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|title="Digitale Transformation" und Anforderungserhebung ("Digital Transformation" and Requirements Engineering)
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=="Digitale Transformation" und Anforderungserhebung ("Digital Transformation" and Requirements Engineering)==
Ina Schaefer, Loek Cleophas, Michael Felderer Nachname < Vorname (Eds.): Workshops at Modellierung [et. al.]>(Hrsg.): 2018, < Buchtitel>, Requirements Engineering und Business Process Management (REBPM) Lecture Notes in Informatics (LNI), Gesellschaft für Informatik, Bonn <2017>247 „Digitale Transformation“ und Anforderungserhebung Fariba Fazli Abstract: Many companies are currently facing major changes and challenges in their traditional businesses. On the one hand, their traditional business models are shaken and new market participants with innovative business models are successfully on the market. On the other hand, this change creates great opportunities and potential for companies. This paper gives an overview of the elements and approaches to Digital Transformation. Finally, an innovative approach to digital transformation and to the corresponding requirements engineering process inside companies is presented.To understand the complex nature of Digital Transformation and to build a solid foundation for managing the necessary changes, it is important to use the methods and tools of other management disciplines, such as: innovation management, knowledge management and customer experience management. The practical experience through workshops developed based on this approach led to the need for extensive information and orientation activities. Zusammenfassung: Viele Unternehmen sehen sich aktuell mit großem Wandel und Veränderungen in ihren angestammten Geschäftsbereichen konfrontiert. Einerseits geraten ihre traditionellen Geschäftsmodelle ins Wanken und neue Marktteilnehmer mit innovativen Geschäftsmodellen präsentieren sich erfolgreich auf dem Markt. Andererseits ergeben sich aus diesem Wandel große Chancen und Potenziale für die Unternehmen. Diese Arbeit gibt einen Überblick über die Elemente und Vorgehensansätze zur Digitalen Transformation. Abschließend wird ein innovativer Ansatz zur digitalen Transformation und zum entsprechenden Requirements Engineering Prozess in Unternehmen vorgestellt. Um das vielschichtige Wesen der Digitalen Transformation zu verstehen und eine solide Grundlage zur Bewältigung der erforderlichen Veränderungen zu errichten, ist der Einsatz der Methoden und Werkzeugen anderer Managementdisziplinen, wie z. B. Innovationsmanagement, Wissensmanagement und Customer Experience Management vonnöten. Die Praxiserfahrungen mit den auf Basis dieses Ansatzes entwickelten Workshops ergaben den Bedarf nach umfangreichen Informations- und Orientierungsaktivitäten. . Keywords: Digitale Transformation, Innovationsmanagement, Neue Geschäftsmodelle 1 Einleitung Die „Digitale Transformation“ wird als die bewusste und fortlaufende digitale Evolution eines Unternehmens, eines Geschäftsmodells, einer Idee, eines Prozesses oder einer Methode definiert“ [Ma14]. Wie Kreutzer et al. [KNP17] erläutern, sind heutzutage digitalisierte Märkte durch die zunehmende Konvergenz von Medien, Kanälen etc. sowie die Exponentialität der Veränderungsgeschwindigkeit gekennzeichnet. Dadurch lassen sich strategische Absichten nicht mehr sinnvoll in Zyklen von fünf oder mehr Jahren im Detail planen und in einem Top-Down-Prozess bis in jedes Detail ausarbeiten und budgetieren. Obwohl es hier auch um Produktivität, Profitabilität und 248 16 Fariba Fariba Fazli Fazli Effizienzsteigerung geht, werden durch die Digitalisierung und erhöhte Ausrichtung auf die Kunden neue Geschäftsmodelle und Absatzmärkte möglich. Die Märkte verändern sich hierdurch komplett. Dabei kann nicht mehr wie bisher auf KPIs und Best Practices zugegriffen werden. Bei der Konzeption der Digitalen Transformation muss von ganz neuen Prämissen ausgegangen und eine ganzheitliche Sicht auf das bisherige Unternehmensumfeld erstellt werden. Diese ganzheitliche Sicht muss die neue Kundenstellung und die neuen digitalen Märkte umfassen. Diese Notwendigkeit produziert Komplexität und Unübersichtlichkeit. Der Forschungsbeitrag dieser Arbeit ist die Präsentation und Validierung eines Transfomationsverfahrens bzw. Designansatzes, der von Hevner als ein zentraler Beitrag von Design-Science-Studien identifiziert wird [HS10]. Das Modell besteht aus fünf Phasen, die der Entwicklung einer Strategie zur Digitalen Transformation dienen. Dabei wird eine ganzheitliche Sicht auf das bisherige Unternehmensumfeld erlangt und der Kunde in den Fokus der zukünftigen Planungen gestellt. 2 Forschungsmethode Design als Ansatz und Perspektive für die Forschung hat sich unlängst als Design Science entwickelt, wo Design als Forschungsstrategie vorgeschlagen wird, um Wissen und Verständnis über das im Bau befindliche Objekt zu gewinnen. Mit Design Science können nicht nur Prototypen oder Systeme mittels Instanziierungen oder Exemplifizierung erforscht werden, sondern auch Konstrukte (Symbole, Vokabular), Modelle (Abstraktionen und Repräsentationen) und Methoden (Algorithmen und Praktiken) [HS10]. „Der Fokus der Design Science liegt auf der Problemlösung, aber oft wird eine vereinfachende Sicht auf die Menschen und die organisatorischen Kontexte genommen, in denen entworfene Artefakte funktionieren müssen. Das Design eines Artefakts, seine formale Spezifikation und die Bewertung seines Nutzens sind oft im Vergleich zu konkurrierenden Artefakten integraler Bestandteil der Design-Science-Forschung“ [HS10]. In dieser Arbeit ist das Design-Objekt ein Ansatz zur Gestaltung von Methoden für die Digitale Transformation. Die gestellte Aufgabe besteht darin, das Verständnis von Transformationsänderungen zu schaffen und die Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung für Geschäftsmodelländerungen in Unternehmen zu erhöhen. Um den Designansatz zu entwickeln, zu validieren und zu verbessern, haben wir einen multimethodischen Forschungsansatz verwendet. In diesem Ansatz basiert der Entwurfsprozess für das Transformationsverfahren auf bestehenden Entwurfsansätzen, Theorien und Frameworks, wie sie im Abschnitt 3 diskutiert werden. Dazu wurden verschiedene Workshops mit Fach- und Führungskräften und Innovatoren in verschiedenen KMUs jeweils funktions-übergreifend organisiert, um die Herausforderungen des Transformationsvorhabens zu untersuchen und die „Digitale Transformation“und „Digitale Transformation“Anforderungserhebung 249 und Anforderungserhebung Anforderungen zur Digitalen Transformation zu erheben. Diese Ergebnisse wurden verwendet, um die erste Version des Transformationsansatzes zu optimieren. 3 Grundlagen In diesem Kapitel werden verschiedene Begriffe in Bezug auf Digitalisierung erklärt. Ferner wird genauer auf die Bedeutung der Digitalen Transformationsstrategie eingegangen. Im Abschnitt 3.2 werden einige bestehende Ansätze zur Digitalen Transformation erläutert. 3.1 Digitale Transformation „Digitale Transformation wird als durchgängige Vernetzung aller Wirtschaftsbereiche und als Anpassung der Akteure an die neuen Gegebenheiten der digitalen Ökonomie verstanden. Entscheidungen in vernetzten Systemen umfassen Datenaustausch und - analyse, Berechnung und Bewertung von Optionen sowie Initiierung von Handlungen und Einleitung von Konsequenzen” [BS15]. Dadurch kommen umfangreiche Änderungen bis hin zur Disruption der bisherigen Geschäftsmodelle auf Organisationen zu. Wie Kane et al. [Ka15] erläutern, fehlt den heutigen Unternehmen die Fähigkeit, die Wertschöpfungsketten eines bestehenden Unternehmens in Teilen oder vollständig zu digitalisieren. Digital reifere Unternehmen richten sich deutlicher auf eine Unternehmenstransformationen aus, während weniger digital reife Unternehmen eher technologische Insellösungen bevorzugen [Ka15]. 3.2 Digitale Geschäftsmodelle Die Digitale Transformation geht mit der Veränderung bestehender Geschäftsmodelle einher. „Ein Geschäftsmodell ist die Grundlogik eines Unternehmens, die beschreibt, welcher Nutzen auf welche Weise für Kunden und Partner gestiftet wird. Ein Geschäftsmodell beantwortet die Frage, wie der gestiftete Nutzen in Form von Umsätzen an das Unternehmen zurückfließt. Der Nutzwert für Beteiligte und Kunden ermöglicht eine Differenzierung gegenüber Wettbewerbern, die Festigung von Kundenbeziehungen und die Erzielung eines Wettbewerbsvorteils“ [SR17]. Außerdem aus Sicht des Digital Business Leadership betrachtet „das Charakteristische eines Geschäftsmodells ist die strategische Perspektive, aus der heraus eine Betrachtung und Entwicklung der digitalen Kompetenz eines Unternehmens zur gesteigerten Wertschöpfung für dieses stattfindet“[KNP17]. 250 18 Fariba Fariba Fazli Fazli 3.3 Vorgehensansätze zur Digitalen Transformation Zur Darstellung der Innovationsprozesse wurden bereits seit vielen Jahren verschiedene Phasenmodelle entwickelt. Die verschiedenen Modelle unterscheiden sich in den fokussierten Phasen, dem Detaillierungsgrad und dem behandelten Innovationsobjekt [KB09]. Die weniger detaillierten Phasenmodelle können die tatsächlich ablaufenden Innovationsprozesse besser abbilden. Diese Modelle sind aber für den speziellen Anwendungsfall begrenzt aussagefähig. Detailliertere Modelle sind meist auf bestimmte Branchen fokussiert und gleichzeitig durch ihre Fokussierung schwer für andere Branchen anwendbar [RB08]. Es wird ersichtlich, dass „ein aussagefähiges Modell für den Innovationsprozess unabhängig vom Verwendungszweck den Zielkonflikt zwischen Komplexitätsreduzierung und Aussagewert optimal lösen muss“ [KB09]. 3.4 Bestehende Ansätze zur Digitalen Transformation Nachfolgend werden verschiedene Ansätze kurz erläutert, die in der Fachliteratur aufgeführt sind und in der Praxis verwendet werden. 3.4.1 Ansatz von Bullinger et al. Bullinger et al. [BWW03] definieren die unternehmerische Neuausrichtung auf zwei Ebenen. Die instrumentelle Ebene befasst sich mit der Strategie, Struktur und Systemen des Unternehmens. Die mentale Ebene befasst sich mit der individuellen Entwicklung der Fähigkeiten und das Erkennen des komplexen Wettbewerbsumfelds. Um den Verlauf der Transformation im Unternehmen zu bewältigen, beschreiben Bullinger et al. [BWW03] drei Phasen der Transformation in Unternehmen: 1. Vision und Mobilisierung: Formulierung des zukünftigen Unternehmenskonzeptes und die Erarbeitung des Transformationsvorhabens. 2. Operationalisierung: Steuerung des Transformationsprozesses des Unternehmenskonzeptes. 3. Umsetzung der Transformation: Die größte Herausforderung ist die Erarbeitung erster Transformationspläne, da der anschließend einzuleitende Transformationsprozess komplex und nicht ohne Risiko ist. 3.4.2 Ansatz von Balck et al. Black et al. [Ba09] entwickelten einen Drei-Phasen-Vorgehensplan: • Phase I „Konzeption“: Es wird ein Zukunftsentwurf für das Unternehmen entwickelt. Dabei werden Visionen und Veränderungsziele für das Unternehmen erarbeitet. „Digitale Transformation“und „Digitale Transformation“Anforderungserhebung 251 und Anforderungserhebung • Phase II „Ausgestaltung“: Hierbei werden die in Phase I entwickelten Visionen und strategischen Entscheidungen operationalisiert und konkretisiert. Deshalb wird diese Phase als Kern des Transformationsprozesses erachtet. • Phase III „Umsetzung“: Hier findet der eigentliche „Umbau“ des Unternehmens statt, und es werden die in Phase II erarbeiteten Teilkonzepte umgesetzt Dieser Vorgehensplan richtet sich nur an Transformationsaktivitäten aus, die in der Zukunft liegen. Eine Analyse der Ist-Situation findet hier nicht statt. Desweiteren werden der Servicegedanke und die Kundenrolle als Mittelpunkt für zukünftige Geschäftsmodelle nicht dezidiert aufgegriffen. 3.4.3 Ansatz von Matt Matt et al. [MHB15] integrieren ihre Erkenntnisse in ein gemeinsames „Digital Transformation Framework“, das vier Transformationsdimensionen und ihre Abhängigkeiten darstellt. Diese vier Dimensionen sind: • Nutzung von Technologien • Veränderung der Wertschöpfung • Strukturelle Veränderungen • Finanzielle Aspekte Der Einsatz von Technologien adressiert die Einstellung eines Unternehmens zu neuen Technologien sowie seine Fähigkeit, diese Technologien zu nutzen. Veränderungen der Wertschöpfung betreffen die Auswirkungen Digitaler Transformationsstrategien auf die Wertschöpfungsketten von Unternehmen. Strukturelle Veränderungen beziehen sich auf Variationen in der Organisationsstruktur eines Unternehmens, insbesondere in Bezug auf die Platzierung der neuen digitalen Aktivitäten innerhalb der Unternehmensstrukturen. Finanzielle Aspekte sind sowohl Treiber als auch begrenzende Kräfte für eine Transformation. Dieser Ansatz stellt eine höhere Abstraktionsebene der Digitalisierungsstrategie vor, ohne dezidiert auf die Schritte zur Zielerreichung einzugehen. 3.4.4 Ansatz von Esser Esser [Es16] entwickelte eine Roadmap zur Digitalen Transformation von Geschäftsmodellen. In seinem Ansatz werden nicht nur Strategien der Digitalen Transformation entwickelt, sondern auch die Umsetzung und der Transfer dieser Strategie veranschaulicht. Die einzelnen Phasen des Ansatzes sind: • Phase 1 - „Analyse“: Die vier Bereiche Kunden, Wettbewerber, Markt und Unternehmensfähigkeiten werden analysiert. Dabei werden Kunden, ihre Bedürfnisse und Werte betrachtet und segmentiert. Weiter werden Wettbewerber und Ihre Positionierung als auch neue Marktteilnehmer identifiziert. Der Markt mit seinen 252 20 Fariba Fariba Fazli Fazli Potenzialen, Grenzen und zukünftigen Entwicklungen wird untersucht. Darüber hinaus werden die Unternehmensfähigkeiten analysiert. • Phase 2 - „Strategie“: Die Marktpositionierung des Unternehmens wird definiert und die zukünftige Zielgruppe selektiert. • Phase 3 - „Design“: Bewertung aktueller und neuer Designideen. Es werden die Fragen bearbeitet, was das Unternehmen erreichen möchte. Durch die Frage nach dem „Wie?“ werden Services mit dem Ziel definiert, Kundenzufriedenheit zu erreichen. Abschließend werden neue Designideen identifiziert und bewertet. • Phase 4 - „Organisatorischer Impact“: Der organisatorische Impact bezieht sich auf Menschen, die Struktur und die Kultur innerhalb des Unternehmens. Ferner werden Prozesse und Systeme beleuchtet und abschließend die Governance und das Controlling definiert, um eine erfolgreiche Umsetzung und Messbarkeit der Ergebnisse zu forcieren • Phase 5 - „Transformation“: In dieser Phase werden die Roadmap ausgearbeitet und das Programmmanagement (inkl. interner Kommunikation und Change Management) geplant. Der Ansatz von Esser beinhaltet sehr kompakt viele Schritte und Bereiche, die im Laufe der Digitalen Transformation angesprochen und durchleuchtet werden müssen. Der Ansatz von Bullinger et al. [BWW03] und Essers [Es16] Ansatz dienen in Teilen als Vorlage unseres Vorgehensmodells. 4 Vorgehensmodell zur Entwicklung einer Strategie zur Digitalen Transformation Die Digitale Transformation resultiert in viele Änderungen in allen Unternehmens- bereichen und umfasst im Produktions- und im Servicebereich, digitale Aktivitäten an der Schnittstelle oder vollständig auf der Seite der Kunden. Dadurch kommen umfangreiche Änderungen in Unternehmen bis hin zur Disruption der bisherigen Geschäftsmodelle auf Unternehmen zu. Ein sehr detaillierteres Vorgehen bis zur Strategieerstellung erachten wir als sinnvoll. Dieses Vorgehensmodel wurde eigens für die Digitale Transformation entwickelt, indem es die ganzheitliche Betrachtung des Unternehmens und die Kundenbedürfnisse in den Fokus setzt. In unserem Praxisumfeld beraten wir digitalisierungsinteressierte KMU. Um den Fragen und Problemen dieser Unternehmen gerecht zu werden, haben wir auf Basis der vorgestellten Ansätze zur Digitalen Transformation die weiter unten beschriebene Vorgehensweise entwickelt. Unsere Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit interessierten Unternehmen haben gezeigt, dass in den Unternehmen zurzeit ein beträchtlicher Bedarf nach Verstehen und Begreifen der Veränderungen, die in naher Zukunft durch Digitalisierung auf sie zukommen, existiert. Diese Praxiserfahrung führte dazu, in dem hier entwickelten Vorgehensmodell auf viele dieser Fragen und Bedarfe schon in der Anfangsphase der Bearbeitung einzugehen. Dabei werden gemäß der Design Thinking-Denkweise die Bedarfsanalyse und das Need Finding des Unternehmens in den Fokus des Vorgehens „Digitale Transformation“und „Digitale Transformation“Anforderungserhebung 253 und Anforderungserhebung gestellt und Iterationen der Schritte in jeder einzelnen Phase ermöglicht [PB99] [Br08]. Design Thinking ist eine Innovationsmethode, die auf Basis eines Iterationsprozesses nutzer- und kundenorientierte Ergebnisse von komplexen Problemen liefert [Ue15]. In unserem Vorgehensmodell wird dezidiert auf dem Weg zur Erstellung der Digitalen Strategie auf diese Notwendigkeit des Verstehens eingegangen. Auf Basis des Modells haben wir verschiedene Workshops zu Anforderungserhebung entwickelt. Diese werden im Abschnitt 4.7 beschrieben. 4.1 Phasen der Entwicklung einer Strategie zur Digitalen Transformation Im Rahmen der Digitalisierung ist ein engerer Zusammenhang zwischen Unternehmens- Vision und Unternehmens-Strategie von enormer Bedeutung. Nachdem ein Unternehmen eine Vision für seine zukünftigen Geschäftsvorhaben entwickelt hat, wird aufbauend auf dieser Vision eine Strategie zur Digitalen Transformation erstellt werden. Das Modell besteht aus fünf Phasen, die der Entwicklung einer Strategie zur Digitalen Transformation dienen. Die Phasen sind in Abbildung1 dargestellt. Abb. 1. Vorgehensmodell 4.2 Phase I „Ist-Analyse“ Das Ziel innerhalb dieser Phase ist es, den Ist-Zustand des Unternehmens zu analysieren. Die Digitale Transformation geht mit der Veränderung bestehender Geschäftsmodelle einher. Aus diesem Grund ist es von enormer Bedeutung, in der Initiierungsphase ein umfangreiches Wissen über die aktuellen Geschäftsmodelle aufzubauen. Dabei werden die bisherigen Geschäftsumfelde und ausgehend davon deren Potenziale mit Design-Thinking Methoden unter die Lupe genommen. Diese Betrachtung ist für das 254 22 Fariba Fariba Fazli Fazli weitere Vorgehen von großer Relevanz. Allein durch diese Analyse werden in vielen Unternehmen Stärken und/oder Schwächen hervorgehoben, die den internen Akteuren vor der Analyse nicht präsent waren. Hier werden die bisherigen Geschäftsumfelder und deren Stakeholder analysiert. 4.2.1 Kunden Es werden verschiedene Fragen über die Kunden beantwortet, wie z.B., wer sind die bisherigen Kunden? Welche Kundensegmente werden adressiert? Welche Bedürfnisse haben diese Kunden aktuell? Welche Kundenwerte sind zurzeit vorhanden? 4.2.2 Wettbewerber Im weiteren Schritt werden die Wettbewerber unter die Lupe genommen und analysiert: Welche Potenziale besitzen diese auf dem Markt? Wie sind die Wettbewerber zurzeit positioniert? Wer sind die neuen Marktteilnehmer? Auf die neuen Marktteilnehmer ist besonderes Augenmerk zu legen, da diese meist mit Technologien ausgerüstet sind oder neue Kundensegmente bedienen, die auch für bisherige Unternehmen interessant sein können. 4.2.3 Markt Hier wird der bisherige Markt durchleuchtet und folgende Fragen beantwortet: Welchen Markt bedienen wir? Welches sind die Ist-Potenziale des Marktes? Welche aktuellen Entwicklungen sind auf dem Markt zu beobachten? 4.2.4 Mitarbeiter In einem weiteren Schritt wird betrachtet, welche Potenziale das Unternehmen durch seine Mitarbeiter besitzt. • Wie ist das Know-how der Mitarbeiter? • Was schätzen die Mitarbeiter an dem Unternehmen? 4.2.5 Lieferanten/Partner In diesem Schritt werden die Geschäftspartner und Lieferanten und ihr Umfeld betrachtet. „Digitale Transformation“und „Digitale Transformation“Anforderungserhebung 255 und Anforderungserhebung 4.2.6 Produkte /Dienstleistungen An dieser Stelle werden alle Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens aufgelistet. • Welche Produkte bieten wir an? • Welche Dienstleistungen bieten wir an? 4.2.7 Vertriebskanäle • Welche Vertriebskanäle bedienen wir zurzeit? • Welcher Vertriebskanal bringt dem Unternehmen den geringsten Umsatz? Die hier erarbeiteten Erkenntnisse über den Ist-Zustand verschiedener Bereiche des Unternehmens können zur Prozessoptimierung der Unternehmensabläufe benutzt werden. In diesem Vorgehensmodell werden eine sehr weitreichende Analyse des Unternehmens- umfeldes vorgenommen. Das betrachtete Geschäftsumfeld ist im Vergleich zu Essers Ansatz um weitere Elemente, wie z. B. die Lieferanten, die Mitarbeiter und die Vertriebskanäle, ergänzt. 4.3 Phase II „Bedarfsanalyse“ In Rahmen der Digitalen Transformation werden technologische Potenziale genutzt, um gestiegene Kundenanforderungen zu erfüllen. Deswegen wird an erster Stelle die zukünftige Zielgruppe identifiziert und auf die folgenden Fragen eingegangen: Wer sind meine zukünftigen Kunden? Welche bisherigen Kundensegmente sind für mich auch in der Zukunft wichtig und wie möchte ich sie bedienen? Aber auch, welche Kundensegmente möchten wir dazu gewinnen? Dabei kann auch die Frage helfen, welche Kundensegmente möchten wir in der Zukunft nicht bedienen? Nachdem ein bestimmtes Kundensegment für die zukünftigen Geschäftsbeziehungen identifiziert worden ist, geht es hier u.a. um die Fragen: • Was unterscheidet diese Kunden von anderen? • Welche Bedürfnisse haben diese Kunden? 4.4 Phase III „Zieldefinition“ Nachdem die zukünftigen Kunden und ihre Bedürfnisse identifiziert worden sind, kann ein Ziel mit der Antwort auf die Frage: „Was sollen wir neugestalten / verändern…?“ 256 24 Fariba Fariba Fazli Fazli formuliert werden. Der zweite Schritt in dieser Phase widmet sich der Antwort auf die Frage: • Wie werden wir uns auf dem Markt positionieren? • Wie möchten/ können wir uns differenzieren? Anschließend geht es im dritten Schritt, dem Themenfeld Nutzenversprechen/Value Proposition um die Fragen: Welchen Nutzen haben unsere Kunden aus dieser Neugestaltung oder Veränderung? Wie und mit welchen Services wollen wir unsere Kunden begeistern? In dieser Phase können die Schritte in verschiedene Schleifen im Sinne der Design Thinking-Vorgehensweise durchgespielt werden, bis alle drei Bereiche passend beantwortet sind und eine adäquate Zielsetzung formuliert worden ist [Br08]. 4.5 Phase IV „Ideengenerierung“ Ideensammlung: Nachdem ein Ziel definiert worden ist, können an dieser Stelle verschiedene Ideen für die Umsetzung gesammelt werden. Dabei können viele verschiedene Optionen für die Erreichung dieses Ziels erörtert werden. Dabei werden die Ideenfindung an sich in den Focus gestellt und nicht die Machbarkeit dieser Ideen. Um Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsketten zu verändern, werden während der Digitalen Transformation technologische Potenziale genutzt. An dieser Stelle werden die aktuellen und neuen Technologien identifiziert. • Welche Technologie/digitalen Möglichkeiten gibt es zurzeit auf dem Markt, um jeweilige Idee umsetzen zu können? • Gibt es digitale Formate, die benutzt werden können? 4.6 Phase V „Bewertung“ Bewerten der Ideen bezüglich der Erfüllung von Zielen, besonders von Kundenversprechen. In dieser Phase werden alle erarbeiteten Ergebnisse der vorherigen Phase bewertet. Insbesondere werden die Designideen in Hinblick auf die in Schritt 4 erarbeiteten Nutzenversprechen für die Kunden und deren Erfüllung betrachtet. Finalisieren und Festlegen: „Evaluieren der Kombinationen der digitalen Optionen.“ Während dieser Schritte werden die entstandenen Kombinationen bewertet und durch die Priorisierung der Ergebnisse in einer Strategie für die Digitale Transformation festgehalten. „Digitale Transformation“und „Digitale Transformation“Anforderungserhebung 257 und Anforderungserhebung 4.7 Workshops zur Anforderungserhebung und Lessons Learned Nachdem der erste Entwurf unseres Vorgehensmodells erstellt war, haben wir bisher fünf Workshops gehalten. Zur Durchführung dieser Workshops haben wir verschiedene Methoden des Design Thinking aber auch des Wissensmanagements angewendet. Die jeweiligen Schritte des Ansatzes wurden während des Workshops dynamisch/agil geändert. Bestimmte Schritte wurden iteriert. Zusätzlich wurde, wenn es Bedarf nach Vertiefung der ermittelten Anforderungen oder Erweiterung des behandelten Objektes/Umfeldes gab, dieser Bedarf mit verschiedenen Methoden berücksichtigt. Die Workshops basierten auf dem ersten Entwurf unseres Vorgehensmodells. Durch die praktische Erprobung des Modells war es möglich, den Entwurf zu verbessern und den Anforderungen der Unternehmenswelt anzupassen. In diesem Bericht sind die Erfahrungen aus fünf Workshops konsolidiert, die mit drei KMU mit einer Mitarbeiteranzahl zwischen 20 und 900 Personen in drei verschiedenen Branchen abgehalten wurden. Es nahmen Mitarbeiter aus verschiedenen Ebenen und Funktionsbereichen der Unternehmen teil. Um kreative Zusammenarbeit zu fördern, hatten wir dafür gesorgt, dass umfassende Diversität im Workshop-Team vorhanden war. Nicht nur die Mitarbeiter aus verschiedenen Funktionsbereichen und Hierarchie- ebenen sondern auch Personen, die schon innovative Ideen zur Besserung der Unternehmensabläufe entwickelt und an das Unternehmen kommuniziert hatten, wurden bevorzugt zum Workshop eingeladen. Im Laufe der Workshops wurden verschiedene Phasen des Modells modifiziert und je nach ausgewählten Wirkungsfeldern auf bestimmte Schritte fokussiert, als auch bei Bedarf iteriert. Innerhalb der Workshops wurden bei Bedarf zuvor identifizierte Fragestallungen oder Ziele geändert oder ergänzt. Die Fokussierung auf Problemanalyse und Need Finding [PB99] war eine der wichtigsten Aspekte des Workshops. Diese ganzheitliche Sicht half den Teilnehmern ihr vielseitiges, komplexes Unternehmens- umfeld zu realisieren und in ihre zukünftigen Zielsetzungen zu integrieren. • Die Team-Zusammensetzung aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens hatte den Vorteil, dass das Fachwissen aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens während des Workshops zur Zielerreichung eingeflossen ist. • Während der Ideen-Generierungs-Phase sind sehr viele interessante Ideen gesammelt worden; diese konnten durch die richtige Fragestellung durch Design Thinking Methoden sehr genau beschrieben werden und sogar die Umfeld-Einflüsse beziffert werden. • Diese Ideensammlung ist ein großer Gewinn für die Unternehmen, um in weitere Schritte oder Phasen der Digitalisierung neue Verfahren/ Geschäftsmodelle in Betracht zu ziehen. • In Laufe des Workshops haben einige ihr Erstaunen darüber geäußert, was sie dabei von Kollegen über ihren jeweiligen Arbeitsbereich erfahren haben und dass sie ähnliche Probleme Engpässe aber auch Chancen in ihrem 258 26 Fariba Fariba Fazli Fazli Arbeitsbereich beobachtet hatten. Dadurch wurde eine Art Transparenz in Bezug auf zukünftige Ziele erzeugt. • Andererseits war es genauso wichtig, dass während der Brain Writing-Phasen viel implizites Wissen erhoben werden konnte. • Durch die agile Vorgehensweise waren die Teammitglieder in der Lage, die gewonnenen Erkenntnisse zeitnah zu betrachten und Ihre Ideen weiter zu entwickeln, aber auch wenn nötig zu revidieren. • Die agile Vorgehensweise optimierte das Verständnis für bestimmte Bedarfe des Unternehmens und seine Transformationsbemühungen. • Durch die agile Vorgehensweise ist den Teammitgliedern ermöglicht worden, ihre Bedenken zu bestimmten Punkten zu äußern und zu hinterfragen und bestimmte Schritte zu iterieren. 5 Fazit Diese Arbeit hat einen Überblick über die Elemente und Vorgehensansätze zur Digitalen Transformation gegeben. Einige vorhandene Ansätze zur Strategie Digitaler Transformation wurden vorgestellt. Abschließend wurde ein Modell zur Erstellung einer Strategie zur Digitalen Transformation entwickelt und erläutert. Dabei wurde durch eine ganzheitliche Sicht die neue Kundenstellung berücksichtigt. Die Praxiserfahrungen mit dem Modell zeigten den Bedarf nach umfangreichen Informations- und Orientierungsaktivitäten, um das vielschichtige Wesen der Digitalen Transformation zu verstehen und eine solide Grundlage zur Bewältigung der erforderlichen Veränderungen zu errichten. Die Erkenntnisse aus der Praxis werden in der Zukunft weiterhin zur Optimierung und Erweiterung des Modells eingesetzt. Interessant ist in dieser Hinsicht auch die Beobachtung der Digitalen Transformation und deren Wirkung. Literaturverzeichnis [Ba09] Balck, H. et al.: "Organisationsaspekte in der Umsetzung." Handbuch Unternehmensorganisation, 2009: 599-695. [BS15] Bouée, C.-E.; Schaible, S.: Die Digitale Transformation der Industrie. Roland Berger, 2015. [Br08] Brown, Tim: Design Thinking Harvard Business Review 6, 2008. [BWW03] Bullinger, H.-J.; Warnecke, H.-J.;Westkämper, E.: Neue Organisationsformen im Unternehmen. Springer Weg, Berlin, 2003. [Es16] Esser, M.: "Chancen und Herausforderungen durch Digitale Transformation.", 2016. [HS10] Hevner, A.; Chatterjee S.: "Design science research in information systems." Design research in information systems. Springer US, 2010. 9-22. [Ka15] Kane, G. et al. "Strategy, not technology, drives digital transformation." MIT Sloan Management Review and Deloitte University Press 14, 2015. „Digitale Transformation“und „Digitale Transformation“Anforderungserhebung 259 und Anforderungserhebung [KB09] Kaschny, M.; Bock, M.: Modelle des Innovationsprozesses – Managementtools erfolgreich entwickeln. Ideenmanagement, 2009. [KNP17] Kreutzer, R.; Neugebauer, T.; Pattloch, A.: Digital Business Leadership. Digitale Transformation - Geschäftsmodell-Innovation - agile Organisation - Change-Management. Springer Gabler, Wiesbaden, 2017. [Ma14] Mazzone, D.: Digital or death: Digital transformation - The only choice for business to survive, smash, and conque. Smashbox Consulting Inc, Mississauga , 2014. [MHB15] Matt, Ch.; Hess, T.; Benlian, A.: "Digital transformation strategies." Business & Information Systems Engineering 57.5, 2015: 339-343. [PB99] Patnaik, D.; Becker, R.: "Needfinding: the why and how of uncovering people's needs." Design Management Review 10.2, 1999: 37-43. [RB08] Rüggeberg, H.; Burmeister, K.: Innovationsprozesse in kleinen und mittleren Unternehmen. No. 41. Working Papers of the Institute of Management Berlin at the Berlin School of Economics (FHW Berlin), 2008. [SR17] Schallmo, D.; Rusnjak, A.: Digitale Transformation von Geschäftsmodellen Grundlagen. Instrumente und Best Practices. Springer, 2017. [Ue15] Uebernickel, F. et al.; Handbuch Design Thinking, Frankfurter Verlag, 2015