Vesselness-geführte Level-Set Segmentierung von zerebralen Gefäßen Nils D. Forkert1 , Alexander Schmidt-Richberg2 , Jan Ehrhardt2 , Jens Fiehler3 , Heinz Handels2 , Dennis Säring1 1 Institut für Medizinische Informatik, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, 2 Institut für Medizinische Informatik, Universität zu Lübeck, 3 Klinik und Poliklinik für Neuroradiologische Diagnostik und Intervention,Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf n.forkert@uke.uni-hamburg.de Kurzfassung. Die Extraktion von zerebralen Gefäßstrukturen ist trotz hoher Forschungsaktivität in diesem Bereich noch immer eine große Her- ausforderung. Insbesondere die in ihrem Verlauf immer dünner werden- den Gefäße, welche sich durch abnehmende Kontraste darstellen, sind ein Problem für Segmentierungsmethoden. In diesem Beitrag wird ei- ne Level-Set Methode vorgestellt, welche unter Zuhilfenahme der Rich- tungsinformation aus dem Vesselnessfilter eine verbesserte Gefäßsegmen- tierung erlaubt. Die von einem Vesselnessfilter berechnete Richtung eines Gefäßes wird hierbei verwendet, um das Gewicht der für die Glättung zuständigen internen Energie der Level-Set Funktion ortsabhängig zu variieren. Die Idee hierbei ist es, die interne Energie niedriger zu gewich- ten, falls der Gradient des Level-Sets ähnlich der vorgegebenen Richtung des Vesselness Filters ist. Eine erste quantitative Evaluation basierend auf drei 3D-TOF-MRA-Bildsequenzen mit vorhandenen manuellen Seg- mentierungen zeigte, dass die Vesselness geführte Gefäßsegmentierung in der Lage ist Gefäße, insbesondere kleine, besser zu detektieren als die korrespondierende Methode ohne Integration der Richtungsinforma- tion. Zusammenfassend zeigen die ersten Ergebnisse, dass die vorgestellte Methode einen vielversprechenden Ansatz darstellt, um eine verbesserte Gefäßsegmentierung, insbesondere die von kleinen Gefäßen, zu erlauben. 1 Einleitung Die Segmentierung der zerebralen Blutgefäße in hochauflösenden 3D-Bildfolgen wird für eine Vielzahl von klinischen Anwendungen, wie zum Beispiel Operati- onsplanungen und Blutflusssimulationen, benötigt. Zur Segmentierung von Ge- fäßstrukturen aus unterschiedlichsten Bildsequenzen wurde in der Vergangenheit eine Vielzahl an Methoden vorgestellt. Intensitätsbasierte Ansätze, wie z.B. [1, 2], führen, hervorgerufen durch die verringerten Kontraste und Partialvolumeneffek- te, meistens zu einer ungenügenden Detektion von kleinen, dünnen Gefäßstruktu- ren. Topologie-basierte Ansätze, wie zum Beispiel Vesselness-Filter [3], erlauben zwar eine verbesserte Hervorhebung von kleinen Gefäßen, weisen jedoch Proble- me bei der Segmentierung von Gefäßstrukturen auf, welche sich nicht durch eine Vesselness-geführte Level-Set-Segmentierung 9 typische Gefäßform, wie z.B. der Fall bei Aneurysmen, darstellen. Neben der verbesserten Hervorhebung von kleinen Gefäßen bieten Vesselnessfilter den Vor- teil, dass durch die berechnete Hesse-Matrix auch die Hauptrichtung der Gefäße für jedes Voxel bestimmt werden kann. Level-Set Methoden gelten allgemein als mächtig und vergleichbar schnell und es wurden bereits einige Ansätze zur Gefäß- segmentierung vorgestellt (z.B. [4]). Ein Problem hierbei stellt jedoch die Wahl des Gewichts der inneren Energie dar. So verhindert eine starke Krümmung der Gefäße die Ausbreitung der Level-Sets in kleine Gefäße, wenn das Gewicht der internen Energie zu hoch gewählt wurde. Demgegenüber führt ein zu gering ge- wähltes Gewicht zu einer falschen Entwicklung der Level-Sets in nicht-vaskuläre Gewebe. Ziel dieser Arbeit ist es eine Level-Set Methode vorzustellen, bei der die Richtungsinformation dazu verwendet wird, das Gewicht der internen Energie adaptiv anzupassen. Dieses Vorgehen basiert auf der Annahme, dass es so mög- lich ist, Gefäße besser zu detektieren als bei einer festen Definition des Gewichts der internen Energie. 2 Methoden 2.1 Vesselness-Richtungsinformation Um das interne Gewicht der Level-Set Segmentierung adaptiv auf Basis der vor- gegeben Hauptrichtung der Gefäße variieren zu können, ist es zunächst notwen- dig diese Information voxelweise zu bestimmen. In dieser Arbeit wurde hierzu der Vesselness-Filter von Sato et al. [3] verwendet. Hierbei werden die Eigenwerte der Hesse-Matrix   Ixx Ixy Ixz   H =  Iyx Iyy Iyz  (1) Izx Izy Izz analysiert, wobei Ixx , Ixy , . . . die zweiten partiellen Ableitungen des Bildes I(x) mit x = (x, y, z) und Ω ⊂ R3 darstellen. Die Eigenwerte von H seien definiert mit λ1 , λ2 und λ3 (λ1 > λ2 > λ3 ) mit den korrespondierenden Eigenvektoren e1 , e2 und e3 . Der Eigenvektor e1 repräsentiert somit die Richtung, bei der die zweite partielle Ableitung ihr Maximum erreicht (Abb. 1 links). Diese Richtungsinfor- mation wird im Folgenden für die adaptive Anpassung des Gewichts der internen Energie der Level-Set-Methode verwendet. 2.2 Vesselness-geführte Level-Set-Segmentierung Um die zerebralen Gefäße aus einer 3D-Bildsequenz zu extrahieren, wurde in dieser Arbeit ein variationeller Level-Set Ansatz verwendet. Aus mathematischer Sicht wird hierbei die Oberfläche eines Objektes implizit als zero-level Kurve der Level-Set Funktion ϕ : Ω 7→ R (Zero-Level-Set) beschrieben. Das optimale Level- Set wird durch Minimierung des Energiefunktionals J [ϕ] := E[F ; ϕ] + ω ϕ · I[ϕ] (2) 10 Forkert et al. bestimmt, wobei F (x) die zugrundeliegende 3D-Bildsequenz ist. Dieses Funktio- nal besteht aus zwei Termen, die die interne bzw. externe Energie repräsentieren. Der Regionen-basierte äußere Energieterm ist dabei definiert als ∫ E[F ; ϕ] := (1 − H(ϕ(x)) pin (F (x))) + H(ϕ(x) pout (F (x)) dx (3) Ω Diese Formulierung erlaubt es, a-priori Wissen über die Intensitätsverteilung innerhalb pin und außerhalb pout der Gefäße einzubeziehen. Basierend auf einer initialen Segmentierung und dem zugrundeliegenden Datensatz, können diese Verteilungen mittels einer Parzen-Window-Strategie [5] abgeschätzt werden. Die interne Energie ist definiert durch ∫ I[ϕ] = ∥∇H(ϕ(x)) dx∥ (4) Ω wobei H die Heavyside-Funktion darstellt, welche dazu verwendet wird, das In- nere und Äußere des Objektes zu beschreiben. Die Funktion ω ϕ : Ω 7→ [0, c] wird verwendet um das Gewicht der internen Energie lokal, basierend auf den Winkel α zwischen e1 und ∇ϕ, zu varieren und ist durch ( ) e1 (x) · ∇ϕ(x) ω ϕ (x) := c · 1 − cos2 (α(x)) with cos(α(x)) = (5) λ1 (x) · ∥∇ϕ(x)∥ definiert. Der Parameter c kontrolliert dabei die Glättung der Segmentierung, wobei dessen Einfluss durch den zweiten Term gewichtet wird. Wenn α nahe 0 oder π ist (Abb. 1 rechts: (1)), konvergiert das Gewicht ω ϕ gegen 0 und es wird keine Glättung angewendet, was der Segmentierung erlaubt sich in kleine Gefäße zu entwickeln. Wenn die Vektoren jedoch nahezu orthogonal zueinander stehen (Abb. 1 rechts: (2)), wird ω ϕ gleich zu c und die Segmentierung wird ganz normal geglättet. Zur Lösung von (2) wird vereinfachend die Abhängigkeit des Gewichts ω ϕ von ϕ vernachlässigt. Abb. 1. Schicht eines 3D-TOF-MRA-Datensatz mit Vesselness-Eigenvektoren (links) und Illustration der richtungsabhängigen Glättung (rechts). Vesselness-geführte Level-Set-Segmentierung 11 Tabelle 1. Quantitative Ergebnisse der Evaluation der vorgestellten Methode mittels Tanimoto-Koeffizienten T (A, B). Datensatz initial standard LS Vesselness-geführte LS #1 0,629 0,605 0,764 #2 0,739 0,738 0,834 #3 0,743 0,731 0,756 ⊘ 0,704 0,691 0,785 2.3 Material und Experimente Zur ersten Evaluation der vorgestellten Methode wurden drei Time-of-Flight (TOF) MRA-Bildsequenzen verwendet. Die Datensätze wurden ohne Verwen- dung von Kontrastmitteln mit einem 1,5T Siemens MAGNETOM Sonata Scan- ner aufgenommen. Jeder Datensatz besteht aus 132 Schichten mit einer Orts- auflösung von 0, 41 × 0, 41 × 0, 8 mm3 . Manuelle Segmentierungen des zerebra- len Gefäßsystems von medizinischen Experten standen für alle Datensätze zur Verfügung und wurden als Goldstandard verwendet. Die manuellen Segmentie- rungen wurden dabei mittels Volume-Growing und manueller Korrektur in den orthogonalen Sichten erstellt. Zur Initialisierung der Gefäßsegmentierung für die Level-Set Methode wurde ein aktueller Gefäßsegmentierungsansatz [6] verwen- det, für den in früheren Arbeiten eine ausreichende Segmentierungsgüte nach- gewiesen wurde. Die Gefäßstrukturen wurden mit der vorgestellten Vesselness- geführten Level-Set Methode segmentiert und zusätzlich mit dem selben Ansatz, jedoch ohne Adaptierung des Gewichts der internen Energie. Zur Evaluation der Güte der Segmentierungsergebnisse wurden diese mit dem korrespondierenden ∩ Goldstandard unter Verwendung des Tanimoto-Koeffizienten T (A, B) = |A ∪ B| |A B| verglichen, wobei Werte nahe 1 auf eine gute Übereinstimmung hindeuten. 3 Ergebnisse Tabelle 1 zeigt die Resultate der quantitativen Evaluation der vorgestellten Me- thode. Die Ergebnisse zeigen, dass die Level-Set Methode ohne Integration der lokal adaptiven Gewichtung der internen Energie zu keiner Verbesserung der in- itialen Segmentierung führen, sondern tendenziell sogar eine geringe Verschlech- terung der quantitativen Ergebnisse zu erkennen ist. Die visuelle Beurteilung der Segmentierungsergebnisse zeigte, dass zwar Übersegmentierung, hervorgerufen durch Rauschartefakte, verringert werden, dass es jedoch auch zu Eliminierung der Segmentierung von kleinen Gefäßen kommt (Abb. 2). Demgegenüber zeigen die quantitativen Ergebnisse, dass die vorgestellte Vesselness-geführte Level-Set Segmentierung zu einer verbesserten Evolution der Segmentierung in kleine Ge- fäße führt, so dass im Mittel eine quantitative Verbesserung der initialen Seg- mentierung um 0,081 (Tanimoto-Koeffizient) erreicht wird. 12 Forkert et al. Abb. 2. Ausgewählte Schicht eines 3D-TOF-MRA-Datensatzes: Initiale Segmentierung mit Rauschartefakten (links), standard Level-Set Segmentierung mit glättungsbeding- ten Verlust von Gefäßstrukturen (Mitte) und Vesselness-geführte Level-Set Segmentie- rung (rechts). 4 Diskussion Die ersten quantitativen und visuellen Ergebnisse zeigen, dass die vorgestellte Methode durch die adaptive Veränderung des Gewichtes der internen Energie des Level-Sets eine verbesserte Segmentierung von zerebralen Gefäßen ermög- licht. Um diese Ergebnisse zu verifizieren, wird derzeit eine Evaluation, basierend auf weiteren Datensätzen, durchgeführt. Zusätzlich ist ein Vergleich mit ande- ren Methoden zur Gefäßsegmentierung geplant. In diesem Rahmen soll auch untersucht werden, welchen Einfluss die gewählte Initialsegmentierung auf die Ergebnisse des vorgestellten Ansatzes hat. Darüber hinaus soll die vorgestellte Methode auch auf weitere Gefäßstrukturen in anderen Organen angewandt wer- den, um so die generelle Funktionalität zu testen. Zusammenfassend erscheint die vorgestellte Methode aussichtsreich, exakte Segmentierungen, insbesondere von kleinen Gefäße, welche sich durch geringe Kontraste darstellen, zu ermöglichen. Literaturverzeichnis 1. Hassouna MS, Farag AA, Hushek S, et al. Cerebrovascular segmentation from TOF using stochastic models. Med Image Anal. 2006;10(1):2–18. 2. Chapman BE, Stapelton JO, Parker DL. Intracranial vessel segmentation from time-of-flight MRA using pre-processing of the MIP z-buffer. Med Image Anal. 2004;8(2):113–26. 3. Sato Y, Nakajimaothers S, Shiraga N, et al. Three-dimensional multi-scale line filter for segmentation and visualization of curvelinear structures in medical images. Med Image Anal. 1998;2(2):143–68. 4. Lorigo LM, Faugeras OD, Grimson WE, et al. CURVES: Curve evolution for vessel segmentation. Med Image Anal. 2001;5(3):195–206. 5. Parzen E. On estimation of a probability density function and mode. Ann Math Stat. 1962;33(3):1065–76. 6. Forkert ND, Säring D, Wenzel K, et al. Fuzzy-based extraction of vascular structures from time-of-flight MR images. Stud Health Technol Inform. 2009;150:816–20.