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|title=Effizienz in Zeiten der Digitalisierung: Schneller, besser, kostengünstiger?(Efficiency in the digital age: Quicker, better, cheaper?)
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==Effizienz in Zeiten der Digitalisierung: Schneller, besser, kostengünstiger?(Efficiency in the digital age: Quicker, better, cheaper?)==
R. Zender, U. Lucke, J. Haase, M. von der Heyde, G. Leitner und W. Meyer (Hrsg.): Proceedings des Workshops "Lernen und Arbeiten im Wandel", Potsdam, 2018 29 Effizienz in Zeiten der Digitalisierung: Schneller, besser, kostengünstiger? Stefanie Lemcke1, Sven Strickroth1 und Ulrike Lucke1 Zusammenfassung: Die fortschreitende Digitalisierung soll alle Bereich des Lebens leichter und angenehmer gestalten – so auch die Abarbeitung von Verwaltungsprozessen. Wie realistisch sind jedoch solche Aussagen? Am Beispiel des internen Prozesses zur Genehmigung von Beschaffungen an der Universität Potsdam wird untersucht, ob das dafür eingeführte Online- System eine effizientere Bearbeitung unterstützt. Erste Zwischenergebnisse deuten jedoch an, dass der IT-gestützte Prozess keine zeitlichen Vorteile beim Ausfüllen der Anträge bietet. Allerdings deuten Anzeichen auf eine gestiegene Vollständigkeit und Qualität der Anträge hin. Diese und weitere Zwischenergebnisse werden in dem vorliegenden Paper vorgestellt und daraus resultierende Erkenntnisse diskutiert. Abstract: The ongoing digitization aims to make many parts of life easier and more enjoyable - as well as the execution of administrative processes. How realistic are such statements? Currently, this is being evaluated on the basis of the internal approval process for procurements at the University of Potsdam. In concrete terms, it is examined whether the online system introduced for this purpose supports a more efficient way of working than the traditional paper based workflow. First results show that the IT-supported process offers no time-related advantages when filling out forms. However, there are also indications of increased completeness and quality of these applications. These and other interim results are presented and discussed in this paper. Keywords: Digitalisierung, Verwaltungs-IT, Prozesse, Effizienz 1 Einleitung Digitalisierung ist in aller Munde. So finden sich im aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD2 Aussagen über Fortschritte und Verbesserungen durch Digitalisierung in nahezu allen Bereichen des Lebens, die an Heilsversprechen erinnern. Durch Digitalisierung in der Verwaltung werden das Prinzip Digital First (als „Vorrang digitaler Verwaltungsleistungen vor Notwendigkeit zu persönlichem Erscheinen oder Schriftform“; Zeilen 359-360) bzw. die E-Akte (als „vollständige elektronische Vorgangsbearbeitung in der öffentlichen Verwaltung“; Zeilen 2028-2029) postuliert. 1 Universität Potsdam, Institut für Informatik und Computational Science, A.-Bebel-Str.89, 14482 Potsdam, {vorname.nachname}@uni-potsdam.de 2 https://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/2018/03/2018-03-14-koalitionsvertrag.pdf, letzter Abruf; 2018-07-11 30 Stefanie Lemcke, Sven Strickroth und Ulrike Lucke Ähnlich große, oft politisch motivierte Erwartungshaltungen werden auch für Hochschulen formuliert [HfD15]. Dennoch sind „Digitalisierung“ oder „Digitale Transformation“ primär von der Privatwirtschaft geprägte Begriffe [He17]. Im wissenschaftlichen Diskurs hat hingegen eine differenzierte Auseinandersetzung mit Vor- und Nachteilen, nötigen oder förderlichen Rahmenbedingungen, realistisch erreichbaren Zielen sowie Auswirkungen auf den Einzelnen und die Gesellschaft bereits begonnen: z. B. für die Hochschullehre [Ha17], für die Forschung [Be17] sowie ausschnittweise auch bereits für die Hochschulverwaltung [Gi17] bzw. für die dortige Arbeitskultur [Ba17]. Doch nur „wenn die Verwaltung innovativ ist, können auch die Bereiche Lehre und Forschung in die digitale Zukunft schreiten“ [Sc17, S. 119]. Zudem ist die Verwaltung „über die finanzielle Verzahnung und die Betreuung der digitalen Infrastruktur mit Forschung und Lehre verbunden und kann Treiber oder Verzögerer der [digitalen] Transformation sein“ [Sc17, S. 103]. Aus der Vielzahl von Verwaltungsprozessen an Hochschulen wird häufig das Campus Management in den Blick genommen. Die Prozesse des Ressourcen Managements (z. B. Beschaffung, Dienstreisen, Urlaub, Krankmeldungen, …) werden jedoch zumeist noch über konventionelle Papierformulare abgewickelt. Die Digitalisierung hält hier oftmals lediglich beschränkt Einzug durch die Bereitstellung digital ausfüllbarer PDF-Formulare. Für Teilprozesse gibt es spezialisierte technische Unterstützung durch Software verschiedener Anbieter, aber nur sehr selten werden komplette Prozesse vollständig digital abgedeckt [Br18]. Dadurch entstehen Fehlerquellen durch Medienbrüche bzw. manuelle Datenübertragungen; häufig werden die Vorgänge als langsam und intransparent empfunden. Zudem sind IT-Projekte in der öffentlichen Verwaltung oft schwergängig, und die Ergebnisse bleiben hinter den Erwartungen zurück [Me09]. Das Ziel dieses Beitrags ist es daher, durch empirische Studien an einem konkreten Fallbeispiel gängige Erwartungshaltungen auf ihre Realisierbarkeit in der Praxis zu untersuchen. Als Ziele der Digitalisierung der Verwaltung werden oft benannt [Gi17]: Vermeidung von Medienbrüchen Vermeidung von Fehlern einfacherer Datenaustausch höhere Transparenz höhere Effizienz und damit gesteigerte Wirtschaftlichkeit Ein eher unreflektiertes „schneller, besser und billiger“ scheint die Devise zu sein, d. h. eine kritische Auseinandersetzung ist notwendig. Diese erfolgt hier am Beispiel des Beschaffungsprozesses durch einen systematischen Vergleich von Online- und Papier- Variante. Dieser Verwaltungsvorgang wurde ausgewählt, da er sowohl komplex als auch durch gesetzliche Vorgaben klar strukturiert ist sowie viele Akteure und rechtsverbindliche Daten bzw. Handlungen im Binnen- und Außenverhältnis der Effizienz in Zeiten der Digitalisierung 31 Hochschule beteiligt sind. Da an der Universität Potsdam ein Online- Beschaffungssystem derzeit eingeführt ist, besteht die Möglichkeit zur Gegenüberstellung von digitalem und papiergebundenem Prozess. So sollen der tatsächlich erzielbare Mehrwert und damit die Relevanz der Digitalisierung in der Hochschulverwaltung näher untersucht werden. Mittelfristig kann dadurch auch der disruptive Charakter der Digitalisierung [He17] – sofern er denn die Hochschulverwaltung betrifft – aufgezeigt werden. 2 Gegenstandsbereich Als Einrichtungen des öffentlichen Dienstes unterliegen Universitäten einer Vielzahl von Verordnungen und Regularien, welche sich in vielfältigen, komplexen Prozessen niederschlagen. Ein Beispiel dafür sind Beschaffungsanträge, die bereits vor der Ausschreibung und Auftragsvergabe einen mehrstufigen, internen Genehmigungsprozess durchlaufen müssen. Dabei sind viele verschiedene Personen in unterschiedlichen Positionen bzw. Funktionen einzubeziehen. Abb. 1: Überblick über einen Beschaffungsprozess am Beispiel der Universität Potsdam Beispielhaft wird in Abb. 1 der Beschaffungsprozess der Universität Potsdam in vereinfachter Form gezeigt. Nachdem ein Mitarbeiter einen Bedarf festgestellt und den Beschaffungsantrag mit allen relevanten Informationen ausgefüllt hat, wird dieser zur Budgetprüfung an den Verwaltungsleiter und anschließend zur Plausibilitätsprüfung an den Kostenstelleninhaber weitergeleitet. Nach den Genehmigungen durch diese beiden Instanzen wird eine abschließende Kontrolle durch das Dezernat für Haushalt und Beschaffung (im Folgenden: Dezernat) durchgeführt und bei erfolgreicher Prüfung die zu beschaffenden Güter oder Dienstleistungen ausgeschrieben und der Auftrag vergeben. 32 Stefanie Lemcke, Sven Strickroth und Ulrike Lucke Ein Beschaffungsantrag umfasst alle nötigen Informationen zur Erstellung eines Auftrages sowie die Finanzierungsquelle. Neben einer präzisen Leistungsbeschreibung des Bedarfes inkl. dreier Angebote muss angegeben werden, warum die Beschaffung notwendig ist und aus welchen Mitteln sie finanziert werden soll. Für die Finanzierung existieren mehrere Strukturen (bzw. Kapitel, Titel, Kostenstelle, Kostenart usw.) welche angeben, wer, wofür und warum die Güter beschafft werden. So kann nachvollzogen werden, ob die angeforderten Artikel (über diese Finanzierung) beschafft werden dürfen. Traditionell erfolgt die Bearbeitung der Anträge auf Papier. Nach dem Ausfüllen und Ausdrucken der PDF-Vorlage werden die Anträge per Hauspost an den nächsten Bearbeiter zu Unterschrift weitergeleitet. Nach Eingang im Dezernat werden die Daten erneut in Formularvorlagen zur weiteren Bearbeitung übernommen. Dieses Vorgehen ist zum einen zeitaufwendig und zum anderen fehleranfällig. Um diesen Problemen zu begegnen, wird an der Universität Potsdam ein System (Beschaffung.UP) eingeführt, welches den Beschaffungsantrag sowie den Genehmigungsablauf vollständig digital abbildet. Dabei wird die Steuerung des in BPMN modellierten Zeichnungsprozesses durch eine integrierte Workflow-Engine übernommen. Die Modellierung entspricht nahezu dem originalen Papier-Prozess und unterscheidet sich in einigen Fakultäten lediglich in der Reihenfolge der einzelnen Arbeitsschritte. Zusätzlich werden beim Ausfüllen der Anträge verschiedene Unterstützungen, wie das Vorausfüllen der Felder (Stammdaten, Lieferanschrift, etc.) anhand der Profildaten, eine Vorselektion der Finanzierungsdaten anhand der Zugehörigkeit der Nutzer zu Organisationseinheiten sowie automatische Berechnungen und Überprüfung auf Vollständigkeit der Anträge angeboten. Da sich Beschaffung.UP noch im Pilotbetrieb befindet und die Eingliederung sämtlicher Bereiche und Fakultäten der Universität noch nicht abgeschlossen ist, werden derzeit beide Prozesse parallel akzeptiert und durchgeführt. 3 Thesen In diesem Beitrag wird der erste Zwischenstand einer laufenden Studie beschrieben, welche sich mit der Fragestellung befasst: „Ist eine effizientere Bearbeitung eines Beschaffungsantrages durch die Benutzung von Beschaffung.UP möglich?“ Zunächst muss dabei geklärt werden, was in diesem Zusammenhang Effizienz bedeutet und was der Unterschied zu Effektivität ist. In der DIN EN ISO 9241-11 werden sowohl die Effizienz als auch die Effektivität als Messung für die Gebrauchstauglichkeit genutzt, welche „das Ausmaß, in dem ein Produkt von bestimmten Benutzern in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen“ [ISO98] ist. In diesem Zusammenhang ist Effektivität „die Genauigkeit und Vollständigkeit, mit der Benutzer ein bestimmtes Ziel erreichen“ [ISO98], während Effizienz „der im Verhältnis zur Genauigkeit und Effizienz in Zeiten der Digitalisierung 33 Vollständigkeit eingesetzte Aufwand, mit dem Benutzer ein bestimmtes Ziel erreichen“ [ISO98] ist. Konkret bedeutet dies, dass eine Aufgabe effektiv bearbeitet werden kann, wenn sie mit den vorliegenden Mitteln vollständig gelöst werden kann. Effizienz hingegen setzt die Effektivität noch ins Verhältnis zum benötigten Aufwand, d. h. je geringer der Aufwand zur vollständigen Bearbeitung ist, desto effizienter ist die Bearbeitung. Hinzu kommt die Dimension der Zufriedenstellung, die das subjektive Befinden des Nutzers in diesem Prozess betrachtet. Von dieser Definition ausgehend werden für die Studie drei Dimensionen betrachtet und die folgenden Hypothesen aufgestellt: Zeit: H1: Durch Beschaffung.UP werden die Anträge schneller bearbeitet. H2: Durch Beschaffung.UP werden die Umlaufzeiten reduziert. Qualität: H3: Durch Beschaffung.UP steigt die Qualität der Anträge. Ressourcen: H4: Durch Beschaffung.UP werden weniger zusätzliche, individuelle Ressourcen notwendig. 4 Untersuchungsdesign Für die Untersuchung der in Kapitel 3 genannten Hypothesen wurde ein direkter Vergleich zwischen den beiden Prozesse, digital vs. papiergebunden, gezogen. Dabei erfordern sowohl die Erhebung der Daten als auch die anschließende Auswertung den Einsatz verschiedener Methoden, welche in diesem Kapitel beschrieben werden. Da es bisher keinen hinreichenden Evaluationsansatz für solche Studien gibt, musste ein eigenes Studiendesign erarbeitet werden, das im Folgenden vorgestellt wird. 4.1 Methoden der Datenerhebung Zur Datenerhebung werden sowohl qualitative als auch quantitative Methoden in einer Kombination aus Beobachtungen, Interviews und standardisierten Fragebögen genutzt. Allgemein betrachtet sind alle Methoden der Datenerhebung Beobachtungen, da die zu ermittelten Daten visuell über die entsprechenden Messinstrumente erhoben werden. In der empirischen Sozialforschung werden Erhebungsmethoden jedoch nur dann Beobachtung genannt, wenn sie eine menschliche Handlung, eine sprachliche und/oder nonverbale Kommunikation dokumentieren [Di12]. In dieser Studie werden 34 Stefanie Lemcke, Sven Strickroth und Ulrike Lucke Beobachtungen genutzt, um die Bearbeitungszeit für Beschaffungsanträge zu ermitteln. Dazu werden Messpunkte festgelegt, die sich durch die thematischen Bereiche im Antragsformular ergeben. Die Ermittlung der Bearbeitungszeiten findet anschließend in Einzelterminen mit freiwilligen Mitarbeitern statt, welche bei der Ausfüllung eines Antrages beobachtet und die benötigte Zeit dabei gestoppt wird. Während der Studie wurde dieses Vorgehen durch die Verwendung eines Umlaufzettels erweitert, in dem der Empfang, ausgeführte Arbeiten sowie die Bearbeitungsdauer dokumentiert werden sollte, um zudem eine Schätzung der Bearbeitungszeiten der nachfolgenden Mitarbeiter sowie die Laufzeit des Antrages bis zum Absenden in das Dezernat zu erhalten. Interviews sind eine Form der Befragung zur Erfassung von Meinungen und Einstellungen [Di12]. Das verwendete Leitfadeninterview zählt dabei zu den halb strukturierten Interviewformen, welches einen roten Faden für die Gesprächsführung vorgibt, aber gleichzeitig Raum für tiefer gehende Nachfragen bietet. Das Interview wird direkt im Anschluss an die Beobachtung durchgeführt und dient der Erfassung von Unterschieden im Prozessablauf sowie von Steigerungen in der Qualität der Anträge. Es werden hier Fragen zu nachfolgenden Bearbeitern, Korrekturen bzw. Beanstandungen durch diese Personen sowie zu zeitlichen Verzögerungen gestellt. Standardisierte Fragebögen sind eine Form der strukturierten Befragung. Mit dem System Usabilty Scale (SUS, [Br96]) wurde eine Methode zur quantitativen Datenerhebung gewählt, um zusätzlich eine Bewertung der Gebrauchstauglichkeit von Beschaffung.UP zu erfassen. Der SUS besteht aus lediglich 10 Fragen (mit abwechselnd positiven und negativen Aussagen) auf einer fünfstufigen Likert-Skala (von „stimme gar nicht zu“ bis „stimme voll und ganz zu“) und hat sich als ein aufwandsarmes Mittel zur Abschätzung der Gebrauchstauglichkeit etabliert. Wichtig ist es, eine für die Nutzer verständliche Version zu nutzen [Fi06], daher wurde eine deutsche Variante eingesetzt. 4.2 Durchführung der Studie Durch die Gegenüberstellung der zwei Prozesse – Papier und Online – teilt sich die Studie in zwei Bereiche. Es müssen Personen sowohl beim Ausfüllen eines Antrages auf Papier als auch beim Bearbeiten von Anträgen über Beschaffung.UP beobachtet werden. Durch die sukzessive Eingliederung der Fakultäten der Universität Potsdam in das neue Beschaffungssystem lassen sich zwar deutlich weniger Personen finden, welche noch auf Papier beschaffen, gleichzeitig bietet das jedoch die Möglichkeit einen direkten Vergleich mit denselben Teilnehmern in beiden Bereichen durchzuführen. Für die Durchführung der Studie wurden Verwaltungsleiter und Sekretariate von zwei Fakultäten für eine freiwillige Teilnahme angefragt, welche noch auf Papier beschaffen und demnächst in Beschaffung.UP eingegliedert werden. In Einzelterminen wurden die Teilnehmer zunächst beim Ausfüllen eines Antrages beobachtet und die benötigte Zeit dafür ermittelt. Direkt im Anschluss wurden die Interviews durchgeführt. Im Bereich der Online-Beschaffungsanträge wurde zusätzlich Fragen zum System gestellt, welche die Effizienz in Zeiten der Digitalisierung 35 Kenntnis und Nützlichkeit der zur Verfügung gestellten Hilfsmittel ermitteln sollen, und darum gebeten den SUS-Fragebogen auszufüllen. 4.3 Datenauswertung Für die Auswertung wurden die erhobenen Daten den drei identifizierten Dimensionen (vgl. Abschnitt 3) zur Beantwortung der Fragestellung zugeordnet und analysiert: Zeit: Im Bereich der Antragserstellung bietet sich eine direkte Gegenüberstellung der Bearbeitungszeiten an. Durch den identischen Aufbau der Formulare lassen sich die identifizierten Messpunkte ohne zusätzlichen Aufwand miteinander ver- gleichen. Die benötigte Laufzeit der Formulare bis zum Eingang im Dezernat basiert im Papierbereich auf Schätzungen der Teilnehmer. Erst später wurde eine Erweiterung durch Umlaufzettel vorgenommen, um konkrete Daten zu erhalten. Qualität: Um eine Aussage über eine gestiegene oder verminderte Qualität zu treffen, werden die im Anschluss an die Beobachtung durchgeführten Interviews verwendet. Die Interviews werden hinsichtlich Prozessablauf, Umlaufzeiten, möglichen Rückfragen, gewünschten Korrekturen sowie Kommunikationsweg qualitativ ausgewertet. Ressourcen: Hier werden ebenfalls die durchgeführten Interviews herangezogen und hinsichtlich erwähnter Hilfsmittel und (kreativen) Maßnahmen zur Vereinfachung der Arbeitsschritte analysiert. Eine Tendenz der Gebrauchstauglichkeit ergibt sich aus der Auswertung der SUS- Fragebögen. Dies erfolgt gemäß der Berechnungsvorschrift aus [Br96] und ergibt einen Wert zwischen 0 und 100. Basierend auf Vergleichsuntersuchungen anderer Software- systeme lässt sich dieser Wert schließlich auf eine Bewertung mangelhaft (unter 52 Punkten), OK (ab 52 Punkten), gut (ab 73 Punkten), exzellent (ab 85 Punkten) oder bestmöglich (100 Punkte) abbilden [BKM09]. 5 Ergebnisse der Studie Dieser Abschnitt widmet sich der Darstellung der Ergebnisse der Untersuchung gemäß der im vorherigen Abschnitt vorgestellten Auswertung. Da die Studie noch nicht vollständig abgeschlossen ist, handelt es sich um vorläufige Ergebnisse. Zudem konnte der ursprünglich geplante Vergleich mit denselben Personen nicht vollständig umgesetzt werden, sodass der Teilnehmerkreis für die Online-Prozesse auf weitere Einrichtungen der Universität erweitert wurde. Aktuell haben 17 Personen an der Studie teilgenommen, von denen ein Teilnehmer bereits bei beiden Prozessen beobachtet werden konnte. 36 Stefanie Lemcke, Sven Strickroth und Ulrike Lucke Papierprozess (14 Personen) − 8 Projektassistenten mit rechnerischer Zeichnungsbefugnis sowie − 1 wissenschaftliche Hilfskraft (Antragsteller) − 3 Sekretärinnen ohne rechnerische Zeichnungsbefugnis (Antragsteller) − 1 Verwaltungsleiter (Finanzprüfung) − 1 Mitarbeiterin einer zentralen Einrichtung (Antragsteller) Online-Prozess (4 Personen) − 2 Mitarbeiter einer zentralen Einrichtung (Antragsteller) − 1 Verwaltungsleiter (Finanzprüfung) − 1 Projektassistent (Antragsteller, hat bereits im Bereich des Papierprozesses teilgenommen) Alle bis auf eine Person (beim Online-Prozess) haben bereits in der Vergangenheit Beschaffungsanträge gestellt und können daher als erfahren eingestuft werden. Darüber hinaus wurden Interviews mit zwei Mitarbeitern des Dezernates durchgeführt. Da hier die Prozesse sowohl auf Papier als auch online eintreffen, konnten diese Personen zu beiden Prozesses Aussagen treffen. Allerdings ist die Auswertung dieser Beobachtungen und Interviews leider noch nicht abgeschlossen, sodass derzeit noch keine detaillierten Aussagen zu diesem Teil des Prozesses getroffen werden. 5.1 Zeit Für die Betrachtung der ersten Hypothese (H1) konnten insgesamt 12 Personen zum Papierprozess befragt sowie die durchschnittliche Bearbeitungszeit beim Ausfüllen eines Antrages ermittelt werden. Die 7 realen Anträge wurden in durchschnittlich 5 min bearbeitet. Ein Antrag wurde lediglich simuliert und beanspruchte nur ca. 1 min. Die restlichen 4 Personen gaben jeweils nur eine Schätzung ab. Hier liegt die Durchschnittszeit bei ca. 11:25 min. Im Online-Bereich wurde bisher nur 3 Personen beim Ausfüllen eines Antrages begleitet. Durchschnittlich wurden hier die Anträge in 11 min bearbeitet. Eine Person arbeitete jedoch zum Zeitpunkt der Beobachtung das erste Mal mit Beschaffung.UP. Wenn man diesen Antrag nicht mit betrachtet, liegt die durchschnittliche Bearbeitungszeit bei 7:30 min. Im Vergleich der Durchschnittszeiten verläuft die Bearbeitung eines Papierantrages schneller als über Beschaffung.UP. Gemäß Effizienz in Zeiten der Digitalisierung 37 des Mann Whitney-Test (U-Test) ist dieser Unterschied jedoch nicht signifikant (p=0,067 für alle Anträge, p=0,22 ohne die Person ohne Vorkenntnisse). Für die Ermittlung der Umlaufzeit (H2) der Papierprozesse wurden im Laufe der Studie Umlaufzettel eingeführt. Insgesamt wurden 3 der bisher 7 Anträge dadurch beobachtet. Da ein Umlaufzettel bisher nicht zurückgesendet wurde, kann sich derzeit nur auf zwei Datensätze (4 bzw. 15 Tage) bezogen werden. Im Online-Bereich hingegen existieren seit dem 01.10.2016 (bis Anfang Juli 2018) insgesamt 305 Anträge, die offiziell beendet (nicht abgebrochen oder zurückgezogen) wurden. Hier liegt die durchschnittliche Umlaufzeit bei 3 Tagen (Minimum: 2 Stunden, Maximum: 104 Tage, Median: 5 Tage). 5.2 Qualität Die Qualität (H3) wird für diese Studie in Form von Vollständigkeit und Korrektheit der Anträge überprüft. Während der Beobachtungen bzw. Interviews zu den Papieranträgen hat sich folgendes gezeigt: 10 der 11 Teilnehmer füllten den Antrag immer vollständig aus. Es existiert ein Sonderfall; hier wurde der Antrag durch eine wissenschaftliche Hilfskraft vorbereitet und die Kontierung anschließend durch die Projektassistentin ergänzt. Nach den Aussagen der Teilnehmer kam es bei bisherigen Anträgen nur selten zu Rückfragen durch nachfolgende Bearbeiter. Weiterhin wurde angegeben, dass bisher nur Nachfragen zur sachlichen Notwendigkeit gestellt wurden (2 Nennungen), während die Kontierung (insbesondere die Kostenart) von den nächsten Bearbeitern selbstständig korrigiert wurde. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bereits die Anträge beim ursprünglichen Prozess vollständig und nach den Aussagen der Probanden korrekt ausgefüllt werden. In Interviews mit dem Dezernat hingegen wurde berichtet, dass die Anträge auf Papier nicht immer vollständig und vor allem die Stammdaten, die Lieferanschrift und die Kontierung oft nicht ausgefüllt, diese beim Online-Formular jedoch meistens eingetragen sind. Eine Aussage zur Korrektheit der Daten wurde nicht abgegeben. Die Beobachtungen und Interviews bei den Online-Prozessen ergaben, dass das Vorausfüllen der Stammdaten und der Lieferanschrift von den Bearbeitern als nützlich empfunden wird und die Anzeige und Filterung der möglichen Kontierungen eine korrekte Angabe erleichtert. Jedoch wurde berichtet, dass oft lediglich die Kostenstelle bekannt ist und der Rest geraten und darauf vertraut wird, dass nachfolgende Personen dies berichtigen. 5.3 Ressourcen Effizienz lässt sich nicht nur durch Zeit und Qualität belegen, sondern auch durch die Verwendung zusätzlicher Ressourcen (H4). Oftmals führen viele Wege zum Ziel, welche zwar genauso schnell aber nur durch die Nutzung von individuellen Hilfsmitteln 38 Stefanie Lemcke, Sven Strickroth und Ulrike Lucke umsetzbar sind. Während der Beobachtungen beim Ausfüllen der Anträge konnte der Einsatz verschiedener – offizieller und individueller – Hilfsmittel und Maßnahmen zur Vereinfachung von (sich wiederholenden) Arbeitsschritten beobachtet werden, welche in den anschließenden Interviews auch bestätigt wurden: 7 Personen nutzen die offiziellen Listen für die Kontierungsstrukturen, welche durch das Dezernat im Intranet zur Verfügung gestellt werden. 5 Personen nutzen, teilweise zusätzlich zu den offiziellen Hilfsmitteln, selbst oder manchmal durch die Verwaltungsleitung erstellte, individualisierte Teillisten. Um wiederkehrende Handlungen (z. B. das Ausfüllen von Stammdaten, Lieferanschrift und Begründungen) zu vereinfachen, konnten ebenfalls verschiedene Umgehungs- lösungen beobachtet werden: Eine Person nutzte einen Stempel für die Lieferanschrift. 4 Personen verwenden teilweise alte Anträge erneut und tauschen nur die relevanten Daten wie Artikel und Begründung aus oder haben sich eine Vorlage mit allen relevanten Daten erstellt. Eine Person verwendete zusätzlich zur erstellten Vorlage das Copy & Paste- Verfahren: Hierbei werden die benötigten Daten aus alten Anträgen oder, im Fall der Artikel, aus den Rahmenverträgen kopiert. Überwiegend wurden die Formulare neu aus dem Intranet geladen. Dies wurde damit begründet, dass sonst veraltete Versionen verwendet werden könnten, welche dann vom Dezernat zurückgeschickt werden. Um diesen Problemen vorzubeugen sind in Beschaffung.UP mehrere Hilfsmittel integriert worden. So werden beispielsweise die Stammdaten und die Lieferanschrift anhand der Profildaten bereits in der aktuellen Formularvorlage vorausgefüllt. Weiterhin werden nur valide und gültige Kontierungs- strukturen angezeigt, welche anhand der im persönlichen Profil bzw. im Kopf des Formulars eingestellten Organisationsstruktur gefiltert werden. Diese und weitere Hilfsmittel wurden zwar von den drei Teilnehmern im Online-Bereich insgesamt als nützlich eingestuft, allerdings sind sie nicht immer bekannt und wurden daher teilweise nicht genutzt. Zudem konnte auch die Verwendung von (externen) Hilfsmitteln beim Ausfüllen von Anträgen über Beschaffung.UP beobachtet werden: Die Kostenart wurde in alten Anträgen nachgeschlagen, da die angebotene Liste als zu umfangreich und unstrukturiert empfunden wird. Für Begründungen wurden Textbausteine in einem Textdokument gespeichert, die bei Bedarf einfach kopiert werden. Anträge wurden im alten Formular vorgeschrieben und dann einfach die Texte in das Online-Formular übernommen. Zwar geschah dies, um während des Interviews etwas Zeit zu sparen, dennoch wurde durch diesen Probanden auch Effizienz in Zeiten der Digitalisierung 39 angemerkt, dass die Formularfelder teilweise zu klein sind und dass die Übersichtlichkeit beim Papierformular deutlich besser sei. 5.4 System Usability Scale Um die Gebrauchstauglichkeit von Beschaffung.UP einschätzen zu können, wurde bei den Interviews zu Beschaffung.UP – sowohl bei den Antragstellern als auch im Dezernat – zusätzlich der SUS eingesetzt. Um die Aussage der Stichprobe zu verbessern, wurden zusätzlich die Mitarbeiter des Institutes für Informatik, welche bereits seit der Testphase mit dem System arbeiten, um Ausfüllung des Fragebogens gebeten. Somit konnten 13 Fragebögen zu folgenden Rollen ausgewertet werden: 8 Antragssteller 1 Kostenstelleninhaber (hat auch als Antragsteller mit dem System gearbeitet) 2 Verwaltungsleiter 2 Mitarbeiter des Dezernates Beschaffung.UP wurde im Durchschnitt mit 83 (gut) bewertet. Werden nur die Personen außerhalb des Dezernates betrachtet liegt der Wert bei 84 (gut). 6 Diskussion Die vorgestellten Ergebnisse basieren noch auf einer kleinen Stichprobe einer noch laufenden Studie. Zudem erfolgte eine Selbstselektion der Teilnehmer. Daher kann die Studie bislang nicht als repräsentativ angesehen werden. Dennoch bietet sie bereits jetzt interessante Einblicke und Tendenzen in diesen Bereich und Abläufe. Die Bearbeitungsdauern der Anträge (H1) scheinen mit dem Online-Beschaffungssystem größer zu sein als bei den Papieranträgen. Statistisch ist jedoch kein signifikanter Unterschied feststellbar, sodass davon auszugehen ist, dass beide gleich lang dauern. Dennoch sind Rückschlüsse auf die Art der Bearbeitung möglich. Im Papierprozess sind die kurzen Bearbeitungszeiten vor allem durch die langjährige Erfahrung der Teilnehmer erklärbar: Das Ausfüllen der Anträge ist hier Routine, sodass die benötigten Informationen oft bekannt sind bzw. vorab schon bereit gelegt werden. Es ist aber denkbar, dass neue Mitarbeiter, mit weniger Routine, von den digitalen Hilfsmitteln profitieren können. Im Vergleich der Umlaufzeiten (H2) kann sogar behauptet werden, dass die Weiterleitung mittels Beschaffung.UP schneller ist: Eine Zeit von ca. 2 Stunden für den Umlauf ist auf Papier nur zu unterbieten, wenn alle Beteiligten am gleichen Standort tätig und zur gleichen Zeit auch anwesend sind. Jedoch zeigt gerade der 15 Tage laufende Papierantrag, in diesem Fall verursacht durch Forschungsfreisemester und Urlaub, dass der orts- und zeitunabhängige Zugriff gerade in dringenden Fällen vorteilhaft sein kann. 40 Stefanie Lemcke, Sven Strickroth und Ulrike Lucke Die Annahme, dass die Anträge online qualitativ besser ausgefüllt werden (H3), lässt sich nur durch die Aussagen des Dezernates belegen, da bei allen beobachteten Papieranträgen alle notwendigen Felder ausgefüllt wurden. Dabei muss bedacht werden, dass diese Teilnehmer meist viel Erfahrung besitzen. Allerdings zeigt die Aussage des Dezernates, dass die eingebauten Funktionen zum Vorausfüllen der Formulare mit Stammdaten und Lieferanschrift als nützlich eingestuft werden können. Allgemein wurden die eingebauten Hilfsmittel (H4), wie das Vorausfüllen von Stammdaten, Unterstützung bei der Kontierung, Kopierfunktion etc., von den Teilnehmern des Online-Bereiches als hilfreich empfunden und decken alle beobachteten Hilfsmittel und Provisorien im Papierprozess ab. Die zusätzlich verwendeten Werkzeuge, welche im Online-Bereich erfasst werden konnten, können als Möglichkeiten zur Weiterentwicklung und damit besseren Unterstützung angesehen werden. Auch der SUS-Wert von 83 (84 ohne das Dezernat) zeigen, dass der Umgang mit dem System als gut, fast sogar exzellent (ab 85) wahrgenommen wird. Allerdings waren die integrierten Hilfsmittel von Beschaffung.UP nicht immer allen bekannt. Auch wenn ein Teilnehmer zum Zeitpunkt der Beobachtung zum ersten Mal mit Beschaffung.UP gearbeitet hat, kann dennoch festgehalten werden, dass die angebotenen Hilfsmittel nicht ausreichend sichtbar sind und nur durch das Lesen der Dokumentation bzw. durch Schulungen bekannt werden. Um die Nützlichkeit der integrierten Hilfsmittel deutlich zu steigern, muss also über Konzepte zur Steigerung ihrer Sichtbarkeit nachgedacht werden. 7 Fazit und Empfehlungen Digitalisierung wird oft unreflektiert mit „schneller, besser und billiger“ assoziiert. In diesem Artikel wurde am Beispiel des Beschaffungsprozesses an der Universität Potsdam ein systematischer Vergleich des Online- und Papierprozesses durchgeführt. Ziel der weiter laufenden Studie ist es festzustellen, ob die Bearbeitung von Beschaffungsanträgen durch Beschaffung.UP effizienter (schneller, besser und mit weniger zusätzlichen Ressourcen) durchführbar ist. Die Ergebnisse lieferten bislang die Erkenntnis, dass jenseits der deutlich schnelleren digitalen Datenübermittlung, durch entfallende Postwege und der Möglichkeit ortsunabhängig Anträge bearbeiten zu können, zunächst keine zeitliche Verbesserung beim Ausfüllen der Anträge zu verzeichnen ist. Hinsichtlich der Qualität scheinen die vollständig digitalisierten Prozesse zwar Vorteile zu bringen, dies lässt sich allerdings nur durch Aussagen des Dezernates belegen und ist in den Beobachtungen bislang nicht nachweisbar. Die Funktionen von Beschaffung.UP decken einige Behelfslösungen und Vereinfachungen im Papierprozess ab, aber auch bei der Arbeit mit dem Online-System werden einige (neue) Hilfsmittel verwendet. Insgesamt kann man also bislang nur sagen, dass durch Beschaffung.UP keine effizientere Arbeit beobachtet werden kann, wobei die Bearbeitungsdauern zumindest nicht schlechter werden. Somit ist auch eine Effizienz in Zeiten der Digitalisierung 41 abschließende Aussage über Gewinner bzw. Verlierer zum jetzigen Zeitpunkt der Studie noch nicht möglich. Allerdings konnte festgestellt werden, dass eine zunehmende Verlagerung der Arbeit (Ausfüllen des Antrages) vom Sekretariat auf die eigentlichen Antragsteller erfolgt. In der Konsequenz bleibt festzuhalten, dass im Zuge der Digitalisierungsbemühungen ein gezieltes Erwartungsmanagement bei politischen Entscheidungsträgern notwendig zu sein scheint. Hierfür sind neben dem Abschluss der hier beschriebenen Studie auch ähnliche Untersuchungen zu anderen Verwaltungsprozessen an Hochschulen geboten, um verallgemeinerbare Aussagen ableiten zu können. Während der Planung, Durchführung und Auswertung der Studie konnten hierfür einige interessante organisatorische und inhaltliche Aspekte festgestellt werden: Der Vergleich zwischen papiergebundenem und digitalem Prozess im Zuge einer bereits laufenden Systemeinführung gestaltet sich als schwierig, da nur noch selten Papieranträge gestellt werden. Daher sind langfristig angelegte Untersuchungen von Vorteil, die jedoch frühzeitig bedacht werden müssen. Die Einführung neuer Systeme, die mit einer Prozessvereinheitlichung bzw. -veränderung einhergehen, stößt nicht immer auf Zustimmung. Ein explizites Commitment der Hausleitung ist von großem Vorteil – sowohl für die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse als auch für deren empirische Analyse. Das (i. d. R. aufwändige) Einbeziehen breiter Akteursgruppen bereits in das Design des digitalen Systems zahlt sich in dessen höherer Akzeptanz aus, erfordert jedoch entsprechende Ressourcen. Dies muss in der Projektplanung bedacht werden. Dezentral ist (noch) viel Wissen und Erfahrung zur Abwicklung von Verwaltungs- prozessen vorhanden, welches als Ausgangspunkt für weitere Optimierungen auch der digitalen Lösungen genutzt werden sollte. Die zahlreichen Behelfslösungen, welche bei beiden Prozessen festgestellt wurden, zeigen, dass Menschen ihre Arbeitsmittel selbstständig so effizient wie möglich gestalten. Ein digitales System muss diese Freiheiten erlauben bzw. unterstützen. Umfassende Schulungen sind notwendig, damit alle Funktionen einer neuen Lösung bekannt gemacht und effektiv genutzt werden können, gerade bei nicht IT- affinen Mitarbeitern. Akteure in Verwaltungsprozessen schätzen ihre tatsächlich aufgewandte Arbeitszeit deutlich schlechter ein als die real benötigte Zeit. Diese Erkenntnisse sind nicht überraschend, sondern zeigen einige Ähnlichkeiten mit Digitalisierungsprojekten in der Hochschullehre. Auch hier sind zahlreiche Ansätze bekannt, die bereits in der Konzeptionsphase hätten breiter gedacht werden müssen, um 42 Stefanie Lemcke, Sven Strickroth und Ulrike Lucke später nachhaltig einsetzbar sein zu können. So ist z. B. die Verfügbarkeit eines starken und fest in der Organisationsstruktur verankerten Projektmanagement-Teams (nicht zwingend in der zentralen IT, jedoch in enger Kooperation mit dieser) mit ausreichenden Ressourcen für die Begleitung des Einführungsprozesses ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Digitalisierung der Hochschulverwaltung [KLL17]. Zugleich wird klar, dass Digitalisierungsprojekte in der Verwaltung nicht losgelöst jeweils für sich, sondern im Kontext des Gesamtgefüges betrachtet werden müssen. Erst wenn der tatsächlich erzielbare Beitrag einer digitalisierten Verwaltungslösung zu den strategischen Zielen der Hochschule klar ist, und wenn alle für die Umsetzung benötigten Ressourcen (inkl. Arbeitszeit der am Prozess beteiligten Mitarbeiter) für die gesamte Projektdauer gesichert sind, sollte mit dem Vorhaben begonnen werden. Nur so können die großen Erwartungen an die digitale Transformation Realität werden. 8 Literaturverzeichnis [Ba17] Banscherus, U. et al.: Wandel der Arbeit in wissenschaftsunterstützenden Bereichen an Hochschulen - Hochschulreformen und Verwaltungsmodernisierung aus Sicht der Beschäftigten, Study Nr. 362, Hans-Böckler-Stiftung, 2017. [Be17] Bernard, L. et al.: Entwicklung von Forschungsdateninfrastrukturen im internationalen Vergleich. Rat für Informationsinfrastrukturen, 2017. [BKM09] Bangor, A.; Kortum, P.; Miller, J.: Determining what individual SUS scores mean: Adding an adjective rating scale. Journal of Usability Studies 04/03, S. 114–123, 2009. [Br18] Beise, A.S. et al.: Digitalisierung der Hochschulen. HIS-Institut für Hochschul- entwicklung, im Druck. [Br96] Brooke, J.: SUS – A quick and dirty usability scale, In: (Jordan, P. W., Hrsg.): Usability Evaluation. Industry, Taylor & Francis Ltd, S. 189–194, 1996. [Di12] Diekmann, A.: Empirische Sozialforschung. 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