Agentenbasiertes Mischflottenmanagement in der innerstädtischen Logistik Thomas Oppolzer, Johannes Kretzschmar, Marianne Mauch, Volkmar Schau, Wil- helm Rossak Institut für Mathematik und Informatik, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Deutschland, Germany {Thomas.Oppolzer, Marianne.Mauch, Johannes.Kretzschmar, Volkmar.Schau, Wilhelm.Rossak}@uni-jena.de Abstract. Smart Distribution Logistik, a german research project, wants to extend the usage of battery electric vehicle (BEV) in inner-city logitics. This goes hand in hand with the desire of german population and politics for less CO2 em- mision and noise of the traffic. BEV’s have a number of disadvantages like higher acquisition cost than vehicles with combustion engine, limited driving ranges and high recharge times. But they have low CO2 emission, do not produce noise and do not need fossil fuels. SDL tries to show the concept of an Information and Communications Technology (ICT) platform for managing logistic-fleets of BEV combined with combustion engine vehicles and optimizing the logistic fleet-composition, logistic concept and planned routes for BEV’s in inner-city logistics. In this paper we outline the concept of an ICT platform to optimize underused resources. We try to achieve this goal with sharing resources between project partners for utilization maximization. Therefore we make a Total Cost of Ownership (TCO) analysis of the data from stakeholders for optimizing car-, cargo-sharing in order to optimize the whole logistic concept for using more BEV’s in combined logistic fleets. We outline a concept of a distributed big data network with usage of software-agent technology to acquire and preprocess the data with a software-agent at stakeholders offices. The agents have knowledge about the data policies and only submit that the stakeholder allowed. 1 Einleitung Die Elektrifizierung der Fahrzeugflotten von Logistikdienstleistern geht einher mit dem Wunsch der Bevölkerung und Politik nach Schadstoff- und Geräuschreduktion im in- nerstädtischen Verkehr [1]. Konventionelle Antriebe haben einen hohen CO2-Ausstoß und sind aufgrund des Verbrennermotors laut. Elektrofahrzeuge stoßen kaum Feinstaub und CO2 aus und verursachen aufgrund des Elektromotors weniger Lärm. Diesen Vor- teilen stehen wesentlich höhere Anschaffungskosten im Vergleich zu konventionell an- getriebenen Fahrzeugen, eine schlechte Ladeinfrastruktur in Deutschland sowie eine begrenzte Reichweite einer batterieelektrisch betriebenen Fahrzeugflotte gegenüber [2]. Wu et al. haben in ihrer Studie 2015 gezeigt, dass Elektrofahrzeuge mit zunehmen- 82 LBAS 2017 der Fahrleistung profitabler als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor werden [3]. Lo- gistikdienstleister in strukturschwachen oder ländlichen Regionen, kommen meist auf keine so hohe Fahrleistung und haben daher Fahrzeugflotten mit Verbrennungsmoto- ren. Trotz der starken Förderung von Elektromobilität über die letzten Jahre halten sich die Unternehmen bisher bei der Anschaffung von Elektrofahrzeugen durch die ein- gangs erwähnten Nachteile eher zurück. Im Rahmen des Forschungsprogramms „In- formations- und Kommunikationstechnik (IKT) für Elektromobilität III: Einbindung von gewerblichen Elektrofahrzeugen in Logistik-, Energie- und Mobilitätsinfrastruktu- ren” wird Elektromobilität im kommerziellen Bereich gefördert [4]. Das Projetk Smart Distribution Logistik (SDL) hat sich daher den Ausbau von Elektromobilität in der in- nerstädtischen Logistik zum Ziel gesetzt. Im Rahmen von SDL wird ein hierarchisches Optimierungssystem (Abbildung 6) mit mehrschichtigem Planungsprozess, Rückkopplung zwischen den Tourenebenen und Input-Flexibilität, wie Mensch, Ware, Fahrzeuge und Standorte, als selbstlernendes System entwickelt. Die Tourenebenen setzen sich aus der Rahmentour (bezogen auf Zustellgebiete), der Tagestour (tägliche zu realisierende Tour), sowie dem Logistikkon- zept (bezogen auf Standorte und strategische Entscheidungen) zusammen. Innerhalb der Optimierung der Rahmentour wird die Verteilung der Hubs und Mikro-Hubs fest- gelegt. Die Knotenpunkte (Hubs) sind Umschlagsplätze für Logistiktransportgut und dienen der Verteilung [5]. Sie kommen in verschiedenen Größenordnungen vor. Es können große zentrale Verteilzentren (Hubs) sein oder sehr kleine Verteilzentren (Mikro-Hubs). Diese Mikro-Hubs sind im Projekt SDL beispielsweise Garagen oder kleine mobile, energieautarke Anhänger. Das hierarchische Optimierungssystem wird innerhalb von SDL in eine IKT- Systemplattform mit mehrschichtiger Planungsunterstützung für Standort-, Rahmen- und Tourenplanung und Tourensteuerung integriert. Die Entwicklung einer computergestützten Total Cost of Ownership (TCO) Analyse dient als Grundlage zur monetären Bewertung einer Liefertour. Sie beinhaltet alle an- fallenden Kosten für den Einsatz eines Fahrzeuges. Sie dient im Projekt SDL als Be- rechnungsgrundlage zur Tour- und Standortoptimierung sowie zum überbetrieblichen Teilen der Fahrzeuge [6]. Die Medienlogistik als Teilbereich der Logistik befindet sich seit einiger Zeit im Umbruch und gestaltet ihre Geschäftsprozesse neu [7]. Aufgrund der Mindestlohnein- führung und des stetig zurückgehenden Zeitungsgeschäfts durch anhaltende Digitali- sierung muss diese Branche neue Wege gehen, um rentabel zu bleiben. Wurden die Fahrer vor der Mindestlohneinführung nach Stückzahl bezahlt, so werden sie jetzt pro Stunde entlohnt und sind dadurch teurer geworden. Die Arbeitszeit muss so effektiv wie möglich genutzt werden. Die Medienlogistiker wollen dazu neben dem Verteilen von Zeitungen und Werbebroschüren zur maximalen Auslastung ihrer Fahrzeugflotte auch Briefe verteilen. SDL erarbeitet gemeinsam mit verschiedenen Partnern dieser Branche ein Konzept zur Optimierung der Auslastung der bereits angeschafften Elekt- rofahrzeuge aus. Dazu wird eine IKT-Plattform implementiert, welche die firmenüber- greifende Mehrfachnutzung der Fahrzeuge, die Logistikkonzeptplanung und die TCO- Analyse automatisiert ermöglicht. Ortsbezogene Anwendungen und Dienste 2017 83 2 Grundlagen / verwandte Arbeiten In der Stadtlogistik eingesetzte IT-Systeme sind bisher meist rein für die Tourenpla- nung verwendet worden. Sie bieten grobe Fahrzeitvoraussagen, welche auf der Berech- nung von Distanzen zwischen den Tourenstops beruhen, aber sie beachten bei der Pla- nung keine zeitabhängigen Verkehrsfaktoren wie den Berufsverkehr in den Morgen- stunden. Dieser verursacht Staus und bringt den Verkehr komplett zum Erliegen. Diese Fahrzeitschwankungen in den Morgenstunden sind bekannt, werden aber bei der Pla- nung durch bisherige Tools kaum berücksichtigt. Dies führt zu ungenauen Lieferzeit- angaben mit entsprechenden Folgen [8]. Mit dieser Problemstellung setzte sich das Projekt Smart City Logistik (SCL) Erfurt auseinander. SCL implementiert eine IKT-Systemplattform, welche bestehende Lo- gistiksysteme um e-mobility-spezifische Faktoren erweitert. Dabei wurden die be- grenzte Reichweite elektromotorisch betriebener Fahrzeuge sowie der Aspekt des elektrischen Lademanagements betrachtet. Zur Errechnung der Reichweite eines Elekt- rofahrzeugs wurden die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Reichweite untersucht und diese in ein Reichweitenmodell zur Tagestourplanung überführt [9]. Die Einführung heterogener Fahrzeugflotten in die Stadtlogistik bringt Herausfor- derungen mit sich. Das auf SCL aufbauende Projekt SDL verfolgt den Ansatz, Elekt- rofahrzeuge kombiniert mit konventionell angetriebenen Fahrzeugen rentabel in Stadt- logistikprozesse zu integrieren. Dabei gilt es die speziellen Besonderheiten wie die La- dezeit der Fahrzeuge, die Reichweitenbeschränkung sowie eine beschränkte Anzahl und schlechte Verteilung von Ladesäulen mit zu beachten. Auch Umwelteinflüsse wie Dunkelheit und schlechtes Wetter haben einen größeren Einfluss auf die Reichweite und müssen beachtet werden [10]. Fahrverbote in Umweltzonen für bestimmte Schad- stoffklassen verhindern das Einfahren von diesen in bestimmte Bereiche der Stadt. Der Übergang oder auch die Integration von Elektrofahrzeugen in Fahrzeugflotten ist in der bisherigen Literatur wenig behandelt [11]. Schneider et al. haben 2014 das Electric Ve- hicle Routing Problem (EVRP) vorgestellt, welches sich mit auf dem Weg befindlichen Ladestationen zum Nachladen beschäftigt, um optimale Routen für Elektrofahrzeuge zu planen. 3 Methoden Zur wirtschaftlichen Umsetzung der Elektrifizierung der Logistikflotte verfolgt das Projekt SDL den Ansatz einer Fourth-Party-Logistics (4PL) Plattform. 4PL Provider besitzen keine eigenen Lkw, Hubs oder Lagerhallen, sondern stellen ihr Wissen, bei- spielsweise im Bereich Fuhrparkmanagement, zur Verfügung [12]. Dieser 4PL Provi- der stellt eine TCO-basierte Planungs- und Steuerungsplattform mit Hilfe von Soft- ware-Agenten dar, welche die gesamte Logistikkette selbstätig reguliert und dabei Mehrfachnutzungskonzepte (Car-Sharing) der Fahrzeugflotte berücksichtigt. Software- Agenten sind Software-Instanzen, welche autonom von einem Benutzer vorgegebene Aufgaben in einer Ausführungsumgebung bearbeiten. Ein Agent handelt proaktiv und 84 LBAS 2017 reaktiv, ist anpassbar und kommunikativ (mit Menschen oder anderen Agenten). Soft- ware-Agenten, die zwischen verschiedenen Agencies, welche jeweils von einem Mul- tiagentensystem (MAS) zur Verfügung gestellt wird, reisen können (migrieren), wer- den als mobile Agenten bezeichnet [13]. In 3.1 wird auf das TCO-Modell als monetäres Bewertungsmodell, in Abschnitt 3.2 auf den agentenbasierten Ansatz und in 3.3 auf eine Idee zum Cargo-Sharing während des Abfahrens einer Liefertour näher eingegan- gen. 3.1 TCO-Modell zur Tour- und Flottenoptimierung Im TCO-Modell müssen sich bestimmte Parameter in Hinsicht auf die deutsche Geset- zeslage wiederfinden. Dazu gehören Versicherungen, Steuern und Abschreibungszeit- räume. Elektrofahrzeuge sind zwar in der Anschaffung teurer als Verbrennerfahrzeuge, dafür verursachen sie weniger Energiekosten und verbrauchen, in Hinsicht auf die an- stehende Knappheit fossiler Energieträger, keine fossilen Kraftstoffe. Sie benötigen weniger Wartung und sind günstiger zu versteuern [10]. Abbildung 1 stellt den Logistikprozess als hierarchisches Modell mit den drei Ebe- nen Logistikkonzept, Rahmentouren und Tagestouren dar. Die Tagestour ist dabei die Konkretisierung einer Rahmentour durch Festlegung von Fahrer und Fahrzeug sowie die Anpassung an Kunden und die Änderungen kurzfistiger Faktoren wie Wetter, Bau- stellen und anderer Verkehrsfaktoren. Wird in einer für ein Verbrennerfahrzeug wirt- schaftlichen Tagestour das Verbrennerfahrzeug gegen ein Elektrofahrzeug ausge- tauscht und die Tour für das Elektrofahrzeug unwirtschaftlich, so fließt das in die Be- wertung der Tour ein und die Rahmentour wird auf das Elektrofahrzeug optimiert. Abbildung 1: Systemschaubild Die Rahmentour erfasst Informationen zum Tourverlauf. Im Mittelpunkt stehen dabei die Route, Liefer- und Umschlagpunkte. Die Änderung einer Rahmentour führt dazu, dass alle Rahmentouren optimiert werden müssen, da beispielsweise ein oder mehrere Ortsbezogene Anwendungen und Dienste 2017 85 Kunden aus der Tour herausgeplant werden und in eine neue Rahmentour eingeplant werden müssen. Bei der Erstellung der Rahmentouren muss auf die speziellen Gege- benheiten der Elektrofahrzeuge Rücksicht genommen werden. Das heißt zu lange Tou- ren müssen gekürzt werden oder es müssen Zeiten zum Zwischenladen eingeplant wer- den, damit ein Elektrofahrzeug rentabel eingesetzt werden kann. Die Optimierung der Rahmentour legt auch die Verteilung der Hubs und Mikro- Hubs fest. Zur Optimierung des gesamten Logistikkozepts fließen nicht nur die Kosten für Fahrzeug und Fahrer in die TCO-Analyse ein, sondern alle Kosten wie IT, Wartung und alle restlichen durch die Infrastruktur verursachten Kosten. Dies ermöglicht nicht nur eine kurzfristige Optimierung des Dispositionsprozesses, sondern auch eine auf lange Sicht optimierte Logistikstrategie. 3.2 Agentenbasiertes verteiltes Big Data Netzwerk Unternehmen sind bisher bei der Anschaffung von Elektrofahrzeugen aufgrund zu ge- ringer Auslastung eher zurückhaltend. Innerhalb von SDL wollen die teilnehmenden Medienlogistiker ihre Geschäftsprozesse umstellen. Sie übernehmen neben der Zei- tungslogistik zusätzlich Briefzustellungen zur Auslastungsmaximierung. Für den Ein- satz von Elektrofahrzeugen zur Auslieferung muss eine Touroptimierung stattfinden, um diese auf die speziellen Rahmenbedingungen wie beschränkte Reichweite und Stops zum Zwischenladen der Fahrzeuge anzupassen. Car-Sharing der Fahrzeuge soll ebenfalls dazu beitragen, diese stärker auszulasten. Ist der Medienlogistiker mit der Zeitungs- und Briefzustellung bis zum frühen Nachmittag fertig, so könnte das Fahr- zeug nachts von einem Sicherheitsdienst benutzt werden. Aber nicht nur zeitlich unter- schiedlich arbeitende Unternehmen sondern auch Unternehmen mit gleichen Kunden können profitieren. Wenn ein Essensauslieferer täglich den gleichen Kunden wie ein Zeitungszulieferer bedient, so besteht die Möglichkeit, dass er nur von einem Unter- nehmen angefahren wird und dieses die Sendung des anderen mitnehmen kann. Mit einem üblichen Big Data Ansatz würde man das TCO-Modell auf die verschiedenen Fahrzeugflotten der Logistiker erweitern und alle Daten zusammenführen, um sie spä- ter durchsuchen zu können. Dies führt zu dem Problem, dass eine große Menge an Da- ten von verschiedenen Enterprise-Resource-Planning (ERP) Systemen, welche mög- licherweise heterogene Datenmodelle besitzen können, gesammelt und gespeichert werden müssen. Abbildung 2 zeigt den grundlegenden Ansatz der SDL Systemarchitektur. Bei jedem Kunden, die in Form der Lkw-Symbole dargestellt sind, sind große Mengen an Daten vorhanden. Zur Auswertung dieser Daten werden die Kunden miteinander mit Hilfe mobiler Agenten verbunden (verteiltes Big Data Netzwerk). Für das verteilte Big Data Netzwerk bedarf es eines semantischen Netzes, mit dessen Hilfe auf unterschiedliche Datenmodelle abgebildet werden kann. Womit die Anpas- sung an das jeweilige ERP Interface und die firmenübergreifende Interaktion umzuset- zen sind. Dabei müssen verschiedene datenschutzrechtliche, sicherheitstechnische und das geistige Eigentum (Intelectual Property – IP) betreffende Fragen geklärt werden. 86 LBAS 2017 Abbildung 2: Systemarchitektur 4PL Plattform Zur Umsetzung wird ein MAS implementiert. Die Vorverarbeitung der Daten wird im MAS durch Agenten übernommen. Dazu kapseln die Agenten die speziellen Schnitt- stellen und Datenformate der jeweiligen ERP Systeme und besitzen Regeln zur Daten- filterung, welche Sicherheitsrichtlinien und gesetzliche Bestimmungen beachten und dadurch das IP der Firmen sichern. Diese als 4PL angedachte Plattform soll die Steuerung der Logistikprozesse unter- stützen. Dazu wird bei jedem an der 4PL Plattform teilnehmenden Unternehmen ein MAS eingesetzt, in welchem die Software-Agenten agieren. Im SDL-Ansatz migrieren die Agenten zwischen den Agencies und verarbeiten die Daten dort lokal. Am Ende wird nur das Ergebnis beziehungsweise passende Daten zurückübertragen. Das lokale Verarbeiten der Daten spart dabei Bandbreite, Speicherplatz und lässt nur vom Unter- nehmen gewünschte Daten nach außen dringen. Abbildung 3: Datenverarbeitung eines Agenten Ortsbezogene Anwendungen und Dienste 2017 87 Abbildung 3 veranschaulicht die Vorverarbeitung der Daten durch einen Software- Agenten. Dabei befindet sich ein Agent im System des Resourcenanbieters, dieser hat Zugriff auf das ERP System. Fordert ein Fremdagent Daten an, um Verhandlungen mit dem Anbieter durchzuführen, so werden die Daten durch den Anbieteragenten gefiltert. Diese Filterung liefert dem Anfrage-Agenten keine Daten, die das Unternehmen aus Gründen des Datenschutzes, des geistigen Eigentums oder aus firmenpolitischen Inte- ressen, nicht herausgeben will. Diese Agentenarchitektur wird als BDI (Belief-Desire-Intention) Agent bezeichnet. Der Agent verfolgt eine vom Benutzer aufgetragene Aufgabe (Desire), wobei er zur Erreichung des Ziels Wissen über seine Umwelt benötigt (Belief). Im Fall der 4PL Plattform im SDL Projekt ist das beispielsweise die Einhaltung der Regeln im in Ab- bildung 3 dargestellten Verhandlungsprozess. Intention ist der zum Erreichen des Ziels gewählte Weg. Der Agent kann selbständig entscheiden, wie er das Ziel erreicht [14]. 3.3 Cargo-Sharing Idee Führt man die 4PL-Idee mit einem verteilten Big-Data-Netzwerk weiter, lassen sich Cargo-Sharing Ansätze als weitere Optimierungsstufe integrieren. Abbildung 4: Live Cargo-Sharing Jedes Fahrzeug führt eine Telematik-Einheit mit sich, welche kontinuierlich Fahrzeug- daten, wie GPS-Position, Akkuladestand, Geschwindigkeit, und weitere fahrzeugspe- zifische Daten über den CAN-Bus, sowie Daten über Wetterbegebenheiten aus exter- nen Quellen sammelt und an die 4PL Plattform übermittelt. Den Agenten der 4PL Platt- form ist bekannt, zu welchem Kunden wieviel Ware zu welcher Zeit geliefert wird. Anhand der stetigen Übertragung der Fahrzeugposition und der geplanten Route für ein Fahrzeug ist der Plattform immer bekannt, wo sich ein Fahrzeug befindet, welche Ziele 88 LBAS 2017 auf seinem Weg liegen und wieviel Ware dort abgeladen wird. Die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und der Plattform übernehmen Software-Agenten, welche auf der Box, der 4PL Plattform und bei den Logistikern arbeiten. Das bietet die Mög- lichkeit im laufenden Betrieb Kommunikationspartner hinzuzufügen oder zu entfernen. Abbildung 4 zeigt ein Fahrzeug eines Logistikers, welches eine geplante Route ab- fährt und dabei Waren ausliefert. Das Fahrzeug startet vollbeladen. An jedem Tourstop (symbolisiert durch orange-graue GPS-Icons) liefert es Waren aus und meldet die aus- gelieferte Menge an die 4PL Plattform zurück. Die Fahrzeugposition ist der 4PL Platt- form zu jedem Zeitpunkt bekannt. Dadurch lässt sich die freie Kapazität zu jedem Zeitpunkt feststellen. Ein weiterer Plattformteilnehmer, welcher momentan kein freies Fahrzeug zur Verfügung hat, will Waren zu einem Kunden transportieren lassen. Er stellt eine Anfrage an die 4PL Platt- form und diese ermittelt, ob es die Möglichkeit gibt, den Kunden, symbolisiert mit dem blauen GPS-Icon, zu beliefern. Die Agenten auf der Plattform stellen fest, dass der Standort der Ware und der Kunde auf der geplanten Route eines Elektrofahrzeuges lie- gen. Es wird auch überprüft, ob die Zwischenstops in das Zeitfenster passen und ob die angefragte Menge der Ware in die zu dem Zeitpunkt wieder frei gewordene Lieferka- pazität passt. Wenn das der Fall ist, plant die Plattform den Zwischenstopp zum Aufla- den der Ware und zum Abladen der Ware in die Tour ein und übermittelt die neue Tour an den Fahrer. Abbildung 5: Ablieferung Fremdpaket Dieser holt die Ware ab und liefert sie beim Zwischenstopp ab (Abbildung 5). Dadurch wird die neu entstandene Kapazität auf der Lieferroute maximal ausgelastet, was zu einer höheren Rentabilität der Route führt. Die im Projetk SDL zu implementierende 4PL Plattform kann, wenn es in das Zeitfenster der Lieferungen passt, auch Umwege mit einplanen. Da die Restreichweite aufgrund der stetigen Akkuladestandsabfrage und Übermittlung zu jedem Zeitpunkt bekannt ist, kann die Lieferroute zu jedem Zeitpunkt innerhalb des verfügbaren Zeitfensters zur Auslieferung der Waren, variiert werden. Ortsbezogene Anwendungen und Dienste 2017 89 4 Ergebnis In der vorliegenden Arbeit wurde ein agentenbasierter Ansatz zur Umsetzung einer 4PL Plattform umrissen. Mit dem „Electric Vehicle Routing Problem with Time Windows and Recharging Stations“ mit Blick auf das Ladesäulenmanagement von Schneider et al. (2014) und dem Projekt SCL wurde Grundlagenarbeit zur Routenplanung und Tou- renoptimierung geleistet. Die Implementierung des TCO-Modells und der Routenopti- mierung, welche auch die Verteilung der Mikro-Hubs beachtet, in die Agententechno- logie kann große ökonomische und ökologische Vorteile für die elektrifizierte Logis- tikflotte mit sich bringen. Die Datenhaltung kann bei jedem Logistiker lokal sein. Die Agenten, welche das TCO-Modell implementieren, um auf gesetzliche, datenschutz- rechtliche und firmenpolitische Interessen Rücksicht zu nehmen, migrieren zwischen den verschiedenen Agencies hin und her, um die gewünschten Informationen zu erhal- ten und Verhandlungen durchführen zu können. Jeder Logistiker verwendet ein eigenes ERP System und andere Drittsysteme. Bei der Implementierung der Agenten müssen Schnittstellen zu verschiedenen ERP und Dritt- systemen bereitgestellt werden. Dies erhöht den Implementierungsaufwand. Dieser Mehraufwand zahlt sich durch einen Zugewinn an Funktionalität und eine leichte Er- weiterbarkeit des Agentensystems im laufenden Betrieb aus. Die Agententechnologie ermöglicht den Betrieb eines Agenten in einem Fahrzeug, wodurch eine Einplanung von neuen Zwischenzielen während der Fahrt ermöglicht wird. Car-Sharing, Cargo-Sharing und Verteilung der Hubs und Mikro-Hubs innerhalb der 4PL Plattformteilnehmer sind Bestandteile der Optimierung des Logistikkonzeptes durch die 4PL Plattform. Dadurch kann die Auslastung der Lieferkapazität des Elekt- rofahrzeugs maximiert werden. Im Rahmen des 4. SCL Kongresses fand ein SDL Workshop statt, in welchem Lo- gistiker zur Datenherausgabe unter bestimmten Bedingungen befragt wurden und Be- reitschaft signalisierten. Die weitere TCO-Analyse der Daten erfolgt im Laufe des Pro- jektes. Eine mögliche Filterung und Vorverarbeitung der Daten darf diese nicht unnutz- bar zur Verwendung für die TCO-Analyse machen. In die Umsetzung eines auf den herausgegeben Daten beruhenden automatischen Verhandlungsmodells in der Agen- tentechlogie müssen sicherheitsrelevante Sachverhalte, wie Verschlüsselung der Daten und Zertifizierung der Software-Agenten einbezogen werden. Dadurch stellt sich die Frage, wie Agenten, welche kleine Programme sind, sicher zwischen den Agencies migrieren können. Ein Ansatz dabei wäre, dass die Agenten keinen direkten Zugriff auf das System der Logistiker bekommen, sondern in einer Art Black-Box laufen, welche bei jedem Logistiker integriert wird. Die Agenten dürfen nur auf den Black-Boxen in- teragieren und können von dort auf eine definierte Schnittstelle zugreifen. Somit kann der angerichtete Schaden von bösartigen Agenten begrenzt werden. Die Black-Boxen können nur über eine sichere VPN-Verbindung miteinander kommunizieren und neh- men keine über das Internet migrierenden Agenten an. Eine bei den Logistikern fest installierte Algorithmik erschwert den Austausch der Logik im laufenden Betrieb. Im Fall eines Austausches der Verhandlungslogik in der eTelematik-Einheit während einer Liefertour würde die Agententechnologie dies vereinfachen, ohne zusätzlichen Instal- lationsaufwand zu verursachen. 90 LBAS 2017 5 Ausblick Der Hauptfokus des Projektes liegt in der firmenübergreifenden Optimierung. Diese Optimierung übernimmt im späteren Projektverlauf eine IKT-Systemplattform, welche mit Agententechnologie ein verteiltes Big Data Netzwerk implementiert. Die Machbar- keit der firmenübergreifenden Optimierung muss in diesem Zusammenhang getestet und evaluiert werden. Das Projekt SDL befindet sich in der Phase, herauszufinden, wel- che und ob die Logistiker überhaupt bereit sind, Daten herauszugeben. Die im Work- shop mündlich signalisierte Bereitschaft dazu muss gemeinsam mit den Projektpartnern vertieft werden. Weiterhin muss evaluiert werden, ob die Qualität der Daten für die Optimierung ausreicht und welche Datensätze zur Optimierung benötigt werden. Der bisherige Entwurf der SDL 4PL Plattflorm beinhaltet den Betrieb für eine ge- schlossene Gruppe an Teilnehmern, welche ihre Fahrzeugflotte unter sich teilen. Die Optimierung wird nur für diese Teilnehmer vorgenommen. In einem Nachfolgeprojekt könnte die Plattform für alle Marktteilnehmer geöffnet werden. Jeder Logistiker könnte seine Fahrzeugflotte und Routen, sowie Hubs über die Plattform optimieren lassen. Dies würde allen Beteiligten große Einsparpotentiale bringen und Standorte, sowie Fahrzeuge könnten noch effizienter genutzt werden. Privatpersonen könnten ebenfalls über die Plattform ihre mit ihrem privat Pkw geplanten Routen angeben und mit trans- portieren oder über die Plattform den Transport von Waren in Auftrag geben, so dass der Transport in eine bestehende Lieferroute eingeplant werden kann. Literatur 1. Andrea Hütter. 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