Business-Intelligence-Ansatz zur Verbesserung von Geschäftsprozessen Markus Linden Universität Duisburg-Essen, Campus Duisburg Mercator School of Management - Fakultät für Betriebswirtschaftslehre Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Operations Research Lotharstraße 63, 47057 Duisburg Abstract Aufgrund einer abnehmenden Stabilität sowie einer sinkenden Lebensdauer von Ge- schäftsprozessen kristallisiert sich die Relevanz für eine IT-Unterstützung bei der Gestal- tung von betrieblichen Prozessen heraus. Zur Analyse und Verbesserung von Geschäfts- prozessen können Business-Intelligence-Technologien eingesetzt werden. In der letzten Dekade sind in diesem Bereich auf internationalen Konferenzen verschiedene Ansätze unter dem Begriff ´Business Process Intelligence´ veröffentlicht worden. Diese Ansätze aus Wissenschaft und Praxis werden in dem vorliegenden Beitrag evaluiert und anhand ihrer Merkmale voneinander abgegrenzt. Die daraus resultierende Klassifikation wird mit einem morphologischen Kasten dargestellt, der als Grundlage für eine allgemeingül- tige Definition von Business Process Intelligence und als Ausgangspunkt für die weiteren Forschungsaktivitäten dienen soll. 1 Ausgangssituation und Problemstellung In der aktuellen Forschungslandschaft der Wirtschaftsinformatik ist zu beobachten, dass die Themenfelder Business Intelligence und Geschäftsprozessmanagement miteinander verschmelzen. Vordergründig zielen seit Mitte des letzten Jahrzehnts die wissenschaftli- chen Aktivitäten auf die Darstellung der Entscheidungsunterstützung bei der Steuerung von Geschäftsprozessen ab, die unter dem Begriff Operational Business Intelligence ge- führt werden. An der Schnittstelle des Zusammentreffens beider Arbeitsfelder geht es jedoch nicht nur um die Steuerung von Geschäftsprozessen, sondern auch um die Berück- sichtigung der strategischen Faktoren (bspw. externe Einflüsse) sowie um die Analyse von existierenden Prozessen im Sinne von Process Mining bzw. Business Process 34 Markus Linden Intelligence. Die hier angeführten Konzepte werden im späteren Verlauf intensiver auf- gegriffen. Die Problemstellung im Rahmen der Untersuchung liegt in der Analyse von Prozessland- schaften auf Basis der Unternehmensstrategie. Um interne und externe Parameter einzu- beziehen und abzubilden, müssen Prozessmodelle mit Hilfe von Kennzahlen und Kenn- zahlensystemen entwickelt werden. Als Bezugsrahmen liegt das ARIS – House of Busi- ness Engineering (Scheer, 1996) zugrunde, sodass das Hauptaugenmerk der Untersu- chung auf Konzepte wie das Business Process Reengineering, Continous Process Improvement sowie Analyse- und Simulationsszenarien mit Business Intelligence gelegt wird. 2 Zielsetzung und Vorgehensweise des Forschungsvorha- bens Ziel des Forschungsvorhabens ist es, ein IT-basiertes Konzept zur Analyse und zum De- sign von Geschäftsprozessen zu entwickeln. Zu Beginn werden die begrifflichen und theoretischen Grundlagen aufbereitet. Zur theoretischen Basis gehören im Einzelnen die Darstellung der Phasen des Geschäftsprozessmanagements sowie der Architektur eines Business-Intelligence-Systems. Im Anschluss werden eine Systematisierung und eine Einordnung von aktuellen Forschungsansätzen erarbeitet, um die Verbindung zwischen den Themenbereichen herzustellen. Ein Auszug dieser Systematisierung wird in diesem Beitrag aufgezeigt. Das wissenschaftstheoretische Vorgehen beruht auf dem Paradigma des Konstruktivismus. Als Methode liegt die argumentativ-deduktive Analyse zugrunde. 3 Aktueller Forschungsstand von prozessorientierter Busi- ness Intelligence Der Begriff Operational Business Intelligence (OpBI) lässt sich im Kontext dieser Aus- führungen, konträr zu BUCHER und DINTER (2008), mit prozessorientierter Business Intelligence gleichsetzen. OpBI fokussiert sich auf die Analyse von Geschäftsprozessen und deren Verknüpfung mit weiteren Informationen, um einer großen Anzahl von An- wendern aus den Ergebnissen kurzfristig und automatisiert Handlungsvorschläge zur Verfügung zu stellen, die eine verbesserte Steuerung der Geschäftsprozesse ermöglichen. Ergänzend hierzu stellt BLASUM (2006) heraus, dass es sich bei OpBI um eine Sammlung von Methoden handelt, die auf das Steuern und Optimieren der Kernprozesse eines Un- ternehmens abzielen. OpBI versucht insbesondere, den operativen Prozess während des Ablaufes zu verbessern (Blasum, 2006; Eckerson, 2007). In diesem Zusammenhang kon- Business-Intelligence-Ansatz zur Verbesserung von Geschäftsprozessen 35 statiert ECKERSON (2007) die Verschmelzung von operativen und analytischen Prozessen zu einem einheitlichen Ganzen. Nahezu zeitgleich mit dem Begriff OpBI kam im Jahr 2003 erstmals der Terminus Busi- ness Process Intelligence (BPI) auf, der bislang keiner scharfen Abgrenzung unterzogen wurde. In der nachfolgenden Tabelle 1 werden ausgewählte Definitionen von Business Process Intelligence aufgeführt. GENRICH, KOKKONEN, BPI builds on techniques such as data mining and statistical analysis that MOORMANN et al. (2008) were developed or inspired by business intelligence techniques and adapts them to the requirements of business process management. HOSNY (2009) BPI refers to the application of various measurements and analysis tech- niques in the area of business process management. The goal of BPI is to provide a better understanding and a more appropriate support of a com- pany´s processes at design time and the way they are handled at runtime. INGVALDSEN und GULLA INGVALDSEN and GULLA present the need to combine data from external (2006) sources, such as the department and employee involved in a process with actual process logs to achieve better knowledge discovery results. ROWE (2007) The business process intelligence derived from this analysis can then be used to optimize different elements of the predictive enterprise and enable all components to react to changes in the external business environment. VANTHIENEN, MARTENS, Business Process Intelligence (BPI) is a concept that can be described as GOEDERTIER et al. (2008) the application of Business Intelligence (BI) techniques (such as perform- ance management, OLAP analysis, data mining, etc.) in BPM in order to understand and improve the company´s processes. Tabelle 1: Ausgewählte Definitionen von Business Process Intelligence Neben den angeführten Definitionen existieren weitere Perspektiven auf das Gebiet Busi- ness Process Intelligence in der Literatur. Unabhängig von der eingesetzten Technologie besteht beispielsweise nach Auffassung von CASTELLANOS und WEIJTERS (2006) das Ziel von BPI in der Verbesserung der durchzuführenden Prozesse, die sich auf die Aspek- te Prozessidentifikation, Prozessanalyse und Prozesssimulation konzentrieren. Nach KANNAN (2008) stellt BPI ein objektives Maß verschiedener Aktivitäten innerhalb des Unternehmens dar, das Aufschluss über die aktuelle Leistung, die Engpässe und rei- bungslose Geschäftsprozesse gibt. GRIGORI, CASATI und CASTELLANOS et al. (2004) führen unter dem Begriff BPI eine Auswahl integrierter Werkzeuge an, die Fach- und IT- Kräfte bei der Steuerung der Prozessqualität unterstützen und dabei funktionell die Berei- 36 Markus Linden che Analyse, Vorhersage, Überwachung, Kontrolle und Verbesserung der Geschäftspro- zesse umfassen. 4 Einordnung und Systematisierung von Business Process Intelligence Zur Einordnung und Systematisierung der vorangestellten Definitionen wird ein morpho- logischer Kasten genutzt, dessen Ausprägungen nachfolgend in Abbildung 1 dargestellt werden. Der wesentliche Unterschied nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis zwi- schen OpBI und BPI ist, dass bei OpBI eine Entscheidungsunterstützung bei der Prozess- steuerung im Vordergrund steht, während BPI darauf abzielt, eine Entscheidungsunter- stützung bei der Prozessgestaltung zu ermöglichen. Vor diesem Hintergrund fokussiert BPI das Prozessdesign sowie das Prozessredesign mit einer rein fachlichen Ausrichtung. Merkmale Ausprägung Fokus Prozessdesign Prozessredesign Prozesssteuerung Ausrichtung Fachlich Technisch Managementebene Operativ Taktisch Strategisch Datenebene Instanzebene Modellebene Metamodellebene Meta-Meta-Modellebene Prozessphase Identifikation/Definition/ Implementierung/ Überwachung/ Weiterentwicklung Modellierung Ausführung Steuerung Prozessart Betriebswirtschaftlich Technisch Zeitbezug Echtzeit Historisch Nutzerkreis Gering Mittel Groß Business Activity Serviceorientierte Complex Event Technologie Process Warehouse Monitoring Architektur Processing Informationsherkunft Interne Quellen Externe Quellen Informationsart Unstrukturierte Daten Strukturierte Daten Prozesstyp Unterstützungsprozess Geschäftsprozess Managementprozess Nicht automatisierbare Teilautomatisierbare Prozessausführung Automatisierbare Prozesse Prozesse Prozesse Prozessstruktur Unstrukturierte Prozesse Strukturierte Prozesse Entscheidungsintensität Gering Mittel Hoch Abbildung 1: Systematisierung von Business Process Intelligence (Felden, Chamoni und Linden, 2010) Die taktische und strategische Managementebene sind hierbei die Adressaten der Prozess- informationen, da diese Informationen Frühindikatoren für die Wertschöpfung eines Un- ternehmens und eine notwendige Ergänzung der periodischen Betrachtung von Ge- schäftszahlen darstellen. Entsprechend der Adressaten verhält sich der Nutzerkreis rigide und klein, insbesondere im Vergleich zu einer operativen Prozesssteuerung. Vor diesem Business-Intelligence-Ansatz zur Verbesserung von Geschäftsprozessen 37 Hintergrund bewegt sich BPI auf einer Modellebene und stützt sich ebenso wie die klassi- sche Business Intelligence auf die Betrachtung von historischen Daten. Das Process Warehouse spielt beim BPI-Ansatz eine entscheidende Rolle, weil hier u.a. Process Logs vorgehalten werden, auf die die genannten Analysen aufsetzen. Dabei wer- den dem Process Warehouse sowohl strukturierte als auch unstrukturierte Daten aus in- ternen sowie aus externen Datenquellen zugeführt. In diesem Kontext kann einerseits der Einsatz von Process-Mining-Verfahren erfolgen, die sich auf die Identifikation von Pro- zessstrukturen konzentrieren und anderseits können Analysen und Simulationen durchge- führt werden, die eine kontinuierliche Verbesserung und Weiterentwicklung der Prozess- landschaften im Fokus haben. Auf Basis dieser Systematisierung sowie der vorangestellten Abgrenzungen in der wis- senschaftlichen Literatur lässt sich die nachfolgende Definition ableiten, die im weiteren Verlauf des Forschungsvorhabens ihre Anwendung findet: Business Process Intelligence (BPI) ist der analytische Prozess zur Identifikation, Defini- tion, Modellierung und Verbesserung von wertschöpfenden Geschäftsprozessen zur Un- terstützung des taktischen und strategischen Managements. 5 Zusammenfassung und Fazit Der Beitrag stellt die Rahmenbedingungen und Einsatzmöglichkeiten von Business Pro- cess Intelligence vor. Die Zielsetzung von BPI muss darin bestehen, die analysierenden Aktivitäten und die Anpassung der Geschäftsprozesse zu begleiten. Neben der begriffli- chen Fixierung von BPI wird in diesem Beitrag eine Systematisierung eingeführt, die der Formulierung weiterer Forschungsaktivitäten dient. Das abschließende Ergebnis des Forschungsvorhabens wird ein konzeptioneller Ansatz zur Gestaltung von Geschäftsprozessen sein, der einen Unterstützungsrahmen für eine Prozessbetrachtung auf strategischer und taktischer Ebene darstellen soll. Mit diesem Konzept sollen betriebliche Abläufe analysiert und eine bessere Informationsversorgung für den Prozessverantwortlichen zur Vorbereitung des Business Process Reengineering hergestellt werden. 6 Literatur Blasum, R. (2006). Operational BI. Whitepaper BusinessCoDe. URL: http://www.business-code.de/cms/uploads/media/BCD_Operational_BI_01.pdf. Bucher, T., Dinter, B. (2008). Anwendungsfälle der Nutzung analytischer Informa- tionen im operativen Kontext. 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