=Paper=
{{Paper
|id=None
|storemode=property
|title=Segmentierung von Blutgefäßstrukturen in koloskopischen NBI-Bilddaten
|pdfUrl=https://ceur-ws.org/Vol-715/bvm2011_5.pdf
|volume=Vol-715
}}
==Segmentierung von Blutgefäßstrukturen in koloskopischen NBI-Bilddaten==
Segmentierung von Blutgefäßstrukturen in
koloskopischen NBI-Bilddaten
Sebastian Gross12 , Stephan Palm1 , Alexander Behrens1 ,
Jens J. W. Tischendorf2 , Christian Trautwein2 , Til Aach1
1
Lehrstuhl für Bildverarbeitung, RWTH Aachen University, 52056 Aachen
2
Medizinische Klinik III, Universitätsklinikum Aachen, 52057 Aachen
sebastian.gross@lfb.rwth-aachen.de
Kurzfassung. Bei der ärztlichen Einschätzung von Dickdarmpolypen
kommt das neue Verfahren Narrow Band Imaging zum Einsatz. Hier-
bei wird der Kontrast der charakteristischen Blutgefäße durch Modi-
fikation der Beleuchtung deutlich angehoben, wodurch diese dann als
Entscheidungsgrundlage herangezogen werden können. Aufbauend auf
diesem Verfahren ist eine automatische Segmentierung der Blutgefäße
und Klassifikation der Dickdarmpolypen möglich. In diesem Paper wer-
den Verbesserungen für die Blutgefäßsegmentierung des von Stehle et al.
vorgeschlagenen Verfahrens erläutert und Ergebnisse im Vergleich darge-
stellt. Es zeigt sich, dass sowohl die Qualität der Segmentierung als auch
die Ergebnisse der automatisierten Klassifikation deutlich gesteigert wer-
den konnten.
1 Einleitung
Darmkrebs ist sowohl die zweithäufigste Krebsart als auch die zweithäufigste
Krebstodesursache in Deutschland [1]. Bei ungefähr 36.000 Frauen und 37.000
Männern wird jedes Jahr Darmkrebs neu diagnostiziert. Etwa 28.000 Patienten
sterben pro Jahr an der Erkrankung, wobei sich dies gleichmäßig auf Frauen und
Männer verteilt.
Es konnte gezeigt werden, dass bei entsprechender Vorsorge und rechtzeitiger
Therapie im Frühstadium eine deutliche Steigerung der 5-Jahres-Überlebensrate
erreichbar ist. Hierzu kann die Darmwand während einer endoskopischen Un-
tersuchung (Koloskopie) visuell inspiziert und Polypen entfernt (Polypektomie)
werden. Da allerdings jede Polypektomie Risiken wie z.B. Blutungen oder Rup-
turen der Darmwand mit sich bringt [2], ist es sinnvoll, nur potentiell bösartige
Polypen zu entfernen.
Daher wurde das Narrow Band Imaging (NBI) entwickelt, welches mit Hilfe
von Licht in zwei unterschiedlichen Wellenlängen die Blutgefäßstrukturen auf Po-
lypen deutlich hervorhebt [3]. Anhand dieser Strukturen ist eine Unterscheidung
zwischen Adenomen und Hyperplasten mit einer hohen Genauigkeit möglich [4].
Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde ein Verfahren zur automatischen
Klassifikation von Dickdarmpolypen von Stehle et al. [5] entwickelt. Zuerst wer-
den hierbei in den NBI-Bilddaten durch Reflexionen an der nassen Darmwand
14 Gross et al.
auftretende überbelichtete Stellen im Bildmaterial, sogenannte Glanzlichter, au-
tomatisch maskiert [6]. Nachfolgend wird die Polypenoberfläche im Bild interak-
tiv markiert und die Blutgefäße in dieser Region-Of-Interest (ROI) automatisch
segmentiert. Hierzu schlagen Stehle et al. eine Kombination aus Kovesis Pha-
sensymmetriefilter [7] und Sethians Fast Marching [8] vor. Die Ergebnisse des
Phasensymmetriefilters werden hierbei sowohl dazu genutzt, die Saatpunkte als
auch die Kostenfunktion für das Fast Marching zu generieren. Das Fast Mar-
ching liefert die finale Blutgefäßsegmentierung, auf deren Grundlage Merkmale
für die Klassifikation der Dickdarmpolypen gewonnen werden. Auf einem Daten-
satz aus 289 Polypen, die mit NBI aufgenommen wurden, erreicht das Verfahren
eine Genauigkeit von 78,3 %. Die Sensitivität von 80,1 % macht deutlich, dass
vor allem an der Erkennung von Adenomen noch Verbesserungen nötig sind,
damit keine Adenome im Körper verbleiben. Die Spezifität von 77,2 % zeigt,
dass ein Großteil der Hyperplasten vom System bereits richtig erkannt und zum
Verbleib vorgeschlagen wird. Für einen Einsatz im medizinischen Bereich werden
jedoch eine Sensitiviät und Spezifität von jeweils über 90 % angestrebt.
2 Material und Methoden
Eine Untersuchung der Zwischenergebnisse des Verfahrens zeigt, dass es Ver-
besserungspotenzial bei der Glanzlichtentfernung und Blutgefäßsegmentierung
gibt. Die bereits angesprochenen Glanzlichter entstehen durch die Reflexion von
Licht, dass koaxial zum Blickwinkel des Endoskops in den Darm gesendet wird.
Die Darmwand ist feucht und wirft das Licht teilweise direkt zurück. Diese über-
belichteten Stellen beinhalten keine Information und werden daher entfernt [6].
In Abb. 1(a) ist das so verarbeitete NBI-Bild gezeigt. Es zeigt sich jedoch bei
genauer Betrachtung, dass bei einer einfachen Maskierung der entsprechenden
Bereiche im Ergebnisbild des Phasensymmetriefilters Randeffekte auftreten kön-
nen (Abb. 1(b)). Hier sind mittig sternförmige Störungen sichtbar, die im Er-
gebnis des Phasensymmetriefilters durch die starken Kontraste der Glanzlich-
ter entstehen können. Eine Füllung der ermittelten Bereiche mit dem mittleren
Grauwert der umliegenden Pixel und anschließende Tiefpassfilterung des Glanz-
lichtbereichs schließt die Lücken im Bild und verhindert unerwünschte Effekte
(a) NBI-Bild (b) Stehle et al. (c) Gross et al.
Abb. 1. Vergleich der Segmentierungsergebnisse des dargestellten Polypen (links) mit
dem Verfahren nach Stehle et al. [5] und dem neuen Verfahren.
Segmentierung von Blutgefäßstrukturen 15
bei der Anwendung der nachfolgenden Filterung (Abb. 1(c), rechts). Weiterhin
liefert das Verfahren nach Stehle et al. [5] nicht immer vollständig zufriedenstel-
lende Ergebnisse bei der Blutgefäßsegmentierung. Insbesondere die Nutzung des
Fast Marching von Sethian [8] wirkt sich häufig negativ auf das Ergebnis aus.
Es ist schwer möglich, auf dem stark variierenden Bildmaterial aus der NBI-
Koloskopie ein einheitliches Abbruchkriterium für das Fortschreiten der Front
beim Fast Marching zu definieren. Das Verfahren liefert daher häufig deutlich
unregelmäßige Segmentierungen.
Die Ergebnisse des Phasensymmetriefilters von Kovesi [7], die im Verfahren
von Stehle et al. [5] lediglich als Ausgangspunkt für die Bestimmung der Kosten-
funktion und der Saatpunkte genutzt werden, enthalten zum Einen sehr detail-
lierte Informationen der einzelnen Gefäße, jedoch zum Anderen jedoch auch viel
Rauschen und einige Fehldetektionen. Um die detailierten Informationen besser
zu nutzen und die Probleme zu beseitigen, die aus dem Fast Marching resultie-
ren, wird ein dreistufiger Ansatz eingesetzt, der auf dem Hystereseverfahren von
Canny [9] beruht.
In der ersten Stufe werden sämtliche Strukturen wie bisher markiert, was
Details, feine Verästelungen der Gefäße und Artefakte mit einschließt. Der ge-
nutzte Schwellwert ist in dieser Stufe sehr niedrig, um die feinen Strukturen und
Zusammenhänge zu erhalten (Abb. 2(b)).
In der zweiten Stufe werden durch Anpassung der Parameter von Kove-
sis Phasensymmetriefilter [7] lediglich niederfrequente Gefäßstrukturen markiert
und die Filterergebnisse zusätzlich mit einem hohen Schwellwert gefiltert. Auf
diese Weise werden die kontrastreichen, starken Gefäßteile, welche sich deutlich
von der Polypenoberfläche abheben, erkannt. Durch die gewählten Einstellungen
werden die Gefäßstrukturen allerdings nur unvollständig abgebildet (Abb. 2(b)).
Die Ergebnisse der ersten zwei Stufen sind als Eingangsgrößen den durch
unterschiedlich gewählte Schwellwerte erstellten Ergebnissen beim Canny-Egde-
Detektor [9] sehr ähnlich und können daher idealerweise, wie von Canny vorge-
schlagen, mit Hilfe einer Hystereseoperation kombiniert werden. In der dritten
Stufe werden die niederfrequenten Strukturen aus dem zweiten Ergebnis, ähn-
lich einer Hysterese, mit den angrenzenden Pixeln aus dem ersten Durchlauf
um Detailinformationen ergänzt und vervollständigt, so dass sich geschlossene
Gefäßstrukturen ergeben. Die Ergebnisse sind in Abb. 2(d) abgebildet. Die so
ermittelten Blutgefäße können in den weiteren von Stehle et al. [5] beschriebenen
(a) NBI-Bild (b) Details (c) Strukturen (d) Segmentierung
Abb. 2. Darstellung des dreistufigen Verfahrens zur Segmentierung von Blutgefäßen.
16 Gross et al.
Tabelle 1. Ergebniss Neues Verfahren Stehle et al.
der Klassifikation von
289 Polypen für bei- Klassifikationsrate 83,4% 78,3%
de Verfahren im Ver- Sensitivität 90,4% 80,1%
gleich. Spezifität 73,7% 77,2%
Schritten als Grundlage für die Berechnung der Merkmale zur Klassifikation der
Dickdarmpolypen eingesetzt werden.
3 Ergebnisse
Die Evaluierung wird auf einer Datenbank mit 289 Bilder von Polypen der
diagnostisch relevanten Größe von unter 10 mm, die unter NBI-Beleuchtung
aufgenommen wurden, durchgeführt. Für sämtliche Polypen liegen neben den
Bilddaten auch die Ergebnisse einer histologischen Untersuchung vor, welche als
Goldstandard herangezogen werden. In Abb. 3 werden beispielhaft Segmentie-
rungsergebnisse für zwei Polypen jeweils für das Verfahren von Stehle et al. [5]
und für das vorgeschlagene Verfahren neben dem Originalbild gezeigt. Deutlich
wird hier, dass das neue Verfahren mit den Verbesserungen eine wesentlich de-
tailgetreuere Darstellung der Blutgefäße ermöglicht.
In Tab. 1 sind die Ergebnisse der automatisierten Klassifikation nach Merk-
malsextraktion und Leave-One-Out-Klassifikation mittels Support Vector Ma-
chine (SVM) gelistet. Vier ausgewählte Merkmale der Polypen, die sich auf den
Segmentierungen nach Stehle et al. [5], als charakteristisch erwiesen haben, wur-
den auf Basis der Blutgefäßsegmentierungen der beiden Verfahren berechnet. Es
wird in Tab. 1 deutlich, dass die Klassifikationsgenauigkeit durch die Verbesse-
rungen um mehr als 5% zugenommen hat. Die deutlichste Veränderung ist bei
(a) NBI-Bild (b) Stehle et al. (c) Gross et al.
Abb. 3. Blutgefäßsegmentierungen auf zwei Polypen für beide Verfahren im Vergleich.
Segmentierung von Blutgefäßstrukturen 17
der Sensitivität mit einer Steigerung von über 10% zu verzeichnen. Anzumerken
ist allerdings, dass die Spezifität um 3,5% abgenommen hat.
4 Diskussion
Insgesamt ist die Steigerung der Genauigkeit durch die vorgeschlagenen Schritte
deutlich. Die Abb. 3 zeigt, dass die Blutgefäßstrukturen detailgetreuer darge-
stellt werden mit dem vorgeschlagenen Verfahren, als dies mit dem Algorithmus
von Stehle et al. [5] möglich war. Die Ergebnisse der Klassifikation auf Basis
der segmentierten Gefäßstrukturen auf 289 Polypen in Tab. 1 zeigen, dass die
ermittelten Blutgefäße und die darauf berechneten Merkmale die Polypen bes-
ser beschreiben. Für die Weiterentwicklung des Projektes mit Hinblick auf die
erforderliche Performance im medizinischen Einsatz sind mehrere Ansätze vor-
gesehen. Eine Evaluierung auf Basis einer handsegmentierten Ground Truth, die
dann auch als Maßstab für weitere Verbesserungen dienen kann, sollte erstellt
werden. Weiterhin sind zusätzliche Modifikationen wie z.B. eine Nachfilterung
der segmentierten Strukturen, um fehlerhaft als Blutgefäße erkannte Strukturen
auszuschließen, geplant. Abschließend soll eine klinische Evaluierung durchge-
führt werden.
Literaturverzeichnis
1. des Bundes G. Krebs in Deutschland 2005-2006 - Häufigkeiten und Trends. Robert
Koch Institut, Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V.;
2010.
2. Heldwein W, Dollhopf M, Rösch T, et al. The Munich polypectomy study (MUPS):
prospective analysis of complications and risk factors in 4000 colonic snare polypec-
tomies. Endoscopy. 2005;37(11):1116–22.
3. Gono K, Obi T, Yamaguchi M, et al. Appearance of enhanced tissue features in
narrow-band endoscopic imaging. J Biomed Opt. 2004;9(3):568–77.
4. Tischendorf JJW, Wasmuth HE, Koch A, et al. Value of magnifying chromoendos-
copy and narrow band imaging (NBI) in classifying colorectal polyps: a prospective
controlled study. Endoscopy. 2007;39(12):1092–6.
5. Stehle T, Auer R, Gross S, et al. Classification of colon polyps in NBI endoscopy
using vascularization features. Proc SPIE. 2009;7260:2s1–12.
6. Stehle T. Removal of specular reflections in endoscopic images. Acta Polytechnica.
2006;46(4):32–6.
7. Kovesi P. Image features from phase congruency. Videre. 1999;1(3):2–26.
8. Sethian J. A fast marching level set method for monotonically advancing fronts. In:
Proc Nat Acad Sci. vol. 93; 1996. p. 1591–5.
9. Canny J. A computational approach to edge detection. IEEE Trans Pattern Anal
Mach Intell. 1986;8(6):679–98.