein Agent handelt proaktiv und
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reaktiv, ist anpassbar und kommunikativ (mit Menschen oder anderen Agenten). Soft-
ware-Agenten, die zwischen verschiedenen Agencies, welche jeweils von einem Mul-
tiagentensystem (MAS) zur Verfügung gestellt wird, reisen können (migrieren), wer-
den als mobile Agenten bezeichnet [13]. In 3.1 wird auf das TCO-Modell als monetäres
Bewertungsmodell, in Abschnitt 3.2 auf den agentenbasierten Ansatz und in 3.3 auf
eine Idee zum Cargo-Sharing während des Abfahrens einer Liefertour näher eingegan-
gen.


3.1    TCO-Modell zur Tour- und Flottenoptimierung
Im TCO-Modell müssen sich bestimmte Parameter in Hinsicht auf die deutsche Geset-
zeslage wiederfinden. Dazu gehören Versicherungen, Steuern und Abschreibungszeit-
räume. Elektrofahrzeuge sind zwar in der Anschaffung teurer als Verbrennerfahrzeuge,
dafür verursachen sie weniger Energiekosten und verbrauchen, in Hinsicht auf die an-
stehende Knappheit fossiler Energieträger, keine fossilen Kraftstoffe. Sie benötigen
weniger Wartung und sind günstiger zu versteuern [10].
   Abbildung 1 stellt den Logistikprozess als hierarchisches Modell mit den drei Ebe-
nen Logistikkonzept, Rahmentouren und Tagestouren dar. Die Tagestour ist dabei die
Konkretisierung einer Rahmentour durch Festlegung von Fahrer und Fahrzeug sowie
die Anpassung an Kunden und die Änderungen kurzfistiger Faktoren wie Wetter, Bau-
stellen und anderer Verkehrsfaktoren. Wird in einer für ein Verbrennerfahrzeug wirt-
schaftlichen Tagestour das Verbrennerfahrzeug gegen ein Elektrofahrzeug ausge-
tauscht und die Tour für das Elektrofahrzeug unwirtschaftlich, so fließt das in die Be-
wertung der Tour ein und die Rahmentour wird auf das Elektrofahrzeug optimiert.




                             Abbildung 1: Systemschaubild

Die Rahmentour erfasst Informationen zum Tourverlauf. Im Mittelpunkt stehen dabei
die Route, Liefer- und Umschlagpunkte. Die Änderung einer Rahmentour führt dazu,
dass alle Rahmentouren optimiert werden müssen, da beispielsweise ein oder mehrere
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Kunden aus der Tour herausgeplant werden und in eine neue Rahmentour eingeplant
werden müssen. Bei der Erstellung der Rahmentouren muss auf die speziellen Gege-
benheiten der Elektrofahrzeuge Rücksicht genommen werden. Das heißt zu lange Tou-
ren müssen gekürzt werden oder es müssen Zeiten zum Zwischenladen eingeplant wer-
den, damit ein Elektrofahrzeug rentabel eingesetzt werden kann.
   Die Optimierung der Rahmentour legt auch die Verteilung der Hubs und Mikro-
Hubs fest.
   Zur Optimierung des gesamten Logistikkozepts fließen nicht nur die Kosten für
Fahrzeug und Fahrer in die TCO-Analyse ein, sondern alle Kosten wie IT, Wartung
und alle restlichen durch die Infrastruktur verursachten Kosten. Dies ermöglicht nicht
nur eine kurzfristige Optimierung des Dispositionsprozesses, sondern auch eine auf
lange Sicht optimierte Logistikstrategie.


3.2    Agentenbasiertes verteiltes Big Data Netzwerk
Unternehmen sind bisher bei der Anschaffung von Elektrofahrzeugen aufgrund zu ge-
ringer Auslastung eher zurückhaltend. Innerhalb von SDL wollen die teilnehmenden
Medienlogistiker ihre Geschäftsprozesse umstellen. Sie übernehmen neben der Zei-
tungslogistik zusätzlich Briefzustellungen zur Auslastungsmaximierung. Für den Ein-
satz von Elektrofahrzeugen zur Auslieferung muss eine Touroptimierung stattfinden,
um diese auf die speziellen Rahmenbedingungen wie beschränkte Reichweite und
Stops zum Zwischenladen der Fahrzeuge anzupassen. Car-Sharing der Fahrzeuge soll
ebenfalls dazu beitragen, diese stärker auszulasten. Ist der Medienlogistiker mit der
Zeitungs- und Briefzustellung bis zum frühen Nachmittag fertig, so könnte das Fahr-
zeug nachts von einem Sicherheitsdienst benutzt werden. Aber nicht nur zeitlich unter-
schiedlich arbeitende Unternehmen sondern auch Unternehmen mit gleichen Kunden
können profitieren. Wenn ein Essensauslieferer täglich den gleichen Kunden wie ein
Zeitungszulieferer bedient, so besteht die Möglichkeit, dass er nur von einem Unter-
nehmen angefahren wird und dieses die Sendung des anderen mitnehmen kann. Mit
einem üblichen Big Data Ansatz würde man das TCO-Modell auf die verschiedenen
Fahrzeugflotten der Logistiker erweitern und alle Daten zusammenführen, um sie spä-
ter durchsuchen zu können. Dies führt zu dem Problem, dass eine große Menge an Da-
ten von verschiedenen Enterprise-Resource-Planning (ERP) Systemen, welche mög-
licherweise heterogene Datenmodelle besitzen können, gesammelt und gespeichert
werden müssen.
   Abbildung 2 zeigt den grundlegenden Ansatz der SDL Systemarchitektur. Bei jedem
Kunden, die in Form der Lkw-Symbole dargestellt sind, sind große Mengen an Daten
vorhanden. Zur Auswertung dieser Daten werden die Kunden miteinander mit Hilfe
mobiler Agenten verbunden (verteiltes Big Data Netzwerk).
   Für das verteilte Big Data Netzwerk bedarf es eines semantischen Netzes, mit dessen
Hilfe auf unterschiedliche Datenmodelle abgebildet werden kann. Womit die Anpas-
sung an das jeweilige ERP Interface und die firmenübergreifende Interaktion umzuset-
zen sind. Dabei müssen verschiedene datenschutzrechtliche, sicherheitstechnische und
das geistige Eigentum (Intelectual Property – IP) betreffende Fragen geklärt werden.
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                     Abbildung 2: Systemarchitektur 4PL Plattform

Zur Umsetzung wird ein MAS implementiert. Die Vorverarbeitung der Daten wird im
MAS durch Agenten übernommen. Dazu kapseln die Agenten die speziellen Schnitt-
stellen und Datenformate der jeweiligen ERP Systeme und besitzen Regeln zur Daten-
filterung, welche Sicherheitsrichtlinien und gesetzliche Bestimmungen beachten und
dadurch das IP der Firmen sichern.
    Diese als 4PL angedachte Plattform soll die Steuerung der Logistikprozesse unter-
stützen. Dazu wird bei jedem an der 4PL Plattform teilnehmenden Unternehmen ein
MAS eingesetzt, in welchem die Software-Agenten agieren. Im SDL-Ansatz migrieren
die Agenten zwischen den Agencies und verarbeiten die Daten dort lokal. Am Ende
wird nur das Ergebnis beziehungsweise passende Daten zurückübertragen. Das lokale
Verarbeiten der Daten spart dabei Bandbreite, Speicherplatz und lässt nur vom Unter-
nehmen gewünschte Daten nach außen dringen.




                     Abbildung 3: Datenverarbeitung eines Agenten
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Abbildung 3 veranschaulicht die Vorverarbeitung der Daten durch einen Software-
Agenten. Dabei befindet sich ein Agent im System des Resourcenanbieters, dieser hat
Zugriff auf das ERP System. Fordert ein Fremdagent Daten an, um Verhandlungen mit
dem Anbieter durchzuführen, so werden die Daten durch den Anbieteragenten gefiltert.
Diese Filterung liefert dem Anfrage-Agenten keine Daten, die das Unternehmen aus
Gründen des Datenschutzes, des geistigen Eigentums oder aus firmenpolitischen Inte-
ressen, nicht herausgeben will.
   Diese Agentenarchitektur wird als BDI (Belief-Desire-Intention) Agent bezeichnet.
Der Agent verfolgt eine vom Benutzer aufgetragene Aufgabe (Desire), wobei er zur
Erreichung des Ziels Wissen über seine Umwelt benötigt (Belief). Im Fall der 4PL
Plattform im SDL Projekt ist das beispielsweise die Einhaltung der Regeln im in Ab-
bildung 3 dargestellten Verhandlungsprozess. Intention ist der zum Erreichen des Ziels
gewählte Weg. Der Agent kann selbständig entscheiden, wie er das Ziel erreicht [14].


3.3    Cargo-Sharing Idee
Führt man die 4PL-Idee mit einem verteilten Big-Data-Netzwerk weiter, lassen sich
Cargo-Sharing Ansätze als weitere Optimierungsstufe integrieren.




                           Abbildung 4: Live Cargo-Sharing

Jedes Fahrzeug führt eine Telematik-Einheit mit sich, welche kontinuierlich Fahrzeug-
daten, wie GPS-Position, Akkuladestand, Geschwindigkeit, und weitere fahrzeugspe-
zifische Daten über den CAN-Bus, sowie Daten über Wetterbegebenheiten aus exter-
nen Quellen sammelt und an die 4PL Plattform übermittelt. Den Agenten der 4PL Platt-
form ist bekannt, zu welchem Kunden wieviel Ware zu welcher Zeit geliefert wird.
Anhand der stetigen Übertragung der Fahrzeugposition und der geplanten Route für ein
Fahrzeug ist der Plattform immer bekannt, wo sich ein Fahrzeug befindet, welche Ziele
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auf seinem Weg liegen und wieviel Ware dort abgeladen wird. Die Kommunikation
zwischen den Fahrzeugen und der Plattform übernehmen Software-Agenten, welche
auf der Box, der 4PL Plattform und bei den Logistikern arbeiten. Das bietet die Mög-
lichkeit im laufenden Betrieb Kommunikationspartner hinzuzufügen oder zu entfernen.
   Abbildung 4 zeigt ein Fahrzeug eines Logistikers, welches eine geplante Route ab-
fährt und dabei Waren ausliefert. Das Fahrzeug startet vollbeladen. An jedem Tourstop
(symbolisiert durch orange-graue GPS-Icons) liefert es Waren aus und meldet die aus-
gelieferte Menge an die 4PL Plattform zurück. Die Fahrzeugposition ist der 4PL Platt-
form zu jedem Zeitpunkt bekannt.
   Dadurch lässt sich die freie Kapazität zu jedem Zeitpunkt feststellen. Ein weiterer
Plattformteilnehmer, welcher momentan kein freies Fahrzeug zur Verfügung hat, will
Waren zu einem Kunden transportieren lassen. Er stellt eine Anfrage an die 4PL Platt-
form und diese ermittelt, ob es die Möglichkeit gibt, den Kunden, symbolisiert mit dem
blauen GPS-Icon, zu beliefern. Die Agenten auf der Plattform stellen fest, dass der
Standort der Ware und der Kunde auf der geplanten Route eines Elektrofahrzeuges lie-
gen. Es wird auch überprüft, ob die Zwischenstops in das Zeitfenster passen und ob die
angefragte Menge der Ware in die zu dem Zeitpunkt wieder frei gewordene Lieferka-
pazität passt. Wenn das der Fall ist, plant die Plattform den Zwischenstopp zum Aufla-
den der Ware und zum Abladen der Ware in die Tour ein und übermittelt die neue Tour
an den Fahrer.




                         Abbildung 5: Ablieferung Fremdpaket

Dieser holt die Ware ab und liefert sie beim Zwischenstopp ab (Abbildung 5). Dadurch
wird die neu entstandene Kapazität auf der Lieferroute maximal ausgelastet, was zu
einer höheren Rentabilität der Route führt. Die im Projetk SDL zu implementierende
4PL Plattform kann, wenn es in das Zeitfenster der Lieferungen passt, auch Umwege
mit einplanen. Da die Restreichweite aufgrund der stetigen Akkuladestandsabfrage und
Übermittlung zu jedem Zeitpunkt bekannt ist, kann die Lieferroute zu jedem Zeitpunkt
innerhalb des verfügbaren Zeitfensters zur Auslieferung der Waren, variiert werden.
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4      Ergebnis

In der vorliegenden Arbeit wurde ein agentenbasierter Ansatz zur Umsetzung einer 4PL
Plattform umrissen. Mit dem „Electric Vehicle Routing Problem with Time Windows
and Recharging Stations“ mit Blick auf das Ladesäulenmanagement von Schneider et
al. (2014) und dem Projekt SCL wurde Grundlagenarbeit zur Routenplanung und Tou-
renoptimierung geleistet. Die Implementierung des TCO-Modells und der Routenopti-
mierung, welche auch die Verteilung der Mikro-Hubs beachtet, in die Agententechno-
logie kann große ökonomische und ökologische Vorteile für die elektrifizierte Logis-
tikflotte mit sich bringen. Die Datenhaltung kann bei jedem Logistiker lokal sein. Die
Agenten, welche das TCO-Modell implementieren, um auf gesetzliche, datenschutz-
rechtliche und firmenpolitische Interessen Rücksicht zu nehmen, migrieren zwischen
den verschiedenen Agencies hin und her, um die gewünschten Informationen zu erhal-
ten und Verhandlungen durchführen zu können.
Jeder Logistiker verwendet ein eigenes ERP System und andere Drittsysteme. Bei der
Implementierung der Agenten müssen Schnittstellen zu verschiedenen ERP und Dritt-
systemen bereitgestellt werden. Dies erhöht den Implementierungsaufwand. Dieser
Mehraufwand zahlt sich durch einen Zugewinn an Funktionalität und eine leichte Er-
weiterbarkeit des Agentensystems im laufenden Betrieb aus.
    Die Agententechnologie ermöglicht den Betrieb eines Agenten in einem Fahrzeug,
wodurch eine Einplanung von neuen Zwischenzielen während der Fahrt ermöglicht
wird. Car-Sharing, Cargo-Sharing und Verteilung der Hubs und Mikro-Hubs innerhalb
der 4PL Plattformteilnehmer sind Bestandteile der Optimierung des Logistikkonzeptes
durch die 4PL Plattform. Dadurch kann die Auslastung der Lieferkapazität des Elekt-
rofahrzeugs maximiert werden.
    Im Rahmen des 4. SCL Kongresses fand ein SDL Workshop statt, in welchem Lo-
gistiker zur Datenherausgabe unter bestimmten Bedingungen befragt wurden und Be-
reitschaft signalisierten. Die weitere TCO-Analyse der Daten erfolgt im Laufe des Pro-
jektes. Eine mögliche Filterung und Vorverarbeitung der Daten darf diese nicht unnutz-
bar zur Verwendung für die TCO-Analyse machen. In die Umsetzung eines auf den
herausgegeben Daten beruhenden automatischen Verhandlungsmodells in der Agen-
tentechlogie müssen sicherheitsrelevante Sachverhalte, wie Verschlüsselung der Daten
und Zertifizierung der Software-Agenten einbezogen werden. Dadurch stellt sich die
Frage, wie Agenten, welche kleine Programme sind, sicher zwischen den Agencies
migrieren können. Ein Ansatz dabei wäre, dass die Agenten keinen direkten Zugriff auf
das System der Logistiker bekommen, sondern in einer Art Black-Box laufen, welche
bei jedem Logistiker integriert wird. Die Agenten dürfen nur auf den Black-Boxen in-
teragieren und können von dort auf eine definierte Schnittstelle zugreifen. Somit kann
der angerichtete Schaden von bösartigen Agenten begrenzt werden. Die Black-Boxen
können nur über eine sichere VPN-Verbindung miteinander kommunizieren und neh-
men keine über das Internet migrierenden Agenten an. Eine bei den Logistikern fest
installierte Algorithmik erschwert den Austausch der Logik im laufenden Betrieb. Im
Fall eines Austausches der Verhandlungslogik in der eTelematik-Einheit während einer
Liefertour würde die Agententechnologie dies vereinfachen, ohne zusätzlichen Instal-
lationsaufwand zu verursachen.
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5      Ausblick

Der Hauptfokus des Projektes liegt in der firmenübergreifenden Optimierung. Diese
Optimierung übernimmt im späteren Projektverlauf eine IKT-Systemplattform, welche
mit Agententechnologie ein verteiltes Big Data Netzwerk implementiert. Die Machbar-
keit der firmenübergreifenden Optimierung muss in diesem Zusammenhang getestet
und evaluiert werden. Das Projekt SDL befindet sich in der Phase, herauszufinden, wel-
che und ob die Logistiker überhaupt bereit sind, Daten herauszugeben. Die im Work-
shop mündlich signalisierte Bereitschaft dazu muss gemeinsam mit den Projektpartnern
vertieft werden. Weiterhin muss evaluiert werden, ob die Qualität der Daten für die
Optimierung ausreicht und welche Datensätze zur Optimierung benötigt werden.
   Der bisherige Entwurf der SDL 4PL Plattflorm beinhaltet den Betrieb für eine ge-
schlossene Gruppe an Teilnehmern, welche ihre Fahrzeugflotte unter sich teilen. Die
Optimierung wird nur für diese Teilnehmer vorgenommen. In einem Nachfolgeprojekt
könnte die Plattform für alle Marktteilnehmer geöffnet werden. Jeder Logistiker könnte
seine Fahrzeugflotte und Routen, sowie Hubs über die Plattform optimieren lassen.
Dies würde allen Beteiligten große Einsparpotentiale bringen und Standorte, sowie
Fahrzeuge könnten noch effizienter genutzt werden. Privatpersonen könnten ebenfalls
über die Plattform ihre mit ihrem privat Pkw geplanten Routen angeben und mit trans-
portieren oder über die Plattform den Transport von Waren in Auftrag geben, so dass
der Transport in eine bestehende Lieferroute eingeplant werden kann.


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