=Paper= {{Paper |id=Vol-2092/paper19 |storemode=property |title=Frameworkbasiertes Augmented Reality–Lernszenario in der Kfz–Ausbildung(Framework–Based Augmented Reality Learning Scenario in Automotive Education) |pdfUrl=https://ceur-ws.org/Vol-2092/paper19.pdf |volume=Vol-2092 |authors=Gregor Tallig,Raphael Zender,Mario Runge |dblpUrl=https://dblp.org/rec/conf/delfi/TalligZR17 }} ==Frameworkbasiertes Augmented Reality–Lernszenario in der Kfz–Ausbildung(Framework–Based Augmented Reality Learning Scenario in Automotive Education)== https://ceur-ws.org/Vol-2092/paper19.pdf
      Carsten Ullrich, Martin Wessner (Eds.): Proceedings of DeLFI and GMW Workshops 2017
                                                        Chemnitz, Germany, September 5, 2017



Framework-Based Augmented Reality Learning Scenario in
Automotive Education.


Gregor Tallig, Raphael Zender, Mario Runge



Abstract: Training in the automotive industry is characterized by a close integration of
theory and practice. With current augmented reality technology, a learning scenario was
designed to provide context-based support to the learner in the field of view by
holographic insertions while assembling a real gearbox. In addition, by implementing a
framework for the creation of learning scenarios, access for experts in the respective
knowledge domain is facilitated. Despite the increased complexity of this medium and the
technologies involved, the effort to realize new learning scenarios with this software
should only slightly increase compared to conventional teaching methods.
        Carsten Ullrich, Martin Wessner (Eds.): Proceedings of DeLFI and GMW Workshops 2017
                                                          Chemnitz, Germany, September 5, 2017

Frameworkbasiertes Augmented Reality-Lernszenario in
der Kfz-Ausbildung

Gregor Tallig1, Raphael Zender2, Mario Runge3



Abstract: Die Ausbildung in der Automobil-Industrie zeichnet sich durch eine enge Verzahnung
von Theorie und Praxis aus. Im Zuge der Verwendung aktueller Augmented-Reality-Technologie
wird ein Lernszenario konzipiert, das eine kontextbasierte Unterstützung des Lernenden bei einer
realen Getriebemontage im Sichtfeld durch holografische Einblendungen ermöglicht. Darüber
hinaus wird durch die Implementierung eines Frameworks zur Erstellung von Lernszenarien der
Zugang für Experten der jeweiligen Wissensdomäne geebnet. Trotz der bei diesem Medium
erhöhten Komplexität der verwendeten Technologien soll so der Aufwand zur Realisierung neuer
Lernszenarien im Vergleich zu herkömmlichen Lehrmethoden nur geringfügig steigen.
Keywords: Augmented Reality, E-Learning, Kfz-Ausbildung



1     Einleitung
Die Einarbeitung von Mitarbeitern stellt zumeist einen zeit- sowie ressourcenintensiven
Prozess dar. In der Automobil-Industrie bestehen hier besondere Anforderungen durch
den Materialverbrauch (vgl. [He15]) sowie durch das Zurücksetzen der Bauteile nach
erfolgtem Training. Darüber hinaus zeichnet sich die Ausbildung durch eine enge
Verzahnung von Theorie und Praxis aus. Dabei ist es nicht nur erforderlich die
Komplexität der mathematischen, physikalischen und technischen Zusammenhänge
verständlich zu gestalten, sondern auch auf den fortwährenden technologischen Wandel
reagieren zu können (vgl. [An09], [Br05]).
Im Rahmen dieser prototypischen Fallstudie wird daher die Ausarbeitung und Gestaltung
eines Augmented-Reality-Lernszenarios verwirklicht, das zusammen mit Auszubildenden
im Bildungszentrum der Mercedes-Benz Ludwigsfelde GmbH evaluiert werden soll.
Insbesondere wird untersucht, welche Vorteile der Einsatz aktueller AR-Technologie
beim Vermitteln praktischen Wissens wie der Getriebemontage in der Kfz-Ausbildung
bietet (vgl. [Ca12], [An09]). In bisherigen, thematisch verwandten Veröffentlichungen
wurden ähnliche Vorgehen ersonnen, jedoch konnte aufgrund fehlender Geräte am Markt
lediglich auf Eigenlösungen aufgebaut werden. Somit konnte das Lernen mit AR nur in
1 Mercedes-Benz Ludwigsfelde GmbH, ITC/VL, Zum Industriepark 10, 14961 Ludwigsfelde,

 gregor.tallig@daimler.com
2 Universität Potsdam, Institut für Informatik und Computational Science, August-Bebel-Str. 89, 14482

 Potsdam, raphael.zender@uni-potsdam.de
3 Mercedes-Benz Ludwigsfelde GmbH, ITC/VL, Zum Industriepark 10, 14961 Ludwigsfelde,

 mario.runge@daimler.com
Gregor Tallig et al.

einer Teilmenge betrachtet werden, wie beispielsweise ohne Gestensteuerung [Be12],
ohne markerlose Objekterkennung [Co07] oder auch ohne Spatial Awareness [Fa09].
Durch das Arbeiten an einem realen Getriebe mit physischen Werkzeugen und einer
Schritt-für-Schritt-Anleitung sowie Kontrolle wird eine direkte Kombination von Theorie
und Praxis angestrebt. Lehrmaterial, das sich zu vordefinierten Situationen in den Raum
des Lernenden positioniert, ermöglicht eine Ablesbarkeit beziehungsweise Betrachtung
ohne die nötige Verwendungen der Hände, sodass diese ohne beispielsweise das Ablegen
von Werkzeugen konzentriert genutzt und somit auch von Unterbrechungen befreite
Bewegungsabläufe gelernt werden können. Durch die berührungslose Interaktion mit der
Lernsoftware wird eine Bedienbarkeit selbst bei Aufgaben mit Verschmutzungen
gewährleistet. Ein Heraussuchen der aktuell benötigten Dokumente entfällt. Einer der
größten, zu antizipierenden Nachteile ist der Aufwand zur Erstellung eines Lernszenarios
im Vergleich zu herkömmlichen Lehrmaterialien wie Vorlesungsfolien, Bücher,
Arbeitsblätter und ähnlichem. Durch die starke Informatik-Abhängigkeit des AR-
Mediums kann der Domänenexperte meist nicht selbst Lehrinhalte neu erstellen oder
kleine Anpassungen vornehmen. Anzunehmen wäre, dass die Kosten und die benötigte
Zeit des hierfür nötigen Software-Entwicklungsprozesses der Verbreitung AR-gestützter
Lernverfahren hindernd beziehungsweise verlangsamend gegenüber stehen könnten.
Im weiteren Verlauf werden zunächst die Problemstellung und die Anforderungen sowie
deren Erhebung dargelegt, um darauf folgenden das Konzept zu beschreiben und mit einer
Diskussion möglicher Einschränkungen des aktuellen Technologiestands sowie einem
Ausblick zu schließen.


2     Problemstellung und Anforderungen
Die zukünftigen Anwender der Lernsoftware wurden frühzeitig in den Entstehungsprozess
einbezogen, um ein Lernszenario zu finden, das sowohl für die Technologie geeignet ist,
aber auch eine Unterstützung im Lehralltag darstellt. Hierzu wurde mit dem an der
Mercedes-Benz Ludwigsfelde GmbH angeschlossenen Bildungszentrum kooperiert, in
dem die Ausbildung durchgeführt und das Lernszenario eingesetzt werden soll. Die
Auszubildenden wurden mit der Technologie vertraut gemacht und eine Online-Umfrage
zu Ideeneinreichung eingerichtet. Aufgrund geringer Resonanz wurde schließlich mit
mehreren Sitzungen mit den verantwortlichen Ausbildungsmeistern die Verwendung
eines Didaktikpakets zur Montage sowie Demontage eines Stirnradgetriebes der Firma
SEW Eurodrive herauskristallisiert. Das Paket enthält die zu montierenden Bauteile und
die dafür benötigten Werkzeuge. Alle potentiell nötigen, realen Teile werden zuvor
entweder an der Wand hängend oder auch in Koffern übersichtlich sortiert. Eine Montage-
beziehungsweise Demontageanleitung führt übersichtlich durch die vorzunehmenden
Schritte und bietet darüber hinaus Aufgaben und Multiple-Choice-Fragen mit
Musterlösungen für die Lehrkraft.
                                    Frameworkbasiertes AR-Lernszenario in der Kfz-Ausbildung

Die Montage beziehungsweise Demontage kann mit dem derzeitigen Konzept lediglich
von einem Auszubildenden durchgeführt werden. Aufgrund dessen steht der
verantwortliche Meister für individuelles Feedback zu einem speziellen Schritt oder zum
allgemeinen Lernfortschritt sowie für das Einbringen von Hintergrundwissen zumeist
nicht zur Verfügung, da dieser zeitgleich für andere Ausbildungsmaßnahmen mit weiteren
Lehrlingen zuständig ist. Hierdurch erschwert sich insbesondere die Phase der
Prüfungsvorbreitung, in der der Vorgang beliebig oft trainiert werden können muss.
Neben der Einbindung des Didaktikmaterials von SEW Eurodrive besteht die
Anforderung ebenso andere Medien wie zum Beispiel Videos oder eingescannte
Lehrbuchseiten integrieren zu können, um so ein dichteres Hintergrundwissen zu
ermöglichen (vgl. Tab. 1). Um auf Anpassungen durch neue Lehrinhalte schnell reagieren
zu können, wurde eine Editiermöglichkeit durch Domänenexperten wie beispielsweise
den Ausbildungsmeistern gewünscht. Vielmehr soll die Erstellung neuer Szenarien somit
auch beschleunigt und vereinfacht werden. Durch den Betriebsrat kamen zum gewählten
Szenario weitere Anforderungen hinzu, die die Berücksichtigung eingeschränkter
Mitarbeiter und die Sicherheit von Mitarbeitern im Allgemeinen betreffen, wie zum
Beispiel das Unterlassen von Leistungserhebungen mittels Nutzeridentifikation.
 Anforderung                                                            MoSCoW-Priorität
 funktionale Anforderungen
   Umsetzung SEW Eurodrive Schritt-für-Schritt Anleitung                MUST
   Objekterkennung der Werkzeuge und Bauteile                           MUST
   Editiermöglichkeit des Lernszenarios                                 SHOULD
   Einbindung der MC-Fragen                                             COULD
   Einbindung zusätzlicher Medien (Bilder, Videos, etc.)                COULD
 nicht-funktionale Anforderungen
   Framerate von 60 FPS                                                 MUST
   Keine Nutzeridentifikation                                           MUST
   Editor-Benutzbarkeit für informatikfremde Personen                   SHOULD
   Zugänglichkeit für eingeschränkte Mitarbeiter                        SHOULD
   Anpassbarkeit an/Wiederverwendbarkeit für neue Inhalte               SHOULD
    Tab. 1: Funktionale und nicht-funktionale Anforderungen und ihre jeweilige Priorisierung
Nach einem Vergleich aktueller, zur Verfügung stehender Hardware wurde sich für die
Verwendung der Microsoft HoloLens entschieden (vgl. Tab. 2). Die Brille ist ein Optical-
See-Through-Gerät mit einer Akkulaufzeit von näherungsweise vier Stunden. Sie operiert
standalone mit dem auf Windows 10 basierenden Windows Holographic Betriebssystem
und verfügt über Sensoren zur Tiefenmessung, Gestenerkennung sowie Bild- und
Tonaufnahme. Mit ihr ist somit ein mobiles, kabelfreies Arbeiten bei zugleich akzeptabler
Akkulaufzeit und Integration virtueller Objekte in eine reale Umgebung realisierbar. Für
eine realistische Positionierung der Hologramme sollte eine Framerate von 60 FPS erreicht
werden. Die Entwicklungsumgebung für die Microsoft HoloLens setzt sich aus der 3D-
Engine Unity und Microsoft Visual Studio für die C#-Programmierung sowie für den
Kompilier- und Deployprozess zusammen.
Gregor Tallig et al.

          Anforderung               Microsoft HoloLens            DAQRI Smart Helmet
          Stabilität                ++                            --
          Objekterkennung           +                             -
          Brennweite                +                             ++
          Akkulaufzeit              ++                            ++
          Spatial Awareness4        ++                            --
          Tracking                  ++                            -
    Bemerkung: ++ Anforderung erfüllt, + Anforderung schwach erfüllt, - Anforderung eher nicht
                          erfüllt, -- Anforderung absolut nicht erfüllt
    Tab. 2: Vergleich der Microsoft HoloLens und des DAQRI Smart Helmet (Stand: 12.09.2016)



3      Konzeption
Im Folgenden wird auf das verwendete Lehrkonzept eingegangen. Hierauf baut die
Konzeption des Lernszenarios auf, die im Anschluss vorgestellt wird. Der Abschnitt endet
mit dem im Zuge dieser Arbeit entwickelten Holografischen Lernszenario Framework,
das das Fundament der Umsetzung darstellen wird.


3.1      Lehrkonzept

Um dem Lernverhalten und der Motivation der Auszubildenden gerecht zu werden und
somit den Lernerfolg zu steigern, wurden zwei verschiedene Varianten zum Aneignen des
Lerninhaltes vorgesehen. Diese werden im Folgenden kurz erläutert.
Im Startmenü kann sich der Anwender neben Montage und Demontage zusätzlich für eine
Einführung entscheiden, um sich in die Bedienung der Software und das Lernkonzept
einweisen zu lassen. Bei der Bedienung der Software wird insbesondere die Verwendung
der Sprachausgabe thematisiert. Das Lernkonzept unterscheidet zwei Betriebsarten: Frei
und Geführt. Beide Modi stehen jeweils bei der Montage sowie bei der Demontage zur
Verfügung. Hiermit werden unterschiedliche Lernmotivationen von Menschen
berücksichtigt. Extrinsisch motivierte Lernende benötigen eine vorgegebene Struktur und
Rückmeldungen zum Lernfortschritt. Intrinsisch motivierte Anwender hingegen
bevorzugen einen explorativen Ansatz und weisen aufgrund ihres Interesses einen
„natürlichen Drang“ zur Wissensgenerierung auf. Sie werden durch Struktur und zu starke
Rückmeldungen gebremst beziehungsweise demotiviert [Ke12].
Bei der geführten Variante werden dem Auszubildenden in Anlehnung an eine Schritt-für-
Schritt-Anleitung, die der Getriebehersteller SEW Eurodrive im Rahmen seines
Didaktikmaterials zur Verfügung stellt, die Abläufe sequentiell vermittelt. Dabei wird die
zum Arbeitsstand entsprechende Anleitung beispielsweise textuell eingeblendet und das
4 Unter Spatial Awareness wird hier die Fähigkeit zur räumlichen Wahrnehmung verstanden.
                                 Frameworkbasiertes AR-Lernszenario in der Kfz-Ausbildung

Vorhandensein eines bestimmten Bauteils kontrolliert. Wurde der Arbeitsschritt korrekt
ausgeführt, wird der Lernvorgang mit dem jeweils nächsten fortgesetzt.
Die freie Variante kontrolliert lediglich die Verrichtung der Montage- bzw.
Demontageschritte in der vorgegebenen Reihenfolge. Das Einblenden von Anleitungen
entfällt hierbei. Durch die Bereitstellung der verschiedenen Lernmodi wird der
Auszubildende in die Lage versetzt, sein Wissen mit der geführten Version aufzubauen
und im Anschluss in der freien Variante zu überprüfen, um sich beispielsweise auf
Prüfungssituationen einstellen zu können.


3.2    Lernszenario

Dieser Abschnitt behandelt die geführte Lernvariante des Lernkonzeptes hinsichtlich der
Grundfunktionen, die genutzt werden, um den Lehrinhalt im Zuge der Schritt-für-Schritt-
Anleitung zu vermitteln. Auf die Unterschiede zur freien Version wird im Anschluss
eingegangen.
Je nachdem, ob der Lernende die geführte oder freie Version des Lernszenarios gewählt
hat, wird zu Beginn das korrekte Vorliegen des Getriebes im entsprechenden Zustand
geprüft. Für die Montage ist dementsprechend ein vollständig demontiertes Getriebe
bereitzustellen. Sobald von der Microsoft HoloLens ein solches Objekt erkannt wird,
beginnt das Lernszenario. Mittels Texteinblendungen können die für den aktuellen
Verbauschritt benötigten Teile genannt werden (vgl. Konzept-Skizze in Abb. 1). Beim
Finden der richtigen, realen Bauteile für den aktuellen Schritt hilft die Objekterkennung
mit grünen Markierungen.




               Abb. 1: Text-Einblendung und Markierung von realen Bauteilen
Jede textuelle Einblendung wird zusätzlich auditiv wiedergegeben. Diese Sprachausgabe
kann über das oben rechts befindliche Bedienfeld auf einen früheren Text zurückgesetzt
Gregor Tallig et al.

werden, um beispielsweise bei Unaufmerksamkeit verpasste Passagen zu wiederholen.
Falls die Sprachausgabe nicht benötigt wird, kann sie überdies deaktiviert und zu einem
späteren Zeitpunkt wieder aktiviert werden. Neben der Sprachausgabe steht eine
Sprachsteuerung aller sichtbaren Schaltflächen jederzeit zur Verfügung, sodass mithilfe
der Aussprache der Beschriftung eines Buttons dieser gestenfrei aktiviert werden kann.
Durch eine Animation wird der Zusammenbau von mehreren Teilen verdeutlicht (vgl.
Abb. 2). Dabei sind diese zur besseren Wiedererkennung beschriftet. Die dreidimensionale
Ansicht beugt hierbei Missverständnisse beim späteren Zusammensetzen vor. Sobald die
einzelnen Bauteile zusammengefügt und im Getriebe eingesetzt wurden, wird der
einwandfreie Verbau an der richtigen Position durch grünes Aufleuchten des Bauteils
hervorgehoben (vgl. Abb. 3).




                  Abb. 2: Animation mehrerer virtueller Bauteile mit Beschriftung




                       Abb. 3: Grünes Hervorheben eines korrekt verbauten Teils
Lehrinhalte können in diesem Szenario jedoch nicht ausschließlich textuell und mittels
Animationen von virtuellen, dreidimensionalen Objekten vermittelt werden. Es besteht
darüber hinaus die Möglichkeit Videos oder Bilder einzubinden. Durch die Integration
von im Bildformat eingefügten Lehrbüchern kann der Wiedererkennungswert erhöht
werden und somit Wissensverknüpfungen von bereits gelernten Inhalten erneut genutzt
werden. Mittels kurzer Quiz kann der eigene Lernfortschritt überprüft und im Lehrinhalt
besondere Aufmerksamkeit auf bestimmte Sachverhalte gelegt werden (vgl. Abb. 4). Dies
ist ausdrücklich nicht als Leistungserfassung oder als Grundlage einer potentiellen
Bewertung Dritter konzipiert. Durch die Abwesenheit eines Account-Systems und die
entsprechend fehlende Information über die Identität des Nutzers erlaubt sich auch keine
Zuordnung von Lernleistung zur Person des Auszubildenden über die Lernsoftware.
Im geführten Modus erfolgt eine Auswertung des Lernvorgangs beispielsweise durch die
Anzeige der benötigten Dauer der Montage beziehungsweise Demontage. Weiterhin
                                  Frameworkbasiertes AR-Lernszenario in der Kfz-Ausbildung

können die während des Szenarios richtig beantworteten Quiz-Fragen in ein Verhältnis zu
den insgesamt möglichen gesetzt werden.




            Abb. 4: Integration anderer Medien – hier am Beispiel Video und Quiz
Im freien Modus wird die Reihenfolge der Montage- beziehungsweise Demontageschritte
nicht explizit vorgegeben, sondern muss vom Lernenden erinnert werden. Korrekt
eingesetzte Teile und vollendete Schritte werden beispielsweise durch grüne
Markierungen der betroffenen Stellen hervorgehoben (vgl. Abb. 5). Dementsprechend
können bei der Auswertung im freien Modus zusätzlich zur Dauer die bereits beim ersten
Versuch erfolgreich durchgeführten Schritte angezeigt werden (vgl. Abb. 6). Die
Anwendung kehrt im Anschluss zum Startmenü zurück, sodass das Szenario wiederholt
oder beispielsweise nach erfolgter Montage die Demontage vorgenommen werden kann.




          Abb. 5: Rückmeldung zu einem vollständig abgeschlossenen Verbauschritt




   Abb. 6: Auswertung im freien Modus mit Anzeige der erfolgreich durchgeführten Schritte
Gregor Tallig et al.

3.3     Holografisches Lernszenario Framework

Ein weiteres Ziel dieses Vorhabens stellt die Erstellung von Richtlinien zur Verwendung
der entwickelten Software-Artefakte dar, um weiteren Lernszenarien oder geänderten
Anforderungen zukünftig mit geringerem Zeitaufwand bei der Implementierung begegnen
zu können. Mithilfe der Artefakte soll es ermöglicht werden, bestehende Lehrmaterialien
einzufügen oder auszutauschen. Des Weiteren können Lehrinhalte sinngemäß zu
Einheiten gruppiert und ihr zeitlicher Ablauf geändert werden. Hierdurch wird eine hohe
Flexibilität erreicht, die Lehrkräfte allerdings nicht aufgrund fehlender Programmier-
kenntnisse ausschließt. Langfristig soll jedoch vielmehr die Erstellung neuer Lern-
szenarien vereinfacht werden, sodass ein möglichst geringfügiger Mehraufwand im Ver-
gleich zu konventionellen Lehrmedien bei zugleich gesteigertem Lernerfolg erzielt wird.
Um der geforderten Flexibilität des Lernszenarios sowie der beschleunigten Erstellung
neuer Lehrinhalte Rechnung zu tragen, wird daher ein Framework implementiert, das zum
einen wiederkehrende Prozesse bei der Realisierung holografischer E-Learning-
Anwendungen vereinfacht und zum anderen Editierungsmöglichkeiten ohne die Not-
wendigkeit von Programmierkenntnissen schafft. Das Framework ist als Unity-Package
konzipiert und kann auf diese Weise in neue Projekte geladen werden. Abseits der unity-
seitigen Funktionalitäten des Frameworks wird ein Konvertierungsprogramm bereit-
gestellt, das eine Umwandlung von 3D-Modellen in Unity-Formate erleichtert und bei
Bedarf eine Reduzierung ihrer Polygonzahl ermöglicht, wodurch Modelle nicht in jedem
Fall durch Experten angepasst werden müssen, um flüssig auf dem Head-mounted Display
angezeigt zu werden.
Eine Übersicht der unityseitigen Framework-Funktionen bietet Abb. 7. Zusammen-
gehörende Lernartefakte werden zu Unity-Szenen gebündelt. Ein Triggersystem sorgt für
den Programmablauf, indem Lernszenen, die in einem Graphen per Drag & Drop
arrangiert (vgl. Abb. 8) und anschließend verknüpft werden können, nacheinander geladen
werden, je nachdem welche Zustandsveränderung vorliegt. Dies kann beispielsweise das
Betätigen einer Schaltfläche oder das Betreten einer bestimmten Region sein. Eine
Schaltfläche kann stets auch per Sprache ausgelöst werden.
Die Bedienung des Frameworks in Unity wird durch verschiedene Maßnahmen für den
Anwender erleichtert. Zum einen kann eine Übersetzung der zum Framework gehörenden
Benutzeroberflächen erfolgen. Zum anderen werden grundlegende Funktionen, die auch
anderweitig über den Unity-Editor umsetzbar wären, einheitlich in einem Menü gebündelt.
In Unity werden zusätzliche Funktionen eines Objektes durch Komponenten realisiert, die
vom Nutzer mithilfe des Komponentennamens hinzugefügt werden müssen. Das
Framework vereinfacht diesen Prozess für Standardfunktionalitäten durch das Auswählen
einer Checkbox. Ebenso werden Komponenten, die an unterordnete Knotenpunkte
gebunden sind, im Elternobjekt angezeigt, sodass das Traversieren der Hierarchie entfällt.
Darüber hinaus wird die Einrichtung eines holografischen Projekts automatisch
vorgenommen. Der Kompilier- und Deployprozess wurden zusammengefasst, sodass
keine Notwendigkeit besteht, Visual Studio zu öffnen.
                     Frameworkbasiertes AR-Lernszenario in der Kfz-Ausbildung




     Abb. 7: Funktionsübersicht des HoloLearningFramework




Abb. 8: Reihenfolge der Lernszenen mittels Drag & Drop bestimmen
Gregor Tallig et al.

Einen Schwerpunkt des Frameworks bilden holografisch im Raum schwebende Fenster.
Sie können mit unterschiedlichen Inhalten befüllt werden (vgl. Abb. 7) und erlauben somit
Zusatzinformationen anzuzeigen. Die Positionierung von User-Interface-Elementen, wie
die der Fenster, kann durch eine mit vielfältigen Optionen versehene Komponente
spezifiziert werden. So können voreingestellte, zum User ausgerichtete Positionen
gewählt werden. Auch die Darstellung der Elemente hinter Hindernissen wie Wänden
kann vermieden werden. Überdies ist es beispielsweise möglich Objekte wieder in das
Sichtfeld des Nutzers zu animieren, sobald sie aus diesem austreten. Insofern einem
Fenster ein Text-To-Speech-Modul hinzugefügt wird, kann der Text automatisch
vorgelesen werden. Mithilfe der Lokalisierung können nicht nur zum Framework
gehörende User-Interfaces des Unity-Editors übersetzt werden, sondern auch
beispielsweise Fenster zur Laufzeit des Lernszenarios. Sogenannte Prefabs erlauben
bereits fertiggestellte Objektkombinationen mit vorkonfigurierten Parametern in eine
Szene zu setzen.


4     Diskussion
Das Framework vereinfacht einige grundlegende Arbeitsschritte, die für die Erstellung
eines Lernszenarios erforderlich sind. Jedoch gehören zu einer holografischen
Lernanwendung in den meisten Fällen die Darstellung dreidimensionaler Objekte und
deren Interaktion zu den Grundfunktionen. Die Erstellung von spezifischen 3D-Modellen
und deren Animation bleibt allerdings eine Kompetenz, die zwar vom Unity-Editor
teilweise unterstützt wird, aber dennoch Kenntnisse voraussetzt, die von einem
Domänenexperten nicht erwartet werden können. Abhilfe könnte eine Bibliothek von 3D-
Objekten schaffen, die beispielsweise von einer Community gespeist wird.
Um den Umgang mit der Software zu erlernen, wird für die Ausbildungsmeister eine
Schulung stattfinden, die aufgezeichnet auch bei späteren Fragen abrufbereit sein wird.
Während der Nutzung steht zudem eine Hilfeseite bereit und eine durchgehende
Verfügbarkeit von Tooltip-Hinweisen klärt mögliche Fragen im Speziellen.
Nichtsdestotrotz bleibt fraglich beziehungsweise zu evaluieren, ob die Komplexität und
die verwendeten, informatischen Konzepte in einem Grad heruntergebrochen wurden, der
eine intuitive Bedienung für Laien erlaubt. Ein Beispiel für eine aus der Informatik
entlehnte Vorgehensweise stellt das Triggersystem dar, das dem Observer-Pattern [GH15]
nachempfunden ist und somit stets zumindest zwei Akteure, Sender und Empfänger,
vorhanden sein müssen. Der Empfänger registriert hierbei sich beim Sender, um über das
Eintreten bestimmter Ereignisse informiert zu werden. Überdies sind weiterführende,
nicht zum Framework gehörende Unity-Funktionen nicht übersetzt und können aufgrund
der Vielfältigkeit nicht in der Hilfe berücksichtigt werden. Eine Expertenevaluation zur
Usability würde hier Aufschluss bieten und Entwicklungsaufwand zur weiteren
Vereinfachung und Vereinheitlichung des Bedienkonzeptes rechtfertigen.
                                        Frameworkbasiertes AR-Lernszenario in der Kfz-Ausbildung

Hinsichtlich der verwendeten Technologie muss bedacht werden, dass es sich um einen
Prototypen für Entwickler handelt. Wünschenswert für eine zuverlässige Nutzung der
Objekterkennung wären beispielsweise eine erhöhte Genauigkeit zur Unterscheidung
ähnlicher Bauteile oder der Erkennung von filigranen beziehungsweise kontrastarmen
Objekten. Ebenso fehlt bislang eine Unterstützung von Gegenständen ab einer
Größenordnung eines Stuhls.


5     Ausblick
Die dargelegten Grundfunktionalitäten bieten über die Umsetzung einer Schritt-für-Schritt
Montage- beziehungsweise Demontageanleitung eines Getriebes hinaus das Fundament
für die Realisierung zukünftiger Augmented-Reality-Lernszenarien. Für diese wäre eine
denkbare Erweiterung das Teilen des holografischen Raumes mit weiteren Anwendern,
um ein kollaborierendes Lernen zu ermöglichen. Hierunter könnten neben anderen
Lernenden auch Lehrkräfte zählen, die bei Fragen hinzu geschaltet werden können und
unter anderem mit Zeichnungen in den 3D-Raum des Nutzers helfen 5.
Zu vorgestellten Funktionen zählen zum gegenwärtigen Stand die Erkennung von
Objekten sowie die Einblendung von Zusatzinformationen zu realen Gegenständen, die
einfache Einbindung von Texten, Videos und Bildern, eine Sprachausgabe und
Sprachsteuerung, aber auch eine automatisch erstellte, anonyme Rückmeldung über den
persönlichen Lernfortschritt. Auf Grundlage dieser Möglichkeiten sowie unter
Verwendung der gewählten, aktuellen Hardware umfasst das vorrangige Ziel des
Vorhabens, das Lernen mit Augmented-Reality zu evaluieren. Hierbei erfolgt ein
Vergleich mit dem bisherigen Lehrverfahren anhand einer Kontrollgruppe. Zu klärende
Fragen sind hierbei, ob das Hintergrundwissen und das Verständnis durch eine erhöhte
Anschaulichkeit gesteigert werden können.


Literaturverzeichnis
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5 Beispiel verfügbar unter: www.microsoft.com/de-de/hololens/apps/skype, abgerufen am: 13.06.2017
Gregor Tallig et al.

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            Elemente wiederverwendbarer objektorientierter Software, 1. Auflage, mitp-Verlag,
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[Ke12]      Kerres, M.: Mediendidaktik. Konzeption und Entwicklung mediengestützter
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