=Paper= {{Paper |id=Vol-420/paper-5 |storemode=property |title=Formale Kontrolle kollaborativer B2B-Geschäftsprozesse |pdfUrl=https://ceur-ws.org/Vol-420/paper5.pdf |volume=Vol-420 |dblpUrl=https://dblp.org/rec/conf/mobis/FengelRS08 }} ==Formale Kontrolle kollaborativer B2B-Geschäftsprozesse== https://ceur-ws.org/Vol-420/paper5.pdf
    Formale Kontrolle kollaborativer B2B-Geschäftsprozesse
                          Janina Fengel1, Michael Rebstock1, Carlo Simon2

                1                                   2
                     Fachbereich Wirtschaft             Fachbereich Wirtschaftsinformatik
                    Hochschule Darmstadt                Provadis School of International
                        Haardtring 100                  Management and Technology AG
                       64285 Darmstadt                       Industriepark Höchst
                    janina.fengel@h-da.de                  65926 Frankfurt am Main
                      rebstock@h-da.de                      carlo.simon@provadis-
                                                                 hochschule.de


          Abstract: Die Basis der Gestaltung von B2B-Kollaboration ist die Koordination
          der Beschaffungs- und Vertriebsaktivitäten. Zentraler Interaktionspunkt dabei sind
          Verhandlungen, besonders im Falle von Geschäftstransaktionen zu industriellen
          Gütern und Dienstleistungen mit multiplen Positionen und Eigenschaften. In
          solchen komplexen Szenarien hängen Entscheidungen verschiedener Prozesse
          voneinander ab. Um diese überwachen und managen zu können, wird hier ein
          SPL-basierter formaler Kontrollmechanismus für multilaterale multiattributive
          B2B-Verhandlungsprozesse vorgestellt.



1 Kollaboration im B2B
Die Fundamente einer marktwirtschaftlich orientierten Volkswirtschaft sind der
Ausgleich von Angebot und Nachfrage durch Tausch und das grundsätzliche unter-
nehmerische Motiv der Wertsteigerung. Markttransaktionen ermöglichen Handel durch
Vereinbarung eines Leistungsaustausches und dienen damit der Leistungskoordination
[Sc93; PRW98]. Ein- und Verkauf von Konsumgütern widmet sich dem Handel mit
überwiegend standardisierten Gütern, während bei Transaktionen von Industriegütern
und Dienstleistungen häufig erst in deren Verlauf Preis, Leistung, Ausgestaltung des
Gutes und Austauschkonditionen bestimmt werden [Ho06; He07]. Anders als auf
Konsumgütermärkten ist die Kaufentscheidung dabei nicht allein von Marketing und
Vertrieb des Anbieters abhängig, sondern unterliegt der gegenseitigen Einflussnahme
[He07]. Diese Entscheidungsfindung dient der gemeinsamen Entwicklung von Lösungen
und schafft Vertrauen zwischen den Partnern [Ho06]. Zentraler Bestandteil solcher B2B-
Interaktionen sind Verhandlungen, die als kollektive Entscheidungsfindungsprozesse zur
Aushandlung von Leistung und Gegenleistung verstanden werden können [He07],
welche die dezentralisierten, interdependenten Entscheidungsprozesse von zwei oder
mehr Parteien zum gegenseitigen Nutzen kombinieren [BS97; Bi05]. Ein solcher Prozess
beruht auf gegenseitigem Informationsaustausch, in der Regel mit dem Ziel einer
Einigung [Re01], meist in Form eines Kompromisses [Ke00].

1
    Die Autoren werden vom BMBF gefördert unter FKZ 1728X07 Projekt MODI.


                                                 64
Häufig sind der Preis und die Angebotsmerkmale vor der Vermarktung eines industriel-
len Gutes noch nicht bekannt, da kunden- oder auftragsindividuell produziert wird. Zum
Zeitpunkt der Verhandlung ist das Gut noch nicht erstellt, Kundenwünsche können
abhängig von dessen Präferenzen individuell beachtet oder gemeinsam mit dem Kunden
ausgestaltet werden [Ge07]. Entwicklung und Produktion erfolgen zeitlich nach der
Vermarktung. Daher sind Absatz und Beschaffung industrieller Güter und Dienst-
leistungen mehr als einfache Einkaufs- bzw. Verkaufsvorgänge [He07]. Handelt es sich
nicht um katalogbasierte Beschaffung eindeutig definierter unveränderbarer Produkte zu
einem bestimmten Preis, sondern um den Handel beliebiger Sachgüter oder
Dienstleitungen mit verschiedenen verhandelbaren Eigenschaften, werden diese
Vorgänge sehr komplex und bedingen einander.

Im Folgenden beschreiben wir eine Methode zur Herstellung formaler Kontrolle über
mehrere in Beziehungen stehende elektronische Geschäftsprozesse am Beispiel kunden-
individueller Aufträge. Dazu werden in Kapitel 2 die Abläufe bei der Angebots-
entwicklung für solche Aufträge dargestellt. In Kapitel 3 wird unter Verwendung der
Semantic Process Language (SPL) das Grundmodell eines Verhandlungsszenarios ent-
wickelt. In Kapitel 4 zeigen wir die Anwendung dieser Methode beispielhaft für ein
prototypisch existierendes, semiautomatisiertes, multiattributives elektronisches Ver-
handlungsunterstützungssystem. Der Beitrag endet mit der Darstellung themenver-
wandter Arbeiten in Kapitel 5 und einer kurzen Diskussion und Ausblick in Kapitel 6.


2 Interdependenzen interorganisationaler Geschäftsprozesse im B2B
Eine Grundvoraussetzung termin- und qualitätsgerechter Lieferung ist effektives
Management, insbesondere bei unternehmensübergreifenden Prozessen in Wertschöp-
fungsketten und Netzwerken [Krup07]. Unternehmen interagieren darin mit den ihnen
vor- und nachgelagerten Stufen über die Beschaffung bzw. den Verkauf von nicht
standardisierten Sachgütern und Dienstleistungen. Dabei sind die Rollen des Anbieters
bzw. Zulieferers und des Nachfragers bzw. Herstellers nicht an ein Unternehmen
gebunden, sondern ergeben sich aus der jeweiligen Transaktionssituation und hängen
vom Verhandlungsgegenstand in seiner Funktion als konkretes Entscheidungsproblem
ab. In der Interaktion mit der vorgelagerten Stufe kann ein Unternehmen als Nachfrager
auftreten, während es parallel für die nachgelagerte Stufe als Anbieter fungiert [He07].
Unternehmen sind dabei Teil unterschiedlicher Kooperationskonstellationen bei der
Vermarktung, Entwicklung, Herstellung und dem Verkauf. Zur Entscheidungsfindung in
Markttransaktionen ist daher eine marktgerichtete Integration von Absatz- und
Beschaffungsmanagement unabdingbar [Krus07].




                                          65
2.1 Abhängigkeiten von Entscheidungen

Bei kundenspezifischer oder auftragsindividueller Produktion ist eine enge interne
Abstimmung von Beschaffung und Vertrieb notwendig. Zur Erstellung wettbewerbs-
fähiger Angebote sind für den Vertrieb genaue Kenntnisse zu den von den Lieferanten
erhältlichen Leistungen nötig, während die Beschaffung durch Kenntnis der Kunden-
anforderungen gezielter agieren kann [Krus07].

Langfristig kann eine marktorientierte Abstimmung zu prozessorientiertem Netzwerk-
management führen [Krus07]. Dabei sind Verhandlungen zentraler Bestandteil des
Beschaffungs- bzw. Vertriebsprozesses [Ko07]. Im Geschäftsalltag sind die meisten
Beschaffungsentscheidungen nicht ausschließlich preisabhängig, wie beispielsweise bei
Auktionen, bei denen das Transaktionsobjekt und der Interaktionsverlauf vorab fix
definiert sind, sondern sind beeinflusst von der Produktbeschaffenheit und dessen
Verfügbarkeit, den Vertragskonditionen, der Historie der Geschäftsbeziehung sowie
strategischen Überlegungen und firmenpolitischen Vorgaben [Re01]. Verhandelt wird
zumeist mit mehreren Leistungsträgern parallel über mehrere Positionen mit
unterschiedlichen Eigenschaften [BPS05], unabhängig davon, ob es sich um Vorgänge
des operativen Einkaufs oder Fragen des Sourcing handelt [Sa07]. Dabei können
Verhandlungen verschiedene Formen annehmen, von einfachen Verfügbarkeits-
klärungen über Bestimmungen der vom Hersteller akzeptierten Preis-Mengen-
Kombinationen bis zur kollaborativen Ausarbeitung von Lösungen für einmalig zu
erstellende Leistungen [He07].

Unternehmen, die sich auf die Herstellung kunden- oder auftragsspezifischer Güter oder
Dienstleistungen spezialisiert haben, benötigen meist individuell für jeden Auftrag
andere Zusammenstellungen von Rohmaterialien, Produktbestandteilen oder Dienst-
leistungskomponenten von unterschiedlichen, manchmal konkurrierenden Lieferanten.
Daher ist das Ergebnis einer der den Kundenauftrag betreffenden Verhandlungen häufig
ausschlaggebend für die Entscheidungsfindung bei den anderen Verhandlungen. Kann
beispielsweise ein spezieller, nicht austauschbarer Bestandteil nicht beschafft werden,
führt die resultierende Lieferunfähigkeit der zu erstellenden Leistung dazu, dass die
Beschaffung aller anderen Bestandteile nicht mehr nötig ist. Werden zu einem
Auftragsbestandteil Verhandlungen mit verschiedenen Lieferanten über ein austausch-
bares Bestandteil geführt, hängt die Entscheidung für einen von ihnen vom Status und
Ergebnis der Verhandlungen mit den anderen Lieferanten ab. Der Einkäufer sollte dann
sicherstellen, dass das zu beschaffende Auftragsbestandteil nicht mehrfach eingekauft
wird. Solchartige multilaterale Verhandlungen sind voneinander abhängig, da sie sich
beeinflussen und sich der Stand und Inhalt einer der Prozesse auf die anderen auswirken,
obwohl sie bilateral geführt werden können. Ein vergleichbares Ergebnis wäre durch das
Führen mehrerer unabhängiger bilateraler Verhandlungen nicht erreichbar [Hü04]. Ohne
die Beachtung der Ergebnisse der in Bezug stehenden Verhandlungen ließe sich nicht
aus einer Menge von Angeboten das Beste ermitteln oder eine Auswahl zugunsten eines
Gutes treffen, wenn diese von einer bereits getätigten Vorauswahl abhängt.




                                          66
2.2 Grundlegende Kommunikationsstrukturen

Basierend auf dem multilateralen Verhandlungsmodell nach [GM98] lassen sich im B2B
zwei grundsätzliche Kommunikationsstrukturen beschreiben. Bei wettstreitenden Ver-
handlungen wird versucht, das beste Angebot aus einer Menge konkurrierender
Angebote herauszufinden, während Verhandlungen, die in wechselseitiger Abhängigkeit
stehen, nur dann mit einem Vertragsabschluß beendet werden können, wenn alle darin
angefragten Güter oder Dienstleistungen tatsächlich beschafft werden können [SFR07].
Abbildung 1 zeigt die entstehenden Strukturen.




               Abb. 1: Kommunikationsstrukturen multilateraler B2B-Prozesse
Kunden (K1 ... Kx) fragen ihre Zulieferer an, die dadurch zum Nachfrager (N1 ... Ny)
werden, indem sie wiederum ihre Zulieferer anfragen.

In Szenario 1 wird eine Konkurrenzstruktur dargestellt. Beispielsweise kann hierbei eine
Ware, sei es ein Sachgut oder eine Dienstleistung, vom Angefragten, nun Nachfrager
(N1), in vergleichbarer Qualität von verschiedenen Anbietern (A1, A2, A3) bezogen
werden und es können mehrere parallele Verhandlungen mit ihnen begonnen werden,
um das Gewünschte in der benötigen Qualität zum bestmöglichsten Preis beziehen zu
können. Dies kann ein Wettbewerbsvorteil sein, besonders da hier der Auftraggeber des
Nachfragers seinerseits mehrfach für denselben Auftrag angefragt hat. Die Anbieter
wiederum können ihrerseits auch in mehrere Verhandlungen bezüglich derselben Ware
involviert sein, unabhängig davon, ob bei konkurrierenden Nachfragern dieselbe Kun-
denanfrage vorliegt oder nicht.


                                           67
So entsteht für alle Beteiligten die Notwendigkeit mehrere parallel laufende, teilweise
voneinander abhängige Verhandlungen zu überwachen. Es gilt sicherzustellen, dass nur
eines, vorzugsweise das günstigste, der konkurrierenden Angebote akzeptiert wird. Dies
erfordert zum einen Kenntnis bezüglich des Status einer jeder Verhandlung und zum
anderen genauen Angebotsvergleich. Oft ist es im Verlauf nötig einige Angebote in
schwebendem Zustand zu belassen, während auf noch ausstehende Antworten der
Konkurrenz gewartet wird. Die letztendliche Entscheidung zugunsten eines der
Angebote gebietet die Ablehnung aller anderen. Ziel ist es, den Beschaffungsbedarf nur
einmal bestmöglichst zu erfüllen.

Szenario 2 beschreibt die Fälle, in denen verschiedene Waren als Bestandteile für einen
kundenindividuellen Auftrag bezogen werden. Hierbei wird es für einen Nachfrager (N1)
nötig, mit mehreren Anbietern (A4, A5) zu verhandeln, da jeder eines oder mehrere der
benötigten Teile im Angebot hat, jedoch keiner alle. Somit liegen mehrere Verhand-
lungen vor, die überwacht werden müssen. Ziel ist es hierbei, alle benötigten
Auftragsbestandteile zur Auftragserfüllung einzukaufen. Die Unmöglichkeit eines der
Bestandteile beziehen zu können, führt gegebenenfalls dazu, dass die Beschaffung aller
anderen Bestandteile unnötig wird. Der Nachfrager muss alle zusammenhängenden
Verhandlungen daraufhin überprüfen, ob sein Bedarf vollständig erfüllt ist, aber nur
jeweils einmal und in der gewünschten Qualität und Menge. Dabei sind die Angebote
der Verkäufer besonders dann genau zu überwachen, wenn Bestandteile nicht nur von
einem, sondern von mehreren von ihnen angeboten werden. Stellt sich heraus, dass der
Auftrag des Kunden nicht erfüllt werden kann, ist mit diesem entsprechend neu zu
verhandeln oder alle Verhandlungen mit den betroffenen Anbietern müssen beendet
werden.


3 Informationsstrukturen ausführbarer Prozesse
Laufen zwei oder mehr Prozesse gleichzeitig ab, und eines der Prozessergebnisse hat
Auswirkungen auf die Fortführung der anderen, muss ihre Ausführung aufeinander
abgestimmt werden. Zwecks elektronischer Unterstützung sind dafür durchgehend
eindeutig interpretierbare Informationen erforderlich. Das erfolgreiche Managen von
solcherart in Wechselbeziehung stehenden Vorgängen erfordert Informationsaustausch
zwischen ihnen in Echtzeit [MC94]. Von Interesse hierbei ist Wissen bezüglich der
einzelnen Prozessstatus und der Prozessergebnisse, besonders im Falle multilateraler
Verhandlungen, da mehrere Parteien an der Ergebnisfindung beteiligt sind. Die
Komplexität multilateraler Verhandlungen ist dabei deutlich höher im Vergleich zu
isolierten bilateralen Verhandlungen, da die zu verarbeitende Informationsmenge für die
Ausführung der nächsten Schritte bedeutend größer ist. Die Ausführung eines Verhand-
lungsprozesses hängt jeweils vom Status der anderen, dazu in Beziehung stehenden ab.
Der Prozessstatus ergibt sich aus dem formalen Prozessmodell, dem Zustand der Aus-
führung des aktuellen Prozesses bezüglich der nächstmöglichen Schritte sowie den
aktuellen Informationsobjekten, hier insbesondere die aktuell verbindlichen Angebote,
die in Beantwortung der Anfragen erstellt wurden.




                                          68
Diese Art der Information ist genau auch die, die für eine automatisierte Ausführung von
Geschäftsprozessen in Workflow-Management-Systemen relevant ist. Ein prozessorien-
tiertes elektronisches Verhandlungsunterstützungssystem kann somit im weitesten Sinne
als Workflow-Management-System verstanden werden, denn eine solche Unter-
stützungsumgebung arbeitet mit dem Wissen zu diesen Aspekten eines Verhandlungs-
status. Dabei sind in semiautomatisierten Unterstützungssystemen die endgültigen
Entscheidungen dem Nutzer überlassen, sodass im Gegensatz zu überbetrieblichen
Workflows, wie beispielsweise bei EDI, gegeben durch die Interaktionsmöglichkeiten
keine festen Protokolle nutzbar sind. Daher kann auch eine Verlaufsabbildung mit Hilfe
von Business Rules nicht das Spektrum der Möglichkeiten erfassen.

Ist das Modell selbst direkt ausführbar und es muss keine zusätzliche Prozessinformation
manuell hinzugefügt werden, sollte die Modellierungssprache eine lokale Zustands-
semantik aufweisen. Dies ist beispielsweise bei Workflow Nets gegeben [Aa98; AH02].
Allerdings bieten diese keine Unterstützung bei der Modellentwicklung. Daher wird hier
die Semantic Process Language (SPL) verwendet [Si06]. Es handelt sich dabei um eine
formale, petrinetzbasierte Prozesssprache. Sie ist unabhängig von der verwendeten
Technologie nutzbar. Für die Definition der Semantik jedes ihrer Worte werden Module
verwendet, die mit Hilfe so genannter Module Nets, einer Art Workflow Net,
implementiert werden. Dabei interpretieren Module Prozessmengen, wobei in einem
Prozess Abfolgen bestimmter Aktionen enthalten oder verboten sein können. Ebenso
erlauben Module die Festlegung alternativen, nebenläufigen und iterierenden Verhaltens.
Ein Tutorial sowie eine umfassende formale Einführung zur Implementierung finden
sich in [Si08]. Module Nets sind formal beschreibbar als:

Definition: Module Net
Ein Module Net M = (N, i) besteht aus einem Petrinetz (N = (P,T,F,W) mit einer
eindeutigen Starttransition s(•s = ∅), einer eindeutigen Zieltransition g(•g = ∅), und
einer Interpretationsfunktion i über T mit i(s) a start, i(g) a goal und für alle ande-
ren Transitionen i(t) a EA, die (möglicherweise leere) Menge miteinander vereinbarer
Elementarprozesse einer Menge von Aktionen A.

SPL baut auf der Semantik von Petrinetzen auf. Da die Dynamik von Petrinetzen über
eine zustandsbasierte Semantik definiert ist, eignen sie sich für die Spezifikation
ausführbarer Workflow-Beschreibungen. Weiterhin ist damit direkt eine graphische
Visualisierung gegeben. Somit bietet der Einsatz der SPL formale Spezifikation und
Visualisierung, vergleichbar mit dem Vorgehen bei der Spezifizierung von
Geschäftsprozessen mit Hilfe der Business Process Execution Language BPEL [An03].
Bei der Definition von Prozessen in BPEL wird indes die genutzte Semantik nicht
eindeutig beschrieben und kann aufgrund des entstehenden Interpretationsspielraums zu
Missverständnissen führen. Bei Nutzung der SPL lassen sich Prozessmodelle formal
mathematisch durch Verwendung der Module beschreiben und mit den ihnen
entsprechenden Module-Net-Interpretationen darstellen.

Prozesse der Module-Net-Implementierung einer SPL-Spezifikation entsprechen
Schaltfolgen, in denen die beiden Start- und Zieltransitionen genau einmal schalten und
ansonsten die leere Anfangsmarkierung des Netzes reproduziert wird.


                                          69
Abbildung 2 zeigt die Spezifikation zweier Verhandlungsprozesse in SPL als Module-
Net [SR04]. Es handelt sich um die Darstellung einer Verhandlung und zeigt den Prozess
eines Nachfragers (N) und den eines Anbieters (A). Dabei wird davon ausgegangen, dass
die Verhandlungspartner ihre Prozesse jeweils unabhängig voneinander modellieren. Die
Rollen der Teilnehmer sind hier nicht als Käufer und Verkäufer definiert, sondern als
Nachfrager und Anbieter, da innerhalb des zugrunde liegenden generischen Szenarios
ein Initialgebot sowohl ein Verkaufsangebot als auch ein Kaufangebot sein kann.

Ein Nachfrager (N) gibt ein Initialangebot ab, indem er eine bestimmte Leistung anfragt,
und erwartet eine Reaktion des Anbieters (A). Dies kann ein Gegenangebot, die
Annahme oder der Abbruch sein. In den beiden letzten Fällen endet die Verhandlung.
Ansonsten nimmt der Nachfrager eine Angebotsprüfung und Modifikation vor, sodass
sich der Prozess wiederholen kann. Alternativ kann der Nachfrager durch Abbruch oder
Annahme die Verhandlung beenden.




                  Abb. 2: Module-Net-Implementierung einer Verhandlung
Nach dem Feuern der Starttransition wird das aktuell bindende Vertragsangebot ausge-
tauscht, überprüft und vermutlich mehrmals abgewandelt, bis einer der Verhandlungs-
partner das Angebot akzeptiert oder die Verhandlung abbricht. In jedem dieser Fälle
feuert eine der Zieltransitionen, sodass die Markierung des Module-Nets entfernt und das
korrekt erreichte Prozessende angezeigt wird.

Dieses Modell einer bilateralen Verhandlung ist das Fundament für die Modellierung
multilateraler Verhandlungen. Insgesamt erfordert die mehrfache, parallele Ausführung
eines Prozessmodells in einem Workflow-Management-System die Repräsentation der
Prozessstruktur und des aktuellen Status gleichermaßen. Der aktuelle Status eines
Petrinetzes wird durch seine Markierung angezeigt. In der Module-Net-Spezifikation
eines Geschäftsprozesses sind die Markierungstoken die Prozessidentifikationsnummern
der einzelnen, parallel zu anderen Prozessspezifikationen ausführbaren Prozesse. Ebenso
wird die Zugehörigkeit eines Prozesses zu einer spezifischen Prozessversion reprä-
sentiert, da mehr als eine Version eines bestimmten Prozesstyps vorliegen kann, wie
beispielsweise im Falle unterschiedlicher Verhandlungsstrategien. Durch die Verwen-
dung des Konstrukts Aktion (Action) lassen sich die Transitionen weiter detaillieren
[Si08]. Alle für die Ausführung einer Module-Net-Spezifikation eines Geschäfts-
prozesses relevanten Informationen werden in Abbildung 3 im Überblick gezeigt.



                                          70
                       Abb. 3: Datenmodell für Prozessausführungen
Das Datenmodell zeigt die Informationsobjekte, die für die Ausführung mehrerer
Instanzen des Prozessmodells in verschiedenen Versionen erforderlich sind. Dabei kann
die Beziehung zwischen dem Prozessfortschritt, repräsentiert als Interpreted Transition,
und der aktuellen Aktion mit einer Zugangskontrolle (Access) gesichert werden.


4 Implementierung eines formalen Kontrollmechanismus
Die Nutzung der beschriebenen Informationsobjekte erlaubt die Kontrolle mehrerer
parallel ablaufender, voneinander abhängiger Prozesse. Betrachtet man Verhandlungen
als Knotenpunkte im Verlauf von B2B-Interaktionen, bietet es sich an, eine
entsprechende Kontrollfunktion in ein Unterstützungssystem zu integrieren.




                                           71
4.1 Erweiterung eines Verhandlungsunterstützungssystems

In Verwirklichung des vorgestellten Kontrollmechnismus wird ein prototypisch vor-
liegendes, semiautomatisiertes, multiattributives elektronisches Verhandlungsunterstüt-
zungssystem namens M2N erweitert. Es handelt sich um ein webbasiertes Anwendungs-
framework, das sowohl stand-alone als auch über Web-Services in bestehende Architek-
turen eingebunden betrieben werden kann, unabhängig vom gewünschten Endgerät. Das
System ist in Java implementiert und erfordert keine Softwareinstallation auf Nutzer-
seite. Nutzer können in beliebigem Umfang verhandeln, Angebote und Gegenangebote
unterbreiten, diesen zuzustimmen, sie verändern oder ablehnen. Der Verhandlungsinhalt
ist im Sinne der Verhandlungsattribute und -positionen unbeschränkt, es können n
beliebige Positionen mit m beliebigen Attributen und beliebigen Attributwerten
eingeführt werden. Verhandlungen können ad-hoc auch mit bisher, technisch wie unter-
nehmerisch, Unbekannten begonnen werden Es ist vorab nicht notwendig Schnittstellen
zu spezifizieren oder eine Ontologie oder Vorabdefinition von Produkten und ihrer
Konfigurationsmöglichkeiten in Katalogform vorzunehmen. Zur Auflösung dadurch
eventuell entstehender semantischer Mehrdeutigkeiten kann ein semantischer Syn-
chronisationsdienst genutzt werden, wie in [RFP08] beschrieben. Somit bietet M2N
ungeachtet der Unternehmensgröße, Anwendungsdomäne oder Plattform Unterstützung
für frei formulierbare Verhandlungen. Der Basis-Workflow umfasst die Instanziierung,
das wechselseitige Zuweisen im Rahmen bilateraler Verhandlungen und den Abschluss.
Es ist dabei keine Vollautomatisierung angestrebt, sondern der menschliche Akteur kann
jederzeit eingreifen und die letztendlichen Entscheidungen treffen [Re01; Hü04]. Zur
Koordination aller Aktivitäten bietet das System eine Übersicht und Statuskontrolle aller
laufenden Verhandlungen.


4.2 Modellierung der Kontrollregeln

Dank der durchgängigen Modellierung aller Aktionen eines Prozesses können
ausgewählte bilaterale Verhandlungen in Bezug gesetzt werden, sodass sie als ein
multilaterales Verhandlungsbündel behandelt werden können. Jede einzelne Verhand-
lung wird zwischen Anbieter und Nachfrager ausgeführt, wobei die Vertraulichkeit des
Geschäftsvorfalls vollumfänglich garantiert ist, so als ob die Verhandlung unabhängig
von allen anderen Vorgängen stattfände. Die Bündelung ermöglicht Nutzern automatisch
Statusprüfungen aller verbundenen Verhandlungen vorzunehmen, wobei das System
Empfehlungen und Warnungen generieren kann. Auf dieser Basis können informierte
Entscheidungen getroffen werden und kritische Informationen werden aktiver
Bestandteil. Durch die Formalisierung und Bezugsherstellung zwischen Verhandlungen
wird Wissen gespeichert, welches sonst separat oder nur im Gedächtnis eines Nutzers
vorhanden ist. So können andere Nutzer laufende Verhandlungen übernehmen, ohne
aufgrund fehlenden Wissens über Zusammenhänge Fehlentscheidungen zu riskieren.

Dazu wurden alle Anforderungen in einem Module-Net spezifiziert, wie in Abbildung 4
dargestellt. Hierbei sind Aktionen und Entscheidungen als aktive Grundelemente von
Prozessen einheitlich in das Modell integriert.




                                           72
Abb. 4: Prozessmodell des Anfragers mit integrierter Entscheidungsfindung




                                   73
Zu sehen ist hier der Verhandlungsprozess eines Nachfragers und seine Entschei-
dungsfindung, ausgedrückt als Regeln, die allerdings jederzeit vom Nutzer missachtet
werden können. Der Prozess beginnt mit der Aktion Initialangebot, welches die Anfrage
umfasst, und vom Nachfrager (N) in Form von AngebotsversandN an den Anbieter (A)
übermittelt wird. Hier ist modelliert, dass vom Anbieter keine sofortige
Angebotsannahme erwartet wird, wie im Falle kleiner Abnahmemengen von
Konsumgütern, sondern die Verhandlung wird entweder mit AbbruchA beendet oder
einem, vermutlich modifiziertem, Antwortangebot als AngebotsversandA fortgesetzt.
Dieses wird geprüft und entweder akzeptiert mit AnnahmeN, die Verhandlung beendet
mit AbbruchN oder das Angebot wird wiederum modifiziert (Subst. 1 und Subst. 2) und
versendet mit AngebotsversandN. Mit den verbleibenden Transitionen wird der
Entscheidungsprozess des Nachfragers beschrieben. Dies sind AngebotsprüfungN und
AngebotsmodifikationN, wie in Abbildung 3 gezeigt.

Im Falle multilateraler multiattributiver Verhandlungen hängen Entscheidungen von
mehreren Einflussfaktoren ab. Eine Nutzwertfunktion kann angewendet werden, um
festzustellen, ob ein Angebot akzeptabel oder inakzeptabel ist oder ob eine weiter-
führende Verhandlung sinnvoll erscheint [RFS05]. Die Entscheidungen der
verschiedenen Regeln sind:
-       Regel 1 beendet die Verhandlung, wenn keines der angefragten oder angebo-
        tenen Güter oder Dienstleistungen ein Gegenstück seitens des Nachfragers
        aufweist. Diese Entscheidung ist unabhängig vom Status der Parallel-
        verhandlungen.
-       Regel 2 klassifiziert, ob gemäß einer vorab implementierten Nutzwertfunktion
        ein Angebot akzeptabel ist oder gemäß Regel 3 verbesserbar. Ist das Angebot
        akzeptabel, kann allerdings der Nutzwert geringer sein als der der
        Parallelverhandlungen, sodass gemäß Regel 7 die Verhandlungen abzubrechen
        ist obwohl ein lokales Optimum erreicht wurde. Ist das Angebot ausbaufähig
        gemäß Substitutsregel 1, muss eine mögliche Verbesserung einen höheren
        Nutzwert aufweisen als den in den parallelen Verhandlungen ermittelten.
-       Regel 4 besagt, wann ein Angebot nicht akzeptabel ist, obwohl eine akzeptable
        Modifikation erreicht werden könnte. Eine definitive Ablehnung ergibt sich nach
        Regel 5, während Substitutsregel 2 eine Verbesserung konkretisiert. Auch in
        diesem Fall sollte eine Verbesserung einen höheren Nutzwert aufweisen als alle
        Parallelverhandlungen.
-       Substitut 1 und Substitut 2 spezifizieren die konkrete mögliche Modifizierung
        des Angebots. Dies basiert auf den früheren Ergebnissen von Substitutsregel 1
        und Substitutsregel 2.
Jede dieser hier natürlichsprachlich beschriebenen Regeln kann mit Hilfe eines High-
Level-Petrinetzes und Prädikatenlogik spezifiziert werden [Si06]. Die Modelle sind also
hinsichtlich ihrer datenbezogenen Präzisierung innerhalb der vorgestellten Model-
lierungsmethode skalierbar.




                                          74
4.3 Realisierung im System für ein beispielhaftes Dienstleistungsszenario

Das Prozessmodell und weitere Spezifikationen bezüglich der Entscheidungsregeln
werden in das Verhandlungsunterstützungssystem M2N implementiert. Die Nutzung der
Kontrollmechanismen wird hier anhand eines Beispiels aus der Reisebranche gezeigt.
Das hier anonymisiert vorgestellte Unternehmen arbeitet als Spezialreiseveranstalter für
Eventdesign und –management sowie kundenindividuelle Reisen. M2N dient dabei nicht
als Plattform zur Bündelung von Angeboten im Sinne eines Produktkonfigurators,
sondern der Verhandlung und damit Ausgestaltung von Events und Trips mit beliebigen
Bestandteilen. Abbildung 5 zeigt den Prototyp der Übersichtsoberfläche.




                Abb. 5: Übersichtoberfläche zu multilateralen Verhandlungen
Angenommen, die Anfrage eines Reisenden für eine Reise in eine bestimmte Stadt
umfasst die Verfügbarkeit und den Preis für ein Hotelzimmer in einem zentral gelegenen
4-Sterne-Hotel sowie die Bahnfahrt dorthin. Das Reisebüro fragt dann entsprechend
mehrere Alternativen an. Nach Angebot an und Auswahl durch den Kunden kann das
Reisebüro das gewählte Hotel fix reservieren und die anderen Möglichkeiten absagen.
Dies entspricht Szenario 1 wie in Abbildung 1 gezeigt. Die Zusammenstellung eines
individuellen Plans und Buchung der Events für Kunden wiederum kann von der
Verfügbarkeit, der Gestaltungsmöglichkeiten und Preise einzelner Reisebestandteile
abhängen. Hierbei entsteht ein Szenario wie unter 2 in Abbildung 1 dargestellt.
Angenommen, für ein Incentiveevent einer Firma wird eine Reise in eine bestimmte
Stadt zu einem bestimmten Datum geplant. Sollte das gewünschte Hotel ausgebucht
sein, die gewünschte Lokalität nicht verfügbar, der zu buchende Gastredner anderweitig
engagiert und die angefragte Speisefolge nicht realisierbar sein, würde der Kunde
vielleicht andere Aktivitäten arrangieren lassen wollen, die Reise verschieben oder die
ursprünglich gewählte Stadt ablehnen wollen. Dann sind entsprechend Änderungen oder
Absagen bei den Leistungsträgern zu platzieren.




                                            75
5 Verwandte Arbeiten
Im Bereich der Forschung zur Frage der Kontrolle interorganisationaler Prozesse gibt es
verschiedene Vorschläge, wie Kollaborationen koordiniert und überwacht werden
können. Technologiegebunden gibt es standardisierte Ansätze dazu, beispielsweise vom
W3C für Web-Service-Choreographien. Für kontextunabhängigen Einsatz wird in
[LS03] durch Einführung einer Prozesssicht von den Einzelprozessen abstrahiert unter
Nutzung virtueller Zustände zur Überwachung kollaborativer Prozesse. In [EG08] wird
dies um die Anpassbarkeit von Prozesssichten erweitert. [FSB07] beschreiben die
Formalisierung von Workflows mit Hilfe von YAWL-Patterns zwecks Verifikation
kollaborativer Prozesse. In [LV07] wird beschrieben, wie objekt-petrinetzbasiert in
Wertschöpfungsnetzen Ablaufkoordination realisiert werden kann.

Diese Vorschläge sind generell für Geschäftsprozesse erarbeitet und bisher nicht auf
Verhandlungsprozesse anwendbar, da im Gegensatz zu anderen überbetrieblichen
Workflows hier jederzeitige menschliche Interaktion typisch ist. Business Rules geben
zwar definierte Entscheidungsregeln vor, wobei allerdings umstände- oder fallweise
menschliche Reaktionen nicht ausreichen fein strukturiert als strikte Vorgaben
formulierbar sind. Obwohl es Untersuchungen zur Möglichkeit der Effizienzsteigerung
durch elektronische Unterstützung in komplexen Wertschöpfungsketten gibt, wie
beispielsweise [HFS06], gibt es in der Praxis wenig Realisierungen von Verhandlungs-
unterstützungssystemen [KL07]. Verhandlungsunterstützungssysteme sind meist auf die
Entscheidungsunterstützung ihrer Nutzer oder den Prozessverlauf ausgerichtet. Ihr
individuelles Design hängt dabei von ihrer Ausrichtung, den unterstützten Protokollen
und eingesetzten Technologien ab. Ein umfassender Überblick findet sich in [KL07].
Einige der nicht-vollautomatisierten Systeme ermöglichen Verhandlungen mit mehreren
Positionen und variablen Eigenschaften. In [Hü04] können konfigurierbare Produkte
dargestellt werden, in [St00; Ba04; Ke04; Sc05] Attribute aus einer vorab erstellten
Ontologie genutzt werden. Alle diese Systeme erlauben die Verfolgung von Änderungen
über die Zeit und Statusbeobachtungen. Dabei sind allerdings Abhängigkeiten nur
außerhalb der Systeme vermerk- und damit kontrollierbar. Bei [KS04] wird eine BPEL-
basierte Architektur vorgeschlagen, um über einen elektronischen Marktplatz das
Management laufender Prozesse zu ermöglichen, allerdings ohne diese bündeln zu
können. In [BPS05] werden kombinatorische Auktionen zur Verhandlung von
Produktbündeln als Alternative zur Führung paralleler bilateraler Verhandlungen
vorgeschlagen. Keines der Systeme unterstützt allerdings eine formale Kontrolle zur
Überwachung von Abhängigkeiten.




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6 Diskussion und Ausblick
Im vorliegenden Beitrag wurde ein formaler Kontrollmechanismus basierend auf SPL
vorgestellt und auf ein Verhandlungsunterstützungssystem angewendet. Es lassen sich
formal und semantisch eindeutig Entscheidungsregeln implementieren, die jederzeit vom
Nutzer überschrieben werden können. Dadurch werden Nutzer in die Lage versetzt,
innerhalb des Systems mit dessen Unterstützung komplexe voneinander abhängige
Prozesse zu überwachen und Abhängigkeiten zu kontrollieren.

Der vorgeschlagene Mechanismus ließe sich ebenso in vollautomatisierten Workflows
anwenden, was im vorliegenden Fall aber nicht beabsichtigt ist. Eine Grundüberlegung
beim Design von M2N war das Angebot, Nutzer bei der Entscheidungsfindung durch
Informationslieferung zu unterstützen, nicht die automatisierte Übernahme der Entschei-
dung zu realisieren. Die Nutzer sollen unabhängig von vorgegebenen Workflows
interagieren und letztendlich Entscheidungen treffen können, auch im Hinblick auf das
Management der Kunden- und Lieferantenbeziehungen. Die Ausübung der Kontrolle
darf keine negativen Auswirkungen auf sich abzeichnende langfristige Kollaborations-
möglichkeiten und entstehende Geschäftsbeziehungen haben. Die Beziehungen zwischen
allen Geschäftspartnern dürfen nicht durch direkten automatisierten Versand
vorformulierter Standardnachrichten beeinflusst werden, sondern bedürfen des
Beziehungsmanagements durch menschliche Interaktion. Obwohl Verhandlungsunter-
stützungssysteme mit dem Ziel eingesetzt werden, die Beschaffungs- bzw. Vertriebs-
kosten zu senken, darf dies nicht zulasten langfristiger Netzwerkbildung geschehen.

In Fortführung des Beschriebenen sollen die Implementierungsarbeiten abgeschlossen
und die begonnene Evaluierung fertig gestellt werden. Weiterhin soll die Kontroll-
funktion nicht nur für Prozesse anwendbar sein, sondern auf Positionsebene in den
Verhandlungen ausgeweitet werden. Für die Beschaffung beliebig gestaltbarer Produkte
ist Wissen über die Abhängigkeiten zwischen den Verfügbarkeiten spezifischer
Bestandteile und Eigenschaften erforderlich. Die Bündelung multilateraler Verhand-
lungen nicht nur auf Basis ihres Prozessstatus, sondern basierend auf dem Status und den
Eigenschaften der verhandelten Einzelpositionen, erlaubt die Kombination verschieden-
ster zusammenhängender nicht-standardisierter Sachgüter und Dienstleistungen unab-
hängig davon, welcher Anbieter in welchem Umfang liefern kann.

Eine solche umfassende Nutzerunterstützung auch in sehr komplexen Szenarien kann
eine Möglichkeit für umfassendere elektronische Kollaboration bieten und langfristig als
Koordinationsstelle die dynamische Bildung von Geschäftsbeziehungen und flexiblen
Netzwerken unterstützen.


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