Robuste Bifurkationsdetektion für das Tracking von Koronararterien Xin Wang1 , Tobias Heimann1 , Henning Steen2 , Florian Andre2 , Hans-Peter Meinzer1 , Ingmar Wegner1 1 Abteilung für Medizinische und Biologische Informatik, DKFZ Heidelberg, 2 Abteilung für Innere Medizin, Krehl-Klinik Heidelberg xin.wang@dkfz-heidelberg.de Kurzfassung. Das Verfolgen von tubulären Strukturen aus 3D medizi- nischen Bilddaten ist essentiell für viele computergestützte medizinische Anwendungen. In diesem Beitrag wird ein Algorithmus zur automati- schen Detektion der Verzweigungen für das statistische Tracking der Koronararterien vorgestellt. Basierend auf einem zylindrischen Modell wird ein Maß für die Erkennung der Verzweigungen entwickelt. Dieser Ansatz vermeidet aufwendiges Suchen der Bifurkationen in jedem Itera- tionsschritt und ist somit effizient. Für die Detektion der Verzweigungen wird das gleiche geometrische Modell wie für das Tracking der Gefäße verwendet. Die erste Evaluation auf 8 CTA-Datensätzen von Koronarar- terien zeigt, dass 91.7 % der Hauptzweige und 87.5 % der Seitenzweige korrekt detektiert werden können. 1 Einleitung Die Segmentierung von Blutgefäßen aus volumetrischen Bilddaten ist essentiell für viele medizinische Anwendungen, wie zum Beispiel die Diagnose-, die The- rapieunterstützung und die Operationsplanung. Die Gefäße sind dünne, annäh- rend röhrenförmige Strukturen mit variablen Durchmessern und Krümmungen. Sie sind oft mehrfach verzweigt und eingebettet in andere komplexe Organe. Da- durch ist die akkurate Segmentierung von Gefäßen eine große Herausforderung. Bisher wurde eine Vielzahl von Verfahren in diesem Gebiet veröffentlicht [1]. Ein vielversprechender Ansatz ist das statistische Tracking der Gefäßzentrallinie. Die Vorteile dieser Methode liegen darin, dass multiple Hypothesen verfolgt und kom- plexe Modelle in den Trackingprozess integriert werden können. Die meisten pu- blizierten Arbeiten für das Tracking der Koronararterien konzentrieren sich auf das Tracking von Einzelgefäßen [1]. Um hiermit einen kompletten Gefäßbaum zu erstellen, wird intensive Benutzerinteraktion benötigt. Das Verfahren von Florin et al. [2] verwendet einen Clustering-Algorithmus zur automatischen Erkennung der Bifurkationen. Allerdings ist es begrenzt auf die Detektion der Hauptzweige. Die Methode von Zambal et al. [3] selektiert in jeder Iteration des Trackingvor- gangs einen Bifurkationskandidaten. Zur Evaluation der Kandidaten wird der Trackingprozess von jedem Kandidaten aus drei Schritte fortgeführt. Das Ver- fahren wird an dem besten Kandidaten rekursiv fortgesetzt. Unsere Methode Robuste Bifurkationsdetektion 275 basiert auf diesem Ansatz und erweitert ihn um einen Algorithmus zur automa- tischen Detektion von Bifurkationskandidaten. Hierbei wird ein Maß mit Hilfe eines zylindrischen Modells für die Erkennung der Verzweigungen entwickelt. Die Anzahl der Kandidaten ist im Vergleich zur Arbeit von Zambal et al. [3] deutlich reduziert und der Trackingprozess ist somit effizienter. 2 Material und Methoden 2.1 Tracking eines Einzelgefäßes Das Tracking eines Einzelgefäßes wird durchgeführt, indem ein Form- und Er- scheinungsmodell schrittweise an das Bild angepasst wird. Hierbei wird die Ba- yes’sche Regel für das statistische Tracking angewandt [4]. Wir integrieren Vor- wissen über Radii, Krümungen und Grauwertintensitäten der Gefäße in die a- priori-Wahrscheinlichkeit und entwickeln die Likelihood-Funktion mit einer gra- dientenflussbasierten Eigenschaft. Die Hypothese eines Röhrensegments in Iteration t kann durch einen Zu- standsvektor ω = (pt , vt , rt , It ) beschrieben werden. Dabei bezeichnet pt die Po- sition, vt die Orientierung, rt den Radius und It die Grauwerintensitäten des Segments. Eine Röhrenkonfiguration wird durch den Vektor ω0:t ≡ {ω0 , ..., ωt } dargestellt. Basierend auf den Beobachtungen z0:t von Iteration 0 zu t wird die Posteriori-Wahrscheinlichkeit einer Konfiguration mit der Bayes’schen Regel be- rechnet [4] p(ω0:t |z0:t )∞p(ωt |ωt−1 )p(zt |ωt )p(ω0:t−1 |z0:t−1 ) (1) Gegeben ein 3D Bildvolumen ergibt sich das Trackingergebnis aus der Röhren- konfiguration ω0:t , welche p(ω0:t |z0:t ) maximiert. Für die Schätzung der Likelihood-Wahrscheinlichkeit wird ein zylindrisches Modell verwendet (Abb. 1a). An den Schnittebenen wird die Zylinderoberfläche in N gleichmäßig verteilte Punkten diskretisiert. Zur Definition der Likelihood- Funktion verwenden wir den minimalen Gradientenfluss [5] N 2 ∑2 MFlux(p, v, r) = min(< ▽I(xi ), ui >, < ▽I(xπi ), uπi >) (2) N i=1 und erweitern ihn um den Term G(It , It−1 ): p(z|ωt ) = MFlux(p, v, r)G(It , It−1 ) (3) Dabei bezeichnet ▽I(xi ) den Gradientenvektor am Punkt xi und ui = |p−xp−xi i| π den korrespondierenden radialen Vektor (Abb. 1a). Das Paar (xi , xi ) beschreibt die diametral gegenüberliegenden Punkte auf der Schnittebene für eine gerade Anzahl von Punkten N . Der Term G(It , It−1 ) bestraft große Intensitätsdiffe- renzen zwischen zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Röhrenkonfigurationen ωt−1 und ωt . Dadurch wird vermieden, dass die Röhrenkonfiguration aufgrund von Kalzifikationen im Gefäß hyperintense Grauwertbereiche verfolgt. 276 Wang et al. 2.2 Detektion von Bifurkationen Zur Erkennung der Verzweigungen wurde ein Maß mit Hilfe des zylindrischen Modells (Abb. 1a) entwickelt. Da ein zylindrisches Modell der Geometrie von verzweigten Gefäßsegmenten nicht entspricht, existiert keine perfekte Anpas- sung (Abb. 1b). Die Werte der radialen Gradienten weisen große Unterschiede auf: Sie sind hoch in Richtung des Gefäßaußenrandes und niedrig in Richtung der Verzweigungen. Da die radialen Gradienten bei den Gefäßsegmenten ohne Verzweigungen nahezu homogene Werte haben, kann die inhomogene Wertvertei- lung für die Detektion der Bifurkationen genutzt werden. Wird der Zylinderrand gleichmäßig in eine gerade Anzahl von Abschnitten aufgeteilt, kann der Gradi- entenfluss an Seite s als 1 ∑ ws ∑h Flux(s) = < ▽I(xi ), ui > (4) ws h i=1 j=1 definiert werden. In den realen Bilddaten weisen niedrige Werte von Flux(s) je- doch nicht eindeutig auf Bifurkationen hin. Abbildung 1c zeigt eine leichte Ver- schiebung des Modells bezüglich des Gefäßsegments. In diesem Fall hat Flux(s) einen niedrigen Wert auch für das nicht verzweigte Segment. Um beide Situatio- nen zu unterscheiden, betrachten wir die mittlere Intensitätsdifferenz zwischen Seite s und der gegenüberliegenden Seite sπ (Is − Isπ ) D(s) = (5) σ Dabei bezeichnet σ die Standardabweichung der Intensitätsdifferenz zwischen zwei gegenüberliegenden Seiten. Das Maß D(s) hat einen höheren Wert im Fall von Abb. 1c aufgrund der asymmetrischen Beiträgen der Intensitäten und einen (e) (f) (g) Abb. 1. Zylindermodell (rote Linie) und Querschnitt eines Gefäßsegments (weißes Ob- jekt). (a) Zylinder Modell; (b) Querschnitt des Zylindermodells am Bifurkationsseg- ment; (c) Querschnitt des leicht verschobenen Zylindermodells im Vergleich zum Ge- fäßsegment. Robuste Bifurkationsdetektion 277 niedrigeren Wert im Fall von Abb. 1b. Das Maß für die Erkennung der Bifurka- tionen ist eine konjunktive Kombination von (4) and (5) B(s) = min(Flux(s))D(s) (6) Nach diesem Maß sind die Bifurkationskandidaten durch lokale Minima definiert. 2.3 Tracking von Gefäßbäumen Der Algorithmus für das Tracking eines Gefäßbaumes besteht aus vier Schritten (Abb. 2): 1. Tracking eines Einzelgefäßes mit der Bayes’schen Regel bis zur Terminierung; 2. Selektion der Bifurkationskandidaten mit Hilfe des Maßes B(s); 3. Evaluierung der Bifurkationskandidaten durch weiteres Tracking jedes Zwei- ges um drei Schritte; 4. Rekursive Fortsetzung des Trackings an den besten Kandidaten. 3 Ergebnisse Die Methode wurde auf 8 CTA-Datensätzen der Koronararterien evaluiert. Die Daten stammen von der Coronary Artery Tracking Challenge“ (CATC) [6]. Sie ” sind repräsentativ für den klinischen Alltag bezüglich der Bildqualität und der Präsenz von Kalziumablagerungen in Gefäßen. Die Referenzen enthalten vier Koronararterien: RCA, LAD, LCX und einen Seitenzweig einer Hauptkoronar- arterie. Die anderen feinen Gefäße sind nicht in den Referenzen enthalten, kön- nen aber von unserem Algorithmus detektiert werden.Die zusätzlich gefundenen Gefäße wurden von einem medizinischen Experten evaluiert. Hierbei traf der Ex- perte anhand der Bildinformation eine Aussage, ob das zu beobachtende Gefäß (a) (b) (c) (d) Abb. 2. Workflow für die Bifurkationsdetektion: (a) Gefäßzentrallinie und Zylinder- modell; (b) Messwerte zur Erkennung der Bifurkationen (rot für Minima, violett für Maxima); (c) Bifurkationskandidaten; (d) Trackingergebnis. 278 Wang et al. Tabelle 1. Detektionsergebnisse auf 8 CTA-Datensätze der Koronararterien. #Zweige in Ref. #Zweige in Erg. Richtig Positiv Falsch Positiv Hauptzweige 24 22 91.7 % 0% Seitenzweige 8 24 87.5 % 0% falsch positiv ist. Die Detektionsergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt. Von den 24 Seitenzweigen sind nur 7 Zweige in den Referenzdaten enthalten. Die anderen 17 Zweige wurden durch den Algorithmus zusätzlich gefunden. 4 Diskussion In diesem Beitrag präsentieren wir einen Algorithmus zur automatischen Detek- tion von Verzweigungen für das statistische Tracking eines Gefäßbaumes. Mit diesem Verfahren können die Bifurkationskandidaten effizient selektiert werden. Hierbei wird kein zusätzliches geometrisches Modell für die Erkennung der Ver- zweigungen benötigt. Zukünftige Arbeitspackete beinhalten eine intensive Eva- luation des Verfahrens auf den von CATC online zur Verfügung gestellten Test- datensätzen. Danksagung. Die Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Forschungsschwerpunkts Protektive Beatmungskonzepte (PAR)“ ” gefördert. Literaturverzeichnis 1. Lesage D, Angelini ED, Bloch I, et al. A review of 3D vessel lumen segmen- tation techniques: models, features and extraction schemes. Med Image Anal. 2009;13(6):819–45. 2. Florin C, Paragios N, Williams J. Particle filters, a quasi-Monte-Carlo-solution for segmentation of coronaries. Med Image Comput Comput Assist Interv. 2005;8:246– 53. 3. Zambal S, Hladuvka J, Kanitsar A, et al. Shape and appearance models for auto- matic coronary artery tracking. Insight J. 2008. 4. Schaap M, Manniesing R, Smal I, et al. Bayesian tracking of tubular structures and its application to carotid arteries in CTA. Med Image Comput Comput Assist Interv. 2007;10:562–70. 5. Lesage D, Angelini ED, Bloch I, et al. Design and study of flux-based features for 3D vascular tracking. In: Proc IEEE ISBI; 2009. p. 286–9. 6. Schaap M, Metz CT, van Walsum T, et al. Standardized evaluation methodology and reference database for evaluating coronary artery centerline extraction algorithms. Med Image Anal. 2009;13(5):701–14.