=Paper=
{{Paper
|id=Vol-2542/MOD20-SP4
|storemode=property
|title=Zur Modellierungsausbildung in der Informatik: Auswertung von Modellierungsaufgaben im Zeitraum 2011 bis 2019
(On Modeling Education in Informatics: Evaluation of Modeling Tasks in the Period 2011 to 2019)
|pdfUrl=https://ceur-ws.org/Vol-2542/MOD20-SP4.pdf
|volume=Vol-2542
|authors=Dirk Hamann,Christoph Gibcke,Kurt Sandkuhl,Birger Lantow
|dblpUrl=https://dblp.org/rec/conf/modellierung/HamannGSL20
}}
==Zur Modellierungsausbildung in der Informatik: Auswertung von Modellierungsaufgaben im Zeitraum 2011 bis 2019
(On Modeling Education in Informatics: Evaluation of Modeling Tasks in the Period 2011 to 2019)==
Joint Proceedings of Modellierung 2020 Short, Workshop and Tools & Demo Papers Modellierung 2020: Short Papers 31 Zur Modellierungsausbildung in der Informatik: Auswertung von Modellierungsaufgaben im Zeitraum 2011 bis 2019 Dirk Hamann,1 Christoph Gibcke,2 Kurt Sandkuhl,3 Birger Lantow4 Abstract: Die Modellbildung unter Verwendung konkreter Modellierungssprachen, -methoden und -werkzeuge gehört zu den Grundkompetenzen, die in der Informatik-bezogenen Ausbildung vermittelt werden. In den Jahren 2011 bis 2019 ist eine Datensammlung an der Uni Rostock entstanden, die Hinweise auf den Kenntnisstand von Studenten der Wirtschaftsinformatik im Bereich Modellierung geben kann. Gegenstand des Beitrags ist eine vergleichende Auswertung der Jahre in der Datensammlung, um Veränderungenen im Kenntnisstand der Studierenden und daraus ableitbare Implikationen für die Lehre zu ermitteln. Keywords: Unternehmensmodellierung; Hochschullehre; Modellierung 1 Einleitung Die Modellbildung unter Verwendung konkreter Modellierungssprachen, -methoden und -werkzeuge gehört zu den Grundkompetenzen, die in vielen Informatik- und Wirtschaftsinformatik-bezogenen Studiengängen vermittelt werden. In den Jahren 2011 bis 2019 ist eine Datensammlung entstanden, die Hinweise auf den Kenntnisstand von Studenten des 6. Semesters Wirtschaftsinformatik im Bereich Modellierung geben kann. Jedes Jahr wurde in der ersten Vorlesung im Modul Unternehmensmodellierung eine kurze Modellierungsübung durchgeführt, die ursprünglich nur zur Einschätzung des Kenntnis- stands der Studierenden anderer Fachrichtungen diente, die das Modul gewählt haben. Nach einigen Jahren zeigten sich nach dem subjektiven Eindruck der Lehrenden Ver- änderungen in den Lösungen der Studierenden für diese Modellierungsaufgabe. Um zu überprüfen, ob auch eine systematische, objektive Auswertung diesen Eindruck bestätigt, wurde 2019 eine vergleichende Auswertung der Jahre durchgeführt. Bei der Evaluation der Modellierungsergebnisse standen folgende Fragen im Fokus: • Welche unterschiedlichen Modellierungssprachen (Ereignis-gesteuerte Prozessketten, 4EM-Methode, Entity-Relationship-Diagramme) oder Modellierungsabsichten (Pro- 1 Universität Rostock, Institut für Informatik, 18057 Rostock, Germany Dirk.Hamann@uni-rostock.de 2 Universität Rostock, Institut für Informatik, 18057 Rostock, Germany Christph.Gibcke@uni-rostock.de 3 Universität Rostock, Institut für Informatik, 18057 Rostock, Germany Kurt.Sandkuhl@uni-rostock.de 4 Universität Rostock, Institut für Informatik, 18057 Rostock, Germany Birger.Lantow@uni-rostock.de Copyright © 2020 for this paper by its authors. Use permitted under Creative Commons License Attribution 4.0 International (CC BY 4.0). 32 Dirk Hamann, Christoph Gibcke, Kurt Sandkuhl, Birger Lantow zessmodellierung, Informationsmodellierung, Softwaremodellierung, ...) sind in den Dokumenten sichtbar? • Welche Modellierungsfehler sind in den Modellen häufig sichtbar? Welche Modellie- rungssprachen waren im Allgemeinen gut beherrscht? • Sind im Lauf der Zeit Änderungen sichtbar? • Welche Auswirkungen haben die Evaluierungsergebnisse auf die Lehre? 2 Bezug zur Literatur Die Literatur „How Novices Design Business Processes“[RSR12] hat eine hohe Über- einstimmung mit dem Sachverhalt dieser Arbeit. In dem Artikel wurde untersucht, wie unerfahrende Studenten aus dem Kontext einer Modellierungsaufgabe, welche nahezu identisch mit dem dieser Arbeit ist, Geschäftsprozessmodelle entwerfen. Die Größe der quasi-experimentellen Studie umfasste 89 Studenten bzw. Modelle. Es konnte fünf un- terschiedliche Prozessdesign-Archetypen: Fluss-, textuelles-, hybrid-, Storyboard- und Canvas-Diagramme identifiziert werden. Von diesen wurde die Qualität untersucht und ermittelt, welche Darstellungsformate es den Studenten ermöglichte Geschäftsregeln, Zustän- de, Ereignisse, Aktivitäten, zeitliche und räumliche Informationen in einem Prozessmodell unterzubringen. Es wurde festgestellt, dass die Qualität der Prozessmodellentwurfe mit zunehmender Verwendung von Grafiken abnimmt und das hybrid-Diagramme mit geeigneter Textbeschriftung und abstrakten grafischen Formen zur Beschreibung von Geschäftsprozes- sen gut geeignet sind. Die dieser Arbeit zugrunde liegende Modellierungsaufgabe hat durch die vielen Dimensio- nen der Aspekte eine hohe Komplexität. Um dieser Komplexität zu begegnen, wird in dem Artikel „Managing Process Model Complexity via Concrete Syntax Modifications“ [Ro11] ein Ansatz zur Bewältigung vorgestellt. Es werden eine Sammlung von Mustern präsentiert, die verschiedene vorhandene Mechanismen verallgemeinern und konzeptuali- sieren, um die visuelle Darstellung eines Prozessmodells zu ändern. Des Weiteren wird der Grad der Unterstützung für diese Muster in einer Reihe von Sprachen und Tools detailliert analysiert. Das Ergebnis dieses Artikels ist eine Usability-Bewertung der Muster. Im Buch „Evaluations of Process Modeling Grammars“ [Re11] beschreibt Recker eine ontologische, qualitative und quantitative Analyse am Beispiel von BPMN. Der Artikel „Complementary use of modeling grammars“ [Gr11] hat einen engen Be- zug zum Sachverhalt dieser Arbeit. In dem Artikel wird betont, dass die konzeptionelle Modellierung ein wichtiges Mittel zur grafischen Erfassung der Anforderungen eines Infor- mationssystems ist. Beobachtungen der Modellierungspraxis legen nahe, dass Modellierer häufig mehrere Modellierungsgrammatiken in Kombination verwenden, um verschiedene Aspekte realer Domänen zu erfassen. Es wird festgestellt, dass Benutzer des analysierten Tools Grammatiken kombinieren, um die in jeder Grammatik vorhandene ontologische Unvollständigkeit zu überwinden. Die qualitativen Daten geben Aufschluss darüber, warum sich einige der vorhergesagten Mängel in der Praxis anders manifestieren als vorhergesagt. Auswertung von Modellierungsaufgaben 33 Recker und Dreiling [RD07] untersuchten in einem Lehrexperiment mit Studenten ohne Modellierungsvorkenntnisse, inwiefern das Erlernen einer speziellen Prozessmodellierungs- sprache zum Lösen von Aufgaben hilft. Die Modelllösungen und folgende Verständnisfragen zeigten, dass die verwendete Modellierungssprache keine Auswirkung auf die Qualität des Modells hat. 3 Modellierungssachverhalt und Modellierungskontext Das Modul Unternehmensmodellierung ist ein Pflichtbestandteil des Bachelorstudiengangs Wirtschaftsinformatik und als Wahlfach für einige andere Studiengänge, u.a. dem Master Dienstleistungsmanagement, zu hören. In der Einführungsveranstaltung des Moduls forderte der Dozent die Studenten zur Bearbeitung einer Modellierungsaufgabe auf. Es handelte sich um den folgenden Sachverhalt: Peggy entscheidet sich, ein Taxi für die Fahrt zum Flugplatz zu rufen. Das Taxi kommt nach 10 Minuten und braucht eine halbe Stunde für die 20 km zum Flugplatz. Am Flugplatz angekommen benutzt Peggy einen Check-in Automaten und erhält ihren Boardingpass. Sie hätte natürlich auch am Counter der Fluglinie einchecken können. Sie hat kein Gepäck, das aufgegeben werden muss, und geht deshalb direkt zur Sicherheitskontrolle, die 100 m weiter hinten im Terminal auf der rechten Seite ist. Die Warteschlange ist dort recht kurz, so dass sie schon nach 5 Minuten im Bereich mit den Abflug-Gates ist. Peggy entscheidet sich, nicht in die Frequent Flyer Lounge zu gehen, sondern in den Duty Free Bereich. Dort kauft sie eine Zeitung und ist nach 15 Minuten wieder zurück am Gate. Nach 10 Minuten Wartezeit und einer weiteren Sicherheitskontrolle, steigt sie ins Flugzeug ein und fliegt nach Manchester. Insgesamt enthält die textuelle Beschreibung 138 Wörter und Zahlen. Zudem gibt es 30 wesentliche Aspekte, die in verschiedene Dimensionen unterteilbar sind (zeitlich, räumlich, Ereignisse...) und für die Vollständigkeit des Modells stehen. Ziel der Modellierungsaufgabe war es, das vorhandene Modellierungswissen zu evaluieren, bevor mit den eigentlichen Lehrinhalten begonnen wird. Die Modellierungsaufgabe wirkt auf den ersten Blick über- schaubar bei einer zeitlichen Vorgabe von 20 Minuten. Dennoch birgt sie aufgrund der zahlreichen Dimensionen mit den Aspekten jedoch die Schwierigkeit, dies alles in genau einem Modell unterzubringen. Die Modellierungsaufgabe stellt der Dozent in dieser Form bereits seit 2011. Bis ins Jahr 2019 sammelten sich 96 Dokumente (= Datensätze) an. 4 Darstellung der Modellierungsaufgabe Zur Modellierung des Sachverhalts stand es den Studenten frei, eine ihnen geläufige Model- lierungssprache bzw. -notation zur Lösung für die gestellte Aufgabe zu verwenden oder gar ein eigenes Modell. Auf Grund dessen entstanden 96 Modelle in den unterschiedlichsten 34 Dirk Hamann, Christoph Gibcke, Kurt Sandkuhl, Birger Lantow Darstellungsformen bzw. Modellierungssprachen. Die vorhandenen 96 Dokumente mussten nach den gewählten Darstellungsformen zunächst in Modellierungstypen unterteilt werden. Eine erste Unterteilung geschah in die Gruppe der formalen Modellierungssprachen. Nach der Zuordnung in die formalen Sprachen blieb aber ein großer Teil noch unberücksichtigt, weil die Studenten in weitaus größerem Maße andere Darstellungsformen abseits der formalen Modellierungssprachen verwendeten. Zumeist wurde eine einheitliche Symbolik innerhalb eines Modells verwendet, die in sich betrachtet konsistent war, jedoch keiner formalen Modellierungsnotation entsprach. Als wesentliche Unterteilung hielten modellierte Prozess- sowie Ereignis- und Aktivitätsmodelle her. Es verblieben acht Datensätze ohne jegliche Zuordnung, sie beinhalteten zumeist sehr kreative Darstellungsformen. Modellierungsklassifikation Modellierungstyp Anzahl BPMN 7 EPK 7 formale Modellierungssprache Syntaxdiagramm 4 UML-Klassendiagramm 2 Zustandsautomat 9 Ereignis- und Aktivitätsmodelle 40 nicht-formale Modellierungssprache Prozessmodelle 19 sonstige 8 Tab. 1: Häufigkeitsverteilung der Modellierungstypen In Tabelle 1 ist die Aufteilung der verwendeten Darstellungsformen des Modellierungssach- verhalts angegeben. Es lässt sich konstatieren, dass die Studenten einerseits vermehrt auf im Studium Erlerntes zurückgreifen und ihr Wissen unter Beweis stellen. Als Indiz dafür ist der gezeigte leichte Anstieg bei der Verwendung von formalen Modellierungssprachen heranzu- ziehen. Dennoch gebraucht der größere Teil weiterhin eigene Darstellungsformen, was auf eine Unsicherheit beim Gebrauch oder Unkenntnis der formalen Modellierungssprachen zurückzuführen ist. 5 Fehler während der Modellierung Selbstredend ist ein fehlerfreies Modell die Voraussetzung für die korrekte Interpretation eines modellierten Sachverhalts sowie die Repräsentation für Dritte. Als Fehlertypen treten syntaktische und inhaltliche Fehler auf. Syntaktische Fehler beziehen sich auf eine falsche Verwendung der Modellierungsnotation in der gewählten Modellierungssprache. Inhaltliche Fehler sind beispielsweise das Vertauschen von Konnektoren, wodurch bei Alternativpfaden ganz andere Zusammenhänge resultieren. Syntaktisch fehlerfreie Modelle basieren auf der Einhaltung von Regeln für die jeweils verwendete Modellierungssprache. Bei der Untersuchung der 29 Datensätze mit formalen Auswertung von Modellierungsaufgaben 35 Modellierungssprachen entsprachen lediglich sechs von ihnen einer syntaktisch einwand- freien Verwendung der jeweiligen Notation und deren Elemente (siehe Tabelle 2). Es findet sich darunter kein fehlerfreies EPK oder BPMN-Modell. Modellierungssprache Anzahl davon syntaktisch korrekt BPMN 7 0 EPK 7 0 Syntaxdiagramm 4 2 UML-Klassendiagramm 2 1 Zustandsautomat 9 3 Summe 29 6 Tab. 2: Syntaktisch fehlerfreie Modelle nach Modellierungssprache Bei der Modellierungsauswertung traten folgende, modellierungssprachen-übergreifende, wiederkehrende Fehler auf: In 4 der 29 Modelle fehlen die gerichteten Kanten zwischen den Modellelementen. In 3 Modellen fehlt das Start- bzw. Zielelement, 2 Modelle verwen- den Aktivitätselemente falsch. 2 der insgesamt 14 EPK und BPMN-Modelle verzichten auf Konnektoren. 6 der verbliebenen 12 EPK und BPMN-Modelle verfügen über keine Schließkonnektoren. Die Leserichtung von Modellen ist üblicherweise von links nach rechts oder von oben nach unten und demzufolge ist das Fehlen der gerichteten Wege als vermeintlich kleinerer Fehler einzustufen. Jedoch erschwert es den Zugang zu Modellen, vor allem wenn es zu Alternativen kommt und sich dort die Richtungen verzweigen. Viele Modellierungssprachen zeichnen sich durch ihre spezifischen Start- und Endelemente aus. Fehlt ein solches Element, weiß der Nutzer mitunter nicht, ob etwas im beschriebenen Sachverhalt fehlt oder der Modellierer aus Bequemlichkeit darauf verzichtete. Die inhaltlichen Fehler bezogen sich größtenteils auf die richtige Darstellung des Sachver- halts. Hierbei spielte die verwendete Darstellungsform der Modellierung keine Rolle. Ein wesentlicher Modellierungsfehler lag in der falschen Verwendung der Konnektoren. Der gesamte Sachverhalt verlangte als bestmögliche Lösung die Verwendung von 3 Konnektoren ab, wobei zweimal das exklusive ODER (XOR) und einmal das logische ODER abgebildet werden mussten. 27 der 95 verwertbaren Modelle verwendeten zumindest einen Konnektor. Hierbei gab es aber nur 5 Modelle, die die verwendeten Konnektoren auch richtig setzten. Negativ stachen hierbei die BPMN und EPK-Modelle hervor, wo von 11 beschrifteten Modellen mit Konnektoren keines die exakten drei Konnektoren enthielt. Ein sehr häufig auftretender Fehler war das Fehlen des ODER-Konnektors als Möglichkeit zum Betreten des Duty Free Bereichs als auch der Frequent Flyer Lounge. Die Formulierung des Aufgabentextes zielte explizit auf die Auswahl einer der beiden Bereiche ab, wobei aber auch der Weg in beide Bereiche nicht ausgeschlossen war. Von den 88 Modellen die diesen Fakt behandelten, berücksichtigten 58 diese ODER-Option nicht (= 66%). Hier schloss sich das Problem an, dass in 17 Modellen die Frequent Flyer Lounge als 36 Dirk Hamann, Christoph Gibcke, Kurt Sandkuhl, Birger Lantow Sackgasse ohne Rückweg endet, d.h. lediglich in die Richtung zur Frequent Flyer Lounge zeigte eine gerichtete Kante hin und Peggy müsste laut den 17 Modellen dort verweilen, da es keine Rückkante gibt. 6 Aspekte In diesem Abschnitt soll untersucht werden, welche Aspekte aus der Modellierungsaufgabe von den Studenten besonders häufig bzw. selten modelliert wurden. Als erstes galt es dafür die einzelnen Aspekte zu identifizieren, die der Aufgabentext explizit beinhaltet. Es wurden darüber hinaus aber auch jene Aspekte gezählt, die implizit im Text vorhanden sind und idealerweise im Modell vorhanden sein sollten. Aus „Peggy entscheidet sich, ein Taxi [...]“ ist z.B. zu entnehmen, dass es noch Taxi-Alternativen gegeben haben muss. Bei der Auswertung wurde für jedes Modell ermittelt, ob ein Aspekt vorhanden = 2, eingeschränkt vorhanden = 1 oder nicht vorhanden = 0 ist. Die Liste der 30 Aspekte ist in Abbildung 2 ersichtlich. Eine weitere Perspektive auf die Aspekte ist mit Abbildung 1 gegeben. Es wird die relative Häufigkeit der Aspekte in Abhängigkeit von den jeweiligen Modellierungssprachen/- absichten dargestellt. Die sonstigen Modellierungssprachen/-absichten n.n. haben den höchsten Zentralwert bzw. Median. Studenten mit einer eigenwilligen Modellierungssprache/- absicht konnten daher - in Relation gesehen - die meisten Aspekte modellieren. Über den Grund kann nur spekuliert werden. Möglicherweise führte eine Zeitersparnis zu diesem Ergebnis, weil keine Gedankengänge über die exakte Anwendung einer bestimmten Modellierungssprache von Nöten waren. Vielleicht haben sich aber auch während der Modellierung die Grenzen der jeweiligen Sprachen offenbart. Die Streuung der Daten kann als die allgemeine Fähigkeit der Studenten interpretiert werden, mit der die jeweiligen Modellierungssprachen/-absichten umgesetzt werden konnten. Gibt es eine relativ große Streuung, so gibt es einige Studenten die relativ wenige und Andere die relativ viele Aspekte modellieren konnten. Innerhalb der Gruppe der Studenten gibt es demnach ein unterschiedliches Niveau mit der die Modellierungsspracheabsicht beherrscht wurde. Es ist zu erkennen, dass die „reinen“ Modellierungssprachen/-absichten wie Zustandsautomat, EPK, Syntaxdiagramm oder BPMN eine relativ geringe Streuung aufweisen, demnach wurden diese von den Studenten gleichermaßen gut beherrscht. Somit lässt sich die Streuung der Daten auch als Schwere interpretieren, mit der ein Aspekt modelliert werden konnte. Abbildung 2 schlüsselt die durchschnittliche Häufigkeit nach Jahren auf. Die spaltenweise Anordnung geschah anhand des erzielten Jahresdurchschnittswerts der Aspekte (2016: 66%, 2018: 54%). Es ist tendenziell zu erkennen, dass die Unterschiede zwischen den Jahren bei den Aspekten zu finden sind, die von den Studenten weniger häufig modelliert wurden, wie die Aspekte 20 km, rechte Seite, Peggy entscheidet2. An dieser Stelle sei darauf Auswertung von Modellierungsaufgaben 37 1 0.8 relative Häufigkeit der Aspekte 0.6 0.4 0.2 0 & m eg at n. eg K m N l l m m t rt el el ar ba EP M ts m n. m m am od od w w Ab itä BP to ra ra -A iv iv m m gr K- au at at ag g tiv N is ss ia ia rn rn EP M Ak ds di gn sd nd ze te te BP ax an ei nd o se -+ Al Al nt Er Pr st ta as is l+ l+ Sy Zu s gn Kl el el Zu L- ei od od Er M sm sm U þÿ es itä oz tiv Ak Pr -+ is gn ei Er Modellierungsprachen/-absichten Abb. 1: Relative Häufigkeit der Aspekte nach Modellierungssprache/-absicht Aspekte 2016 2011 2013 2014 2019 2018 Peggy entscheidet1 64% 55% 46% 40% 48% 50% Taxi 86% 90% 96% 95% 90% 92% Taxi-Alternative 0% 35% 54% 25% 15% 28% 10 min 79% 68% 54% 45% 63% 58% Fahrt 100% 85% 100% 85% 85% 96% halbe Stunde 57% 65% 54% 40% 38% 54% 20 km 36% 48% 25% 30% 28% 12% Flugplatz 86% 90% 79% 95% 83% 82% Peggy benutzt 36% 53% 29% 25% 28% 40% Check-in Automaten 100% 88% 92% 90% 95% 90% erhält Boardingpass 57% 63% 58% 45% 73% 38% Counter 86% 83% 92% 90% 75% 86% Gepäck 71% 63% 88% 55% 65% 66% kein Gepäck 64% 50% 75% 50% 48% 52% Sicherheitskontrolle1 100% 90% 100% 100% 90% 94% 100 m 36% 50% 33% 45% 25% 16% rechte Seite 21% 23% 8% 10% 8% 0% Warteschlange kurz 7% 58% 46% 30% 5% 10% 5 min 57% 63% 46% 40% 30% 52% Bereich der Abflug-Gates 71% 70% 67% 70% 48% 48% Peggy entscheidet2 36% 58% 29% 25% 25% 38% Duty Free Bereich 100% 88% 100% 90% 100% 98% nicht Frequent Flyer Lounge 100% 75% 100% 70% 95% 94% kauft Zeitung 50% 48% 46% 65% 42% 20% 15 min 67% 50% 58% 50% 33% 42% Gate 92% 65% 71% 60% 44% 56% 10 min Wartezeit 67% 58% 58% 60% 47% 44% Sicherheitskontrolle2 83% 88% 83% 90% 89% 78% steigt in Flugzeug 92% 80% 88% 85% 92% 80% Manchester 58% 40% 50% 30% 56% 28% Abb. 2: Durchschnittliche Häufigkeit der Aspekte nach Jahren hingewiesen, dass es sich bei der Auswertung und den Ergebnissen eher um Tendenzen in der Stichprobe der Studenten handelt, als um belastbare Daten und Fakten. 38 Dirk Hamann, Christoph Gibcke, Kurt Sandkuhl, Birger Lantow 7 Zusammenfassung Die Modellierung eines Sachverhalts unter freien Vorgaben, wie es die Nicht-Einschränkung auf eine Darstellungsform im Modul Unternehmensmodellierung derzeit durchführt, bietet viel Raum für die Erstellung eines Modells. Nicht zuletzt deshalb resultierten die unter- schiedlichsten Lösungen für die Modellierungsaufgabe „Peggy fliegt nach Manchester“. Bei der Auswertung der vorhandenen Datensätze fanden nahezu alle gängigen Modellie- rungssprachen und Darstellungsmöglichkeiten für die Modellrepräsentation Anwendung. Der weitaus größte Teil der Modelle bestand aus eigenen Darstellungsformen, die abseits der formalen Modellierungssprachen liegen. Die Ergebnisse lagen im Ganzen aber ein gutes Stück von einem akzeptablen Durchschnittswert entfernt. Es zeigte sich, dass die Studenten mit den formalen Modellierungssprachen nur bedingt umgehen und sie dem- zufolge fehlerfrei abbilden können. Neben systematischen Fehlern in der Notation traten viele Ungenauigkeiten bei der Modellierung von Alternativpfaden zu Tage. Bezeichnend war die hohe Fehlerquote der Studenten bei den Modellen, die die Alternativwege mit Konnektoren (81%) darzustellen versuchte. Aber auch das Weglassen ganzer Aspekte während der Sachverhaltsmodellierung, wie etwa die Taxi-Alternative zu Beginn, werfen abschließend die Frage in den Raum, ob die Studenten • die textuelle Sachverhaltsdarstellung falsch aufnahmen, • unpassende Modellierungssprachen für ihre Modellierungsgedanken und -absichten verwendeten • oder der Kenntnisstand zur Modellierung einer solchen Aufgabe schlichtweg nicht ausreichte? Literatur [Gr11] Green, P. F.; Rosemann, M.; Indulska, M.; Recker, J.: Complementary use of modeling grammars. Scandinavian Journal of Information Systems 23/1, S. 59–86, 2011, url: https://eprints.qut.edu.au/46030/2/46030.pdf. [RD07] Recker, J.; Dreiling, A.: Does It Matter Which Process Modelling Language We Teach or Use? An Experimental Study on Understanding Process Model- ling Languages without Formal Education. 18th Australasian Conference on Information Systems/, S. 356–66, 2007. [Re11] Recker, J.: Evaluations of Process Modeling Grammars: Ontological, Qualitative and Quantitative Analyses Using the Example of BPMN. Springer Heidelberg Dordrecht London New York, 2011. [Ro11] Rosa, M. L.; ter Hofstede, A. H. M.; Wohed, P.; Reijers, H. A.; Mendling, J.; van der Aalst, W. M. P.: Managing Process Model Complexity via Concrete Syntax Modifications. IEEE Trans. on Industrial Informatics 7/2, S. 255–265, 2011. Auswertung von Modellierungsaufgaben 39 [RSR12] Recker, J.; Safrudin, N.; Rosemann, M.: How novices design business pro- cesses. Information Systems 37/6, S. 557–573, 2012, url: https : / / www . sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0306437911000846?via% 3Dihub.