=Paper= {{Paper |id=Vol-2250/WS_LA_paper3 |storemode=property |title=Herzrate, elektrodermale Aktivität und Hautleitwert als neue Quellen für Learning Analytics. Integration von physiologiebasierter Emotionsanalyse in webbasierte E-Learning-Systeme (Heart Rate, Electrodermal Activity and Skin Conductance as New Sources for Learning Analytics) |pdfUrl=https://ceur-ws.org/Vol-2250/WS_LA_paper3.pdf |volume=Vol-2250 |authors=Konrad Staudt,Yulia Grushetskaya,Georgi Rangelov,Monika Domanska,Niels Pinkwart |dblpUrl=https://dblp.org/rec/conf/delfi/StaudtGRDP18 }} ==Herzrate, elektrodermale Aktivität und Hautleitwert als neue Quellen für Learning Analytics. Integration von physiologiebasierter Emotionsanalyse in webbasierte E-Learning-Systeme (Heart Rate, Electrodermal Activity and Skin Conductance as New Sources for Learning Analytics)== https://ceur-ws.org/Vol-2250/WS_LA_paper3.pdf
                                Daniel Schiffner (Hrsg.): Proceedings of DeLFI Workshops 2018
      co-located with 16th e-Learning Conference of the German Computer Society (DeLFI 2018)
                                                        Frankfurt, Germany, September 10, 2018

Heart rate, electrodermal activity and skin conductance as
new sources for Learning Analytics
Abstract: Sensor-based data analysis for use in professional e-learning systems is gaining
importance. An attempt was made to identify emotions by measuring heart rate (HR), electrodermal
activity (EDA) and skin temperature (TEMP) while using a wrist sensor during the learning process,
and to categorize the emotions in an arousal-valence diagram. A measure of the arousal dimension
is presented that is based on statistical evaluation of HR. In addition, an algorithm based on statistics
and signal analysis of the EDA and TEMP signals for the differentiation of five learning emotions
is presented. Visualizations have been designed that can help learners recognize their own individual
relationships between learning performance and emotions. For the evaluation of the emotion
recognition algorithms, the Empatica E4 sensor was used, and the algorithms were implemented
within the web-based e-learning framework "Hildegard."


Herzrate, elektrodermale Aktivität und Hautleitwert als
neue Quellen für Learning Analytics
Abstract: Sensorbasierte Datenanalyse zur Nutzung in professionellen E-Learning-Systemen
gewinnt zunehmend an Bedeutung. Es wurde der Versuch unternommen, Emotionen, durch eine
Messung der Herzrate (HR), der Elektrodermalen Aktivität (EDA) und der Hauttemperatur (TEMP)
mittels eines Handgelenksensors während des Lernprozesses zu ermitteln, und in einem Arousal-
Valence Diagramm zu kategorisieren. Es wird ein Maß für die Arousal-Dimension vorgestellt, dass
auf statistischer Auswertung der HR beruht. Außerdem wird ein auf Statistik- und Signalanalyse der
EDA- und TEMP-Signale basierender Algorithmus zur Unterscheidung von 5 Lernemotionen
vorgestellt. Mit diesen Analysen ist es nicht möglich, dem Lernenden direkt Feedback zu geben, wie
seine Emotionen mit seinem Lernerfolg zusammenhängen. Entsprechend wurden Visualisierungen
entworfen, die es Lernern erleichtern können, ihre jeweiligen individuellen Zusammenhänge
zwischen Lernperformanz und Emotionen zu erkennen. Für die Evaluation der
Emotionserkennungs-Algorithmen wurde der Empatica E4 Sensor verwendet und die Algorithmen
wurden im webbasierten eLearning-Framework „Hildegard“ implementiert.



Keywords: eLearning, Learning Analytics, sensors, Affective Computing, Intelligent
Tutoring System.


Authors: Konrad Staudt, Yulia Grushetskaya, Georgi Rangelov, Monika Domanska,
Niels Pinkwart1




1 Humboldt Universität zu Berlin, Institut für Informatik, Rudower Chausee 25, 12489 Berlin,
 staudtko@informatik.hu-berlin.de, grushety@informatik.hu-berlin.de, rangelog@informatik.hu-berlin.de,
 monika.domanska@hu-berlin.de, niels.pinkwart@hu-berlin.de
Konrad Staudt et al.

1    Einleitung

Die Wissensvermittlung erfolgt heutzutage zunehmend digital. Zur schnellen Aneignung
von Wissen wird oft zunächst auf Wikipedia und YouTube zugegriffen, aber auch
Vorlesungen von Universitäten werden vermehrt als Fernstudiengänge online gestellt.
Von großer Bedeutung sind online-basierte Lernplattformen und Learning Management
Systems (LMS), wie Moodle und Canvas, über welche beispielsweise komplette Kurse in
einem Wissensbereich angeboten werden. Die Lerner-Zentrierung als Design-Ansatz
spielt dabei eine immer wichtigere Rolle. Die Wissensvermittlung kann z. B. mittels eines
intelligenten Tutoring Sytems (ITS), das durch einen sensorunterstützten Lernassistenten
dem Lerner Feedback gibt, verbessert werden [Yu17]. Autonomes Lernen, welches online
erfolgt, erfordert eine gewisse Disziplin und Motivation des Lerners. Gerade die
Motivation ist sehr stark von dem emotionalen Zustand abhängig und spiegelt sich direkt
im Lernerfolg wieder. Daher ist es von großer Wichtigkeit, den emotionalen Zustand des
Benutzers zu kennen, um ihm Feedback geben zu können und ihn gegebenenfalls von
einem negativen Zustand, wie beispielsweise „frustriert“ oder „gelangweilt“, in einen
motivierten und konzentrierten Zustand führen zu können.

2    Psychologische und physiologische Grundlagen
Lernemotionen
Die psychologische Kategorisierung von emotionalen Zuständen erfolgt klassischerweise
mittels eines Valence-Arousal-Diagramms (Abb. 1) [Ru80].
Die Emotionen des Lernenden sind als
Kombination aus Arousal und Valence in
einem Koordinatensystem verteilt, wobei
die y-Achse den Grad der Erregung und die
x-Achse die Valenz (negative/positive
Emotionen) widerspiegelt [Ru80, Sh09].
Die von den Quadranten begrenzten
Zustände werden als "akademischen
Emotionen" beschrieben [Pe10]. Laut
[Ko01] ist der Lernerfolg im Zustand
"positive Valenz, hohe Erregung" am
stärksten, und der Emotionszustand des
Lernenden bewegt sich spiralförmig von               Abb. 1: Valence-Arousal-
dem Quadranten I über II, III und zuletzt IV                Diagramm
zurück zu I.
Ist es z. B. einem LMS möglich, den emotionalen Zustand des Lernenden zu ermitteln,
kann das System versuchen, den Benutzer möglichst lange in dem Quadrant I zu halten,
oder in einem negativen Zustand aktiv eingreifen, und den Benutzer mittels geeigneter
Methoden, etwa durch Einspielen eines Videos, Quizz oder ähnlichem, in diesen
wünschenswerten Zustand zu führen. Für die Erkennung des emotionalen Zustands
kommen verschiedene Methoden infrage, z. B. kann ein Lernsystem den Nutzer explizit
                                 HR, EDA und TEMP als neue Quellen für Learning Analytics

bitten, ein kurzes Rating auszufüllen. Dies erfordert vom Nutzer allerdings eine
zusätzliche Handlung. Falls im Lernsystem ein Forum vorhanden ist, kann auch die
Kommunikation eines Nutzers zur Emotionsanalyse verwendet werden [Li18].
Eine weitere Herangehensweise zur Emotionserkennung basiert auf physiologischen
Daten, z. B. der Aufzeichnung der Gehirnaktivität per EEG, der Mimik per Kamera oder
EMG, der Herzaktivität per EKG oder weiterer. In dieser Arbeit werden verschiedene
Methoden entwickelt, um mittels E4 gemessene Daten zur Herzaktivität, elektrodermalen
Aktivität und Hauttemperatur den emotionalen Zustand des Benutzers zu erkennen und
einem von den in Abb. 1 beschriebenen Quadranten zuordnen zu können. Weiterhin
werden verschiedene Methoden zur Visualisierung vorgestellt, um dem Benutzer
Feedback zum Lernverhalten geben zu können. Durch die Wahl allgemein verwendbarer
Technologien für die Implementierung können die Algorithmen und Visualisierungen
leicht in webbasierte Learning Analytics Projekte wie z. B. [Fo17] integriert werden.
Herzrate
Die Herzrate bzw. Puls zeigt direkt den Grad der Erregung an [Ar17], welche im Valence-
Arousal-Diagramm üblicherweise auf der vertikalen Achse dargestellt wird. Diese steigt
nicht nur bei physischer Beanspruchung, sondern auch bei psychischer (kognitiver oder
emotionaler) wie z.B. Kopfrechnen [My01].
Jedoch kann durch die Herzrate allein nur der Grad der Erregung, aber nicht die Valenz
ermittelt werden. Bei Datenaufnahme über einen längeren Zeitraum hinweg konnte über
die Herzratenvariabilität der psychische Stress gemessen werden [Ve16]. Der Rahmen der
hier vorgestellten Studie erlaubte die dafür benötigte Studienlaufzeit nicht, daher haben
wir auf die weitere Untersuchung der Herzrate verzichtet.
Elektrodermale Aktivität (EDA)
Die Elektrodermale Aktivität (EDA) ist der von Johnson und Lubin (1966) eingeführte
Oberbegriff für verschiedene Aspekte und Messgrößen der Leitfähigkeits- und
Potentialänderungen der Haut. Seit dem wurden die physiopsychologischen
Zusammenhänge von EDA und emotionalen/kognitiven Zuständen erforscht [Du72,
Ra73, Ga83, Fa88, Bo92, Cr02].
Es gibt verschiedene Ansätze zur Analyse der EDA, welche z. B. in den Artikeln von
[Ta15, Vr10, Xi15, Zw12] beschrieben werden. In der Regel werden der Basiswert (Skin
Conductance Level, SCL) und/oder der Reaktionswert (Skin Conductance Response,
SCR) gemessen [Bo92]. Die SCL wird ausgewertet, um den Grad der Erregung
festzustellen. Die SCR stellt Peaks auf einer Welle von tonischen Veränderungen dar und
zeigt eine signifikante Änderungsrate. Diese Peaks entstehen als Reaktion auf einen
kognitiven, emotionalen oder physischen Stimulus.
Temperatur
Die Temperatur wurde verwendet, um die Valenzdimension zu bestimmen. Die Idee der
Beziehung zwischen Temperatur und emotionaler Valenz wurde in dem Artikel [Mc86]
behandelt: Das Ergebnis eines groß angelegten Experiments mit Musik war, dass negative
Gefühle den Anstieg der Hauttemperatur beenden und diese anschließend kontinuierlich
Konrad Staudt et al.

abnimmt, während beruhigende, positive Emotionen die Senkung der Hauttemperatur
beenden und diese anschließend steigt.
[Sh12] versuchten, auf der Basis von Temperaturdaten das gesamte Spektrum von
Emotionen zu bestimmen: neutral, ängstlich, glücklich, angewidert und überrascht. In
ihrer Studie konnten sie zeigen, dass die richtige Erkennung und Zuordnung der
Emotionen aufgrund der Hauttemperatur bei über 80 % liegt.

3    Systemdesign
Die Herzrate wurde als getrenntes Modul implementiert, welches nur den Grad der
Erregung bestimmt. Die EDA und Temperatur werden zusammen ausgewertet, um den
emotionalen Zustand im Valence-Arousal-Diagramm ermitteln zu können. Der Datenfluss
im System verläuft wie folgt: Die von Empatica E4 gemessenen Rohdaten werden im csv
Format in das Backend (Data Manager) kopiert und hier mittels JavaScript-Algorithmen
separat nach den Modulen HR und EDA+TEMP ausgewertet. Zusätzlich wurde die
Datenübertragung von Lernsystemdaten-Daten mittels der API von lms.brainshuttle.com
implementiert, sodass es auch möglich ist, Kursdaten wie Punkteanzahl in einem Quizz
oder präferierte Lernzeiten abzurufen und mit Emotionsdaten zu fusionieren. Die
einzelnen oder kombinierten Daten werden anschließend von der API des Frontends
abgerufen und je nach Verwendungszweck mit HighCharts® visualisiert.
Diese webbasierte Learning Analytics Architektur beruht größtenteils auf dem in [Fo17]
beschriebenen LISA-Backend, und trägt den Arbeitsnamen „Hildegard“. Wie zuvor schon
das LISA-Backend, so ist auch Hildegard darauf ausgerichtet, Schnittstellen zu möglichst
vielen anderen eLearning-Systemen zu bieten. Falls der Anwendungsfall kompatibel mit
aktuellen Webtechnologien umgesetzt wurde, ist die API-Anbindung zu Hildegard
problemlos möglich. Learning Analytics können so weitgehend unabhängig vom
jeweiligen Anwendungsfall entwickelt werden.

4    Studie zur Messung von Lernemotionen
Auf Basis bestehender Analysemethoden für EDA und TEMP wurde ein Algorithmus zur
Erkennung der Lernemotionen entwickelt und in einer Studie im Lernkontext evaluiert.
Um den emotionalen Zustand des Lernenden zu bestimmen, werden EDA und TEMP
Signale analysiert. Als Ergebnis liefert der Algorithmus die Verortung der Emotion als
einer von 5 Werten im Valence-Arousal-Diagramm (Abb. 1): einer der vier Quadranten
oder „neutral“ als nahe dem Achsenschnittpunkt.
Um die Erregung (Arousal) zu bestimmen, wird das EDA-Signal ausgewertet. Zuerst wird
ein Low Pass Filter auf das Signal angewendet, um Signalstörungen zu entfernen. Alle
Peaks unterhalb eines Schwellenwertes (0,093 ms pro Sekunde [Zw12]) werden gefiltert.
Onset und Offset für jeden Peak werden bestimmt und dann die Anstiegszeit und die
Wiederherstellungszeit berechnet. Als weitere Signal-Features werden die Häufigkeit von
Peaks pro Minute, die Amplitude (Peak minus Onset), die Varianz und der standardisierte
Mittelwert des Signals berechnet. Die Feature-Berechnung erfolgt auf Signalabschnitten
                                  HR, EDA und TEMP als neue Quellen für Learning Analytics

von je einer Minute. Jedes Feature bekommt gemäß Grenzwert einen Feature-Wert von 1
oder -1.
Der Erregungswert wird mit einem einfachen Mehrheitsalgorithmus bestimmt. Befindet
sich die Feature-Wert-Summe im Intervall [-1, 1], so widersprechen sich die
Eigenschaften und eine neutrale Erregung (0) wird zugewiesen. Ist die Summe größer als
1, bedeutet dies eine hohe Erregung (1), ist sie kleiner als -1 eine niedrige Erregung (-1).
Um die Valenz zu bestimmen, werden die TEMP-Daten nach der in [Sh12] vorgestellten
Methode ausgewertet, und als positive Valenz (1) oder negative Valenz (-1) klassifiziert.
Bei Erregung = 0, ist die Emotion als „neutral“ definiert. Die Erregungs-/Valenzwerte
(1,1), (1,-1), (-1,1) und (-1,-1) werden entsprechend ihres jeweiligen Quadranten
„excited“, „stressed“, „relaxed“ und „bored“ genannt.

4.1    Studiendesign

Um eine Lernumgebung zu simulieren, wurden als Aktivitäten definiert: Tests auf
Temperament und Allgemeinwissen absolvieren, Texte lesen, Videos schauen und
einfache körperliche Aufgaben ausführen. Die insgesamt 9 Aktivitäten wurden gezielt
ausgewählt, um die Lernemotionen in allen vier Quadranten des Valence-Arousal-
Diagramms abzudecken.
Für das Experiment wurden Fragebögen entwickelt, auf denen die Probanden nach jeder
Aufgabe ihre aktuellen Emotionen markierten. Zwischen den Aufgaben sind Pausen von
einigen Minuten erforderlich, um den Effekt auf den emotionalen Zustand der vorherigen
Aufgabe zu neutralisieren.
An der Studie nahmen 9 Probanden teil, die jeweils 9 Aktivitäten ausführten, was 81
Instanzen von Daten zur Emotionsanalyse ergibt. Sechs Instanzen waren zu kurz für die
Emotionsanalyse und wurden bei der Evaluation ausgeschlossen. In 10 Fällen war der
Zustand neutral. Die Güte des Algorithmus wird nachfolgend immer in zwei Werten
angegeben: als Prozentsatz der 65 Instanzen ohne die 10 neutralen Ergebnisse / als
Prozentsatz der 75 Instanzen einschließlich der neutralen Ergebnisse.


4.2    Ergebnisse der Studie
Von den 65 Instanzen mit Quadrantenzuordnung konnte in 23 Fällen der Zustand
eindeutig ermittelt werden. Bei den restlichen 32 Fällen lieferten die 1-minutigen
Analyseintervalle jeweils 2 unterschiedliche emotionale Zustände. Der Häufigere wurde
als primär angegeben und der andere als sekundär. Es gab keine Messungen bei denen
mehr als 2 Zuständen vorkamen.
Als Indikator für die Güte des Algorithmus wurde die Übereinstimmung der Ausgabe mit
den von den Probanden berichteten Emotionen angewandt (auch als Treffer bezeichnet).
Unter der Annahme einer Gleichverteilung der emotionalen Zustände würden wir bei
zufälliger Auswahl in 25 % der Fälle einen Treffer erwarten. Unser Algorithmus trifft zu
41,82 % (ohne „neutral“) / 35,38 % (mit „neutral“). Dabei haben wir in 20 Fällen mit dem
primären Zustand und in 3 mit dem sekundären Zustand getroffen.
Konrad Staudt et al.

5    Visualisierungen

Arousal/Activities
Das Ziel dieser Visualisierungsform ist
es, dem Nutzer zu erlauben
Schlussfolgerungen über den Einfluss
von Erregung auf den Lernprozess zu
ziehen. Für jede Aktivität wurde anhand
der        Herzratenanalyse         ein
Erregungsniveau ermittelt. In diesem
Projekt haben wir uns auf zwei Stufen –
hoch und niedrig – begrenzt. Sie werden
durch die Farbe der entsprechenden
Balken ausgedrückt. Auf der x-Achse
sind die Aktivitäten chronologisch
aufgezählt und auf der y-Achse wird die
Leistung des Nutzers (falls verfügbar)
abgebildet. Sie wird in Prozent von der
maximalen Punkteanzahl ausgedrückt.
Aktivitäten, für die keine Leistungs-
daten von dem LMS geliefert werden, wird der Wert -100 zugewiesen.
Mood/Activity
Die EDA- und Temperaturanalyse
erlaubt die genauere Ermittlung von
emotionalen Zuständen, indem sie
zwischen positiver und negativer
Valenz unterscheidet. Darüber hinaus
liefert der implementierte Algorithmus
eine „höhere Resolution“, d. h. statt
einem Ergebnis pro Aktivität haben wir
ein Ergebnis pro Zeiteinheit (in unserem
Fall pro Minute). So entsteht für jede
Aktivität ein „Stapel“ aus emotionalen
Zuständen,      wobei     in      unserer
Darstellung      die     chronologische
Reihenfolge von oben nach unten ist.
Die Achsen des Diagramms haben die
gleiche Bedeutung wie in dem obigen Diagramm. Emotionen werden weiterhin durch
Farben dargestellt.
Aggregated Data
Diese Visualisierungsform blendet die einzelnen Aktivitäten aus und zeigt
schwerpunktmäßig den Zusammenhang zwischen Leistung beim Lernen und emotionalem
                                HR, EDA und TEMP als neue Quellen für Learning Analytics

Zustand. Für jede der vier Emotionen wird ein gewichteter Durchschnitt über alle bisher
aufgenommen Aktivitäten mit messbarer Leistung gebildet und das Ergebnis auf der y-
Achse dargestellt. Als Gewichtung haben wir den Anteil der Dauer der Emotion an der
Gesamtdauer der Aktivität implementiert. Zum Vergleich werden zusätzlich die
aggregierten Ergebnisse aller Nutzer angegeben.
Diese Daten werden von einem invertierten Bar Chart über den komplementiert. Er gibt
die Zeit an, die der Nutzer in einem bestimmt emotionalen Zustand verbracht hat, was
Information über die Aussagekraft der darunter stehenden Grafik liefern kann.




6       Diskussion

Das Hauptziel dieses Projekts ist die Unterstützung der Lernenden zur Optimierung des
Lernprozesses. Die unterschiedlichen Algorithmen und Visualisierungen, die wir
dargestellt haben, zeigen Wege auf, um dies zu erreichen.
Zum einen haben wir die Möglichkeit über das LMS in den aktuell stattfindenden
Lernprozess einzugreifen, um dem Nutzer Hinweise und Vorschläge zu geben. Das finden
wir dann sinnvoll, wenn extreme Situationen vorliegen. Als solche bezeichnen wir
unüblich große Abweichungen vom optimalen Zustand oder große Varianz innerhalb
kurzer Perioden. Zu diesem Zweck ist die simple Herzdatenanalyse über den T-Wert gut
geeignet.
Konrad Staudt et al.

Zum anderen wollen wir die Grundlagen für komplexere individuelle Analysen des
Lernprozesses setzen. Zu diesem Zweck haben wir versucht, sowohl möglichst detaillierte
Daten als auch sinnvolle Zusammenfassungen anzubieten und Lernenden einen Überblick
über die Lernperformanz in Abhängigkeit von den Umständen und ihrer subjektiven
Einstellung anzubieten. In unserem Projekt haben wir als Beispiel Daten über den
emotionalen Zustand aggregiert, aber Merkmale wie Art der Aktivität, Thema, Tageszeit
sind möglicherweise aussagekräftiger. Weitere empirische Untersuchungen in dieser
Richtung sind nötig, um auf praxisrelevante Lösungen zu kommen.
Als dritter und letzter Punkt kommt die Datenanalyse seitens des LMS. Ohne die
individuellen Unterschiede beim Lernen zu unterschätzen, behaupten wir, dass mit der
Anhäufung und Analyse von genug Daten die Erkennung von Lernprofilen einschließlich
Emotionsdaten ermöglicht wird. Auf diese Art kann die Verwendung der Daten zur
Steuerung des Lernprozesses beschleunigt werden, da die Aktivität des Nutzers nur so
lange analysiert werden muss, bis das entsprechende Profil erkannt wird. Das jedoch liegt
außerhalb der Reichweite dieser Studie.
Problematisch bei den vorgeschlagenen Visualisierungsarten ist der Mangel an expliziter
Zeitangabe, nicht nur als Dauer, sondern auch als Tageszeit. Letztere kann durchaus
signifikante Effekte sowohl auf die Leistung als auch auf den emotionalen Zustand des
Nutzers haben. Es ist plausibel, dass späte Sitzungen mit niedriger Erregung und niedriger
Leistung verbunden sind, dagegen ist bei frühen Sitzungen die niedrige Erregung mit
hoher Leistung korreliert.
Ein weiteres Problem bei den Bar Charts sind die Aktivitäten mit niedrigen y-Werten, die
die Graphen unleserlich machen. Insbesondere bei dem Wert null können die Ergebnisse
der Analyse der physiologischen Daten nur sehr schwer (bei Arousal/Activities) oder gar
nicht (bei Mood/Activity) abgelesen werden.
Ein dritter Nachteil ist die Blockdarstellung in den Mood/Activity Diagrammen, da es dem
Nutzer nicht erlaubt, die Dauer der einzelnen Zustände abzuschätzen, was bei hohen y-
Werten möglich wäre. Dafür würde das Diagramm bei niedrigen y-Werten noch
fragmentiert und schwieriger zum Verstehen.
Auch die Aktivitäten ohne vorgegebene Leistungswerte bleiben bei den Mood/Activity
Diagrammen eine offene Frage. Die chronologische Reihenfolge ist präzis ausgedrückt
von außen nach innen, d. h. die ersten Daten sind immer am weitesten von der x-Achse.
Das bedeutet, dass die Lösung, die für die Arousal/Activities Diagramme vorgeschlagen
wurde, in diesem Fall verwirrend wäre, da die ersten Ergebnisse bei negativen y-Werten
ganz unten, „am Boden“ des Balkens stehen und nicht oben wie bei positiven Werten.
Zusammenfassend sehen wir das größte Potenzial von physiologischen Daten als neue
Datenquelle für Learning Analytics im Einsatz bei stark individualisierten,
lernerzentrierten eLearning-Systemen. Durch automatisierte Erregungs- und Emotions-
analyse können Lerner bei einzelnen Lernschritten unterstützt werden. Anders als beim
                                   HR, EDA und TEMP als neue Quellen für Learning Analytics

Formative Assessment wird hier aber nicht die Ausführung einer Tätigkeit, sondern der
Zustand des Lerners bewertet. Eine Kombination aus beidem halten wir für ein
zeitgemäßes Lernassistenzsystem – unter der Voraussetzung, dass die Privatsphäre des
Lerners nicht verletzt wird.


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Danksagung
Diese Arbeit wurde im Rahmen des Forschungsprojekts "Learning Analytics for Sensor-
Based Adaptive Learning (LISA)" [Fo17] gemeinsam mit dem Industriepartner SGM
GmbH durchgeführt. Wir danken dem Projektverbund und SGM für die Unterstützung.