=Paper= {{Paper |id=Vol-2358/paper-09 |storemode=property |title=Evaluation des Arbeitsprozess-integrierten Projektstudiums (Evaluation of Project Studies Integrated into the Working Processes of Companies) |pdfUrl=https://ceur-ws.org/Vol-2358/paper-09.pdf |volume=Vol-2358 |authors=Frank Fuchs-Kittowski,Juliane Siegeris,Jörn Freiheit |dblpUrl=https://dblp.org/rec/conf/seuh/Fuchs-Kittowski19 }} ==Evaluation des Arbeitsprozess-integrierten Projektstudiums (Evaluation of Project Studies Integrated into the Working Processes of Companies) == https://ceur-ws.org/Vol-2358/paper-09.pdf
 Evaluation des Arbeitsprozess-inte-
      grierten Projektstudiums
                 Frank Fuchs-Kittowski, Juliane Siegeris und Jörn Freiheit, HTW Berlin
                   {frank.fuchs-kittowski, juliane.siegeris, joern.freiheit}@htw-berlin.de

Zusammenfassung                                             future applications of the work process-integrated
                                                            project study.
Für das Arbeitsprozess-integrierte Projektstudium
im berufsbegleitenden Masterstudiengang „Profes-
sional IT-Business“ der Hochschule für Technik und
Wirtschaft Berlin wurde eine Evaluation durchge-            Einführung
führt. Mithilfe einer Umfrage unter den Studieren-          Lebenslanges Lernen ist in der heutigen Gesellschaft
den sollte die Wirksamkeit des Konzepts des Ar-             unerlässlich. Damit Lernen ein Leben lang – und da-
beitsprozess-integrierten Projektstudiums überprüft         mit an verschiedenen Orten und in unterschiedli-
werden. Es wurden acht Hypothesen aufgestellt.              chen Institutionen - gelingen kann, ist die Durchläs-
Die Überprüfung dieser Hypothesen sollte dazu die-          sigkeit zwischen den verschiedenen (Lern- und Ar-
nen, mögliche Fehlannahmen und Brüche im Kon-               beits-) Institutionen und Orten von zentraler Bedeu-
zept zu erkennen. An der Umfrage haben 20 der 31            tung. Doch Durchlässigkeit - insbesondere zwischen
Studierenden teilgenommen, die das Projektstu-              dem beruflichen und dem hochschulischen Bil-
dium bisher absolviert haben. Die statistische Rele-        dungsbereich – wird oftmals reduziert auf die An-
vanz ist somit begrenzt, jedoch erlaubt die deskrip-        rechnung beruflich erworbener Kompetenzen (Frei-
tive Analyse der Umfrageergebnisse Rückschlüsse             tag et al., 2011), insb. beim Übergang vom Beruf in
auf Änderungs- und Verbesserungspotenziale des              das Studium, d.h. vertikal (Buhr et al., 2008).
dem Projektstudium zugrundeliegenden didakti-                   Ein großes, bisher aber kaum betrachtetes Poten-
schen Konzepts. Neben der Beschreibung der Me-              zial besteht aber in der horizontalen Durchlässig-
thodik und der erzielten Ergebnisse werden Schluss-         keit, die dadurch entsteht, dass Studierende oftmals
folgerungen aus der Auswertung gezogen sowie                neben- oder auch hauptberuflich arbeiten. Dabei
Ausblicke auf zukünftige Anwendungen des Ar-                wenden sie in der Hochschule erlerntes Wissen und
beitsprozess-integrierten Projektstudiums gegeben.          Fähigkeiten in der Arbeit an. Aber vor allem erwer-
                                                            ben sie in der Arbeit auch neues Wissen und Kom-
Abstract                                                    petenzen, die sie bisher noch kaum in ihr Hoch-
                                                            schulstudium einbringen können. Um dieses Poten-
An evaluation was carried out for the working pro-          zial zu heben, erfordert es neuartiger Konzepte zur
cess-integrated project study in the in-service master      stärkeren Verbindung unterschiedlicher Lernorte
programme "Professional IT-Business" of the Uni-            (insb. Lernort Hochschule mit Lernort Arbeitsplatz
versity of Applied Sciences Berlin (HTW Berlin). A          in Unternehmen).
survey conducted amongst students aimed to eval-                Um gezielt die berufliche Handlungskompetenz
uate the effectiveness of the concept of work pro-          von Studierenden zu fördern und dabei den Lernort
cess-integrated project study. Eight hypotheses were        Unternehmen zu integrieren, wurde an der HTW
set up. The review of these hypotheses should serve         Berlin ein innovatives Konzept für die Durchfüh-
to detect possible misconceptions and breaks in the         rung des „Projektstudiums“ im Rahmen des berufs-
concept. 20 of the 31 students who have completed           begleitenden Masterstudiengangs „Professional IT-
the project study participated in the survey. The sta-      Business“ entwickelt (Fuchs-Kittowski et al., 2017):
tistical relevance is thus limited, but the descriptive     Die Studierenden im Projektstudium lernen dabei
analysis of the survey results allows conclusions to        im Arbeitsprozess, in realen Projekten (Praxispro-
be drawn on the potential for change and improve-           jekt) in (ihren) Unternehmen. Das Lernen in der Ar-
ment of the didactic concept underlying the project         beit gestalten die Studierenden dabei selbst, werden
study. In addition to the description of the method-        aber umfassend personell und technisch unterstützt.
ology and the results obtained, conclusions are             Ein prozess-orientiertes Curriculum, sog. Referenz-
drawn from the evaluation as well as prospects for          projekt, gibt die Lernziele vor und strukturiert das
                                                            Projektstudium. Es dient der Auswahl des



V. Thurner, O. Radfelder, K. Vosseberg (Hrsg.): SEUH 2019                                                     99
                                                                        Evaluation des Arbeitsprozess-integrierten Projektstudiums
                                                               Frank Fuchs-Kittowski, Juliane Siegeris und Jörn Freiheit, HTW Berlin


Praxisprojekts, der Planung der Arbeits- und Lern-          Jahrgang in diesem Masterstudiengang wurde zum
prozesse und schließlich auch dem Nachweis des er-          Wintersemester 2016 immatrikuliert.
folgreichen Projektstudiums. Alle Prozesse des Re-
ferenzprojekts müssen nachweislich beherrscht wer-          Konzept des Projektstudiums
den, indem sie bewältigt und dabei reflektiert und          Das Konzept für das Projektstudium (Fuchs-Kit-
dokumentiert werden.                                        towski et al., 2017) fokussiert auf die Integration von
    In diesem Beitrag sollen die wesentlichen Ergeb-        Lernen und Arbeiten. Dabei findet das Lernen und
nisse der Evaluation dieses Konzepts des Arbeits-           Arbeiten nicht in der Hochschule an einer Aufgabe
prozess-integrierten Projektstudiums dargestellt            eines Unternehmens statt, sondern integriert in reale
werden. Das Hauptziel der Evaluation lag auf der            Arbeitsprozesse in den Unternehmen.
Prüfung der Annahmen bzw. Wirksamkeit des Kon-                   Zur Systematisierung und Unterstützung sol-
zepts des Arbeitsprozess-integrierten Projektstudi-         cher Lernprozesse am Arbeitsplatz, im Arbeitspro-
ums und der Erarbeitung von Optimierungsvor-                zess, in realen Projekten wurden a) prozessorien-
schlägen.                                                   tierte Curricula („Referenzprojekt“), b) eine Vorge-
    Dieser Beitrag ist wie folgt strukturiert: Nach der     hensweise für das Lernen im Arbeitsprozess („Pra-
Vorstellung des Hintergrunds der Untersuchung               xisprojekt“) sowie c) organisatorische und techni-
(Masterstudiengang, Konzept des Projektstudiums,            sche Instrumente zur Unterstützung der im Arbeits-
Evaluation) sowie der verwendeten Methodik wer-             prozess Lernenden entwickelt (Fuchs-Kittowski et
den die Ergebnisse der Umfrage präsentiert und dis-         al., 2017):
kutiert und mit den Ergebnissen die Gültigkeit der               Lernprozesse werden durch Herausforderun-
acht vorgestellten Hypothesen evaluiert. Es werden          gen (Wissenslücken) in realen Projekten („Pra-
Schlussfolgerungen für die zukünftige Anwendung             xisprojekt“) initiiert. Diese Herausforderungen sol-
des Konzeptes der Arbeitsprozess-integrierten Pro-          len durch die Studierenden weitgehend selbstge-
jektstudien gezogen und diskutiert. Eine Zusam-             steuert bewältigt werden. Dabei sind bestimmte Ar-
menfassung und ein Ausblick schließen den Beitrag.          beitsprozesse zu durchlaufen. Dies sind für ein Tä-
                                                            tigkeitsprofil (z.B. Data Analyst/-in) typische Tätig-
Hintergrund                                                 keiten, die in einem profiltypischen „Referenzpro-
                                                            jekt“ beschrieben sind, das die curriculare Grund-
In diesem Kapitel wird der Masterstudiengang
                                                            lage und Struktur der Qualifizierung (Projektstu-
„Professional IT-Business“ und das Konzept des
                                                            dium) bildet.
„Projektstudiums“ kurz vorgestellt sowie das die-
                                                                 Personale Unterstützung erhalten die Studieren-
sem Beitrag zugrundeliegende Verständnis einer
                                                            den für das selbst gesteuerte Lernen während der
Evaluation erörtert.
                                                            Bearbeitung ihrer Praxisprojekte durch verschie-
Masterstudiengang                                           dene Rollen, wie Fachberater, Lernprozessbegleiter,
                                                            Vorgesetzte und Kollegen/Kommilitonen. Eine tech-
Der Masterstudiengang „Professional IT-Business“
                                                            nische bzw. mediale Unterstützung erhalten die Stu-
wird berufsbegleitend durchgeführt. Die Studieren-          dierenden in Form einer Lernplattform, die orts-
den erwerben insgesamt 90 Leistungspunkte bei ei-
                                                            und zeitunabhängiges Lernen und Arbeiten unter-
ner Regelstudienzeit von 4 Semestern. Davon wer-
                                                            stützt sowie eine individualisierte Betreuung und
den allein 30 Leistungspunkte für die drei Projekt-         Organisation der Teilnehmer ermöglicht. Zudem
studien vergeben, die in den ersten drei Semestern
                                                            nehmen die Studierenden im Semester zuvor an ei-
durchgeführt werden. Neben dem Projektstudium I
                                                            ner klassischen Lehrveranstaltung (Vorlesung mit
(IT-Spezialist/-in) werden im ersten Semester Mo-           Übung) zum relevanten Themengebiet (z.B. Data
dule zu den Themen Cloud Computing, Data Ana-
                                                            Analytics) teil, in denen das erforderliche Fachwis-
lytics und Requirements Engineering durchgeführt,
                                                            sen vermittelt wird.
im zweiten Semester wird das Projektstudium II                   Die Prüfung der Studierenden erfolgt nicht, wie
(Data Analyst/-in) von den Veranstaltungen Mobile
                                                            an einer Hochschule traditionell üblich, durch eine
Computing und Enterprise Architecture begleitet
                                                            Prüfung (Klausur etc.), sondern anhand einer von je-
und im dritten Semester werden neben dem Projekt-
                                                            dem Studierenden einzeln erstellten Dokumenta-
studium III (Enterprise Architecture Manager/-in)
                                                            tion über die selbständige und kompetente Durch-
die Veranstaltungen IT-Security und IT-Controlling
                                                            führung von im Referenzprojekt vorgegebenen Ar-
gelehrt. Im vierten Semester erstellen die Studieren-
                                                            beitsprozessen.
den ihre Masterarbeit. Die Durchführung der Pro-
                                                                 Im Konzept und der Bewertung des Projektstu-
jektstudien sowie die Erstellung der Masterarbeit er-
                                                            diums spielt die individuelle Reflektion des Arbeits-
folgt hauptsächlich in den Unternehmen berufsbe-
                                                            und Lernprozesses eine wichtige Rolle. Donald
gleitend von Montag bis Donnerstag. Die anderen
                                                            Schön prägte den Begriff der reflective practice
Module finden als Präsenzveranstaltungen freitags           (Schön, 1983). Er plädiert für die bewusste und sys-
und samstags an der Hochschule statt. Der erste
                                                            tematische Reflektion der eigenen Erfahrungen und



V. Thurner, O. Radfelder, K. Vosseberg (Hrsg.): SEUH 2019                                                                     100
                                                                        Evaluation des Arbeitsprozess-integrierten Projektstudiums
                                                               Frank Fuchs-Kittowski, Juliane Siegeris und Jörn Freiheit, HTW Berlin


argumentiert, dass erst durch die Reflektion der            Untersuchung
Handlungen - während des Prozesses und danach -             Die Untersuchung sollte als schriftliche Online-Be-
ein Lernprozess ermöglicht wird. In vielen Publika-         fragung der Studierenden durchgeführt werden.
tionen (u.a. Upchurch & Sims-Knight, 1999;                      Unter der Zielsetzung der empirischen Über-
Dingsoer, 2005; Prior et al., 2014) wird seitdem dis-       prüfung der Grundannahmen des Konzepts des Ar-
kutiert, wie Reflektion in die Lehre integriert und         beitsprozess-integrierten Projekt-Studiums wurden
aktiv vermittelt werden kann. Eine Zusammenfas-             zu den o.g. Teilbereichen der Konzeption (a) Rolle
sung verschiedener Ansätze im Bereich Software-             der Prozessorientierten Curricula (Referenzpro-
Entwicklung bietet (Burden & Steghöfer, 2019).              jekte), b) Lernen im Arbeitsprozess (Praxisprojekte)
    Im vorgestellten Projektstudium wird Reflek-            und c) Personale, technische und fachliche Unter-
tion zu verschiedenen Anlässen ermöglicht und ein-          stützung des Lernens in der Arbeit) sowie zur allge-
gefordert. Dazu zählen regelmäßige Reflektionsge-           meinen Akzeptanz des Projektstudiums (Gesamtbe-
spräche, die Zwischenpräsentation, ein Fachge-              wertung) Hypothesen gebildet. Zu jeder der Hypo-
spräch am Ende des Projekts, insbesondere jedoch            thesen wurden entsprechende Indikatoren definiert.
die abschließende Dokumentation. Mittels Fragen             Auf Basis der Indikatoren wurden dann die Erhe-
zu den durchgeführten Prozessschritten werden die           bungsinstrumente entwickelt, eingesetzt und ausge-
Studierenden angeleitet, in der Ich-Perspektive über        wertet. Zudem flossen auch Erfahrungen aus der
Projekterfahrungen, Entscheidungen und aufgetre-            Durchführung des Projektstudiums in die Interpre-
tene Schlüsselsituationen zu berichten und die eige-        tation der Ergebnisse ein, vgl. (Brand, 2014;
nen Aktivitäten zum Referenzprozess in Beziehung            Mattauch & Kubath, 2005).
zu setzen. Anders als bei einem Projekt-Ergebnisbe-
richt soll diese Art der Dokumentation (ähnlich dem         Datenerhebung
postmortem review, vgl. Dingsoer, 2005) den Studie-
                                                            Der entstandene Fragebogen wurde Online (Survey-
renden helfen, sich ihrer Lernerträge bewusst zu
                                                            Monkey) im Oktober 2018 an die Studierenden ver-
werden.
                                                            teilt, die das Projektstudium im Sommersemester
Evaluation                                                  2018 durchgeführt hatten. Dies waren 16 Studie-
                                                            rende aus dem aktuellen 3. Semester des Studien-
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Evaluation          gangs sowie 15 Studierende aus dem vorherigen
des Arbeitsprozess-integrierten Projektstudiums,            Jahrgang, also insgesamt 31 Studierende. Die Frage-
das bislang vom ersten Jahrgang komplett (Projekt-          bogenerhebungen erfolgten anonymisiert.
studium I-III) und vom zweiten Jahrgang bis ein-
schließlich des Projektstudiums II absolviert wurde.        Datenauswertung
Evaluation im Sinne dieses Beitrages bedeutet: die
                                                            Insgesamt wurde der Fragebogen von 20 Studieren-
praxisnahe Beurteilung des Projektstudiums mit
                                                            den ausgefüllt (Rücklaufquote: 64,5%). Die Daten
empirischen Methoden (Wottawa & Thierau, 1990).
                                                            wurden mit den im Online-Befragungs-Tool (Sur-
    Eine Evaluation dient der rückblickenden Wir-
                                                            vey-Monkey) verfügbaren Werkzeugen ausgewer-
kungskontrolle, der vorausschauenden Steuerung
                                                            tet. Aufgrund der relativ kleinen Teilnehmerzahl
und dem Verständnis von Situationen und Prozes-
                                                            wurde auf die sonst üblichen parametrischen Ana-
sen. Darauf aufbauend können untersuchte Pro-
                                                            lyseverfahren verzichtet. Eine überwiegend de-
zesse angepasst und optimiert werden (Götz, 1993).
                                                            skriptive Analyse der Daten, insb. die Angabe von
Das Hauptziel der Evaluation des Projektstudiums
                                                            Absolutwerten und der prozentualen Verteilung, er-
lag daher auf der Prüfung der Annahmen bzw. der
                                                            schien zweckmäßig.
Wirksamkeit des Konzepts des Arbeitsprozess-inte-
grierten Projektstudiums. Die zentralen Grundan-            Teilnehmer (Stichprobe)
nahmen dieses Konzepts sollten empirisch geprüft
                                                            Von den 20 Teilnehmern haben 12 im Sommerse-
werden. Die Überprüfung der theoretischen Annah-
                                                            mester das Profil „Data-Analyst/in“ durchgeführt,
men mit der Praxis soll insbesondere dazu dienen,
                                                            befinden sich also aktuell im 3. Semester. Die Studie-
mögliche Fehlannahmen und Brüche im Konzept zu
                                                            renden im vorhergehenden Jahrgang hatten im
erkennen sowie Hinweise für Änderungen oder Er-
                                                            Sommersemester 2018 die Wahl zwischen den Pro-
weiterungen des Konzepts zu erhalten.
                                                            filen „Software-Developer“ (2), „IT-Project-Coordi-
                                                            nator“ (3) und „IT-Solution-Developer“ (3).
Methodik
Dieser Abschnitt beschreibt die Methodik der Unter-
suchung zur Evaluation des Projektstudiums.




V. Thurner, O. Radfelder, K. Vosseberg (Hrsg.): SEUH 2019                                                                     101
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                                                               Frank Fuchs-Kittowski, Juliane Siegeris und Jörn Freiheit, HTW Berlin


                                                            Hypothese 1: Referenzprojekte sind eine
                                                            gute Hilfe zur Identifizierung und Auswahl
                                                            von geeigneten Praxisprojekten
                                                            Als Hypothese 1 wurde angenommen, dass das Re-
                                                            ferenzprojekt eine wesentliche Orientierungs- und
                                                            Unterstützungshilfe zur Identifikation und Aus-
                                                            wahl von Praxis-Projekten darstellt. Die Studieren-
                                                            den wurden konkret gefragt, ob sie „anhand der im
                                                            Referenzprojekt beschriebenen Teilprozesse ein Pra-
                                                            xisprojekt identifizieren konnten, das sich für das
                                                            Projektstudium eignete“.
                                                                Fast allen Teilnehmern ist es gelungen, ein ge-
                                                            eignetes Praxisprojekt zu finden. Bei 30% der Teil-
  Abb. 1: Gewähltes Referenzprojekt im SoSe2018
                                                            nehmer geschah dies „Völlig unproblematisch“
                                                            (n=6) und bei 40% „Relativ leicht und mit geringem
Die meisten Teilnehmer waren vor dem Beginn des             Aufwand (n=8). Nur 25% der Teilnehmer hatten
Master-Studiums an der HTW Berlin bereits 2-3               „große Mühe und Aufwand (n=5) und nur einem
Jahre in der IT-Branche tätig (47,37%, n=9/19), ein         Teilnehmer (5%) ist es „nicht gelungen, ein geeigne-
weiterer großer Teil (42,11%, n=8/19) mehr als 4            tes Praxisprojekt zu finden“ (n=1). Bei Letzterem
Jahre und nur ein geringer Teil nahm das Studium            konnte kein Projekt zum Profil „Data-Analyst/in“
nach weniger als 1 Jahr auf (10,53%, n=2/19).               gefunden werden, was in der Tat schwierig sein
                                                            kann, da sich Unternehmen bislang nicht alle mit
                                                            Data-Analytics beschäftigen.




  Abb. 2: Berufsjahre der Teilnehmer vor Studium



Aussagekraft
                                                                 Abb. 3: Einfachheit Praxisprojekt zu finden
Einschränkend ist anzumerken, dass aufgrund der
geringen Stichprobenzahl (n = 20) die statistische Re-
levanz begrenzt ist. So sind die Aussagen aufgrund          Gründe für die aufgetretenen Schwierigkeiten sehen
der Stichprobe nicht repräsentativ und auf ein Pro-         die Studierenden vor allem in:
jektstudium mit anderen Rahmenbedingungen (Un-              „keine Daten in ausreichender Menge/Qualität vorhanden, Da-
ternehmen, regionale Bedingungen etc.) nicht bzw.           tenschutz.“
nur bedingt übertragbar. Die erhobenen Daten er-             „In der Unternehmensabteilung gehört das angebotene Profil
lauben aber erste Hinweise auf eine empirische Sta-         (hier Data Analyst) nicht zum Tagesgeschäft.“
bilität des Konzepts.                                       „Es war schwierig die geplante theoretische Herleitung im Pro-
     Unter diesen Voraussetzungen erbrachte die             jekt der Arbeit umzusetzen, da das Vorgehen des Unternehmens
Evaluation die im folgenden Kapitel dargestellten           ein anderes ist.“
Ergebnisse.                                                     Zusammengefasst stellten die Referenzprojekte
                                                            eine wesentliche Unterstützungshilfe zur Identifika-
Ergebnisse                                                  tion von Praxisprojekten dar, wobei Probleme eher
Die Grundannahmen des Konzepts wurden in acht               darin bestanden, dass weder im Unternehmen
Hypothesen zusammengefasst, für die jeweils geeig-          selbst, noch bei derzeitige Kunden Projekte mit dem
nete Indikatoren definiert worden waren.                    gesuchten Profil bearbeitet wurden. Zur weiteren
                                                            Unterstützung der Praxisprojektauswahl erscheint
                                                            es daher sinnvoll, zukünftig die Anzahl möglicher




V. Thurner, O. Radfelder, K. Vosseberg (Hrsg.): SEUH 2019                                                                     102
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                                                               Frank Fuchs-Kittowski, Juliane Siegeris und Jörn Freiheit, HTW Berlin


Referenzprojekte zu erweitern und die Wahl über             Referenzprozesse inzwischen beherrschen, so dass
alle Semester hinweg zu öffnen.                             diese Hilfe in Zukunft nicht mehr erforderlich ist.

Hypothese 2: Referenzprojekte dienen als
Strukturierungshilfe für das Lernen im Pra-
xisprojekt
Als Hypothese 2 wurde angenommen, dass das Re-
ferenzprojekt eine wichtige Orientierungs- und
Strukturierungshilfe für das Lernen in den Pra-
xisprojekten darstellt. Hierzu wurde erhoben, „wie
hilfreich das Referenzprojekt bei der Durchführung
des Praxisprojekts empfunden wurde“ sowie, ob
„geplant ist, das Referenzprojekt auch in Zukunft
zur Strukturierung der Arbeit bzw. ähnlicher Pro-                           Abb. 5: Einsatz in Zukunft
jekte einzusetzen“.
     Die Mehrzahl der Teilnehmer (40%, n=8) gab an,
dass das Referenzprojekt „Überwiegend hilfreich“            Zusammengefasst hat sich das Referenzprojekt bei
war, um das Praxisprojekt durchzuführen. Für 35%            der überwiegenden Mehrheit der Teilnehmer als
war es „Etwas hilfreich“ (n=7) und für 15% sogar            Orientierungs- und Strukturierungshilfe zur Durch-
„Sehr hilfreich“ (n=3). Nur 10% gaben an, dass das          führung der Praxisprojekte bewährt. Es wurde von
Referenzprojekt „Überhaupt nicht hilfreich“ war,            der überwiegenden Mehrheit der Teilnehmer als
um das Praxisprojekt durchzuführen (n=2). Wobei             wichtige Hilfestellung zur Durchführung des Pra-
einer der beiden Teilnehmer, die es nicht hilfreich         xisprojekts eingeschätzt und soll zumindest von ei-
fanden, angab, kein geeignetes Projekt gefunden zu          nem Teil auch zukünftig als Strukturierungshilfe
haben. Der zweite Teilnehmer gab an, das Projekt            eingesetzt werden.
nicht als Chance wahrgenommen, sondern nur not-
gedrungen gewählt zu haben - also mit der Absicht,          Hypothese 3: Das Lernen und Arbeiten in
es mit „möglichst wenig zusätzlichem Aufwand zu             Praxisprojekten führt zu einem Kompetenz-
absolvieren“.                                               erwerb bzw. -zuwachs im Bereich des Tä-
                                                            tigkeitsprofils (Berufliche Handlungskom-
                                                            petenz)
                                                            Als Hypothese 3 wurde angenommen, dass sich die
                                                            Studierenden durch das Lernen und Arbeiten in den
                                                            Praxis-Projekten die Kompetenzen des Tätigkeits-
                                                            profils aneignen.
                                                                Die Studierenden sollten beurteilen, „in welchen
                                                            Bereichen sie im Rahmen des Projektstudiums etwas
                                                            lernen“ konnten. Es sollten dazu jeweils der Lerner-
                                                            trag in den Bereichen „fachlich“, „methodisch“, „so-
                                                            zial“ und „persönlich“ bewertet werden. Die Mehr-
                                                            heit der Teilnehmer (55%) gab an, im Bereich der
                                                            fachlichen Kompetenzen „viel“ (50%, n=10) oder
                                                            „sehr viel“ (5%, n=1) gelernt zu haben. Ähnlich
             Abb. 4: Referenzprojekt als Hilfe              hierzu gab im Bereich der methodischen Kompeten-
                                                            zen die Mehrheit der Teilnehmer (60%) an, „viel“
                                                            (50%, n=10) oder „sehr viel“ (10%, n=2) gelernt zu
Ein relativ geringer Teil der Teilnehmer plant, das
                                                            haben. Überraschend ist, dass im Bereich der sozia-
Referenzprojekt auch in Zukunft zur Strukturierung
                                                            len Kompetenz kein Teilnehmer angab, „viel“ oder
der Arbeit bzw. ähnlicher Projekte einzusetzen. Ein
                                                            „sehr viel“ gelernt zu haben, sondern alle Teilneh-
etwas größerer Teil plant dies nicht. Aber die Mehr-
                                                            mer angaben, „nichts“ (35%, n=7) oder „wenig“
heit weiß dies noch nicht. Da das Referenzprojekt
                                                            (65%, n=13) gelernt zu haben. Dies lässt sich ggf.
für die große Mehrheit „hilfreich“ war, ist dies
                                                            dadurch erklären, dass die Studierenden ja auch
wahrscheinlich darin begründet, dass die Studieren-
                                                            ohne das Projektstudium aufgrund ihrer Einbin-
den zum einen bereits in festen Kontexten in den
                                                            dung in ihr Unternehmen Projekte durchgeführt
Unternehmen arbeiten und es unsicher ist, ob die
                                                            und Erfahrungen im Bereich der sozialen Kompe-
Studierenden in Zukunft in den Themen der Refe-
                                                            tenzen gesammelt hätten. Ebenso gaben auch nur
renzprojekte arbeiten werden oder zum anderen die
                                                            30% der Teilnehmer (n=6) an, „viel“ im Bereich der
                                                            persönlichen Kompetenzen gelernt zu haben.


V. Thurner, O. Radfelder, K. Vosseberg (Hrsg.): SEUH 2019                                                                     103
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                                                               Frank Fuchs-Kittowski, Juliane Siegeris und Jörn Freiheit, HTW Berlin


                                                            Der Lernerfolg verteilt sich dabei jedoch nicht
                                                            gleichmäßig auf die verschiedenen Kompetenzbe-
                                                            reiche. Während 55% und 60% der Teilnehmer an-
                                                            geben, fachlich bzw. methodisch „viel“ oder „sehr
                                                            viel“ gelernt zu haben, haben nur 30% im Bereich
                                                            der persönlichen Kompetenzen „viel“ gelernt und
                                                            niemand „viel“ oder „sehr viel“ im Bereich der sozi-
                                                            alen Kompetenzen. Ggf. spielt die Vorerfahrung der
                                                            Teilnehmer eine Rolle, welcher in Zukunft bei der
                                                            Arbeit der Lernprozessbegleiter eine höhere Auf-
                                                            merksamkeit geschenkt werden sollte.

                                                            Hypothese 4: Die Studierenden entwickeln
                                                            die Fähigkeit, selbständig zu lernen
                                                            Als Hypothese 4 wurde angenommen, dass die Stu-
                                                            dierenden in der Lage waren, selbst gesteuert zu ler-
                                                            nen. Hierzu wurde erhoben, inwieweit die Studie-
                                                            renden eigenständig nach Informations- und Wis-
                                                            sensquellen suchten, um ihre Wissenslücken zu
                                                            schließen, sowie inwieweit die Studierenden das
      Abb. 6: Lernprozesse in Kompetenzfeldern
                                                            Projektstudium als Chance wahrgenommen haben,
                                                            Neues zu lernen.“
Die Studierenden fühlen sich nach Abschluss des                 Die Frage, „inwieweit das Projektstudium als
Projektstudiums gut auf eine Tätigkeit in dem Tätig-        Chance gesehen und aktiv genutzt wurde, um etwas
keitsprofil (Data Analyst, IT-Project-Coordinator,          Neues zu lernen“, hat die große Mehrheit der Teil-
IT-Solution-Developer, Software Developer) bzw.             nehmer (70%, n=14) positiv beantwortet. 40% der
auf zukünftige Arbeitsaufgaben vorbereitet. Sie             Teilnehmer (n=8) taten dies „Sehr aktiv (bewusst an-
wurden befragt, „inwieweit das Praxisprojekt dazu           spruchsvolles und passendes Projekt gesucht)“ und
beigetragen hat, dass die typischen Arbeitsprozesse         30% (n=6) „Aktiv (existierendes Projekt gestaltet)“.
des Profils jetzt besser beherrscht werden als vor-         Lediglich 25% (n=5) machten dies „Notgedrungen
her“. So gibt eine klare Mehrheit (70%) an, dass das        (versucht Projekt mit möglichst geringem Aufwand
Praxisprojekt „sehr“ (10%, n=2) bzw. „überwie-              auf das Referenzprojekt abzubilden)“ oder „Gar
gend“ (60%, n=12) dazu beigetragen hat, die typi-           nicht“ (5%, n=1).
schen Arbeitsprozesse des Profils (Referenzprojekt)
jetzt besser zu beherrschen als vorher. Nur eine Min-
derheit von 30% (n=6) gab an, dass das Praxisprojekt
„wenig“ (20%, n=4) oder „nicht“ (10%, n=2) dazu
beigetragen hat.




                                                              Abb. 8: Projekt als Chance zum Lernen nutzen


                                                            Auf die Frage, „wie oft es im Praxisprojekt vorkam,
                                                            dass selbständig nach fehlenden Informationen ge-
                                                            sucht bzw. selbst fehlendes Wissen angeeignet wer-
            Abb. 7: Vorbereitung auf Tätigkeit              den musste“, gab die Mehrheit der Teilnehmer (60%,
                                                            n=12) an, dass dies „häufig“ (35%, n=7) oder „sehr
                                                            oft“ (25%, n=5) notwendig war. Dies deutet zum ei-
Zusammenfassend führte das Lernen in den Pra-               nen darauf hin, dass im Praxisprojekt herausfor-
xisprojekten zu einem Kompetenzerwerb der Teil-             dernde, lernhaltige Tätigkeiten durchgeführt wer-
nehmer im Tätigkeitsprofil des Referenzprojekts.            den mussten (siehe Hypothese 3), und zum anderen,



V. Thurner, O. Radfelder, K. Vosseberg (Hrsg.): SEUH 2019                                                                     104
                                                                             Evaluation des Arbeitsprozess-integrierten Projektstudiums
                                                                    Frank Fuchs-Kittowski, Juliane Siegeris und Jörn Freiheit, HTW Berlin


dass die Studierenden eigenständig Wissenslücken                 profitierte von den gebotenen Reflexionsanlässen.
geschlossen und damit gelernt haben. 35% der Teil-               Dabei fällt es den Studierenden zu Beginn des Pro-
nehmer (n=7) haben immerhin „Selten“ Wissenslü-                  jekts schwerer, Projektfortschritt und Lernerträge
cken selbständig geschlossen. Nur ein Teilnehmer                 durch Reflexionsgespräche selbst einzuschätzen
gab an, dass dies „Nie“ erforderlich war (5%, n=1).              (26,32%, n=6/19). Zentrales Instrument für die Re-
                                                                 flektion und die Sicherung der Lernerträge ist die
                                                                 schriftliche Dokumentation (57,89%, n=11/19). Aber
                                                                 auch die Reflektion im Rahmen der Abschlussprü-
                                                                 fung (Fachgespräch) zum Ende des Projektstudiums
                                                                 ist nochmal ein wichtiger Anlass zur Reflektion
                                                                 (36,84%, n=7/19).




     Abb. 9: Wissenslücken selbständig schließen

   Die folgenden Zitate stehen beispielhaft für ei-
nen hohen eigenständigen Lernertrag:
„...die Bereitstellung der Daten waren weitaus schwieriger und
                                                                  Abb. 10: Reflexionsanlässe zum Bewusstwerden
zeitintensiver zu organisieren. Das Wissen hierzu musste ich
komplett selbst erarbeiten.“                                                     von Lernerträgen
„Das Projektstudium habe ich genutzt, um mich in das eigene
Projektumfeld vertiefend einzuarbeiten und um größtmögliche
                                                                 Zusammenfassend kann die Annahme, dass die
Synergien zwischen dem "Neu-Gelernten" in den LVs und dem
                                                                 Teilnehmer in den Praxisprojekten selbständig ler-
"Alt-Angewandten" im Unternehmen herzustellen.“
                                                                 nen, prinzipiell bestätigt werden. Zu einem großen
Prinzipiell fällt es Studierenden eher schwer, ihre              Teil initiieren die Teilnehmer lernhaltige Lernsitua-
Projektfortschritte und Lernerträge einzuschätzen                tionen selbst, schließen Wissenslücken eigenständig
und zu dokumentieren, vgl. (Platt, 2014). Im Kon-                und sind in der Lage über Reflektion Lernfort-
zept und der Bewertung des Projektstudiums spielt                schritte einzuschätzen und Lernerträge zu sichern.
die Reflektion des eigenen Vorgehens und aufgetre-               Andererseits hat ein nicht unerheblicher Anteil der
tener Schlüsselsituationen eine maßgebliche Rolle,               Teilnehmer die Chance zum Lernen nicht aktiv ge-
bei dem Ziel einen nachhaltigen Wissenserwerb                    nutzt, kaum die Notwendigkeit zum selbständigen
(Lernertrag) zu ermöglichen und zu kontrollieren.                Schließen von Wissenslücken gesehen und wurden
Schlüsselsituationen sind solche Situationen, die                auch die Anlässe zur Reflektion nur eingeschränkt
den Projektverlauf verzögern oder den Projekterfolg              als notwendig erachtet. D.h. das Projektstudium bie-
verhindern, jedoch keinen inhaltlichen, sondern ei-              tet die Möglichkeit zum selbständigen Lernen, stellt
nen organisatorischen Projektbezug haben, z.B. Ter-              dieses aber nicht notwendiger Weise sicher, was mit
minfindungsprobleme mit Entscheidern, Sprach-                    den diversen Freiheitsgraden bei der Auswahl,
probleme, mangelnde Expertise von Beteiligten. Im                Durchführung und dem Abschluss des Praxispro-
Projektstudium wird Reflektion daher zu verschie-                jekts zu tun hat. Hier spielen Aspekte der Motiva-
denen Anlässen ermöglicht und eingefordert. Dazu                 tion der Studierenden eine Rolle, wie auch die Si-
zählen regelmäßige Reflexionsgespräche, die Zwi-                 cherstellung lernförderlicher Rahmenbedingungen,
schenpräsentation, ein Fachgespräch und die Doku-                die die Auswahl eines geeigneten Projekts maßgeb-
mentation am Ende des Projekts.                                  lich beeinflussen. Diese sind bisher im Konzept des
    Auf die Frage, zu welcher dieser Reflexionsan-               Projektstudiums noch wenig berücksichtigt.
lässe sich die Studierenden der Lernerträge des Pra-
xisprojekts bewusst wurden (Mehrfachnennungen),                  Hypothese 5: Die personalen Rollen (Fach-
gab knapp die Hälfte der Studierenden (52,63%,                   berater, Lernprozessbegleiter etc.) sind
n=10/19) an, dass sie in der Lage waren, auch ohne               eine wesentliche Unterstützung des selbst-
die Anlässe des Projektstudiums zur Reflektion, sich             gesteuerten Lernens der Studierenden
der Projektfortschritte und Lernerträge des Projekt-             Es wurde angenommen, dass Lernprozessbegleiter,
studiums bewusst zu machen. Die andere Hälfte                    Fachberater, Vorgesetzte sowie Kommilitonen und



V. Thurner, O. Radfelder, K. Vosseberg (Hrsg.): SEUH 2019                                                                          105
                                                                                Evaluation des Arbeitsprozess-integrierten Projektstudiums
                                                                       Frank Fuchs-Kittowski, Juliane Siegeris und Jörn Freiheit, HTW Berlin


Kollegen eine wesentliche Unterstützung der selbst
gesteuerten Lernprozesse der Studierenden darstel-
len. Lernprozessbegleiter sind die Dozenten und
Dozentinnen des Projektstudiums, die die Studie-
renden methodisch betreuen, stets als Ansprech-
partner zur Verfügung stehen, die Projektdokumen-
tationen bewerten und die Reflexionsgespräche mit
den Studierenden durchführen. Die Studierenden
sollten jeweils bewerten, „wie wichtig die Unterstüt-
zung durch die Lernprozessbegleiter (Projekt-Do-
zenten) in den verschiedenen Projektphasen war“.
    Aus den Antworten der Teilnehmer geht hervor,
dass die Unterstützung durch die Lernprozessbe-
gleiters wichtig ist für das „Finden eines Praxispro-
jekts“ (77,77% Zustimmung, n=14/19), „Reflektieren
des Projekts (Reflexionsgespräche)“ (73,33% Zu-
stimmung, n= 11/19) und „Auswerten des Projekts“
(68,75% Zustimmung, n=11/19). Weniger wichtig ist
diese Hilfe für das „Planen des Praxisprojekts“
(46,67% Zustimmung, n=7/19), dem „Bearbeiten des
Projekts“ (37,5% Zustimmung, n=6/19) sowie der
„Dokumentation des Projekts“ (37,5% Zustimmung,
n=6/19).
    Aus den Kommentaren der Teilnehmer geht zu-
dem hervor, dass ein Mentor (Rolle des Vorgesetz-
ten) aus dem Unternehmen gewünscht wird, der die
Studierenden beim Finden eines geeigneten Projekts
unterstützt und ihnen bei der Bearbeitung den Rü-
cken freihält: „Es wäre sicher hilfreich, wenn von Beginn an        Abb. 11: Unterstützung durch Lernprozessbegleiter
JEDER Student einen unternehmensinternen Mentor (z.B. der
Manager, der Kollege mit Erfahrung zum Studium, etc.) an der             Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass
Seite hat, der über die Lerninhalte des Studiums im Bilde ist und   eine Unterstützung durch einen Lernprozessbeglei-
eventuell proaktiv zur Vorbereitung (z.B. Themensuche) beitra-      ter über das ganze Projekt hinweg, also am Anfang
gen und den er fragen kann.“                                        (Projektfindung), während des Projekts (Reflektion)
    Aus den Kommentaren der Teilnehmer wird                         und auch am Ende des Projekts (Auswerten) wichtig
ebenfalls die Bedeutung der Unterstützung der Stu-                  ist, um Lernerträge zu identifizieren und zu sichern.
dierenden über den Austausch der Studierenden                       Dabei ist diese Unterstützung nicht für alle Tätig-
untereinander deutlich. Aus den Kommentaren geht                    keitsbereiche gleichermaßen wichtig. Es gibt auch
auch hervor, dass mehr Präsenz im Projektstudium                    Phasen bzw. Tätigkeiten, bei denen eine fachliche
und eine Intensivierung des Austauschs unter den                    Unterstützung hilfreich ist. Zudem ist für bestimmte
Kommilitonen gewünscht wird: „Die Kommilitonen wa-                  Aspekte auch die Unterstützung durch einen Men-
ren sehr zurückhaltend und ich glaube, es wäre ein Mehrwert         tor (Vorgesetzter) und der Austausch unter den Stu-
gewesen, hätten wir gewusst, wer was bearbeitet.“ sowie „Öfter      dierenden wichtig.
eine Präsenzveranstaltung!“ sowie „Ich finde es auch sinnvoll,
wenn man nach Projektabschluss die Ergebnisse im eigenen            Hypothese 6: Unterstützung des selbstge-
Kurs präsentieren würde. Das Interessante ist ja nicht nur die      steuerten Lernens der Studierenden durch
„Abarbeitung“ der Methodik, sondern der Einblick in andere          IT-Unterstützung (Medien bzw. E-Learning-
Themen, Ansätze und Unternehmen. Dies würde auch den Aus-           Umgebung)
tausch im Studiengang fördern.“
                                                                    Als Hypothese 6 wurde angenommen, dass die E-
                                                                    Learning-Umgebung (moodle) eine wichtige Unter-
                                                                    stützung für das Lernen der Teilnehmer darstellt.
                                                                    Hierzu wurde gefragt, „ob sich die Teilnehmer mehr
                                                                    Informationen oder Austausch über die Lernplatt-
                                                                    form (moodle) gewünscht hätten“.




V. Thurner, O. Radfelder, K. Vosseberg (Hrsg.): SEUH 2019                                                                             106
                                                                                Evaluation des Arbeitsprozess-integrierten Projektstudiums
                                                                       Frank Fuchs-Kittowski, Juliane Siegeris und Jörn Freiheit, HTW Berlin


                                                                        Dabei gaben alle 12 Studierenden, die das Profil
                                                                    „Data-Analyst/-in“ gewählt hatten (100%, n=12), an,
                                                                    dass sie im Rahmen der klassischen Lehrveranstal-
                                                                    tung überwiegend Dinge gelernt haben, die für das
                                                                    Praxisprojekt wichtig und nützlich waren. Keiner
                                                                    der Teilnehmer (n=0) gab an, dass sie das Praxispro-
                                                                    jekt auch ohne die vorherige Lehrveranstaltung hät-
                                                                    ten erfolgreich bewältigen können. Interessant ist,
                                                                    dass 15% (n=3) der Teilnehmer aussagten, dass auf-
          Abb. 12: Nutzung der Lernplattform                        grund der klassischen Lehrveranstaltung das Pro-
                                                                    jektstudium zu dem Thema „Data Analytics“ nicht
                                                                    mehr erforderlich ist, um Probleme in der Praxis
Nur ca. ein Drittel der Teilnehmer (35%, n=7) gab an,               selbständig zu lösen. Es muss sich also um eine sehr
dass sie sich mehr Informationen oder Austausch                     gute, praxisorientierte Lehrveranstaltung gehandelt
über die Lernplattform (moodle) gewünscht hätten.                   haben.
Die deutliche Mehrheit (65%, n=13) hat diesen
Wunsch nicht.
    Bei der Auswertung der Kommentare wird
deutlich, dass die Lernplattform kaum für den indi-
viduellen Wissenserwerb zur fachlichen Bewälti-
gung des Projekts genutzt wurde (klassisches E-
Learning). Vielmehr war die Plattform wichtig für a)
die Organisation der Lehrveranstaltung, b) den Aus-
tausch mit den Dozenten und c) den Austausch mit
den anderen Studierenden. Zu a) „Frühere Abgabe des
Projektes sollte ermöglicht werden.“, „Informationen zur ge-
                                                                     Abb. 13: Fachliche Fundierung „Data Analytics“
planten Herangehensweise“, „Beispiele wären hilfreich gewe-
sen“, b) „Da die Dozenten versuchen, ALLE Fragen auch auf
                                                                        Zusammenfassend scheint die vorhergehende
die Moodle-Plattform (also für alle) zu bringen, ist man über die
                                                                    klassische Lehrveranstaltung eine große Bedeutung
wichtigsten Punkte meist informiert. Das sollte auch so beibe-
                                                                    für den Erfolg des Praxisprojekts zu haben. Darin ist
halten werden.“ zu c) „Eventuell Vorstellung der Themen an-
                                                                    wahrscheinlich auch die geringe Bedeutung eines
derer Kommilitonen, um ähnliche Problematik zu identifizieren
                                                                    „Fachberaters“ als unterstützende personale Rolle
und Herangehensweise diskutieren zu können.“.
                                                                    begründet.
    Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass
eine E-Learning-Plattform im klassischen Sinne
nicht erforderlich ist, da die Studierenden sich das                Hypothese 8: Akzeptanz des Projektstudi-
erforderliche Wissen selbständig aus Quellen im                     ums
Unternehmen (Kollegen, Bücher etc.) oder im
WWW beschaffen. Wichtig ist aber eine Online-                       Als Hypothese 8 wurde angenommen, dass das Pro-
Plattform für die formale Organisation der Lehrver-                 jektstudium für die Studierenden eine attraktive
anstaltung, aber vor allem für den Austausch mit                    Form der Lehre darstellt (Akzeptanz-Hypothese).
den Dozenten sowie zwischen den Studierenden un-                    Hierzu sollte jeweils bewertet werden, „inwieweit
tereinander.                                                        ein persönlicher Gewinn aus dem Projektstudium
                                                                    gezogen wurde“, „worin ungünstige Bedingungen
Hypothese 7: Unterstützung des selbstge-                            bestanden“ und „was in Zukunft verbessert werden
steuerten Lernens der Studis durch fachli-                          könnte“ sowie, ob „es leicht fiel, die Dokumentation
che Fundierung                                                      zu erstellen“.
Als Hypothese 7 wurde angenommen, dass die klas-
sische Lehrveranstaltung zum Themengebiet des
Praxisprojekts im vorherigen Semester eine wichtige
fachliche Unterstützung für das Lernen und die Be-
wältigung des Praxisprojekts der Teilnehmer dar-
stellt. Hierzu wurde die Teilnehmer, die das Profil
„Data-Analyst/-in“ gewählt hatten, befragt, „inwie-
weit die angebotene, klassische Lehrveranstaltung
(Data Analytics) bei der Bewältigung des Projekts
geholfen hat“.




V. Thurner, O. Radfelder, K. Vosseberg (Hrsg.): SEUH 2019                                                                             107
                                                                        Evaluation des Arbeitsprozess-integrierten Projektstudiums
                                                               Frank Fuchs-Kittowski, Juliane Siegeris und Jörn Freiheit, HTW Berlin


                                                            Aus den Kommentaren der Teilnehmer geht zusätz-
                                                            lich hervor, dass es schwierig ist, Projekte zu finden,
                                                            die zeitlich genau in ein Semester passen (Semester-
                                                            rhythmus, d.h. Start-/End-Termin und Dauer). Zu-
                                                            dem kann es gerade bei großen Unternehmen mit
                                                            länger laufenden Projekten schwierig sein, jedes Se-
                                                            mester ein geeignetes Projekt zu finden, wenn diese
                                                            Projekte keine Tätigkeiten für die unterschiedlichen
                                                            Rollen des Projektstudiums beinhalten. Anderer-
                                                            seits gab es aber bereits Beispiele, in denen die Stu-
                                                            dierenden im gleichen Unternehmensprojekt im ers-
                                                            ten Semester in der Rolle des IT Solution Developers
                                                            und im zweiten Semester in der Rolle des Data Ana-
                                                            lysten agierten.



               Abb. 14: Persönlicher Gewinn


Die große Mehrheit der Teilnehmer (65%, n= 13) gab
an, dass das Projektstudium als gewinnbringend für
die persönliche und fachliche Entwicklung empfun-
den wurde. 40% (n=8) gaben an, dass das Projektstu-
dium dazu beigetrage hat, dass die eigenen Kompe-
tenzen im Unternehmen sichtbar wurden. Zudem
gaben 25% (n=5) an, dass sie an Projekten beteiligt
wurden, die sie sonst nicht hätten bearbeiten kön-
                                                                   Abb. 16: Aufwand für Dokumentation
nen.
    Als „ungünstige Bedingungen in den Unterneh-
                                                                Zum Thema Dokumentation der Teilprozesse
men, die die Arbeit am Praxisprojekt beeinträchtig-
                                                            gab nur eine knappe Mehrheit von 52% (n=10/19) an,
ten“, wurden vor allem ausgewählt (Mehrfachnen-
                                                            dass die Teilprozesse leicht zu dokumentieren seien
nungen möglich):
                                                            (Mittelwert: 2,37). Dagegen gab eine deutliche Mehr-
     •     Nicht genug Zeit verfügbar (61,11%,              heit an (84%, n=16/19) an, dass für die Dokumenta-
           n=11/18)                                         tion mancher Teilprozesse ich im Nachhinein Auf-
     •     Schwer in meinem Unternehmen ein pas-            wand betrieben werden musste (Mittelwert: 1,89).
           sendes Projekt zu finden (55,56%, n=10/18)       Bezüglich der Dokumentation der Schlüsselsituatio-
     •     Praxisprojekt nicht im gewohnten Arbeits-        nen gaben nur 26% (n=5/19) an, dass sie sich die
           umfeld möglich (38,89%, n=7/18)                  Schlüsselsituationen mühsam ausdenken mussten
                                                            (Mittelwert: 2,89), und 68% (n=13/19) gaben an, dass
                                                            alle Schlüsselsituationen leicht zu dokumentieren
                                                            waren (Mittelwert: 2,26).
                                                                Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass für
                                                            über die Hälfte der Studierenden das Lernen unter
                                                            erschwerten Bedingungen stattfand, weil die Arbeit
                                                            im Praxisprojekt unter ungünstigen Lern-Bedingun-
                                                            gen im Unternehmen stattfand. Insbesondere Zeit-
                                                            mangel und hoher Projektdruck waren hierfür die
                                                            Ursache. Die größte organisatorische Herausforde-
                                                            rung besteht im Finden eines geeigneten Praxispro-
                                                            jekts im Unternehmen, das sowohl zum Referenz-
           Abb. 15: Ungünstige Bedingungen                  projekt (Profil) als auch zum Zeitplan des Semesters
                                                            passt. Zudem wurde die Aufgabe des Dokumentie-
                                                            rens der Teilprozesse von der Mehrzahl der Studie-
Fehlende Unterstützung durch Vorgesetzte (5,56%,            renden als schwierig und aufwendig empfunden.
n=1/18) und erforderliche Geräte und Materialien
nicht verfügbar (5,56%, n=1/18) werden dabei kaum
als Problem genannt.


V. Thurner, O. Radfelder, K. Vosseberg (Hrsg.): SEUH 2019                                                                     108
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                                                                Frank Fuchs-Kittowski, Juliane Siegeris und Jörn Freiheit, HTW Berlin


Schlussfolgerungen                                              Es ist aber eine weitergehende Unterstützung er-
                                                                forderlich. Bspw. könnte das Spektrum mögli-
Aus den Ergebnissen der Evaluation sind folgende                cher Referenzprojekte erweitert werden (z.B. Re-
Schlüsse zu ziehen:
                                                                quirements Engineer/-in), passende Projekte in
Schlussfolgerungen für das Konzept des                          anderen Unternehmen bereitgestellt werden o-
Projektstudiums                                                 der die Durchführung über verschiedene Semes-
                                                                ter ermöglicht werden.
Das Konzept des Arbeitsprozess-integrierten Pro-            •   Ein Lernerfolg konnte zwar – insbesondere im
jektstudiums hat sich prinzipiell bewährt:                      Bereich der fachlichen und methodischen Kom-
     Die Referenzprojekte stellen für die Mehrheit              petenzen – nachgewiesen werden, aber dieser
der Teilnehmer eine Orientierungshilfe zur Projekt-             verteilt sich nicht gleichmäßig auf die verschie-
findung (Hypothese 1) und eine Strukturierungs-                 denen Kompetenzbereiche. Insbesondere die
hilfe für das Lernen (Hypothese 2) dar. Das Projekt-            Stärkung der sozialen und personalen Kompe-
studium führt zu einem Kompetenzerwerb im Be-                   tenzen wird nicht erkannt oder findet im Rah-
reich des Tätigkeitsprofils (Hypothese 3) und die               men des Projektstudiums zu wenig statt. Daraus
Studierenden entwickeln die Fähigkeit zum selb-                 ergeben sich zwei Schlussfolgerungen:
ständigen Lernen (Hypothese 4). Die Unterstützung               • Erstens muss die bewusste Reflektion über
des selbständigen Lernens durch personale Rollen,                    personale und soziale Kompetenzen verbes-
insbesondere einen Lernprozessbegleiter, ist sehr                    sert und gefördert werden. Dies erfolgt der-
wichtig (Hypothese 5). Die Unterstützung des Ler-                    zeit implizit über die Dokumentation von 10
nens durch eine IT-Umgebung (E-Learning) ist da-                     Schlüsselsituationen (Problem, Lösung,
bei weniger für die Vermittlung von Fachinhalten,                    Lernertrag). Dies könnte durch die Pflicht
aber für die formale Organisation und den Aus-                       zur Dokumentation von Lernerträgen expli-
tausch zwischen den Beteiligten wichtig (Hypothese                   zit zu den verschiedenen Kompetenzberei-
6). Zudem ist die vorbereitende klassische Lehrver-                  chen erreicht werden.
anstaltung von großer Bedeutung für den Erfolg                  • Zweitens muss das Lernen im Bereich der
(Hypothese 7).                                                       sozialen und personalen Kompetenzen ex-
     Alle Studierenden haben das Projektstudium er-                  plizit gefördert und gefordert werden. Dazu
folgreich bewältigt. Für sie war das Projektstudium                  bieten sich insbesondere die Förderung des
durchgängig ein Erfolg. Die Mehrheit der Teilneh-                    Lernens in den Bereichen der Kommunika-
mer sieht es als Chance, Neues zu erlernen und nutzt                 tion, des Verhandelns und des Führens an,
es dafür aktiv. Darüber hinaus wird es von einer                     um den Studienzielen des Masterstudien-
Mehrheit als gewinnbringend für die persönliche                      gangs „Professional IT-Business“ zu ent-
und fachliche Entwicklung empfunden wurde. Das                       sprechen. Hierzu bedarf es einer Erweite-
Projektstudium hat sogar dabei geholfen, dass die                    rung des Konzeptes der Arbeitsprozess-in-
eigenen Kompetenzen im Unternehmen sichtbar                          tegrierten Projektstudium mit Fokus auf die
wurden und dass Studierende an Projekten beteiligt                   Aneignung und Stärkung sozialer Kompe-
wurden, die sie sonst nicht hätten bearbeiten können                 tenzen.
(Hypothese 8).                                              •   In diesem Zusammenhang sehen wir weiteres
     Die Evaluation legt nahe, dass das Konzept des             Optimierungspotential in der Verbesserung des
Arbeitsprozess-integrierten Projektstudiums durch-              Reflexionsprozesses. Insbesondere bei der Do-
führbar ist, für die Studierenden einen Erfolg dar-             kumentation fällt auf, dass die Studierenden oft-
stellt und den gewünschten Kompetenzerwerb er-                  mals trotz der gezielten Fragen eher über das
möglicht.                                                       Projekt berichten, anstatt zu getroffenen Ent-
                                                                scheidungen oder Schlüsselsituationen tatsäch-
Optimierungspotenzial für das Projektstu-
                                                                lich reflektieren (Lernertrag). Es scheint, als
dium
                                                                würden die Studierenden nur zu den geforder-
Ohne die obige Einschätzung relativieren zu wollen,             ten zwei Zeitpunkten, nämlich zur Zwischen-
zeigen die Ergebnisse Möglichkeiten der Verbesse-               präsentation und zur Erstellung der Dokumen-
rung sowohl des Konzepts als auch der praktischen               tation für die Endpräsentation über ihre Schlüs-
Umsetzung des Projektstudiums auf:                              selsituationen reflektieren. Dieser zeitliche Ab-
• Die größte Herausforderung für die Studieren-                 stand zum Erlebten führt jedoch dazu, dass die
    den besteht darin, ein zum Referenzprojekt und              Studierenden eher künstliche, nur scheinbar die
    Semesterzeitplan passendes Praxisprojekt in ih-             Form wahrende Reflektionen formulieren. Um
    rem jeweiligen Unternehmen zu finden. Hierzu                näher am Prozess und den erlebten Situationen
    wurde bereits das Projektstudium zeitlich von               zu sein, müssten die Studierenden tatsächlich,
    der begleitenden bzw. vorbereitenden klassi-                wie eigentlich auch gefordert, ihre Dokumenta-
    schen Lehrveranstaltung entzerrt (siehe unten).             tion über die gesamte Projektzeit schreiben und



V. Thurner, O. Radfelder, K. Vosseberg (Hrsg.): SEUH 2019                                                                      109
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                                                               Frank Fuchs-Kittowski, Juliane Siegeris und Jörn Freiheit, HTW Berlin


     pflegen. Dies wäre ganz im Sinne eines reflective      Dokumentation ist das Projektstudium reflektiert
     journals vgl. (Prior, 2016), als welches die Doku-     und es ist Lerner-orientiert, da die Inhalte und die
     mentation gedacht ist. Eventuell müssen dazu           Arbeitsabläufe aufgrund des individuellen Projek-
     weitere Prüfpunkte vereinbart werden, um die           tes individualisiert sind. Der gesamte Lern- und Ar-
     Kontinuität der Reflektionen zu verbessern.            beitsprozess läuft selbstorganisiert mit Unterstüt-
•    Bei den Studierenden zeigten sich unterschiedli-       zung von Fachberatern und Lernprozessbegleitern
     che Grade an Selbststeuerung. Zwar haben die           ab.
     Studierenden aufgrund der vorbereitenden                    Die hier berichtete Umfrage belegt, dass die Re-
     klassischen Lehrveranstaltung eine bestimmte           ferenzprojekte eine gute Orientierungshilfe zur Pro-
     fachliche Vorerfahrung, doch diese kann den-           jektfindung und eine gute Strukturierungshilfe für
     noch aufgrund des beruflichen Einsatzgebietes          das Lernen darstellen. Die Mehrzahl der Studieren-
     immer noch recht unterschiedlich sein. So benö-        den bezeichnet das Projektstudium als persönlichen
     tigen einige Studierenden eher Unterstützung           Gewinn. Zudem wird mehrheitlich angegeben, dass
     bei der Bewältigung herausfordernder Aufga-            die für die jeweiligen Rollen typischen Arbeitspro-
     ben, während andere Studierende (mit umfas-            zesse nach Absolvieren des Projektstudiums besser
     sender Vorerfahrung) eher Hilfe beim Finden o-         beherrscht werden. Die Mehrheit hat das Projektstu-
     der Initiieren lernhaltiger Situationen bzw. gar       dium als Chance gesehen und auch aktiv genutzt,
     Projekte benötigen. Die fachliche Vorerfahrung         um Neues zu erlernen.
     der Studierenden sowie die diversen Freiheits-              Wesentliche Erkenntnisse hat die Umfrage über
     grade bei der Auswahl und Durchführung des             die Reflektion zur Kompetenzgewinnung offenbart.
     Praxisprojekts müssen im Konzept und bei der           Während noch eine Mehrzahl einen methodischen
     Arbeit der Lernprozessbegleiter in Zukunft stär-       und/oder fachlichen Kompetenzgewinn angibt, re-
     ker berücksichtigt werden. Dies betrifft insbe-        flektieren die Teilnehmer kaum persönlichen und
     sondere die Schaffung lernförderlicher Rahmen-         gar keinen sozialen Kompetenzgewinn. Hierzu
     bedingung als auch die Motivation der Studie-          muss eine Anpassung des Konzeptes dahingehend
     renden, die wesentlich die Auswahl von Projek-         erfolgen, dass die Studierenden soziale Kompetenz
     ten beeinflussen.                                      bewusst erlernen und darüber reflektieren. Bereits
•    Ein wesentliches Optimierungspotenzial besteht         in den kommenden Durchgängen des Projektstudi-
     darin, jedem Studierenden einen „Mentor“ aus           ums sollen die sozialen Kompetenzen besonders in
     dem Unternehmen explizit zuzuweisen, der so-           den Bereichen der Kommunikation, des Verhan-
     wohl fachlich als auch organisatorisch unter-          delns und des Führens gestärkt werden. Entspre-
     stützt. Zwar gibt es einen „Fachberater“ in der        chende Erweiterungen und Optimierungen des
     Hochschule und die Rolle des „Vorgesetzten“            Konzeptes sind gegenwärtig in Arbeit und werden
     im Unternehmen sowie auch Kollegen, die fach-          in einem zukünftigen Beitrag Berichtsgegenstand.
     lich und organisatorisch unterstützen sollen. Al-
     lerdings ist diese Unterstützung bisher implizit,      Literatur
     d.h. nicht formal festgelegt.
                                                            Brand, T. (2014): Evaluation einer arbeitsprozessori-
•    Wie die Analyse der IT-Unterstützung gezeigt
                                                               entierten IT-Weiterbildung: „IT-Spezialisten“.
     hat, sehen die Studierenden einen großen Bedarf
                                                               Dissertation, Erfurt, Universität Erfurt.
     in der Unterstützung des Austauschs unterei-
     nander. Daher sollte auch der Austausch unter          Buhr, R.; Freitag, W.; Hartmann, E.A.; Loroff, C.;
     den Studierenden gefördert werden, um als                 Minks, K.H.; Mucke, K.; Stamm-Riemer, I. (2008)
     „Learning Community“ einen gegenseitigen                  (Hrsg.): Durchlässigkeit gestalten! Wege zwi-
     Mehrwert zu schaffen.                                     schen beruflicher und hochschulischer Bildung.
                                                               Münster, Waxmann.
Zusammenfassung und Ausblick                                Dingsoer, T. (2005): Postmortem reviews: purpose
Die Ergebnisse der Umfrage legt nahe, dass sich das            and approaches in software engineering. Infor-
Konzept und die praktische Umsetzung des Arbeits-              mation a. Software Technology, 47 (5), 293-303.
prozess-integrierten Lernens im Projektstudium              Freitag, W.; Hartmann, E.A.; Loroff, C.; Stamm-Rie-
prinzipiell bewährt hat. Das Arbeitsprozess-inte-               mer, I.; Völk, D.; Buhr, R. (2011) (Hrsg.): Gestal-
grierte Projektstudium ist praxisorientiert, da reale           tungsfeld Anrechnung - Hochschulische und be-
Projekte in Unternehmen durchgeführt werden. Es                 rufliche Bildung im Wandel. Münster,
ist prozessorientiert, da das Lernen in und entlang             Waxmann.
von Arbeitsprozessen erfolgt. Es ist erfahrungsgelei-       Fuchs-Kittowski, F.; Freiheit, J.; Siegeris, J. (2017):
tet, denn die Projektarbeit selbst ist Lern- und Re-           Arbeitsprozess-integriertes Projekt-Studium in
flektionsgegenstand. Aufgrund der häufigen Reflek-             Unternehmen. In: Tagungsband des 15.
tion in Zwischen- und End-Präsentation sowie der



V. Thurner, O. Radfelder, K. Vosseberg (Hrsg.): SEUH 2019                                                                     110
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                                                            Frank Fuchs-Kittowski, Juliane Siegeris und Jörn Freiheit, HTW Berlin


     Workshops "Software Engineering im Unter-
     richt der Hochschulen" 2017, 41-50
Götz, K. (1993): Zur Evaluierung beruflicher Weiter-
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V. Thurner, O. Radfelder, K. Vosseberg (Hrsg.): SEUH 2019                                                                  111