Modellierung und Mining Kollaborativer Learnflows Robin Bergenthum, Jörg Desel, Andreas Harrer, Sebastian Mauser Fachgebiet Informatik, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt vorname.name@ku-eichstaett.de Zusammenfassung Basierend auf Ideen aus dem Bereich der Geschäftsprozess- modellierung werden zwei Ansätze zur Modellierung kollaborativer learnflows entwickelt und es wird gezeigt wie sich entsprechende Lernprozessmodelle auto- matisch aus Protokolldateien von Lernsystemen erzeugen lassen. 1 Einleitung Während sich die Repräsentation, Verarbeitung und Computerunterstützung von Ge- schäftsprozessen etabliert hat und methodisch gereift ist, werden hingegen auf dem verwandten Gebiet für Lehr- / Lernprozesse erst in den letzen Jahren verstärkte An- strengungen unternommen. Aus diesem Anlass diskutierten wir in [1] die Gemeinsam- keiten, Unterscheidungsmerkmale und einen potentiellen Methodentransfer zwischen Geschäftsprozessen und Lernprozessen. An dieser Stelle entwickelten wir auch erste Ansätze zur Modellierung von Gruppenlernprozessen mit Hilfe von Petri-Netzen und der Generierung von Netzmodellen aus Protokollinformationen (logfiles) durch mining- Algorithmen. Von besonderem Interesse ist dabei, wie kollaborative Arbeit bzw. Lernen geeig- net repräsentiert werden können und welche Rollen bzw. Gruppenzusammensetzungen für einzelne Aktivitäten notwendig bzw. erwünscht sind. Dabei sind insbesondere die Spezifika von kollaborativen Lehr- / Lernprozessen gegenüber Geschäfts- prozessen zu berücksichtigen, was eine direkte Nutzung existierender Ansätze aus dem Bereich der Geschäftsprozessmodellierung (z.B. [2]) einschränkt bzw. Erweiterungen notwen- dig macht: – Für den Geschäftsprozess ist die Durchführung des Prozesses und der damit ver- bundenen Aktivitäten ein Mittel zur Erreichung eines bestimmten Endprodukts, wobei die Qualität aber weniger die Beteiligung der einzelnen eingebundenen Ak- teure im Vordergrund steht. Bei Lernprozessen ist hingegen wesentlich, dass die Lernenden einen Lernprozess durchlaufen, bei dem einzelne Aktivitäten Lerngele- genheiten bieten; das Ergebnis des Prozesses ist - abgesehen von formalen Prüfun- gen - weniger wichtig als das (vollständige) Durchlaufen des Prozesses für die Teil- nehmer. Daher sollten die einzelnen Akteure bei der Modellierung von Lernprozes- sen größere Berücksichtigung finden. – Das Rollenkonzept im workflow engineering beruht i.A. auf der Verantwortlichkeit bzw. Kompetenz für eine bestimmte Menge von Aktivitäten, die nach anfänglicher Zuweisung von Rollen für konkrete Akteure festbleibt. Dynamische Einschränkun- gen der Aktivitätsbearbeitung (in etwa: derselbe Akteur, der das Angebot formuliert soll auch den Vertrag abschließen) und spezielle Regeln zur Allokation von Akteu- ren zu Aktivitäten (in etwa: der Akteur mit einer geforderten Rolle, der den wenig- sten weiteren Rollen zugeordnet ist, soll zugewiesen werden) sind in verschiedenen Ansätzen, z.B. RBAC (Role-Based Access Control), mit Zusatzkonstrukten expli- zit formulierbar. Im Gegensatz zu diesem starren Rollenkonzept werden in Lern- prozessen Rollen häufig eingesetzt, um bestimmte Fertigkeiten einzuüben und im Laufe eines Lernprozesses werden Rollen dynamisch gewechselt bzw. erworben. Eine Erweiterung eines statischen Rollenmodells hin zu einem dynamischen, das in der Lage ist die Lernhistorie für Rollenfestlegungen heranzuziehen, ist folglich für Lernprozesse vorzunehmen. – Einzelne Aktivitäten, gelegentlich auch der gesamte Lernprozess, können durch Gruppenarbeit, -diskussion usw. realisiert werden, wobei häufig in kollaborativen Ansätzen diese Gruppenphasen von hoher Bedeutung für die Lernerfahrung sind. Die Möglichkeit der Repräsentation von Gruppen, in der Gruppe notwendigen Rol- len und gegebenenfalls dynamische Bildung / Umformung von Gruppen ist somit eine weitere Anforderung an Lehr- / Lernprozesse. Im Folgenden werden wir aufbauend auf den Konzepten der Geschäftsprozessmo- dellierung aus [2] einen Prozessmodellierungsansatz präsentieren, der die Besonder- heiten der Lehr- / Lernprozessmodellierung berücksichtigt. Neben der Anwendbarkeit des Ansatzes speziell für Lehr- / Lernprozesse, sehen wir auch eine Nutzbarkeit für Geschäftsprozesse, in denen Gruppenaktivitäten und dynamische Rollen wesentlich sind. Einen ersten entsprechenden Modellierungsansatz haben wir schon in [1] skizziert. Wir haben vorgeschlagen Lernprozesse wie im Workflowbereich üblich mit Petrinet- zen (oder entsprechenden Dialekten von Petrinetzen wie Aktivitätsdiagrammen) zu re- präsentieren. Die Akteursallokation haben wir durch Zuweisung von benötigten Rollen zu Aktivitäten durchgeführt, wobei ein globaler Pool mit in Rollen eingeteilten Akteu- ren angenommen wird. Dabei haben wir bestehende Workflowkonzepte dadurch erwei- tert, dass sich die Rollen der Akteure bei der Durchführung von Aktivitäten verändern können. Da die Akteure und insbesondere deren Rollenwechsel bei der Lernprozessmodel- lierung eine zentrale Rolle spielen, schlagen wir hier vor diesen Ansatz zu verfeinern, indem wir die dynamische Rollenbelegung der Akteure explizit durch ein Zustandsdia- gramm modellieren (natürlich lassen sich hier auch hierarchische Rollenbeziehungen darstellen). Ein Akteur kann seine Rolle, i.e. seinen Zustand, ändern, wenn er eine Ak- tivität durchführt. Rollenwechsel finden also durch Synchronisation der Übergänge der Zustandsdiagramme mit Aktivitäten des Prozessmodells statt. In einem zweiten Modellierungsvorschlag gehen wir noch einen Schritt weiter, in- dem wir den globalen Akteurspool auflösen und die Zustandsdiagramme, welche die Akteure repräsentieren, als Marken in den Kontrollfluss des Prozessmodells einbetten. Dadurch lässt sich insbesondere der Fortschritt der Akteure innerhalb des Lernprozes- ses durch ihre Aufenthaltsorte“modellieren. Bei diesem Ansatz haben wir uns von ” den existierenden Ideen zur Modellierung mit Netzen in Netzen“inspirieren lassen. ” Insbesondere gibt es Arbeiten (z.B. [3]) zur Modellierung von Multiagentensystemen, organisationsübergreifenden workflows und adaptiven workflows mit Objektnetzen. Die zwei Modellierungsansätze fokussieren auf die Repräsentation dynamischer Rollen und berücksichtigen (Lern-) Gruppen nur implizit durch kollaborative Akti- vitäten. Wir geben daher anschließend einen Ausblick auf Erweiterungen der zwei Ansätze zur expliziten Modellierung von Gruppen. Zusätzlich zu den Modellierungsansätzen diskutieren wir die Möglichkeiten und das Vorgehen für eine automatisierte Synthese von solchen Modellen aus realen Protokol- linstanzen als Ansatz zum collaboration flow mining. Hierbei erweitern wir die in [1] als Analogie zum workflow mining [4] vorgestellte Idee des learnflow mining. Während sich dieses aber noch auf das Auffinden von Kontrollflussstrukturen beschränkte, stellt sich in dem hier betrachteten Rahmen die weitere Herausforderung Informationen über dynamische Rollen und entsprechende Kollaborationsregeln aus den Protokollinstanzen zu gewinnen. Ein verwandter Ansatz aus dem Bereich der Geschäftsprozessmodellie- rung ist das auf starre Rollen und Organisationseinheiten beschränkte organizational mining [5]. In Kapitel 2 stellen wir die neuen Modellierungsansätze an einem Beispiel, welches schon in [1] verwendet wurde, vor. Mit diesem Beispiel erklären wir die zentralen Ideen des collaboration flow mining in Kapitel 3. 2 Modellierungsansätze Als Beispiel betrachten wir im Folgenden Gruppen von je drei Schülern, die unterstützt durch das Tool FreeStyler (www.collide.info) lernen, wie sich verschiedene Faktoren (z.B. Lichtverhältnisse, CO2-Gehalt, ...) auf das Wachstum von Pflanzen auswirken (für Details vgl. [1]). FreeStyler stellt hierfür verschiedene Registerkarten zur Verfügung, auf denen Fragen formuliert, einfache Modelle gezeichnet oder Daten aus einem Si- mulationsprogramm importiert werden können. Die Menge der Registerkarten ist somit in unserem Beispiel die Menge der unterstützten Aktivitäten (Ei = Einführung in die Thematik, Fr = Erarbeitung der wissenschaftlichen Fragestellung, Pl = Planung, Mo = Modellierung der Beziehungen zwischen den Faktoren, Hy = Aufstellung einer For- schungshypothese, E1 & E2 = Experimente zur Hypothesenprüfung, Da = Studium existierender Daten, An = Analyse der Daten mitsamt Überprüfung der Hypothese, Pr = Präsentation der Forschungsergebnisse). Einige dieser Lernaktivitäten (Ei, Hy, An jeweils mit allen drei Schülern und Pl, Mo, Pr jeweils mit zwei Schülern) erfordern be- stimmte Arten von Kollaboration zwischen den Schülern. Ein Lernprozessmodell soll nun modellieren in welcher Reihenfolge und von wem die Registerkarten bearbeitet werden sollen, wobei Letzteres von den Rollen abhängt, die die Schüler innerhalb der Gruppe einnehmen. Erstes Modell: Das Lernprozessmodell in Abbildung 1 stellt den Prozessaspekt des Beispiels dar, der durch einen Zustandsautomaten, der ein Rollendiagramm repräsen- tiert, in Abbildung 2 ergänzt wird. Eine Aktivität im Prozessmodell kann nur dann durchgeführt werden, falls die an der Transition angeschriebene Anzahl von Rollen im globalen Akteurspool vorhanden ist: beispielsweise erfordert die kollaborative Akti- vität Planung (Pl) 2 Akteure in der Rolle Schüler. Beim Schalten der Transition werden für die betreffenden Akteure Rollenveränderungen vorgenommen, die im Automaten- modell einem Zustandswechsel mit dem Transitionsnamen als Eingabezeichen entspre- chen; in unserem Beispiel gehen also durch die Planungsaktivität beide Schüler in die Rolle Modellierer über. Als Konvention zur Vereinfachung des Zustandsautomaten set- zen wir voraus, dass bei Aktionen, die im Diagramm nicht explizit einen Rollenwechsel verursachen, die bisherige Rolle erhalten bleibt: Die Aktivität Modellierung (Mo) führt für einen Akteur, der sich in der Rolle Modellierer befindet, keinen Rollenwechsel her- bei und kann deshalb im Diagramm entfallen. 2 Schüler Modellierer || Protokollant Pl E1 2 ModelliererEx +ProtokollantEx 2 Modellierer+Protokollant 3 Schüler Ei Mo Hy E2 An Pr 2 Modellierer Modellierer || Protokollant ModelliererEx +ProtokollantEx Fr Da Schüler Modellierer || Protokollant Abbildung 1. Erstes Modell: Prozessfluss repräsentiert als Stellen-Transitions-Petrinetz mit Rol- lenbeschriftungen Der Lernfortschritt und die Lernhistorie einzelner Akteure werden bei diesem Modellierungsansatz in das Rollendiagramm einkodiert: Beispielsweise wird durch E1,E2,Da Modellierer ModlliererEx Ausführen von Experiment1 (E1) ein Lernfortschritt Pl durch einen Rollenwechsel erreicht, der ein Ausführen Schüler Fr von Experiment2 (E2) und Daten (Da) verhindert. Die- E1,E2,Da Protokollant ProtokollantEx se Repräsentation fortschrittsabhängiger Aspekte wird im folgenden alternativen Modellierungsansatz elegan- Abbildung 2. Erstes Modell: ter adressiert. Rollendiagramm repräsen- Zweites Modell: Die Abbildungen 3 und 4 stellen tiert als Zustandsautomat in ähnlicher Form den Prozessaspekt und den Rollen- aspekt im alternativen Modellierungsansatz dar. Hier- bei wird für die Prozessrepräsentation ein hierarchisches Petrinetz verwendet, bei dem die Marken selbst Rollenautomaten sind, die jeweils einen Akteur repräsentieren, des- sen Rolle durch seinen aktuellen Zustand dargestellt wird und dessen Fortschritt im Lernprozess durch die Platzierung im Netz erkennbar ist. In ähnlicher Weise wie im ersten Modellierungsansatz wird eine Aktivität durchgeführt, sofern mindestens sovie- le Akteure in Rollen, wie an der Transition angeschrieben, vorhanden sind, allerdings müssen diese Akteure nun lokal im Vorbereich der Transition vorhanden sein. Die Kan- tengewichte geben hierbei an wieviele Akteure aus welcher Stelle benötigt werden und in welche Stellen wieviele Akteure fortschreiten (dabei muss die Anzahl der Akteure für jede Transition erhalten bleiben: Männchenerhaltungssatz “). Für den Kontrollfluss ” darf das Modell zusätzlich auch Stellen mit schwarzen Marken enthalten (wie zwischen den Transitionen Planung und Modellierung). Durch die Lokalisation jedes Akteurs als Marke im Prozessnetz sind fortschritts- abhängige Aspekte bereits explizit im Petrinetz repräsentiert. Deshalb ist nun beispiels- weise ein Rollenwechsel beim Ausführen von Experiment1 (E1) nicht mehr nötig, was 2 Schüler Modellierer || Protokollant 2 2 Pl 2 E1 2 2 Modellierer 2 2 Modellierer+Protokollant +Protokollant 3 Schüler 3 3 2 2 Ei Mo Hy E2 An Pr 2 Modellierer Modellierer Modellierer || Protokollant +Protokollant Fr Da Schüler Modellierer || Protokollant Abbildung 3. Zweites Modell: Prozessfluss repräsentiert als hierarchisches Petrinetz sich im Rollenautomaten von Abbildung 4 gegenüber demjenigen in Abbildung 2 wi- derspiegelt. Übergänge im Rollenautomaten werden wie bereits im ersten Ansatz durch feuernde Transitionen als Eingabezeichen ausgelöst. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass beide vorge- schlagenen Modellierungsansätze dynamische Rollen, kolla- borative Aktivitäten und den Fortschritt im Lernprozess geeig- Modellierer net repräsentieren können. Allerdings unterscheiden sich die Pl beiden Ansätze bezüglich der Eindeutigkeit und semantischen Schüler Klarheit der Modellierung, wobei kein Ansatz dem anderen Fr eindeutig überlegen ist: Der erste Ansatz trennt die Modellie- Protokollant rung von Prozess und Rollen weitgehend voneinander und ver- wendet einfache anonyme Marken im Petrinetz, wohingegen der zweite Ansatz komplexe Marken verwendet, die jeweils Abbildung 4. Zwei- einen Rollenautomaten mit einem aktuellen (Rollen-)Zustand tes Modell: Rollen- repräsentieren, was zudem gegebenfalls die optische Lesbar- diagramm repräsen- keit des graphischen Modells erschwert (vergleiche Abbildun- tiert als Zustandsau- gen 1 und 3). Andererseits repräsentiert im zweiten Ansatz der tomat Rollenautomat ausschließlich semantisch klar definierte Rol- len und Übergänge, was im ersten Ansatz eventuell durch fortschrittsabhängige Pseudo- Rollen modelliert werden muss, falls die Lernhistorie berücksichtigt werden soll. Dies zeigt sich klar im Vergleich der Abbildungen 4 und 2, in dem der zweite Ansatz we- sentlich klarer die notwendigen Rollen darstellt. Explizite Gruppenmodellierung: Gruppen sind in den zwei Modellen implizit über kollaborative Aktivitäten berücksichtigt. Zur expliziten Gruppenmodellierung bieten die zwei Modellierungsansätze zwei Möglichkeiten. Zum einen lassen sich Gruppen durch verschiedene Prozessinstanzen repräsentieren. Hier fehlen allerdings noch Kon- zepte zur Modellierung von Abhängigkeiten zwischen Prozessinstanzen um dynami- sche Gruppenumformierungen darstellen zu können. Andererseits lassen sich Gruppen auch analog zu Rollen explizit in den Zustandsdiagrammen der Akteure modellieren. Bei Gruppen ist es aber im Gegensatz zu Rollen wichtig die Gesamtgruppendynamik darzustellen, welche sich dann nur implizit über die Gruppenzugehörigkeiten der ein- zelnen Akteure ergibt. Daher wären hier Erweiterungen der Modellierungsansätze inter- essant, welche zu jedem Zeitpunkt explizit die Lerngruppen darstellen, z.B. geeignete Gruppierungen der Zustandsdiagramme im Akteurspool. 3 Collaboration Flow Mining In diesem Kapitel zeigen wir einen Ansatz zum Auffinden eines Lernprozessmodells der ersten Form aus Protokollinformationen, d.h. es soll ein Lernprozessmodell erzeugt werden, welches entweder das aufgezeichnete (dem Dozenten evtl. unbekannte) Lern- verhalten der Schüler oder durch entsprechendes Filtern auch das erwünschte Lern- verhalten der Schüler wiedergibt. Wenn ein Akteur unterstützt von einem Informati- onssystem eine Aktivität ausführt, entstehen Ereignisse und durch Aufzeichnung der Ereignisse Protokollinstanzen. Jede Aufzeichnung eines Ereignisses soll Informationen über den zugehörigen Prozess, die zugehörige Prozessinstanz, den Name der Aktivität, den Zeitpunkt ihrer Ausführung und die ausführenden Akteure (mehrere bei kollabo- rativen Aktivitäten – u.U. müssen diese noch aus mehreren Ereignissen mit dem sel- ben Zeitstempel zusammengesetzt werden) enthalten. Die Ereignisse werden erst nach Prozess und Prozessinstanz und innerhalb einer Prozessinstanz in der Reihenfolge ih- res Ausführungszeitpunktes geordnet. Damit ergibt sich für jede Prozessinstanz eine Folge von Aktivitäten mit zugeordneten Akteuren. Diese Abläufe lassen sich als Aus- gangspunkt für verschiedene Mining Algorithmen verwenden, um Prozessmodelle zu erzeugen. Derart erzeugte Prozessmodelle können zur Verifikation, Analyse oder zur Steuerung des operationalen Prozesses durch ein Informationssystem benutzt werden. Das Tool Freestyler zeichnet die Aktivitäten der Schüler als Ereignisse auf. Abbil- dung 5 zeigt einen Auszug aus einem Beispielprotokoll von Freestyler für den betrach- teten Lernprozess. Darunter zeigt Abbildung 5 einen sich aus dem Beispielprotokoll ergebenden Ablauf von Aktivitäten mit zugeordneten Akteuren. Der Dozent hat die Möglichkeit die Menge der Lernabläufe zu filtern, indem er nach gewissen Kriterien (z.B. nachträglich gemessener Lernerfolg) unerwünschte Lernabläufe entfernt und spe- ziell erwünschte Lernabläufe zusätzlich vorgibt. In diesem Fall wird dann durch mining ein Modell für einen erwünschten Lernprozess erzeugt, während ohne Filterung durch den Dozenten ein Modell für den tatsächlich von den Schülern durchgeführten Lern- prozess generiert wird. Protokoll-Datei Prozess Prozessinstanz Aktion Schüler Zeit Photosynthese Gruppe A Einführung Andi, Basti, Robin 10:03:12 Photosynthese Gruppe A Fragestellung Robin 10:06:43 Photosynthese Gruppe B Einführung Bert, Caro, Hans 10:07:33 ... ... ... ... ... Lernabläufe Gruppe A (Einführung; Andi,Basti,Robin), (Fragestellung; Robin), (Planung; Andi,Basti), (Modellierung; Andi,Basti), (Hypothese; Andi,Basti,Robin), (Experiment1; Andi), (Experiment2; Robin), (Daten; Basti), (Analyse; Andi,Basti,Robin), (Präsentation; Andi,Robin) ... Projektion der Lernabläufe auf einzelne Schüler Einführung, Planung, Modellierung, Hypothese, Experiment1, Analyse, Präsentation Einführung, Planung, Modellierung, Hypothese, Daten, Analyse Einführung, Fragestellung, Hypothese, Experiment2, Analyse, Präsentation ... Lernabläufe für Rollenannotationen Gruppe A (Einführung; -,-,-), (Fragestellung; Ei), (Planung; Ei,Ei), (Modellierung; EiPl,EiPl), (Hypothese; EiPlMo,EiPlMo,EiFr), (Experiment1; EiPlMoHy), (Experiment2; EiFrHy), (Daten; EiPlMoHy), (Analyse; EiPlMoHyE1,EiPlMoHyDa,EiFrHyE2), (Präsentation; EiPlMoHyE1An,EiFrHyE2An) ... Abbildung 5. Beispielprotokoll. Wir nehmen im Folgenden ein vollständiges Protokoll für den im letzten Kapitel modellierten Lernprozess an, d.h. wir betrachten die Menge aller bzgl. dieses Lern- prozesses möglichen Lernabläufe. Vernachlässigt man in dieser Menge von Lerna- bläufen die Akteure, so lässt sich aus der resultierenden Menge von Aktivitätsfolgen mit bekannten mining-Verfahren [1, 4] automatisch ein Modell für den Kontrollfluss des Lernprozesses erzeugen. Beispielsweise erzeugt ein in VipTool implementiertes mining-Verfahren das in Abbildung 1 gezeigte Petrinetzmodell noch ohne Rollenan- notationen. Um nun zusätzlich Rollenannotationen und ein Zustandsdiagramm für die dynamischen Rollen der Schüler zu generieren schlagen wir im Weiteren ein spezielles mining-Verfahren vor. Zuerst betrachten wir für jeden Lernablauf und jeden an dem Ablauf beteiligten Schüler die Folge von Aktivitäten, die der Schüler in dem Ablauf durchführt. Abbil- dung 5 illustriert diese Projektionen der Lernabläufe auf die Lernenden für den be- trachteten Ablauf. All diese Folgen von Aktivitäten werden nun in einem determini- stischen Zustandsdiagramm in Baumform zusammengefasst. Die Zustände sind dann durch die in der Vergangenheit durchgeführten Aktivitäten eindeutig bestimmt und wer- den entsprechend benannt. Für unser vollständiges Protokoll ergibt sich das Diagramm in Abbildung 6, welches schon ein erstes Rollenmodell darstellt. Jede Rolle ergibt sich also durch die in einer bestimmten Reihenfolge bisher durchgeführten Aktivitäten. Um diese Rollen konsistent als Beschriftungen im Petrinetz zu verwenden, muss in jedem Lernablauf jeder Akteursname durch die Rolle, die den Aktivitäten entspricht, welche der Akteur in der Vergangenheit der betrachteten Aktivität in dem Ablauf durchgeführt hat, ersetzt werden (siehe Abbildung 5 unten). Die Rollenbeschriftung einer Aktivität im Petrinetz ergibt sich nun aus allen Rollen bzw. bei kollaborativen Aktivitäten Rol- lenkombinationen, die in irgendeinem Lernablauf zusammen mit der Aktivität vorkom- men. An Pr EiPlHyE1 EiPlHyE1An EiPlHyE1AnPr E1 E2 An Pr EiPlHy EiPlHyE2 EiPlHyE2An EiPlHyE2AnPr Hy Da An Pr EiPlHyDa EiPlHyDaAn EiPlHyDaAnPr Pl EiPl An Pr E1 EiPlMoHyE1 EiPlMoHyE1An EiPlMoHyE1AnPr Ei Hy - Ei Mo EiPlMo EiPlMoHy E2 An Pr EiPlMoHyE2 EiPlMoHyE2An EiPlMoHyE2AnPr Da Fr An Pr EiPlMoHyDa EiPlMoHyDaAn EiPlMoHyDaAnPr EiFr An Pr EiFrHyE1 EiFrHyE1An EiFrHyE1AnPr Hy E1 E2 An Pr EiFrHy EiFrHyE2 EiFrHyE2An EiFrHyE2AnPr Da An Pr EiFrHyDa EiFrHyDaAn EiFrHyDaAnPr Abbildung 6. Rollendiagramm mit feinster Granularität. Für den betrachteten Modellierungsansatz lässt sich zeigen, dass aus einer vollständi- gen Ablaufmenge eines Modells mit diesem mining-Verfahren immer ein verhaltens- äquivalentes Modell erzeugt wird. Insbesondere ist das aus dem Beispiel generierte Modell äquivalent zu dem Lernprozessmodell aus Abbildung 1. Allerdings entsteht hier eine sehr feine Rollenaufteilung, die auf der vollständigen Aktivitätshistorie eines Ak- teurs basiert. Im Weiteren ist nun das Ziel das Rollenmodell zu vereinfachen, indem bestimm- te Rollen zusammengefasst werden. Hierzu haben wir die folgenden Vereinfachungs- regeln für Rollendiagramme entwickelt. Die Petrinetzbeschriftungen müssen jeweils konsistent abgeändert werden. – Rollenübergänge, durch Aktionen an denen alle in einer Prozessinstanz vorkom- menden Akteure beteiligt sind, können weggelassen werden. – Rollen, die dieselben Folgerollen (bzw. keine Folgerollen) mit denselben Über- gangsaktivitäten haben (ersichtlich aus Abbildung 6), können zusammengefasst werden, falls sie für jede ausgehende Aktivität in der Gesamtheit der Lernabläufe genau mit denselben Rollen zusammen vorkommen (ersichtlich aus Abbildung 5 unten). Dabei dürfen Übergänge zwischen den zu verschmelzenden Rollen ver- nachlässigt werden. – Als letzte Reduktion können einmalig Rollen ohne Ausgänge entfernt werden. Aus Platzgründen können wir diese Regeln hier nicht näher erläutern und illustrie- ren. Es lässt sich zeigen, dass diese Regeln unter der Vollständigkeitsannahme des Pro- tokolls wieder zu einem äquivalenten Modell führen. In unserem Beispiel ergibt sich ein Rollendiagramm, welches isomorph zu dem in Abbildung 2 ist. Damit lässt sich bis auf die Rollennamen, welche in einem Protokoll aber auch nicht auftauchen, das ur- sprüngliche Lernprozessmodell aus einem vollständigen Protokoll reproduzieren. Die Rollennamen müssten daher nachträglich vom Dozenten vergeben werden. Typischerweise muss davon ausgegangen werden, dass nicht alle möglichen Abläufe eines Prozesses aufgezeichnet werden und damit Protokolle unvollständig sind. Für sol- che Protokolle sind Anpassungen der mining-Verfahren nötig. Hier sind Heuristiken interessant um auf im Protokoll fehlende “Abläufe zu schließen und diese in das Pro- ” zessmodell zu integrieren. Für die Kontrollflussperspektive wurden hierzu im Bereich des process mining etliche Verfahren vorgeschlagen. Die Rollendiagramme betreffend sehen wir Möglichkeiten zur Anwendung von Verfahren der strukturellen Äquivalenz und der verallgemeinerten Blockmodellierung. Literatur 1. Bergenthum, R., Desel, J., Harrer, A., Mauser, S.: Learnflow mining. In: DeLFI, LNI 132, GI (2008) 269–280 2. Aalst, W., Hee, K.: Workflow Management: Models, Methods, and Systems. MIT Press (2002) 3. Aalst, W., Moldt, D., Wienberg, F., Valk, R.: Enacting interorganizational workflows using nets in nets. In: Workflow Management Conference. (1999) 117–136 4. Aalst, W.: Finding Structure in Unstructured Processes: The Case for Process Mining. In: ACSD 2007, IEEE (2007) 3–12 5. Song, M., Aalst, W.: Towards comprehensive support for organizational mining. 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