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|title=Analyse der ethischen Fragestellungen bei der Konstruktion von digitalen Plattformen
(Analysis of Ethical Issues in the Construction of Digital Platforms)
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==Analyse der ethischen Fragestellungen bei der Konstruktion von digitalen Plattformen
(Analysis of Ethical Issues in the Construction of Digital Platforms)==
Analyse der ethischen Fragestellungen bei der
Konstruktion von digitalen Plattformen
Olga Levina1
1 FZI Forschungszentrum Informatik, Berlin, Deutschland
{levina}@fzi.de
Abstract. Data scandals from social networks and scandals associated with IT
use are increasingly present in the public discussion. This shows that ethical
considerations in the area of information technology (IT) can no longer be
neglected. Many providers of IT artefacts such as social networks and digital
applications implement their products without considering the resulting social
effects. This article focuses on the social and ethical issues that may arise from
the diffusion and use of digital platforms. Based on experiences from design
research projects in this field, a short analysis of the platform governance concept
and its impact on the ethical aspects of computer science research according to
Mason is be carried out. Mason's ethics analysis approach is chosen here to
empower both ethical reasoning in the IT field and to point out aspects of the
artifact that have received little or no attention so far to researchers and platform
creators.
Zusammenfassung. In diesem Artikel sollen die gesellschaftlichen und
ethischen Fragen diskutiert werden, die aus der Verbreitung und Anwendung von
digitalen Plattformen entstehen können. Basierend auf Erfahrungen aus Projekten
der Konstruktionsforschung auf diesem Gebiet, wird hier eine kurze Analyse des
Plattform- Governance-Konzepts und seiner Auswirkung auf die ethischen
Aspekte der Informatikforschung nach Mason durchgeführt. Das aktuelle
Geschehen ist zunehmend durch Datenskandale in den Sozialen Netzwerken
gekennzeichnet und zeigt somit auf, dass ethische Überlegungen im IT-Bereich
nicht weiter vernachlässigt werden können. Anbieter von IT-Artefakten wie
Sozialen Netzwerken und digitalen Anwendungen setzen ihre Produkte um, ohne
die gesellschaftlichen Auswirkungen in Betracht zu ziehen.
Der Ethikanalyseansatz nach Mason soll es erlauben, sowohl die ethischen
Fragestellungen im IT-Bereich zu verschärfen als auch den Forschenden und
Plattformberteibenden Aspekte des Artefakts aufzuzeigen, die bisher kaum oder
wenig Beachtung gefunden haben. Neben den eigentlichen Ergebnissen der
Analyse, kann das hier angewandte Vorgehen für die Analyse weiterer Artefakte
angewendet werden.
Keywords: Digitale Plattform, IT- Artefakt, Konstruktion, Analyse, ethische
Aspekte.
14th International Conference on Wirtschaftsinformatik,
February 24-27, 2019, Siegen, Germany
27
1 Einführung
Die aktuellen sozio-politischen Entwicklungen wie „fake news“, Datenmissbrauch und
Informationsmanipulation [1] lenken den Fokus der Öffentlichkeit verständlicherweise
auf die wertebasierte Entwicklung von Informationssystemen (IS). Der Umstand, dass
dieser Fokus aktuell an Bedeutung gewinnt, ist dem historischen Umstand verschuldet,
dass die Informationstechnologie (IT) zunächst als Unterstützung für wirtschaftliche
und Forschungsprozesse konzipiert wurde [2], bevor es zu einem selbstständigen
Wirtschaftstreiber geworden ist. So wurden die Fragen bezüglich Verantwortung, Ethik
und Recht über eine lange Zeit als nicht direkt in die IT- Domäne gehörend betrachtet.
Dementsprechend sind zahlreiche IT-Anwendungen und Produkte entstanden, die die
Wirtschaft global stark beeinflussen, jedoch ohne einen gesellschaftspolitischen Fokus
entwickelt wurden. Die anhaltende Verbreitung von IT in alle Lebensbereiche fordert
nun diese Einstellung heraus. Die IT ist nicht nur ein Werkzeug sondern auch,
insbesondere bei Privatanwendenden, zu einem Objekt des alltäglichen Lebens
geworden, das auch entsprechenden Anforderungen an die Nutzung und deren
Konsequenzen genügen muss. So finden Schlagzeilen über das Verhalten von Digitalen
Plattformen wie Facebook und Google, auch zunehmend ihren Weg nicht nur in die
Fachmedien.
In diesem Beitrag sollen digitale Plattformen betrachtet werden, da sie aktuell nicht nur
die in der Wirtschaft und der Wirtschaftsinformatik eine dominante Rolle spielen,
sondern auch zunehmend die öffentliche Meinung beschäftigen. Dabei sollen ethische
Aspekte diskutiert werden, die bei der Konstruktion und Betrieb entstehen können.
Hierfür wird zunächst die digitale Plattform als IT-Artefakt inklusive eines
Governance- Konzeptes eingeführt. Digitale Plattformen stellen nach Tiwana et al. [3]
einen validen Forschungsgegenstand für die Wirtschaftsinformatik dar, weil sie
informationstechnische Aspekte wie Software- und Hardware-seitige Umsetzung
beinhalten, aber auch wirtschaftliche Fragestellungen wie Preisbildung, Rollenkonzept,
etc. betreffen. Während die Auslotung der markttechnischen Fragen der Governance
zwischen den einzelnen Stakeholdern eine bedeutende Herausforderung [4] darstellt,
die jedoch auch zum Teil in den Bereich der Wirtschaftsethik eingeordnet werden kann,
stellt die Gestaltung der IT-Seite der Plattform- Governance eine Herausforderung für
die Ethikfragen in der Informatik dar.
Nachfolgend sollen einige der Governance-Entscheidungen, die bereits bei der
Konstruktion der Plattform getroffen werden sollen, anhand von ethischen
Fragekategorien nach Mason [5] betrachtet werden. Diese Kategorien bieten eine erste
Grundlage zur Entwicklung und Diskussion von ethischen Fragestellungen im Kontext
der Konstruktion von IT-Artefakten. Zwar folgten auf die Arbeit von Mason zahlreiche
weitere und tiefergehenden Untersuchungen der potentiellen ethischen Fragestellungen
im Bereich der Informatik, seine Systematik ist jedoch so allgemein gefasst, dass viele
der aktuell diskutieren ethischen Fragestellungen aus dem Bereich der IT sich in die
von ihm definierten Kategorien einordnen lassen können. Die Ergebnisse der Analyse
werden anschließend kurz zusammengefasst. Über das Konstrukt der
Informationsasymmetrie auf der digitalen Plattform und der damit verbundenen
Machtsituationen werden ethische Fragestellungen abgeleitet.
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Diese Arbeit erweitert den Wissensstand der Wirtschaftsinformatik um die
exemplarische Anwendung der ethischen Analysen auf die Konstruktion von IT-
Artefakten. Somit knüpft diese Arbeit bei dem aktuellen Thema der digitalen
Plattformen und ihren sozio-ethischen Auswirkungen wie von Royakkers et al. [6]
bereits angerissen an.
Digitale Plattformen
Zu Definition von digitalen Plattformen wird im Kontext der Wirtschaftsinformatik
häufig die Arbeit von Tiwana [3], die Sun et al. [7] erweitern, herangezogen. Diese
definieren eine digitale Plattform als eine erweiterbare Code-basis eines Software-
basierten Systems, die eine Grundfunktionalität zur Verfügung stellt, die von anderen
über eine Schnittstelle interagierenden Modulen geteilt wird. Eine Plattform stellt also
zunächst eine Infrastruktur zur Interaktion zwischen (Dienste-)Anbietenden und
(Dienste-)Anwendenden zur Verfügung.
Häufig werden digitale Plattformen auch in den Kontext von offenen bzw.
geschlossenen Ökosystemen gesetzt. Ein Ökosystem im Kontext der Ökologie definiert
Schulze [8] als ein dynamisches Komplex von Gemeinschaften und ihrer Umgebung,
das als eine funktionelle Einheit agiert. Im Kontext der digitalen Plattformen sind die
Gemeinschaften: Plattformanbieter und Plattformbesitzer auf der einen Seite und die
plattformbenutzenden Anwendungs- und Datenanbietende und Anwendungs- oder
Datenbenutzende auf der anderen Seite.
Beziehungen, also auch die Interaktionen, zwischen diesen einzelnen Gemeinschaften
werden im Rahmen der Plattform- Governance geregelt [9]. Das impliziert, dass das
Verhalten auf der Plattform zu einer spezifischen Rollen- und Abhängigkeitsstruktur
führt, die über den Zugang zu bestimmten Informationen bestimmt. Tiwana et al. 2013
sehen die Governance von Plattformen als [9]: “partitioning of decision-making
authority between platform owners and app developers, control mechanisms, and
pricing and pie-sharing structures”. Hierbei sind nicht nur die marktechnischen Fragen
wie Preisbildung und Wettbewerbsstrategie, sondern auch technische Fragen wie die
Definition der Schnittstellen, der API, zur Integration der Anwendungen und Dienste
sowie der technischen Architektur relevant. Die Plattform-Governance definiert auch
die Umwelt des Plattformsystems, inklusive rechtlicher Einschränkungen der
Interaktionen und des Umgangs mit Daten [10]. Hier wird demnach festgelegt, ob die
Plattform ein offenes oder ein geschlossenes System ist, welche Regeln für die
Zulassung von Akteuren auf beiden Seiten festgelegt werden und welche Daten von
Anbietenden und Anwendenden gebraucht werden. Das Datenkonzept umfasst auch die
Entscheidung bzgl. der Datenverarbeitung, -Speicherung und –Analyse. Legitimiert
wird diese Entscheidungsmacht durch die Konstruktion und häufig auch gleichzeitig
damit einhergehendem Eigentum an der Plattform.
In diesem Artikel wird der Vorgang der Konstruktion einer digitalen Plattform einer
Analyse entsprechend den vier ethischen Fragestellungen nach Mason [5] unterzogen.
Als Beispiel dient eine im Rahmen eines Forschungsprojekts entwickelte digitale
Plattform [11]. Diese wurde basierend auf den aktuellen Entwicklungen auf dem
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Bereich der Plattformarchitekturen und –Governance entwickelt. Sie bildet also die
aktuell üblichen Rollen- und Interaktionsstrukturen ab.
Die Plattform-Governance wird häufig von den Plattform-Eigentümern bzw.
Betreibern bestimmt [9]. Da die genaue Verantwortlichkeiten je nach Stakeholder-
Konstruktionen variieren, werden im Weiteren diese beiden Rollen unter dem Begriff
„Plattform“ zusammengefasst. Angesichts der aktuellen Gesetzgebung ist die Plattform
relativ frei, was die Gestaltung der Regeln der Mitgliedschaft auf der Plattform betrifft.
Die Plattformen müssen lediglich für potenzielle Interessenten zugänglich sein.
Weitere Regelungen und Einschränkungen werden meist in den Allgemeinen
Geschäftsbedingungen (AGBs) bzw. Nutzungsbedingungen zusammengefasst. Deren
Inhalt wird nur teilweise vom Gesetzgeber eingeschränkt und stellt somit eine
Grundlage zur Diskussion von ethischen Aspekten dar.
Potentielle ethische Fragestellungen
Mason [5] hat vier Dimensionen der Bereiche in der Informatik identifiziert, anhand
welcher potentielle Fragestellungen bei der Konstruktion und Nutzung von IT-
Artefakten aus ethischer Sicht analysiert werden können. Das sind:
• Privacy: welche Daten können erfragt werden?
• Access: Sicherheit der und Zugang zu den Daten;
• Property: wem gehört die Information bzw. wem gehören die Daten?
• Accuracy: Authentizität und Richtigkeit der verarbeiteten Daten.
Basierend auf diesen Dimensionen sollen also Governance-Strukturen auf einer
digitalen Plattform analysiert werden. Tabelle 1 stellt einen groben Überblick dar und
bezieht die Umsetzung der Beispielplattform wie in [12] beschrieben mit ein.
Zum Wesen der digitalen Plattform gehört das Zusammenspiel zwischen der Plattform-
Betreiberseite und der Seite der Anwendenden d.h. der Anbietenden von Inhalten sowie
deren Konsumierenden. Um mit und auf der Plattform interagieren zu können, werden
die Nutzenden aufgefordert Profile anzulegen. Welche Daten hier angegeben sein
müssen (Pflichtfelder) und wie diese mit den auszuführenden Aktionen auf der
Plattform zusammenhängen wird ebenfalls innerhalb der Governance Richtlinien
geregelt. Auch die Einstellungen zur detaillierten Sichtbarkeit der unterschiedlichen
Nutzenden gegenüber anderen Akteuren auf der Plattform innerhalb der Profile, werden
ebenfalls von der Plattform festgelegt. Als s.g. Gatekeeper kontrolliert somit die
Plattform den Zugang (Access) zu ihrem Ökosystem, diktiert welche Art von Daten
angegeben und gesammelt werden sowie entscheidet wie die Daten der Nutzenden an
andere Akteure weitergegeben werden. Diese Tatsache betrifft hauptsächlich den von
Mason definierten Aspekt des Eigentums an Daten- Property.
Die Interaktion der Nutzenden auf der Plattform generiert weitere Daten, die mit dem
Profil verknüpft werden oder werden können. Mit der Nutzungsdauer etabliert sich eine
Informationsasymmetrie zu Gunsten der Plattform, die die Plattform für die
Interaktionen mit Akteuren außerhalb ihres direkten Ökosystems nutzen könnte. Die
potentielle Verarbeitung von nicht-personalisierten Daten wirft die Frage auf, ob die
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statistischen Analysen bereits den Aspekt der Privacy, also des Rechts auf Privatheit,
im weitesten Sinne verletzen. Dazu gehört auch, dass die Autonomie der Nutzenden
über ihre Daten durch die Teilnahme an der Plattform eingeschränkt werden kann,
wenn bestimmte Sichtbarkeitseinstellungen von der Plattform nicht vorgesehen sind.
Nicht nur die Abfrage und Sichtbarkeit der Daten einzelner Nutzender stellen eine
ethische Herausforderung dar. Die verarbeitenden Daten können zu s.g. Filterblasen
[2], d.h. Darstellung von algorithmisch ausgewählten Informationen und den daraus
resultierenden gesellschaftlichen Implikationen führen. Dieses Vorgehen betrifft unter
Anderem den Aspekt der Datengenauigkeit- Accuracy.
In den Bereich der Governance gehört auch die Fragestellung, wie die angebotenen
digitalen Dienste auf der Plattform ausgeführt werden. Diese könnten direkt auf der
Plattform(-Infrastruktur) laufen und die auf der Plattform eingerichteten Zugänge,
rollengebundene Zugangsrechte, ebenfalls für die Benutzung der Dienste verwendet
werden. Eine Alternative wäre es, wenn die Plattform lediglich die Suche und Inhalte
zwischen den Anbietenden und den Anwendern verwaltete, die gewünschten Dienste
jedoch entweder auf die Infrastruktur der Anbietenden weitergeleitet, oder in so
genannten Containern ausgeführt werden würden.
Die Entscheidung darüber wie die digitalen Dienste auf der Plattform implementiert
werden, ist ebenfalls eine Entscheidung, die die Informationsasymmetrie beeinflusst.
Werden die Dienste direkt auf der Plattform ausgeführt, oder die Zugangsdaten der
Plattform für den Zugang zu einem Dienst benutzt (Single-Sign-On), bedeutet das, dass
die Plattform nicht nur über die vom Nutzenden für die Plattform bewusst angegebenen
Daten, sondern auch über die Interaktionsdaten mit den verschiedenen Diensten
verfügt. Diese Tatsache kann für den Nutzenden weniger bewusst und schwerer
nachvollziehbar sein. Somit kann die Plattform die Informationen über den Nutzenden,
ohne dessen Wissen anreichern und evtl. so modifizieren, dass der Schutz dieser
angereicherten Information nicht mehr durch die aktuellen gesetzlichen Richtlinien
abgedeckt wird [13].
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Ethik Dimension Governance Aspekt Beispielplattform [12]
Access Zugang zur Plattform Offen
Privacy, Access Nutzerprofildaten Angabe von Namen
(Pseudonym möglich);
weitere Angaben freiwillig
Privacy Einstellungen der Datensichtbarkeit Keine Einschränkungen, da
Angabe freiwillig
Property, Accuracy Verarbeitung der Daten Keine
Access Sichtbarkeit bzw. Sucheinstellungen Keine Einschränkungen
Accuracy, Access Angezeigte Inhalte Keine Verarbeitung; eigene
Filtereinstellungen möglich
Access, Privacy, Laufumgebung der Dienste Container
Property
Tabelle 1. Ethische Analyse nach Mason [5] der Governance-Aspekte bei der Konstruktion von
digitalen Plattformen
Die in der Plattform vorhandene Informationsasymmetrie stellt somit ein
Machtinstrument in Bezug auf die direkten und die indirekten Informationen, die aus
den Daten, die auf der Plattform generiert werden können, dar. Zum einen generiert der
Aspekt der eingegrenzten bzw. eingrenzbaren Nutzung eine Machtposition der
Plattform, zum anderen basiert die Vergabe der Daten sowie ihre Nutzung auf
Vertrauen gegenüber der Plattform.
Der Aspekt des Access, also des Zugangs auf die Plattform, ist noch nicht in den Fokus
der breiten Diskussion gerückt. Aktuell gibt es keine gesetzlichen Vorgaben darüber,
welche Nutzungsbedingungen eine Plattform an die Nutzenden formuliert. So können
Pseudonyme zur Anmeldung auf der Plattform erlaubt sein, Inhalte oder Profile können
von der Plattform relativ ungehindert gesperrt werden, etc. Während diese
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Möglichkeiten noch als ein positiver Schutz seitens der Plattform an die Nutzenden
betrachtet werden dürften, kann diese Macht auch in eine umgekehrte, diskriminierende
Richtung missbraucht werden.
Zusammenfassung
Die aktuelle Ethikdebatte in der Öffentlichkeit konzentriert sich auf Datenschutz und
Datensicherheit, dabei verfügt ein so weites und komplexes Feld wie IT über weitaus
mehr Aspekte, die eine ethische Debatte erfordern und die gesellschaftspolitischen
Aspekte bereits in der Phase der Konstruktion erfordern.
Die digitale Plattform wurde hier als ein aktuell relevantes IT-Artefakt in Bezug auf die
potenziellen ethischen Fragestellungen bei ihrer Realisation untersucht. Die vier von
Mason identifizierten Aspekte für ethische Fragestellungen in der Informatik wurden
dabei zur Systematisierung verwendet. Während eine detaillierte Einstellbarkeit von
verschiedenen Daten und Adressaten in den Profilen die Autonomie der Nutzenden
gegenüber den eigenen Daten wieder herstellen würde [14], fußen die Vereinbarungen,
die in den AGBs und Nutzungsbedingungen festgelegt wurden, aktuell auf Vertrauen
gegenüber der Plattform oder einem fundierten Wissen der Rechtsordnung seitens der
Nutzenden.
Das Konstrukt der digitalen Plattform kann so gestaltet sein, dass vieles über die
Nutzenden aufgenommen wird. Dazu gehören Profildaten, Daten über die verwendeten
Dienste, evtl. Nutzungsverhalten innerhalb der Dienste sowie evtl. Daten aus dem
Dienst. Zudem verfügt die Plattform über die Informationen über der Anbietenden:
welche Apps werden entwickelt, wie gestaltet sich deren Popularität sowie natürlich
über die Profildaten der Anbietenden. Zur Manifestation der Informationsasymmetrie
gehört, dass die Nutzenden und die Anbietenden sehr wenig über die Plattform und
deren Einstellung und Verhalten gegenüber der Datenmenge wissen, die auf der
Plattform gesammelt wird.
Demnach hat die Plattform die Fähigkeit alle vier von Mason identifizierten ethischen
Aspekte zu beeinflussen:
• Privacy- die Plattform bestimmt welche Daten angegeben werden müssen und somit
wie reich die Informationen über den Nutzen gestaltet werden;
• Access- mit dem Rollenmodell vergibt die Plattform die Zugangsberechtigungen für
verschiedene Informationsbereiche, mit der Definition des Modus der
Anwendungsausführung gibt die Plattform vor, welche Information aus den
Anwendungen für sie erhältlich sind;
• Property: dadurch, dass verschiedene Arten von Daten (Profil-, Nutzungs-,
Anwendungsdaten) auch gemeinsam weiter verarbeitet werden können, stellt sich
auch hier die Frage nach Dateneigentum, die nicht eindeutig zu Gunsten der
Nutzenden zu beantworten ist.
• Accuracy: die angesammelten Nutzungs- und Aktivitätsdaten, auch wenn sie nicht
konkret einzelnen Personen zugeordnet werden können, stellen weiter verarbeitbare
Informationen dar. Über ihre Genauigkeit und Korrektheit kann lediglich die
Plattform eine Auskunft geben.
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In diesem Artikel wurde die digitale Plattform anhand der vier ethischen
Themengebieten der Ethik nach Mason analysiert. Die Ausführungen zeigen zum einen
Bereiche auf, deren Schutz bereits durch die Gesetzgebung abgedeckt ist, zum anderen
aber auch weitere Aspekte, die potenziell von der Plattform missbraucht werden
können. Dass diese Bedenken keine Zukunft beschreiben, sondern bereits realisiert
sind, zeigt die aktuelle Berichtserstattung [15]. Es ist aus diesem Grund notwendig,
rechtzeitig eine gesellschaftspolitische Diskussion dieser Aspekte zu führen.
Quellen
1. [1] B. Weddeling, “Facebook-Skandal: Das Silicon Valley denkt bei KI um,”
Handelsblatt. [Online]. Available: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/it-
medien/gefaehrlicher-kontrollverlust-das-silicon-valley-denkt-nach-dem-facebook-
skandal-bei-kuenstlicher-intelligenz-um/23681642.html?ticket=ST-691065-
7jfCHZimfSTeLVFX7sz6-ap4. [Accessed: 09-Jan-2019].
2. [2] N. Venkatraman, “IT-Enabled Business Transformation: From Automation to Business
Scope R Redifinition,” Sloan Manage. Rev., vol. 35, no. 2, pp. 73–85, 1994.
3. [3] A. Tiwana, B. Konsynski, and A. A. Bush, “Platform Evolution: Coevolution of
Platform Architecture, Governance, and Environmental Dynamics,” Inf. Syst. Res., vol. 21,
no. 4, pp. 675–687, 2010.
4. [4] J. Manner, D. Nienaber, M. Schermann, and H. Krcmar, “Limits of Imitating
Marketplace Design: The Case of an Automotive Service Marketplace,” 2013.
5. [5] R. O. Mason, “Four Ethical Issues of the Information Age,” MIS Q., vol. 10, no. 1,
1986.
6. [6] L. Royakkers, J. Timmer, L. Kool, and R. van Est, “Societal and ethical issues of
digitization,” Ethics Inf. Technol., vol. 20, no. 2, pp. 127–142.
7. [7] R. Sun, S. Gregor, and B. Keating, “Information Technology Platforms :
Conceptualisation and a Review of Emerging Research in the IS Discipline,” in 26th
Australasian Conference on Information Systems, 2015.
8. [8] E.-D. Schulze, E. Beck;, and K. Müller-Hohenstein, Plant Ecology. Springer Berlin
Heidelberg, 2005.
9. [9] A. Tiwana, Platform Ecosystems: Aligning Architecture, Governance, and Strategy,
vol. 12. Newnes, 2013.
10. [10] M. Schreieck, “Design and Governance of Platform Ecosystems – Key Concepts and
Issues for Future Research,” in ECIS 2016, 2016.
11. [11] O. Levina, “Deriving Content for an Electricity and Mobility Platform: Digital Spaces
as Drivers for Sustainable Mobility,” in EnviroInfo 2017, 2017.
12. [12] O. Levina, “Digital Platform for Electricity and Mobility: Unifying the two domains,”
in EnviroInfo 2016, 2016.
13. [13] GDPR, “Art. 6 GDPR – Lawfulness of processing | General Data Protection Regulation
(GDPR),” GDPR-info.eu, 2018. [Online]. Available: https://gdpr-info.eu/art-6-gdpr/.
[Accessed: 09-Jan-2019].
14. [14] G. Baldini, M. Botterman, R. Neisse, and M. Tallacchini, “Ethical Design in the
Internet of Things,” Sci. Eng. Ethics, vol. 24, no. 3, pp. 905–925, Jun. 2018.
15. [15] D. Dittrich, E. Kenneally, and M. Bailey, “Applying Ethical Principles to Information
and Communication Technology Research: A Companion to the Menlo Report,” SSRN
Electron. J., Oct. 2013.
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